Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2015, Az. 4 StR 132/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 7495

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4
StR 132/15

vom
28. Juli
2015
in der Strafsache
gegen

wegen
Vergewaltigung u.a.

-
2
-
Der 4. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers
am 28. Juli
2015
gemäß
§ 349 Abs.
4 StPO
beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 3. Dezember 2014 mit den Feststellungen auf-gehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und vor-sätzlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus-gesetzt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist begründet.
I.
Das [X.] hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getrof-fen:
1. An einem nicht
näher bestimmbaren Abend im Oktober 2011 kam es zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten zu einem Streit, weil die Ge-schädigte sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten ablehnte. Der Angeklagte 1
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wollte die Ablehnung nicht akzeptieren und äußerte, dass "sie es dann wohl mit Gewalt bräuchte und er sich nehme, was er brauche". Anschließend schubste er die mit einem Schlafanzug bekleidet auf dem Schlafsofa sitzende Geschädig-te in eine Liegeposition, ergriff ihre Hände, die er mit einer Hand festhielt, und zog mit der anderen Hand ihre Schlafanzughose herunter. Sodann legte sich der Angeklagte auf die Geschädigte, die sich aus seiner Umklammerung nicht befreien konnte, spreizte ihre Beine auseinander und vollzog den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss (Tat II. 1 der Urteilsgründe). Im Rahmen einer erneuten Auseinandersetzung am 16. Dezember 2011 schubste der Angeklagte die Geschädigte gegen eine Wand, packte sie mit beiden Hän-den am Hals und würgte sie (Tat II. 2 der Urteilsgründe).
2. Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Ihre Überzeugung von dem festgestellten Geschehen stützt die [X.] auf die Angaben der [X.], die sie als glaubhaft bewertet. In ihrer ersten polizeilichen Verneh-mung am 1. März 2012, bei der eine detaillierte Befragung der Geschädigten unterblieb, gab die Geschädigte an, dass es während der Beziehung mit dem Angeklagten viermal zu Vergewaltigungen
gekommen sei, welche sich im [X.], November und Dezember 2011 zugetragen hätten. Im Rahmen der [X.] Vernehmung durch die Fachdienststelle der Polizei am 14. März 2012 schilderte die Geschädigte die Vergewaltigungen auf explizite Nachfrage. Im weiteren Verlauf der Vernehmung berichtete sie detailliert von der [X.] im Oktober 2011. In der Hauptverhandlung hat die Geschädigte die Tat im Oktober 2011 hinsichtlich Zeitpunkt, Anlass und Ablauf der eigentlichen Verge-waltigungshandlung in Übereinstimmung mit ihren Bekundungen in der polizeili-chen Vernehmung am 14. März 2012 geschildert. Ausweislich ihrer Erwägun-gen zur Strafrahmenwahl geht die [X.], die das Verfahren hinsichtlich des Anklagevorwurfs einer weiteren im November oder Dezember 2011 [X.]
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genen Vergewaltigung in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein-gestellt hat, davon aus, dass sexuelle Übergriffe des Angeklagten auf die Ge-schädigte über die ausgeurteilte Tat hinaus zwar möglich aber nicht sicher fest-stellbar seien. Nach Auffassung des [X.] spricht der Umstand, dass die Geschädigte abweichend von den Feststellungen von weiteren [X.]en berichtet habe, deren Anzahl zwischen drei und vier geschwankt habe, "nicht gegen die Glaubhaftigkeit der ersten geschilderten und festgestellten Vergewaltigung im Oktober 2011".
II.
Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Erwägungen der [X.] eine nachvollzieh-bare Begründung für die unterschiedliche Bewertung der Verlässlichkeit der Angaben der Geschädigten zu der Tat im Oktober 2011 einerseits und den [X.] Vergewaltigungsvorwürfen andererseits vermissen lassen.
1. In einer Konstellation, in welcher -
wie hier -
"Aussage gegen Aussa-ge" steht und außer der Aussage des einzigen Belastungszeugen keine weite-ren belastenden Indizien vorliegen, muss sich der Tatrichter
bewusst sein, dass die Aussage dieses Zeugen einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung zu [X.] ist. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können,
erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 29. Juli 1998
-
1 [X.], [X.]St 44, 153, 158 f.; Beschluss vom 19. November 2014
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4 [X.], [X.], 86; Urteil vom 12. Dezember 2012 -
5 [X.], [X.], 119). [X.] das Gericht einen Teil der Aussage des Belastungszeugen, obwohl es ihm in anderen Teilen nicht folgt, bedarf dies re-gelmäßig einer besonderen Begründung (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Septem-5
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5
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ber 2013 -
1 [X.] Rn. 19; Urteil vom 20. Februar 2014 -
3 [X.]/13
Rn. 14, insoweit in [X.], 600 nicht abgedruckt; Beschluss vom 24. Juni 2003 -
3 [X.], [X.], 332
f.).
2. Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. [X.] die [X.] die Bekundungen der Geschädigten zu den weiteren Vergewaltigungen für den sicheren Nachweis entsprechender Übergriffe des Angeklagten auf die Geschädigte nicht als ausreichend erachtet hat, hält sie die Angaben der Geschädigten zu der abgeurteilten Tat im Oktober 2011 für unein-geschränkt glaubhaft. Diese
differenzierende Bewertung der Glaubhaftigkeit einzelner Aussageteile hätte einer
näheren
Begründung bedurft, die das ange-fochtene Urteil in Gänze vermissen lässt. In diesem Zusammenhang wäre das [X.] gehalten gewesen, auch die Angaben, welche die Geschädigte in ihren polizeilichen Vernehmungen am 1. und 14. März 2012 sowie in der Hauptverhandlung zu den weiteren Vergewaltigungen durch den Angeklagten gemacht hat, inhaltlich mitzuteilen und auf dieser Grundlage nachvollziehbar darzutun, aus welchen Erwägungen es die Schilderung der Tat im Oktober 2011 -
abweichend von der Bewertung der die weiteren Vergewaltigungsvor-würfe betreffenden Aussageteile -
als tragfähige Grundlage für eine sichere tat-gerichtliche Feststellung des Tatgeschehens angesehen hat.
3. Da die Lücke in der Beweiswürdigung auch die gleichermaßen allein auf den Bekundungen der Geschädigten beruhende Verurteilung wegen Kör-perverletzung betrifft, bedarf die Sache insgesamt einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass von [X.] weiteren Zeugin aus dem Umfeld des Angeklagten gegen diesen erhobene Vorwürfe gewaltsamer sexueller Übergriffe nur dann als den Angeklagten be-7
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lastendes Indiz gewertet werden können, wenn sich der Tatrichter von der Rich-tigkeit dieser Vorwürfe überzeugt hat. Die belastende indizielle Bedeutung knüpft nicht an die Belastung durch die Zeugin als solche sondern allein an das von der Zeugin bekundete Verhalten des Angeklagten an, das prozessord-nungsgemäß festgestellt und zur Überzeugung des Tatgerichts feststehen muss (vgl. [X.], Urteil vom 31. Oktober 1989 -
1
StR 419/89, [X.]St 36, 286, 290; [X.] in [X.], 7. Aufl., § 261 Rn. 53 mwN).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak

Bender Quentin

Meta

4 StR 132/15

28.07.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2015, Az. 4 StR 132/15 (REWIS RS 2015, 7495)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7495

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4 StR 427/14

5 StR 544/12

3 StR 289/13

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