Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.04.2011, Az. 29 W (pat) 553/10

29. Senat | REWIS RS 2011, 7261

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Angel-J Collection (Wort-Bild-Marke)/ANGEL" – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens bzw. der Markenusurpation – keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 060 135

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterinnen [X.] und Dorn

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist am 12. Oktober 2009 angemeldet und am 17. Dezember 2009 unter der Nummer 30 2009 060 135 als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register eingetragen worden für Waren und Dienstleistungen der

3

[X.]: Bekleidungsstücke, Kopfbedeckung, vorwiegend Hemden, Hemdblusen, T-Shirts, Pullover, [X.]acken, Oberbekleidungsstücke, [X.]eans, Sportbekleidung, Trikotkleidung;

4

Klasse 35: Werbung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten; Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels sowie Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Bekleidungsartikel, Sportbekleidung;

5

Klasse 40: Materialbearbeitung; Druckarbeiten, nämlich Textildruck, insbesondere Auf- bzw. Bedrucken von T-Shirts, Hemden, [X.]usen, Sportbekleidung.

6

Gegen diese Marke, deren Eintragung am 22. [X.]anuar 2010 veröffentlicht wurde, hat der Inhaber der älteren Marke

7

[X.]

8

die am 1. März 2007 unter der Nummer 307 02 039 eingetragen wurde für die Waren der

9

Klasse 14: Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; [X.], Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente;

Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; [X.]; Schreibwaren; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten;

Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer sowie Taschen und andere Behältnisse, soweit in Klasse 18 enthalten, insbesondere Aktentaschen, Dokumententaschen, Badetaschen, Brieftaschen, Campingtaschen, Einkaufsnetze, Einkaufstaschen, Geldbeutel, Handtaschen, Hüfttaschen und [X.], [X.]agdtaschen, Kindertragtaschen, Kleidersäcke für die Reise, Schlüsseletuis aus Leder, Schulranzen, Schultaschen und Rucksäcke; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;

Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bett- und Tischdecken;

[X.]: Bekleidungsstücke, Schals, Halstücher, Krawatten, Krawattentücher, Hosenträger, Gamaschen, Gürtel (soweit in [X.] enthalten), Schärpen, Kopf- und Brustschleier, Lätzchen (nicht aus Papier), Schweißbänder (soweit in [X.] enthalten), Faschings- und Karnevalskostüme, Schuhwaren, Einlegesohlen, Schuhsohlen, Absätze, Schuhbeschläge und Absatzstoßplatten für Schuhe; Kopfbedeckungen, Ohrenschützer und Stirnbänder (soweit in [X.] enthalten);

Klasse 26: Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder; Knöpfe, Haken und Ösen, Nadeln; künstliche [X.]umen

Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 35 des [X.] hat mit Beschluss vom 28. September 2010 eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Vergleichsmarken könnten sich im Rahmen der [X.] zwar bei identischen Waren begegnen, die nicht hochpreisig sein müssten und sich daher an breite Verkehrskreise wendeten, jedoch halte die angegriffene Marke den gebotenen Markenabstand im Verhältnis zur Widerspruchsmarke ein. Dies gelte erst recht hinsichtlich der übrigen Dienstleistungen der angegriffenen Marke, die den Waren der Widerspruchsmarke allenfalls ähnlich seien. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine entscheidungserhebliche Kennzeichnungsschwäche der älteren Marke. Zum einen stelle der Begriff "[X.]" mit dem Bedeutungsgehalt "[X.]" für die einschlägigen Widerspruchswaren keine beschreibende Angabe dar, sondern erzeuge allenfalls ganz vage Assoziationen. Zum anderen fehle es an der erforderlichen großen Zahl von im engsten Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchsmarke liegenden Drittmarken. Die vom Inhaber der angegriffenen Marke pauschal und ohne Aktenzeichen genannten Markennamen reichten nicht aus. Daher sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke auszugehen. In ihrer Gesamtheit unterschieden sich die Vergleichsmarken durch den zusätzlichen Wortbestandteil "-[X.]" sowie die grafische Gestaltung der jüngeren Marke klanglich, schriftbildlich und begrifflich hinreichend deutlich. Der Wortbestandteil [X.]" auf Seiten der angegriffenen Marke könne zur Prüfung einer die Verwechslungsgefahr begründenden Markenähnlichkeit nicht isoliert herangezogen werden. Im einschlägigen Warensektor der [X.] handele es sich bei dem Begriff "Collection" (= [X.] Kollektion) um eine beschreibende Angabe, die im Gesamteindruck der jüngeren Marke zurücktrete. Eine weitere klangliche Verkürzung allein auf den Bestandteil [X.]" erfolge nicht. Denn der Markenteil "[X.]" sei im Kontext mit den Waren der jüngeren Marke keine [X.]e beschreibende Angabe im Sinne einer Abkürzung bzw. Zielgruppenangabe für "[X.]ugend", die im Gesamteindruck vernachlässigt werden könne. Der Bindestrich zwischen den beiden Elementen [X.]" und "[X.]" erzeuge eine Klammerwirkung. Bei einer Gegenüberstellung des [X.] und Merkwortes der jüngeren Marke [X.]-[X.]" und der Widerspruchsmarke "[X.]" seien klangliche Verwechslungen der Zeichen sowohl bei einer [X.] als auch bei einer [X.] Aussprache aufgrund der Abweichungen in der [X.], im Sprech- und Betonungsrhythmus, in den [X.] sowie in den [X.] ausgeschlossen. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr scheide schon aufgrund der bildhaften Gestaltung der angegriffenen Marke aus. Da die prägenden Bezeichnungen [X.]-[X.]" und "[X.]" ihrem Sinn nach weder vollständig noch im Wesentlichen übereinstimmten, sei auch keine begriffliche Verwechslungsgefahr zu befürchten. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr sei zu verneinen, weil nicht vorgetragen worden sei, dass der gemeinsame Bestandteil [X.]/[X.]" [X.] auf den Geschäftsbetrieb der Widersprechenden erlangt habe. Da es an einer Kombination des gemeinsamen Bestandteils mit einem bekannten Unternehmenskennzeichen, einem Serienzeichen oder einer sonst bekannten Marke fehle, könne auch keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne festgestellt werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.] vom 28. September 2010 aufzuheben.

Sie vertritt die Ansicht, die angegriffene Marke werde von den beteiligten Verkehrskreisen regelmäßig mit "[X.]" verkürzt wiedergegeben, weil diese nicht wüssten, wie sie die englischsprachige Begriffskombination [X.]-[X.]" hinsichtlich des zwischengeschalteten "[X.]" auszusprechen hätten. Der Begriff "Collection" werde als Hinweis auf den modischen Charakter der mit dieser Marke gekennzeichneten Produkte verstanden. Der Buchstabe "[X.]" werde übersehen, soweit er nicht als abkürzender, gebräuchlicher und daher nicht unterscheidungskräftiger Hinweis auf die Zielgruppe "[X.]ugend" ([X.] = Modekollektion für die [X.]ugend), "[X.]eans" ([X.]) oder "10. Kollektion" ([X.] = 10. Buchstabe im Alphabet) verstanden werde. Die angegriffene Marke sei für identische Waren der [X.] sowie in den Klassen 35 und 40 für Dienstleistungen eingetragen, die sich auf die Bereiche "Bekleidungsartikel" und "Sportbekleidung" bezögen und daher Ähnlichkeit zu den Widerspruchswaren in [X.] aufweisen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Auffassung, seine Marke unterscheide sich durch den stark prägenden [X.], den auffälligen [X.] im Kreiselement, sowie die beiden grafisch umrundeten Wortbestandteile "[X.]" so deutlich von der Widerspruchsmarke, dass eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben sei. Da im Modebereich überwiegend, im [X.] sogar ausschließlich, auf Sicht gekauft werde, stehe die graphische Ausgestaltung im Vordergrund. [X.] Bestandteil seiner Marke sei das Motiv eines weißen [X.]es mit blauen Augen, das blickfangartig und größer als die Wortbestandteile herausgestellt sei. Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher werde die angegriffene Marke daher mit [X.]-[X.] mit [X.]" und nicht verkürzt mit [X.]" wiedergeben, zumal der prägende [X.] nicht an einen [X.]" erinnere. Da, wie eine Vielzahl von Marken mit dem Wortbestandteil [X.]" zeigten, der Begriff [X.]" sehr oft in der Bekleidungsbranche verwendet werde und auf leichte und edle Kleidung schließen lasse, sei die Widerspruchsmarke [X.]. [X.] bestehe nur hinsichtlich der [X.], wobei er, der Inhaber der angegriffenen Marke, sich auf die Produktion von Sportbekleidung wie spezielle T-Shirts, Sporthosen und [X.]eans für den Golf-, Segel- und Tennissport beschränkt habe. Da er keine Kleidung speziell für [X.]ugendliche herstelle, sei "[X.]" keine Abkürzung für "[X.]ugendliche". Bei [X.]-[X.]" könne es sich auch um einen Vornamen mit abgekürztem Nachnamen handeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass zwischen beiden Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] besteht.

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt ([X.], 865, 866 - [X.]; [X.], 598, 599 - Kleiner Feigling; [X.], 783, 784 - [X.]/[X.]; [X.], 60, 61 [X.]. 12 - coccodrillo; [X.], 859, 860 [X.].16 – [X.]; [X.] 2008, 405 [X.]. 10 - [X.]; [X.], 906 - [X.]; [X.], 258, 260 [X.]. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; [X.], 484, 486 [X.]. 23 – Metrobus; [X.], 235 [X.]. 15 - [X.]/[X.]; [X.] [X.], 237, 238 - PICASSO).

1. Die Widerspruchsmarke "[X.]" ist entgegen der Ansicht des Inhabers der angegriffenen Marke nur in Bezug auf die in Klasse 16 eingetragenen [X.] und die in [X.] eingetragenen Widerspruchswaren [X.], verfügt aber im Übrigen über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

http://onlineshop.angler-markt.de/kleidung/angelkleidung/). Zum anderen ist die Verwendung weiblicher Vornamen auf dem betreffenden Warensektor üblich ([X.] 1971, 161 - Felina-Britta; [X.], 307 - Gaby).

http://de.wikipedia.org/wiki/Angel). Keine dieser Bedeutungen enthält eine beschreibende Aussage in Bezug auf die Widerspruchswaren der Klassen 14, 18 und 24 bis 26. Allerdings können sich die [X.] inhaltlich mit "[X.]n" in der Religions- und Kunstgeschichte, der Hard-Rock-Band [X.]" selbst oder mit den Noten oder den Texten von Liedern mit dem Thema [X.]" befassen.

c) Für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft durch eine größere Anzahl im engsten Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchsmarke liegender Drittmarken genügt es nicht – wie hier –, nur die Anzahl und die Namen der Marken anzugeben (Seite 4 des Schriftsatzes des Inhabers der angegriffenen Marke vom 1. [X.]uni 2010, [X.]. 29 VA), sondern es muss auch zum Umfang der Benutzung und zur Bekanntheit der [X.] vorgetragen werden (BGH [X.], 1104 [X.]. 25 – Haus und Grund II; [X.], 685 [X.]. 25 – ahd.de).

2. Ausgehend von der [X.] für die Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit werden die Vergleichsmarken teilweise zur Kennzeichnung identischer Waren verwendet. Hochgradige bzw. entfernte Ähnlichkeit besteht ferner zwischen dem überwiegenden Teil der für die angegriffene Marke geschützten Dienstleistungen und den Widerspruchswaren aus dem Bekleidungs- und Textilbereich. Im Übrigen ist von einer Unähnlichkeit auszugehen.

Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder [X.], ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlichen Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen ([X.], 507, 508 – [X.]/R[X.], [X.], 601 - d-c-fix/[X.], [X.] [X.] 2009, 47, 53 [X.]. 65 – Edition Albert René).

a) Zwischen den Waren der angegriffenen Marke in der [X.] und den Widerspruchswaren der gleichen Klasse besteht Identität, weil beide Marken für die Oberbegriffe "Bekleidungsstücke" und "Kopfbedeckung(en)" eingetragen sind.

b) Eine hochgradige Ähnlichkeit ist anzunehmen zwischen den in Klasse 40 eingetragenen Dienstleistungen "Materialbearbeitung; Druckarbeiten, nämlich Textildruck, insbesondere Auf- bzw. Bedrucken von T-Shirts, Hemden, [X.]usen, Sportbekleidung" und den Widerspruchswaren "Bekleidungsstücke" ([X.]) und "Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten" (vgl. [X.] (pat) 40/05 - [X.]). Denn die Materialbearbeitung und der Textildruck sind wesentliche Elemente im Herstellungsprozess der Bekleidungsstücke.

c) Eine entfernte Ähnlichkeit besteht zwischen den in Klasse 35 für die angegriffene Marke geschützten "Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels sowie Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Bekleidungsartikel, Sportbekleidung" und den für die Widerspruchsmarke in [X.] eingetragenen Bekleidungsstücken, weil sich die Dienstleistungen auf solche Waren erstrecken.

d) Keine Ähnlichkeit weisen die für die angegriffene Marke in Klasse 35 geschützten Dienstleistungen "Werbung, Unternehmensverwaltung und Büroarbeiten" zu den Widerspruchswaren auf.

alle Widerspruchswaren hält die angegriffene Marke den zur Verneinung der Verwechslungsgefahr erforderlichen deutlichen Abstand noch ein.

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. [X.] [X.], 428, 431 [X.]. 53 - [X.]; BGH [X.] 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift)Bild und im [X.] zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus ([X.], 340, 347 - Lions; BGH [X.] 2008, 393, 395 [X.]. 21 - [X.]). Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Marken abzuheben als auf die Abweichungen, weil erstere stärker im Erinnerungsbild zu haften pflegen. Für den Gesamteindruck eines Zeichens ist insbesondere der Wortanfang von Bedeutung, weil der Verkehr diesem regelmäßig größere Beachtung schenkt als Endsilben ([X.], 783, 784 – [X.]/[X.]).

a) Die sich hier gegenüberstehenden Marken werden weder klanglich noch schriftbildlich noch begrifflich ähnlich wahrgenommen.

aa) Aufgrund ihrer [X.]e, die in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung finden, weist die angegriffene Wort-/Bildmarke

Abbildung

mit dem weißen [X.], den blauen Tigeraugen, der Hintergrundgestaltung in zwei verschiedenen, hellen Grautönen und der dunkelgrauen Einrahmung in ihrer Gesamtheit so deutliche, sofort ins Auge fallende Unterschiede zur [X.] "[X.]" auf, dass beide Marken auf Anhieb sicher auseinandergehalten werden können. Vom visuell aufgenommenen Gesamteindruck her ist somit im Hinblick auf die nur in der jüngeren Marke enthaltenen grafischen Elemente ein zum Ausschluß der Verwechslungsgefahr hinreichend großer Unterschied zum Widerspruchszeichen gegeben.

bb) Eine klangliche Verwechslungsgefahr hat jedenfalls auf dem hier betroffenen Bekleidungs- und Modesektor, wo das Publikum angesichts des überwiegenden Kaufs "auf Sicht" und des zunehmenden [X.]einkaufs die Waren und die Marken hauptsächlich optisch wahrnimmt, nicht dieselbe Bedeutung wie die schriftbildliche Verwechslungsgefahr, wenngleich sie etwa im Hinblick auf mündliche Empfehlungen des Verkaufspersonals oder gezielte Nachfragen von seiten der Kunden nicht einfach unberücksichtigt bleiben kann.

Eine Verwechslungsgefahr in phonetischer Hinsicht kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil der in beiden Marken identisch enthaltene Bestandteil [X.]" keine kollisionsbegründende Stellung einnimmt. Er weist keine die beiden Gesamtmarken prägende Funktion auf, so dass die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise nicht in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können. ([X.] [X.], 700 [X.]. 41 – [X.]Shaker [Limoncello]; [X.] GRUR 2005, 1042 [X.]. 28 f. – [X.] LIFE; BGH [X.], 859 [X.]. 18 – [X.]; [X.], 888 [X.]. 22 u. 31 – [X.]; [X.] 2008, 405, 406 [X.]. 18 – [X.]; [X.], 772, 776 [X.]. 57 – Augsburger Puppenkiste).

www.abkuerzungen.de). Keine dieser Langformen macht jedoch in Verbindung mit "[X.]" oder [X.]" und "Collection" irgendeinen Sinn. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Buchstabe "[X.]" eine Abkürzung bzw. Zielgruppenangabe für "[X.]ugend" darstellt. Dies umso weniger als die angegriffene Marke komplett englischsprachig gehalten ist und "[X.]ugend" im [X.] substantivisch mit "adolescence, [X.], [X.], [X.], youth oder youthfulness" übersetzt wird. Keiner dieser [X.] Begriffe beginnt mit einem "[X.]". Nur das Adjektiv "juvenile" enthält diesen Anfangsbuchstaben, aber dessen Verwendung kommt schon aus grammatikalischen Gründen nicht in Betracht. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Buchstabe "[X.]" als Abkürzung für "[X.]eans" in Betracht kommt. Auch kann er als 10. Buchstabe im Alphabet nicht ohne weiteres mit der Zahl "10" gleichgesetzt werden und zusammen mit dem Markenelement "Collection" die Bedeutung "10. Kollektion" annehmen, zumal das "[X.]" mit Bindestrich an [X.]" angebunden ist und der erforderliche Punkt fehlt. Da somit unklar bleibt, was der Buchstabe "[X.]" bedeuten soll, dieser aber durch den Bindestrich eng an [X.]" angeschlossen ist und der Bindestrich zum Gesamteindruck der Marke gehört (vgl. [X.], 65, 66 [X.]. 12 – Buchstabe T mit Strich), bildet [X.]-[X.]" einen Gesamtbegriff. Mit einer Vernachlässigung des auf [X.]" folgenden Buchstabens "[X.]" bei der Benennung (und Erinnerung) der angegriffenen Marke ist auch schon deshalb nicht zu rechnen, weil Vornamen auf dem hier maßgeblichen Warengebiet, das sich an breite Verkehrskreise richtet, von Haus aus eher [X.] sind, so dass der Verbraucher dazu neigen wird, auch den weiteren Markenbestandteilen, also hier auch dem "[X.]", höhere Aufmerksamkeit zu widmen. Einzelbuchstaben, die einem Vornamen nachgestellt sind, wirken wie eine Namensabkürzung, der eine Individualisierungsfunktion zukommt. An derartig gebildete Namenskombinationen ist das inländische Publikum durchaus gewöhnt (vgl. [X.] (pat) 166/97 – [X.]le T/[X.]). Eine Prägung der angegriffenen Marke allein durch das Wortelement [X.]" scheidet daher aus.

bbb) Die Vergleichsmarken unterscheiden sich daher schon durch ihre [X.]. Dem sechssilbigen Wortzeichen [X.]-[X.]" steht die zweisilbige Bezeichnung "[X.]" gegenüber. Nur die beiden ersten Silben und die Anfangsbetonung stimmen überein. Zwar werden die [X.] in der Regel stärker beachtet, aber die Anbindung des betonten "[X.]" – entweder englisch [dschei] oder deutsch [jot] ausgesprochen – sowie das Wortelement "Collection" bilden einen deutlichen klanglichen Unterschied aufgrund der Abweichungen im Sprech- und Betonungsrhythmus, in den [X.] sowie in den [X.].

ccc) Auch eine begriffliche Verwechslungsgefahr ist wegen des bereits dargestellten unterschiedlichen Sinngehalts der Vergleichsmarken, nämlich "[X.]-[X.] Kollektion" oder [X.]-[X.] Kollektion" auf der einen und "[X.]" oder [X.]" auf der anderen Seite, ausgeschlossen.

b) Eine mittelbare Verwechslungsgefahr ist ebenfalls zu verneinen.

Die Gefahr, dass Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, obwohl die beteiligten Verkehrskreise die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen, liegt nur dann vor, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen ([X.] GRUR 2005, 1042 [X.]. 28 f. - [X.] LIFE; [X.], 322 [X.]. 18 – [X.]; BGH [X.], 258 [X.]. 33 - INTERCONNECT/T-InterConnect; [X.], 646 [X.]. 15 - OFFROAD).

aa) Die mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens greift unter dem Begriff des gedanklichen In-Verbindung-Bringens der jüngeren mit der älteren Marke dann ein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Inhaber zuordnet (BGH [X.], 1071 [X.]. 40 - Kinder II).

Selbst wenn "[X.]" als Stammbestandteil einer Markenserie der Widersprechenden geeignet wäre, müsste die Widersprechende über eine auf dem Markt präsente Markenserie mit diesem Stammbestandteil verfügen ([X.] GRUR Int. 2007, 1009 [X.]. 64 - [X.]/[X.] [[X.]]). Dazu hat sie aber nichts vorgetragen.

bb) Mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation wird angenommen, wenn ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt. Bei Identität oder Ähnlichkeit dieses selbständig kennzeichnenden Bestandteils mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang kann das Vorliegen von Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (BGH [X.], 859 [X.]. 18 – [X.]).

Zwar wird die Widerspruchsmarke in der jüngeren Marke vollständig übernommen, aber "-[X.]" ist kein Unternehmenskennzeichen oder eine bekannte Marke des Beschwerdegegners.

c) Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne liegt nicht vor. Eine solche wird angenommen, wenn die Vergleichskennzeichnungen zwar als unterschiedlich und als solche verschiedener Unternehmen aufgefasst werden, jedoch gleichwohl aufgrund besonderer Umstände, insbesondere wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung, geschlossen wird, dass zwischen den Unternehmen Beziehungen geschäftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art bestehen. Von einer solchen Verwechslungsgefahr kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig nur dann ausgegangen werden, wenn die ältere Marke zugleich Unternehmenskennzeichen ist ([X.], 598, 599 – Kleiner Feigling; [X.], 865, 867 - [X.]). Dies ist aber vorliegend nicht der Fall.

Meta

29 W (pat) 553/10

27.04.2011

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.04.2011, Az. 29 W (pat) 553/10 (REWIS RS 2011, 7261)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7261

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