Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.01.2015, Az. I R 33/13

1. Senat | REWIS RS 2015, 17093

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Gegenstand

Hemmung des Anlaufs der Festsetzungsfrist gegenüber einem Haftungsschuldner


Leitsatz

1. NV: Der Anlauf der Festsetzungsfrist gegenüber einem Haftungsschuldner wird gehemmt, wenn der Haftungsschuldner von Gesetzes wegen zur Abgabe einer Steueranmeldung oder zur Erstattung einer Anzeige verpflichtet ist und dieser Verpflichtung nicht nachkommt (Bestätigung der ständigen Senatsrechtsprechung, z.B. Urteil vom 9. August 2000 I R 95/99, BFHE 193, 12, BStBl II 2001, 13) .

2. NV: Der Abgabe einer Steueranmeldung, die die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beendet, steht eine Steuerfestsetzung unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AO) auch bei einer Abzugsteuer nicht gleich .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Februar 2013  9 K 9282/09 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob ein Haftungsbescheid (Haftung für Kapitalertragsteuer) rechtmäßig ist.

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war sowohl alleiniger Geschäftsführer der [[[[X.].].].] (B-GmbH), die mit dem An- und Verkauf und der Verwaltung von Grundstücken und Immobilien befasst war, als auch Geschäftsführer und Alleingesellschafter ihrer Gesellschafterin, der [[[[X.].].].] ([[[[X.].].].]). Umsätze erzielte die B-GmbH seit Ende 2000 nicht mehr; im Dezember 2002 wurde im Handelsregister des Amtsgerichts (AG) [[[[X.].].].] ihre Auflösung und die Bestellung des [[[[X.].].].] zum Liquidator eingetragen.

3

Am 6. September 2001 beschloss die Gesellschafterversammlung der B-GmbH, an die [[[[X.].].].] am selben Tag einen Gewinn für das Kalenderjahr 2000 in Höhe von 1.754.578 DM auszuschütten. Der Kläger stellte der beim Finanzamt für Körperschaften in [[[[X.].].].] ([[[[X.].].].]) steuerlich geführten [[[[X.].].].] eine Bescheinigung über anrechenbare Körperschaftsteuer (751.962 DM) und Kapitalertragsteuer (438.644,50 DM) und Solidaritätszuschlag ([[[[X.].].].] DM) aus. Eine Anmeldung und Abführung der [[[[X.].].].] unterblieb. Durch weitere Vereinbarung vom 6. September 2001 trat die [[[[X.].].].] der B-GmbH den Gesamtbetrag der anrechenbaren Körperschaftsteuer und [[[[X.].].].]n ab, was die [[[[X.].].].] dem [[[[X.].].].] im August 2002 anzeigte. Am 30. September 2002 beschloss die Gesellschafterversammlung der [[[[X.].].].] die Auflösung der Gesellschaft; zum Liquidator wurde der Kläger bestellt.

4

Am [[[[X.].].].] Mai 2003 stellte der Kläger für die B-GmbH beim AG [[[[X.].].].] einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, woraufhin das Gericht im August 2003 ein vorläufiges Aufrechnungsverbot für die Gläubiger erließ. Am 15. November 2004 wurde Rechtsanwalt [[[X.].].] als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt.

5

Am 27. Februar 2003 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt [[[[X.].].].] --[[[[X.].].].]--) aufgrund einer vom [[[[X.].].].] übersandten Kontrollmitteilung über eine Ausschüttung für den Zeitraum September 2001 Kapitalertragsteuer (224.275,37 €) gegenüber der B-GmbH fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

6

Das [[[[X.].].].] erließ am 18. Februar 2005 einen Abrechnungsbescheid gegenüber der [[[[X.].].].], mit dem es feststellte, dass das Guthaben aus Körperschaftsteuer 2001 in Höhe von 608.747,69 € zuzüglich Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer in Höhe von 12.335,43 € (insgesamt 621.083,12 €) wegen Abtretung (an die B-GmbH) und Erfüllung erloschen sei. Den Betrag hatte das [[[[X.].].].] an das [[[[X.].].].] überwiesen; dort wurde er zunächst mit anderen, hier nicht streitigen Steuerschulden verbucht, später aber auf Anforderung des [[[[X.].].].] zurückgezahlt. Den Bescheid vom 18. Februar 2005 hob das [[[[X.].].].] am 26. April 2006 auf. Den nach Erlass des geänderten [[[[X.].].].] 2001 vom 3. Juli 2007 ergangenen Abrechnungsbescheid vom 21. Oktober 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2008 hob das [[[[X.].].].] am 8. Dezember 2010 auf.

7

Über das Vermögen der B-GmbH wurde am ... März 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und [[[X.].].] zum Insolvenzverwalter bestellt.

8

Am 3. Juli 2007 erließ das [[[[X.].].].] gegenüber der [[[[X.].].].] einen Änderungsbescheid für 2001 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag (zu versteuerndes Einkommen nach Ansatz eines Verlustrücktrags: 0 €). Unter Berücksichtigung anzurechnender Körperschaftsteuer (415.422 DM) und anzurechnender Kapitalertragsteuer (438.645 DM) ergab sich ein Guthaben von 854.067 DM (436.677,52 €) zuzüglich Solidaritätszuschlag von 12.335,14 €, zusammen 449.012,66 €.

9

Ebenfalls mit Verfügung vom 3. Juli 2007 (gerichtet an [[[X.].].]) rechnete das [[[[X.].].].] gegenüber der B-GmbH die Forderung auf Auszahlung des Guthabens aus dem Körperschaftsteuerbescheid vom 3. Juli 2007 gegen den Bundesanteil der Steuerschulden der B-GmbH beim [[[[X.].].].] auf. Es überwies den gesamten Betrag (449.012,66 €) an das [[[[X.].].].].

Am 3. September 2008 forderte das [[[[X.].].].] vom [[[[X.].].].] von dem überwiesenen Betrag 218.338,76 € zurück, weil nur der Bundesanteil an der Körperschaftsteuer (218.338,76 €) und der Solidaritätszuschlag von 12.335,14 € (insgesamt 230.673,90 €) hätten überwiesen werden dürfen. Der Differenzbetrag zu 449.012,66 € (218.338,76 €) sei deshalb vom [[[[X.].].].] zu erstatten. Das [[[[X.].].].] leitete den Betrag an [[[X.].].] als Insolvenzverwalter der B-GmbH weiter.

Das [[[[X.].].].] erließ am 27. April 2007 gegenüber der [[[[X.].].].] einen auf § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 1997 (EStG 1997) gestützten Nachforderungsbescheid über 224.275,37 € Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag. Im Einspruchsverfahren wurde die Nachforderung wegen teilweiser Tilgung auf 112.137,69 € herabgesetzt; eine Klage der [[[[X.].].].] wurde später zurückgenommen.

Am 5. März 2008 erließ das [[[[X.].].].] einen Haftungsbescheid, mit dem es den Kläger als früheren Geschäftsführer der B-GmbH gemäß § 69 der Abgabenordnung ([[[[X.].].].]) wegen der noch fälligen Kapitalertragsteuer für September 2001 in Höhe von 112.137,69 € in Anspruch nahm (hälftiger Betrag von 224.275,62 €), nachdem Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der B-GmbH wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aussichtslos erschienen. Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich ([X.], Urteil vom 28. Februar 2013  9 K 9282/09).

Das [[[[X.].].].] rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat rechtsfehlerhaft dahin erkannt, dass der Haftungsbescheid wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist rechtswidrig ist.

1. Nach § 191 Abs. 1 i.V.m. § 69 [X.] kann die Finanzbehörde die in § 34 [X.] bezeichneten Personen mit Haftungsbescheid in Anspruch nehmen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht erfüllt wurden. Zu jenen Personen gehören die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

2. Das [X.] hat im angefochtenen Urteil die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Inanspruchnahme des [X.] zu Recht als erfüllt angesehen: Der Kläger war als Geschäftsführer der ausschüttenden B-GmbH verantwortlich, deren Pflicht zur Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der mit der Ausschüttung ausgelösten Kapitalertragsteuer (§ 31 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1997], § 44 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 45a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 5 EStG 1997) zu erfüllen. Dem ist er nicht nachgekommen. Der Pflichtenverstoß erfolgte auch jedenfalls grob fahrlässig (§ 69 Satz 1 [X.]), da er seine Verpflichtung zur Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer auf der Grundlage seiner langjährigen Tätigkeit als Geschäftsführer hätte kennen müssen. Der Haftung kann der Kläger auch nicht, wie das [X.] rechtsfehlerfrei entschieden hat, einen etwaigen Schadensausgleich bei der Steuerfestsetzung oder eine Aufrechnung (die tatsächlich nicht stattgefunden hatte) entgegenhalten. Im Übrigen hindert der Umstand, dass eine Anrechnung bei der Ausschüttungsempfängerin ([X.]) auch hätte versagt werden dürfen, die Haftung nicht, da eine Anrechnung tatsächlich stattgefunden hat. Darüber hinaus wird die Haftung von der Höhe der konkreten Festsetzung der Steuerschuld (hier: bei der [X.]) nicht berührt; sie steht selbständig neben der Steuerschuld (z.B. Senatsurteil vom 26. Februar 2003 I R 30/02, [X.] 2003, 1301, m.w.N.). Schließlich hat das [X.] ohne Rechtsfehler entschieden, dass Ermessensfehler bei der Inanspruchnahme des [X.], soweit sie Gegenstand einer gerichtlichen Prüfung sein können (§ 102 Satz 1 [X.]O), gerade mit Blick auf die Aussichtslosigkeit eines Realisierungserfolgs bei der B-GmbH nicht ersichtlich sind.

3. Das [X.] hat allerdings --und das ist [X.] des in der Revisionsinstanz geführten [X.] den Haftungsbescheid als rechtswidrig angesehen, weil zum Zeitpunkt seines Erlasses die Festsetzungsfrist abgelaufen sei (§ 191 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Dem ist nicht beizupflichten.

a) Nach § 191 Abs. 3 Satz 1 [X.] sind die Vorschriften über die Festsetzungsfrist auf den Erlass von [X.] entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist, die im Streitfall vier Jahre beträgt (s. insoweit § 191 Abs. 3 Satz 2 Alternative 1 [X.]), beginnt mit Ablauf des [X.], in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft (§ 191 Abs. 3 Satz 3 [X.]). Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 [X.] sinngemäß (§ 191 Abs. 3 Satz 4 [X.]), und danach endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe der Steuerfestsetzung.

b) Das [X.] hat seine Fristberechnung auf § 191 Abs. 3 Satz 3 [X.] und auf § 191 Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 2 [X.] gestützt, mithin auf eine sinngemäße Anwendung des § 171 Abs. 10 [X.]. Da die Steuerfestsetzung gegenüber der B-GmbH (Festsetzung der Kapitalertragsteuer) am 27. Februar 2003 erfolgte, komme eine nach § 191 Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 2 [X.] berechnete Ablaufhemmung bei einem Fristbeginn zum 31. Dezember 2001 (Fristbeginn mit dem Ablauf des [X.], in dem die Pflichtverletzung erfolgte) und einer Frist von vier Jahren im Streitfall "im Ergebnis nicht zum Tragen". Die Frist sei jedenfalls vor dem Tag der Bekanntgabe des Haftungsbescheides (Bescheid vom 5. März 2008) abgelaufen.

c) Die Fristberechnung des [X.] ist rechtsfehlerhaft. Denn sie beruht auf der Nichtanwendung der Rechtsprechung des [X.] ([X.]), nach der es in der Situation der Haftung eines sog. Entrichtungsschuldners zu einer entsprechenden Anwendung der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] im Bereich des § 191 Abs. 3 [X.] kommt. Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken.

aa) Nach jener Rechtsprechung beginnt die Festsetzungsfrist für eine Haftung eines sog. Entrichtungsschuldners, wenn der haftungsbegründende Pflichtenverstoß darin begründet ist, dass eine Steueranmeldung (Entrichtungssteuer) nicht abgegeben wurde, mit Ablauf des [X.], in dem die Steueranmeldung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten [X.], das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 191 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]; s. Senatsurteile vom 17. April 1996 I R 82/95, [X.]E 180, 365, [X.] 1996, 608; vom 9. August 2000 I R 95/99, [X.]E 193, 12, [X.] 2001, 13; s.a. [X.]-Urteil vom 6. März 2008 VI R 5/05, [X.]E 220, 307, [X.] 2008, 597; [X.]-Beschlüsse vom 22. Januar 2003 V B 122/02, [X.] 2003, 645; vom 22. Juni 2011 VII S 1/11, [X.] 2011, 2014; s.a. [X.] Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011  13 K 2582/07, Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 778). Die Literatur folgt dieser Auffassung überwiegend (z.B. Nacke, [X.], 3. Aufl., Rz 689; [X.], [X.], 4. Aufl., Rz 629, 633; [X.] in [X.], [X.] § 191 Rz 45; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 191 [X.] Rz 70; s.a. Gosch, [X.], 2087).

bb) Das [X.] verweist demgegenüber auf den Wortlaut des § 191 Abs. 3 Satz 3 [X.]: Indem dort maßgeblich an die (erstmalige) Pflichtverletzung des Haftenden angeknüpft werde, könne die für den Steueranspruch geltende Regelung einer Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] nicht gelten; dies erweise sich in besonderem Maße an dem Fall, dass der Geschäftsführer der Kapitalgesellschaft (Entrichtungssteuerschuldnerin) nach dem ursprünglichen Pflichtenverstoß ausscheide, ihm daher in der [X.] keine Möglichkeit mehr offenstehe, auf die Abgabe einer Steuererklärung der Kapitalgesellschaft hinzuwirken.

cc) Jene vom [X.] angeführte Sachverhaltskonstellation zeigt allerdings nicht auf, aus welchem Grund die (rechtliche) Möglichkeit, die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] durch (wenn auch verspätete) Abgabe der Erklärung zu beenden, auf den bereits eingetretenen Pflichtenverstoß des Geschäftsführers durch die frühere Nichtabgabe der Erklärung/Anmeldung (als haftungsbegründenden Tatbestand) einwirken soll. Vielmehr wird der Zeitpunkt des [X.], wenn jener darin liegt, [X.] nicht ordnungsgemäß nachgekommen zu sein, der Behörde zunächst nicht bekannt. Insoweit ist die Anlaufhemmung in Einklang mit dem Zweck des § 191 Abs. 3 Satz 4 [X.] sinnentsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid endet nicht vor dem Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist (z.B. Senatsurteil in [X.]E 193, 12, [X.] 2001, 13; Senatsbeschluss vom 4. September 2002 I B 145/01, [X.]E 199, 95, [X.] 2003, 223; [X.]-Urteil in [X.]E 220, 307, [X.] 2008, 597).

d) Auf dieser Grundlage beginnt die Festsetzungsfrist im Streitfall mit Ablauf des 31. Dezember 2004 und endet mit Ablauf des 31. Dezember 2008. Ein Verfahrenshindernis der Verjährung für die Haftungsinanspruchnahme durch den streitgegenständlichen Haftungsbescheid vom 5. März 2008 besteht damit nicht.

Die Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist ist nicht auf den Ablauf des 31. Dezember 2003 (als Ablauf des [X.], in dem die Steuerfestsetzung gegenüber der B-GmbH erfolgte) zu begrenzen. Zwar könnte man den Zweck jener Hemmung im Zeitpunkt der Festsetzung der Kapitalertragsteuer durch das [X.] als erfüllt ansehen. Denn das [X.] hat die Steuer auf der Grundlage der den gesamten [X.] (Ausschüttung) erfassenden Kontrollmitteilung des [X.] Kö entsprechend den Angaben der Ausschüttungsbescheinigung "aufgrund der unstrittig im Zeitraum September des Jahres 2001 vorgenommenen Ausschüttungen für das Wirtschaftsjahr 2000" (wenn auch unter Hinweis auf eine "bislang nicht vorgenommene(n) Kapitalertragsteueranmeldung" unter dem Vorbehalt der Nachprüfung) festgesetzt. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] soll verhindern, dass für eine Steuerfestsetzung nur noch unangemessen wenig Zeit bleibt, wenn die Finanzbehörde infolge einer Verletzung von Erklärungs- oder Steueranmeldungspflichten von einem steuerpflichtigen Vorgang erst mit erheblicher Verspätung Kenntnis erlangt (Senatsurteil vom 29. Januar 2003 I R 10/02, [X.]E 202, 1, [X.] 2003, 687). Es ließe sich infolgedessen vertreten, dass die Anlaufhemmung endet, wenn eine Steuerfestsetzung ohne weiteren Aufklärungsbedarf erfolgt. Insoweit könnte sich der Streitfall in rechtserheblicher Weise von der Situation einer durch die Nichtabgabe der Steuererklärung veranlassten Schätzung der Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 162 Abs. 1 [X.] bei einer Veranlagungssteuer unterscheiden, die die Anlaufhemmung nicht beendet (s. insoweit [X.]-Beschluss vom 29. Januar 1988 [X.], [X.] 1988, 480; Banniza in [X.]/[X.]/[X.], [X.] § 170 Rz 39; [X.] in [X.], [X.] § 170 Rz 31). Allerdings steht einem solchen Verständnis der Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] entgegen. Denn eine Steueranmeldung (verbunden mit einer "Wahrheitsversicherung" i.S. des § 150 Abs. 2 [X.]) ist durch die B-GmbH zu keinem Zeitpunkt beim [X.] eingereicht worden. Und von diesem Erfordernis kann angesichts der aus Gründen der Rechtssicherheit eher formalen Struktur der Verjährungsregelungen nicht abgesehen werden.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O).

Meta

I R 33/13

15.01.2015

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 28. Februar 2013, Az: 9 K 9282/09, Urteil

§ 69 AO, § 170 Abs 2 S 1 Nr 1 AO, § 191 Abs 3 S 1 AO, § 44 Abs 1 S 2 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.01.2015, Az. I R 33/13 (REWIS RS 2015, 17093)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17093

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