Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2018, Az. 3 StR 378/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 15751

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:110118U3STR378.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
3 StR
378/17
vom
11. Januar 2018
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
zu 1.: schwerer mittelbarer Falschbeurkundung

zu 2.: mittelbarer Falschbeurkundung

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 11.
Januar
2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am Bundesgerichtshof
Becker,

[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
die [X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
Hoch

als beisitzende [X.],

[X.] am [X.]

als Vertreter der [X.],

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Auf die Revisionen
der Angeklagten und der Staatsan-waltschaft wird das Urteil des [X.]s Stade vom 25.
Oktober 2016 aufgehoben.

Die Angeklagten werden freigesprochen.
2.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten V.

wegen schwerer mittelbarer Falschbeurkundung in 57
Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 330
Tagessät-zen zu je 15

und den Angeklagten R.

unter Freispruch im Übrigen wegen mittelbarer Falschbeurkundung in 55
Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20

. Mit ihren Revisionen
rügen die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts;
der Angeklagte R.

beanstandet außerdem
das Verfahren.
Die Staatsanwaltschaft hat jeweils zu
Ungunsten der
Angeklag-ten Revision eingelegt
und
erklärt, diese auf den Rechtsfolgenausspruch zu beschränken; sie
erhebt
ebenfalls die Sachbeschwerde und eine Verfahrensrü-ge. Sämtliche Rechtsmittel
-
diejenigen
der Staatsanwaltschaft zu Gunsten der Angeklagten -
haben mit der Sachrüge Erfolg
und führen zum Freispruch der Angeklagten.
1
-
4
-
I.
Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Im Tatzeitraum vom 19.
Mai 2010 bis zum 21.
Dezember 2011 lieferte die V.

Fleisch GmbH & Co. KG (im Folgenden: Firma V.

) [X.], unter anderem [X.], an das in der [X.] ansässige Unternehmen [X.] "M.

Y.

" (fortan: [X.]

). Der An-geklagte V.

war einer der Geschäftsführer der Komplementärin
der Firma V.

,
der Angeklagte R.

-
mit einer kurzzeitigen Unterbrechung
von sechs Wochen -
Mitarbeiter in deren Verkaufsabteilung.
In der [X.] unterlagen im Tatzeitraum Importe von Fleischwaren staatlichen Einfuhrreglementierungen. Die für den [X.] aus dem [X.] erforderliche Importlizenz wurde von den dortigen
staatlichen Stellen nur dann erteilt, wenn der ausländische Lieferant Fleisch im eigenen Betrieb ge-schlachteter Tiere verarbeitet hatte. Der Bezug von Fleischwaren, die das Ex-portunternehmen nicht selbst produziert, sondern von Drittfirmen erworben [X.], war dem Lizenznehmer nach den
[X.] Importvorgaben dagegen nicht erlaubt.
Das [X.], Ernährung und Landwirt-schaft hatte mit dem [X.] Veterinärdienst am 31.
Oktober 2005 in [X.] anlässlich eines Wirtschaftstreffens der [X.] (nachfolgend: [X.]) eine Übereinkunft über eine "Veterinärbescheinigung für die Ausfuhr von frischem [X.] aus der [X.] in die
[X.]" getroffen. Gegenstand dieser Abmachung war ein
in [X.] und [X.] Sprache gehaltenes
Muster eines
Veterinärzertifikats. In das Formular waren unter anderem Name und
Adresse des [X.], des Zerlegungsbetriebes sowie des Versen-2
3
4
5
-
5
-
ders einzutragen. Des Weiteren war die Einhaltung bestimmter -
insbesondere europarechtlicher -
lebensmittelhygienischer Standards für die Warenlieferung zu dokumentieren. Die ausgefüllte Veterinärbescheinigung
gehörte zu den
für den grenzüberschreitenden [X.]handel mit der [X.] notwendi-gen Transportpapieren.
Das [X.], Ernährung und Landwirt-schaft
teilte mit E-Mail vom 4.
November 2005 dem
-
für das Veterinärwesen zuständigen -
Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit, dass bei dem Wirtschaftstreffen der [X.] das be-schriebene Muster der "Veterinärbescheinigung für die Ausfuhr von frischem [X.] aus der [X.] in die [X.]"
paraphiert worden sei. Nach einer Änderung des Musters zum November 2010 wies das [X.] mit E-Mail vom 13.
März 2011 [X.] hin, dass das
neu abgestimmte Formular eines Veterinärzertifikats
ab [X.] zu verwenden sei.
Die [X.]

verfügte über eine [X.] Importlizenz für den [X.] von [X.] von der Firma V.

. Da der von dieser
durch eigene Schlachtung hergestellte [X.] regelmäßig nicht ausreichte, um die Lieferverpflichtungen gegenüber der [X.]

zu erfüllen, wies der Angeklagte V.

vor 57 Lieferungen Mitarbeiter der Firma V.

an, zu ex-portierenden
[X.] von anderen Produzenten einzukaufen. Vor der Ausfuhr wurde die Ware stets in einem [X.] der F.

. Fleisch-handelsgesellschaft mbH (im Folgenden: [X.]

) zwischengelagert; dort führten beim örtlich zuständigen Landkreis G.

beschäftigte Amtstierärzte sowie ein vom Landkreis
beauftragter niedergelassener Tierarzt Kontrollen
der Fleischwaren
insbesondere anhand schlüssiger Belege durch.
Um die Herkunft des [X.]s von Drittunternehmen zu verschleiern, erteilte der 6
7
-
6
-
Angeklagte V.

jeweils die Anweisung, an das [X.] inhaltlich unzu-treffende Umlagerungslieferscheine zu übermitteln. Bei 55 Lieferungen führte der Angeklagte R.

diese Anweisung aus, in
den beiden weiteren Fällen ein
anderer Mitarbeiter. Auf Grund der nicht zutreffenden Daten in den [X.] wurde der [X.] im Lagerbestand des Kühlhauses als von der Firma V.

produzierte Ware erfasst; die [X.]

. stellte entsprechende Vorzertifikate aus. Auf dieser Grundlage fertigten die kontrollierenden Tierärzte
bei sämtlichen 57 Lieferungen Veterinärbeschei-nigungen nach dem jeweils vorgegebenen zweisprachigen Muster und versa-hen sie mit ihrer Unterschrift sowie
dem Dienstsiegel. Die Bescheinigungen wiesen demzufolge
als Schlachtbetrieb ebenfalls die Firma V.

aus und [X.] die Einhaltung
der lebensmittelhygienischen Standards
allein in Bezug auf
diese, nicht auch auf den tatsächlichen Schlachtbetrieb.
Das Original der Veterinärbescheinigung wurde jeweils dem mit dem Transport der Ware betrauten LKW-Fahrer zusammen mit weiteren Frachtpa-pieren ausgehändigt; eine Kopie verblieb bei der [X.]

.

II.
Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg. Sie füh-ren zur Aufhebung des Urteils und zum Freispruch der Angeklagten. [X.] und Begründetheit der
Verfahrensrüge des Angeklagten R.

können daher
dahinstehen.
1. Die 57 Veterinärzertifikate, welche
die beim
Landkreis G.

be-schäftigten Tierärzte bzw. der von diesem beauftragte Tierarzt
ausstellten, stel-len keine öffentlichen Urkunden gemäß §
271 Abs.
1 [X.] dar.
8
9
10
-
7
-
a) Welche Urkunden als öffentliche Urkunden gelten, ist auch für das Strafrecht im Ausgangspunkt in §
415 Abs.
1 ZPO bestimmt (vgl. [X.], Urteil vom 11.
Juni 1963 -
1 [X.], [X.]St
19, 19, 21; Beschluss vom 14.
Au-gust 1986 -
4
StR 400/86, [X.]R [X.] §
348 Abs.
1 Notar
1).
Danach sind öf-fentliche Urkunden im Sinne des §
271 Abs.
1 [X.] (wie des §
348 Abs.
1 [X.]) solche, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer
[X.] oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen [X.] in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind. Der strafrechtliche Begriff erfordert darüber hinaus eine erhöhte Beweiskraft. Die öffentliche Urkunde muss für den Verkehr nach außen bestimmt sein und dem Zweck dienen, volle Beweiswirkung für und ge-gen jedermann zu erbringen. Nur soweit dieser öffentliche Glaube reicht, kön-nen
Falschangaben strafbewehrt sein (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Oktober 1954
-
3
StR 718/53, [X.]St
6, 380, 381; Beschlüsse vom 2.
Juli 1968 -
GSSt 1/68, [X.]St
22, 201, 202
f.; vom 30.
Oktober 2008 -
3
StR 156/08, [X.]St
53, 34, 35
f.; vom 14.
Juni 2016 -
3
StR 128/16, [X.]R [X.] §
271 Abs.
1 Öffentlicher Glaube
5; S/S-Heine/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
271 Rn.
8, 20; [X.], [X.], 12.
Aufl., §
271 Rn.
9, 29
f.).
Inwieweit eine öffentliche Behörde bei der Errichtung der Urkunde inner-halb der Grenzen ihrer [X.] tätig
ist, bestimmt sich nach den [X.] zugrundeliegenden Rechtsvorschriften. Eine ständige Verwaltungsübung allein kann dagegen eine Befugnis zur Ausstellung öffentlicher Urkunden nicht begründen
(vgl. [X.]
aaO, Rn.
18 mwN). Auch die inhaltliche Reich-weite
der erhöhten Beweiskraft ist den
Rechtsvorschriften zu entnehmen. So-weit eine ausdrückliche Regelung zur Beweiswirkung besteht, ist diese aus-schlaggebend. Fehlt eine solche, kann sich die erhöhte Beweiskraft
mittelbar
-
unter Beachtung der Anschauung des Rechtsverkehrs -
aus den Vorschriften ergeben, die für die Errichtung und den Zweck der
Urkunde maßgeblich sind
11
12
-
8
-
(vgl. [X.], Urteile vom 12.
Oktober 1995 -
4
StR 259/95,
[X.], 470; vom 16.
April 1996 -
1
StR 127/96, [X.]St
42, 131; vom 25.
Mai 2001 -
2 StR 88/01, [X.]St 47, 39, 42; Beschluss vom 14.
Juni 2016 -
3
StR 128/16, aaO).
Nach gefestigter Rechtsprechung kommt es daher entscheidend auf den auf der Grundlage einer Rechtsvorschrift beurkundeten öffentlichen Glauben an; die spezifische Beweiswirkung der öffentlichen Urkunde kann somit nicht
-
losgelöst von der Rechtsgrundlage -
allein aus der Verkehrsanschauung [X.] (entgegen [X.] aaO, Rn.
35 unter fälschlicher Berufung auf [X.], Urteil vom 25.
Mai 2001 -
2
StR 88/01, aaO, S.
42, 44) oder ausschließ-lich mit dem Beurkundungsinhalt, dem Beurkundungsvorgang und den tatsäch-lichen Prüfungsmöglichkeiten der Behörde begründet werden.
b) Unter Anlegung dieser Maßstäbe sind
die verfahrensgegenständlichen Veterinärbescheinigungen
nicht als öffentliche Urkunden im strafrechtlichen Sinne zu beurteilen.
Es fehlt an einer Rechtsgrundlage für die Ausstellung der Veterinärbescheinigungen als Ausfuhrdokumente mit voller Beweiswirkung für und gegen jedermann.
aa) Nach den Feststellungen dienten die Zertifikate, was sich bereits aus ihrer Bezeichnung ergibt, dem Fleischexport
aus [X.] in die [X.]. Mit ihnen wurden lebensmittelrechtlich relevante Aspekte dokumentiert; es [X.]
im Wesentlichen bestätigt, dass die gelieferten Fleischwaren bestimmten -
insbesondere im [X.] Recht normierten
-
Anforderungen an die Le-bensmittelsicherheit genügten, was für die [X.] naheliegend von erheb-licher Bedeutung war.
So sieht das Muster Angaben etwa zur
Tiergesundheit,
zur Unbelastetheit des Fleisches
sowie zu hygienischen Anforderungen
an die Verarbeitung unter Bezugnahme auf
Verordnungen
und
eine Richtlinie der [X.] vor. Auf die damalige [X.] Einfuhrreglementie-13
14
15
-
9
-
rung dergestalt, dass die für den Bezug von [X.] aus dem Ausland erforderliche Importlizenz von den dortigen staatlichen Stellen nur dann erteilt wurde, wenn der ausländische Lieferant selbstgeschlachtetes Fleisch verarbei-tet hatte, geht das Formular indes nicht explizit ein. Bei wahrheitsgemäßen An-gaben wäre ein etwaiger Verstoß gegen
die Lizenzbedingungen freilich zwangsläufig offenbart
worden.
bb) Eine Rechtsgrundlage
für die Ausstellung der Veterinärbescheinigun-gen als mit öffentlichem Glauben versehener
Exportdokumente
ergibt sich nicht aus
den allgemeinen Vorschriften des Lebensmittelrechts.
Zwar gehörte (und gehört)
in [X.] die verwaltungsrechtliche Überwachung von aus [X.] in Länder außerhalb der [X.] ausgeführten
Lebensmitteln
grundsätzlich
zu den Aufgaben der Land-kreise
und kreisfreien Städte. Die
sachliche Zuständigkeit zur Tatzeit
folgt aus §
2 Nr.
5 Buchst.
a der Verordnung über Zuständigkeiten auf verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr ([X.])
aF
i.V.m. §
38 Abs.
1, §
39 Abs.
1
LFGB, Art.
12 Abs.
1 der Verordnung ([X.]) Nr.
178/2002
des Europäi-schen Parlaments und des Rates vom 28.
Januar 2002 zur Festlegung der [X.] Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur [X.] der [X.] und zur Festlegung von Verfahren der Lebensmittelsicherheit (sog. Basisverordnung). Nach Art.
12 Abs.
1 VO ([X.]) Nr.
178/2002 haben auch aus der [X.] in ein Drittland
ausgeführte Lebensmittel grundsätzlich
den europarechtlichen Anforderungen des Lebensmittelrechts zu genügen. Die Überwachung der Einhaltung der
un-mittelbar geltenden Rechtsakte der [X.] ist nach §
38 Abs.
1, §
39 Abs.
1 LFGB die Aufgabe der nach Landesrecht zuständigen Behörden; in [X.] ist sie
den [X.] und kreisfreien Städten übertragen (vgl. §
2
Nr.
5 Buchst.
a [X.]
aF bzw. §
2 Abs.
1 Nr.
5 [X.] nF).

16
17
-
10
-
Mit dieser grundsätzlichen Übertragung der Aufgabe der
Überwachung
der Lebensmittelsicherheit auch in Fällen der Ausfuhr in ein Drittland ist jedoch den [X.] bzw. kreisfreien Städten nicht zugleich die Befugnis zugewie-sen, Urkunden zu errichten, die die Dokumentation der Ergebnisse von
Kontrol-len
mit Wirkung für und gegen jedermann
betreffen. Eine von einer Behörde ausgestellte Urkunde hat nicht schon deshalb die erforderliche erhöhte [X.], weil die zu beurkundenden Vorgänge in ihren gesetzlich bestimmten Auf-gabenbereich fallen; vielmehr ist
-
wie oben unter II.
1.
a) ausgeführt -
(mindes-tens) erforderlich, dass durch Rechtsvorschriften gerade die Beurkundung sei-tens der Behörde geregelt
ist. Aus den für die Errichtung und den Zweck der Urkunde maßgebenden Rechtsnormen ergeben sich die spezifische Beweiswir-kung
und ihre Reichweite. Im nationalen und supranationalen Lebensmittelrecht ist indes
für die Ausfuhr in ein Drittland -
anders als etwa für die Einfuhr aus einem Drittland (s. etwa
Art.
14 der Verordnung ([X.]) Nr.
854/2004 des [X.] und des Rates vom 29.
April 2004 mit besonderen Verfah-rensvorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs) -
eine solche die Beurkundung betreffende
allgemeinverbindliche
Vorschrift
nicht vorhanden.
cc) Eine die erhöhte Beweiskraft bewirkende Rechtsgrundlage für die Ausstellung der Zertifikate lässt sich ebenso wenig der am 31.
Oktober 2005 zwischen dem [X.], Ernährung und Landwirtschaft und dem [X.] Veterinärdienst getroffenen Übereinkunft über eine "Veterinärbescheinigung für die Ausfuhr von frischem Schweine-fleisch aus der [X.] in die [X.]" oder den beiden E-Mails des Bundesministeriums vom 4.
November 2005 und vom 13.
März 2011 entnehmen.

18
19
-
11
-
(1) Mit der Übereinkunft selbst lässt sich ein öffentlicher Glaube der dem abgestimmten Muster entsprechenden Veterinärbescheinigungen nicht be-gründen.
Bei dieser Vereinbarung handelt es sich nicht um einen ratifizierten völ-kerrechtlichen Vertrag mit Gesetzeskraft im Inland (vgl. Art.
59 Abs.
2 Satz
1 GG); sie ist nicht im Teil
II des Bundesgesetzblatts
veröffentlicht. Vielmehr [X.] sie von den beiden beteiligten [X.] auf Verwaltungsebene getroffen
(s. auch Art.
59 Abs.
2 Satz
2 GG). Dementsprechend hat sie unmittelbar allein verwaltungsinterne Bedeutung
und
begründet keine Rechte und Pflichten [X.]. Für den Rechtsunterworfenen wirkt
sich die Abmachung nur mittelbar aus: Die
Kontrollmaßnahmen, die
auf Grund anderer lebensmittelrechtlicher Vor-schriften
zu den Aufgaben der Behörde gehören, sind zum Zweck der
Förde-rung des
grenzüberschreitenden
Handelsverkehr in
einem einheitlichen Formu-lar
zu dokumentieren.
Aus
der -
in der Antragsschrift des [X.] angeführten -
bilaterale Abkommen regelnden Vorschrift des Art.
12 Abs.
2 VO ([X.]) Nr.
178/2002 i.V.m. §
38 Abs.
1, §
39 Abs.
1 LFGB, §
2 Nr.
5 Buchst.
a [X.] aF ergibt sich nichts anderes. Auf den [X.] und den sachli-chen Gehalt der
Übereinkunft
selbst kann
sich diese Regelung nicht auswirken. Daher kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob Art.
12 Abs.
2 VO ([X.]) Nr.
178/2002 überhaupt anwendbar ist.
(2) Die E-Mails des [X.], Ernäh-rung und Landwirtschaft vom 4.
November 2005 und vom 13.
März 2011 stellen ebenfalls keine "Rechtsvorschriften"
dar, denen sich mittelbar entnehmen ließe, dass den Veterinärzertifikaten eine erhöhte Beweiskraft
zukäme. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Ansicht der Strafkammer zu folgen ist, dass die form-20
21
22
23
-
12
-
losen elektronischen Nachrichten als Erlasse im verwaltungsrechtlichen
Sinne
zu beurteilen seien, was zur Folge habe, dass (neben §
2 Nr.
5 Buchst.
a Zust-VO-SOG
aF)
auch die Voraussetzungen des §
2 Nr.
1 [X.] aF vor-lägen.
Selbst wenn die E-Mails -
in eher ungewöhnlicher Form erteilte -
genera-lisierende Weisungen im Behördengefüge darstellten, begründeten sie keine spezifische Beweiswirkung für und gegen jedermann. Wie oben unter II.
1.
a)
dargelegt, bestimmt sich der öffentliche Glaube einer behördlich errichteten Ur-kunde ebenso wie dessen
Reichweite nach den jeweiligen Rechtsvorschriften. Hiermit sind prinzipiell allgemeinverbindliche Gesetze in einem materiellen Sin-ne (Gesetze, Verordnungen, Satzungen) gemeint, nicht dagegen Verwaltungs-interna.
Verwaltungsvorschriften können ausnahmsweise Berücksichtigung [X.], wenn mit ihnen die gesetzliche
Grundlage ausgestaltet und präzisiert wird
(derartige
Regelungen
berücksichtigend:
[X.]surteil vom 24.
April 1985
-
3
StR 66/85, [X.]St 33, 190, 192
f.; [X.], Urteil vom 21.
August
2002 -
1
Ss 93/01 I
5/02, [X.], 172). Die von der Strafkammer als Erlasse behandelten E-Mails erschöpften sich indes in einer schlichten Mitteilung bzw. einem bloßen Hinweis ohne Bezug zu einer entsprechenden Rechtsnorm.
Soweit das [X.] entschieden hat, auf
Grund unveröffentlichter
behördlicher
"Anordnungen"
geführte Gefangenenjournale bzw. -bücher könn-ten mit erhöhter Beweiskraft versehene Feststellungen zu den
Häftlingen
ent-halten (vgl.
Urteile
vom 27.
März 1908 -
IV 205/08, [X.], 201, 205; vom 30.
Dezember 1910 -
V 797/10, [X.], 196, 197
f.; s. auch
[X.], [X.], 12.
Aufl., §
271 Rn.
35), waren die betreffenden
Verwaltungsvorschriften
(Teil der Geschäftsordnung der Justizbehörden, Schließereiordnung) wie [X.] im materiellen Sinne ausgeformt.
Ungeachtet der Frage, inwieweit an den reichsgerichtlichen Entscheidungen noch festzuhalten ist, sind die hier zu beur-24
25
-
13
-
teilenden E-Mails mit derartigen gesetzesgleichen "Anordnungen" nicht ver-gleichbar.
(3) Ergänzend kommt
hinzu, dass gegen eine spezifische Beweiswirkung der
Veterinärzertifikate
für und gegen jedermann
der Zweck
der bilateralen Übereinkunft auf Verwaltungsebene sowie der
Weiterleitung des abgestimmten Musters an die Veterinärbehörden sprechen dürfte. Mit dem Muster sollte der grenzüberschreitende Handelsverkehr erleichtert werden.
Deswegen waren die Dokumente als ein dem für die Ausfuhr von [X.] dienlicher Nach-weis gegenüber den damit befassten, insbesondere [X.] Behörden bestimmt. Dass sich jeder Dritte gegenüber dem Exporteur und dieser gegen-über
sämtlichen Dritten darauf berufen kann, war erkennbar
nicht Anliegen des [X.], Ernährung und Landwirtschaft.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es dem Sinn der Übereinkunft entspräche, wenn sich jedes Rechtssubjekt
alle oder einzelne Befunde in den [X.] entgegenhalten lassen müsste; zu denken wäre etwa an
den Fall, dass Verbraucher vor [X.] Gerichten Rechte gegen den Exporteur wegen Nichtbeachtung bestimmter in den Zertifikaten bestätigter Vorschriften der Lebensmittelsicherheit geltend machen.
2. Weitere tatsächliche Feststellungen, die zu einer Verurteilung der [X.] im Hinblick auf die angeklagten prozessualen Taten führen könnten, sind nach Lage des Falls ausgeschlossen. Auch eine Strafbarkeit nach anderen Strafvorschriften als §
271 [X.] kommt nicht in Betracht. Insbesondere schei-det eine Verurteilung
wegen Betruges (§
263 Abs.
1 [X.]) durch das Ge-brauchmachen von den inhaltlich unzutreffenden Veterinärbescheinigungen gegenüber der [X.]

aus, weil
nichts dafür ersichtlich ist, dass die von der Firma V.

gelieferten Fleischwaren lebensmittelrechtlich bedenklich ge-wesen sein
könnten. Der [X.] hat daher gemäß §
354 Abs.
1 [X.] in der
26
27
-
14
-
Sache selbst zu entscheiden und die Angeklagten -
unter Aufhebung des [X.] Urteils -
freizusprechen.

III.
Nach alledem sind auch die Revisionen der Staatsanwaltschaft in dem-selben Umfang zu Gunsten der Angeklagten (vgl. §
301 [X.]) begründet wie deren Rechtsmittel. Die von der Staatsanwaltschaft erklärte Beschränkung ihrer
Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch ist dabei unwirksam, weil auf der Grundlage der Feststellungen zu dem jeweils nicht angefochtenen Schuld-spruch überhaupt keine Strafen gegen die Angeklagten verhängt werden könn-ten (vgl. [X.], Urteile
vom 22.
Februar 1996 -
1
StR 721/94, [X.], 352, 353; vom 14.
Mai 1996 -
1
StR 51/96, [X.], 2663, 2665; KK-Gericke, [X.], 7.
Aufl., §
352 Rn.
6; LR/Gössel, [X.], 26.
Aufl., §
318 Rn.
47; MüKo-[X.]/[X.], §
318 Rn.
54).
Becker [X.] [X.]

[X.] Hoch
28

Meta

3 StR 378/17

11.01.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2018, Az. 3 StR 378/17 (REWIS RS 2018, 15751)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15751

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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