Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2005, Az. IV ZR 212/04

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 4729

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL [X.]/04

Verkündet am:

2. März 2005

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

[X.] §§ 102, 104; BGB § 1127

Der gesetzliche Rangrücktritt des § 104 Satz 2 [X.] dient dem Schutz aller Grundpfandgläubiger, die nach § 102 Abs. 1 Satz 2 [X.] privilegiert sind. Er greift unabhängig davon ein, ob der Versicherer die von ihm geschuldete Leistung an den vorrangigen Grundpfandgläubiger ganz oder nur zum Teil erbracht hat.

[X.], Urteil vom 2. März 2005 - [X.]/04 - [X.]

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2005

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 26. Juli 2004 wird auf Ko-sten der Beklagten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Berichtigung des Grundbuchs in Anspruch.

Sie ist Eigentümerin eines Grundstücks, das mit einem Erbbau-recht belastet ist. Im [X.] sind in Abteilung II unter Nr. 2 ei-ne Reallast, die der Sicherung des [X.] dient, und unter Nr. 3 eine Vormerkung eingetragen, die im Falle der Erhöhung des Erbbauzin-ses den Anspruch auf Eintragung einer weiteren Reallast sichert.

Der Erbbauberechtigte betrieb auf dem Grundstück eine Diskothek, die aufgrund einer vorsätzlichen Eigenbrandstiftung vollständig zerstört wurde. Die Beklagte leistete als Gebäudeversicherer an die [X.]- 3 -

[X.], zu deren Gunsten Grundschulden in Höhe von insgesamt 1,5 Mio. DM (766.937,80 •) nebst Zinsen und Nebenleistungen bestellt und im Range vor den Rechten der Klägerin in Abteilung III unter Nr. 1, 2, 4 und 5 des [X.]s eingetragen waren, eine Zahlung in Höhe von 1,9 Mio. DM (971.454,57 •). Dieser Betrag entsprach dem Zeitwert der Diskothek zuzüglich aufgelaufener Zinsen; die Beklagte war damit ihren Leistungspflichten aus dem Versicherungsvertrag vollständig nachgekommen.

Nachfolgend veranlaßte die Beklagte mit Bewilligung der bisheri-gen Grundpfandgläubigerin die Umschreibung der auf sie übergegange-nen Grundschulden, ohne daß im Grundbuch eine Änderung der [X.] vermerkt wurde. Die Klägerin bewirkte daraufhin die Eintra-gung eines Amtswi[X.]pruchs. Ihrer Klage, mit der sie von der Beklagten die Zustimmung zur Eintragung der in Abteilung II unter Nr. 2 und 3 be-stehenden Rechte mit dem Vorrang vor den Rechten in Abteilung III Nr. 1, 2, 4 und 5 verlangt, hat das [X.] stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Sprungrevision.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Das [X.] hat ausgeführt: Das Grundbuch sei unrichtig, weil die Eintragung der Beklagten im Rang vor den Rechten der Klägerin § 104 Satz 2 [X.] wi[X.]preche. Der Anspruch des nach § 101 Abs. 1 [X.] (gemeint: § 102 Abs. 1 [X.]) privilegierten Gläubigers entstehe ab-- 4 -

schließend mit dem Versicherungsfall. Für das rechtliche Schicksal die-ses Anspruchs komme es nicht darauf an, ob das Grundpfandrecht im [X.] Grundstück ausreichend Deckung finde. Das gelte nicht nur für den vorrangig gesicherten Gläubiger, der Befriedigung durch die Auszah-lung der Versicherungsleistung an sich erlange, sondern gleichermaßen für den nachrangig gesicherten Gläubiger. Diesem sei der Versicherer ebenso zur Leistung verpflichtet, weil die volle Versicherungssumme zur [X.] zu rechnen sei, die sämtlichen privilegierten Gläubigern - und zwar mit Vorrang gegenüber den auf den Versicherer übergegan-genen Rechten - zur Verfügung stehe. Für den Rangrücktritt im Sinne des § 104 Satz 2 [X.] sei daher nicht entscheidend, ob der Versicherer die von ihm geschuldeten Leistungen erst zum Teil oder bereits [X.] erbracht habe.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Ist ein Grundstück mit einer Reallast, Grundschuld oder [X.] belastet, finden nach § 107b [X.] die zugunsten des [X.] geltenden Vorschriften der §§ 99-107a [X.] [X.] Anwendung. Nach § 11 [X.] gelten die sich auf Grundstücke [X.] Vorschriften - ausgenommen die §§ 925, 927 und 928 BGB - auch für das Erbbaurecht. Damit sind nicht nur die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches gemeint, sondern es werden alle Vorschrif-ten erfaßt, die für Grundstücke maßgeblich sind. Denn das Erbbaurecht kann wie ein Grundstück belastet werden; das auf seiner Grundlage er-richtete Bauwerk gilt nach § 12 [X.] als dessen wesentlicher Be-standteil und haftet für seine dinglichen Belastungen ([X.]/[X.], [2002] § 11 [X.] Rdn. 2, 4 und 9; § 12 [X.] Rdn. 14). Es sind da-- 5 -

her sämtliche materiell-rechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Ge-setzbuches über den grundpfandrechtlichen Haftungsverband anwend-bar; darüber hinaus besteht kein sachlicher Grund, ein dinglich belaste-tes Erbbaurecht von den Vorschriften über die Haftung des Versicherers gegenüber den [X.] gemäß den §§ 102 ff. [X.] auszuneh-men. Auf die Art der Belastung kommt es dabei nicht an, solange es sich [X.] wie bei der Reallast ([X.]/[X.], [2002] Einl. zu §§ 1105-1112 [X.]. 23; § 1107 BGB Rdn. 12) [X.] um ein dingliches Verwertungs- und kein bloßes Nutzungsrecht handelt.

b) Die Beklagte als Gebäudeversicherer ist zwar von der Verpflich-tung zur Leistung nach § 61 [X.] frei geworden, weil ihr Versicherungs-nehmer den Versicherungsfall durch Brandstiftung vorsätzlich herbeige-führt hat. Gleichwohl blieb nach §§ 102 Abs. 1 Satz 1, 107b [X.] ihre Verpflichtung zur Leistung gegenüber den [X.]. Die Vorschrift des § 102 Abs. 1 [X.] schafft ein selbständiges, un-mittelbares Recht des Realgläubigers, das als gesetzlicher Anspruch an die Stelle der pfandweisen Haftung der Versicherungsforderung gemäß § 1127 Abs. 1 BGB tritt. Dieser Anspruch entsteht unmittelbar mit dem Versicherungsfall, hier mit der brandweisen Zerstörung der Diskothek als dem zum Erbbaurecht gehörenden Bauwerk. Der Realgläubiger soll [X.] die gleichen Rechte haben wie bei Bestehen des Anspruchs aus dem Versicherungsvertrag (Se[X.]e vom 4. Dezember 1996 - [X.] - ZIP 1997, 232 unter 2 b; vom 19. Februar 1981 - [X.] - [X.], 488 unter [X.]; [X.], 350, 352). Sein Anspruch gegen den Versicherer ist lediglich der Höhe nach begrenzt durch die an ihn aus dem Grundstück zu zahlende Summe einerseits und durch den vom [X.] zu ersetzenden Schaden andererseits ([X.] 6 -

[X.] vom 4. Dezember 1996 aaO). Die Beklagte ist damit ihrer Ver-pflichtung aus § 102 Abs. 1 Satz 1 [X.] durch Zahlung an die erstrangi-ge Grundschuldgläubigerin in vollem Umfang nachgekommen, weil sie insgesamt nur eine Versicherungsleistung in Höhe von 1,4 Mio. DM (715.808,63 •) zuzüglich Zinsen schuldete.

c) Nach § 104 Satz 1 [X.] i.V. mit § 107b [X.] sind mit Befriedi-gung der Realgläubigerin deren dingliche Rechte auf die Beklagte über-gegangen; sie war daher im Grundbuch als neue Inhaberin der [X.] einzutragen. Allerdings treten, wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist, die auf sie übergegangenen Grundpfandrechte gemäß § 104 Satz 2 [X.] im Rang gegenüber den Rechten der Klägerin zurück. Entgegen einer [X.] in der Literatur (Langheid in [X.], 2. Aufl. § 104 [X.] Rdn. 8 ff.; [X.]. NVersZ 2002, 529 ff.) kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Versicherer die von ihm geschuldete Versicherungssumme an die erstrangige Grundpfandgläubigerin in voller Höhe oder nur zum Teil erbracht hat. Vielmehr beruht diese Auffassung auf einem Fehlverständnis von Wort-laut, Sinn und Zweck der genannten Vorschrift.

(1) Der in § 104 Satz 2 [X.] angeordnete gesetzliche Rangrücktritt dient dem Schutz aller Gläubiger, die nach den §§ 102 Abs. 1 Satz 1, 107b [X.] privilegiert sind. Ihnen gegenüber bleibt die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung bestehen, auch wenn er wegen des Verhaltens des Versicherungsnehmers von seiner Verpflichtung zur Leistung frei geworden ist. Die Realgläubiger sind - gleich welchen Rang sie haben - im gestörten Versicherungsverhältnis des Versicherers zum Versiche-rungsnehmer so zu stellen, wie sie bei einem ungestörten stünden ([X.] 7 -

hosser in [X.]/[X.], [X.] 27. Aufl. § 104 Rdn. 6; [X.]/[X.]/[X.], § 104 [X.] Rdn. 13; [X.], Die rechtliche Stellung des [X.] gegenüber dem Versicherer, [X.]; [X.] in Bruck/ [X.], [X.] Bd. III 8. Aufl. [X.] J 73; [X.] WM 2002, 2329). Damit steht sämtlichen [X.], die sich auf die §§ 102 Abs. 1 Satz 1, 107b [X.] berufen können, die Versicherungsforderung als Teil des grundpfandrechtlichen [X.] zur Verfügung (§§ 1127, 1107, 1192 Abs. 1, 1200 Abs. 1 BGB). Allein darauf nimmt § 104 Satz 2 [X.] Bezug, wenn er für den Rangrücktritt zur Voraussetzung macht, daß die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung gegenüber den gleich- oder nachstehenden [X.] bestehen geblieben ist.

(2) Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein Realgläubiger den bevorrechtigten Zugriff auf die [X.] hat, sollte diese für die Befriedigung aller privilegierten Gläubiger nicht ausreichen. Das wie-derum beurteilt sich nach dem Rang des dinglichen Rechts ([X.], aaO S. 206) und hat hier zur Folge, daß die Beklagte die [X.] an die erstrangige Grundschuldgläubigerin zu erbringen hatte. Da sich die Entschädigungssumme mit Zahlung an diese Gläubigerin [X.] hat, ist dieser Gegenstand des [X.] für die weite-ren privilegierten Gläubiger verloren. Ihnen steht nur noch die restliche [X.] zur Befriedigung zur Verfügung. Um den Zugriff darauf nicht zu schmälern, enthält § 104 Satz 2 [X.] eine [X.] für die nach § 104 Satz 1 [X.] auf den Versicherer übergegangenen Rechte. Der Versicherer soll mit diesen Rechten nicht neben oder vor die verbleibenden Gläubiger treten, obwohl er dinglich die Stelle eines Gläu-bigers einnimmt, der das ihm [X.] bereits erhalten hat. Die [X.] ordnet deshalb einen Rangrücktritt an, weil andernfalls der Versi-- 8 -

cherer als neuer Realgläubiger in den Rang einrücken würde, wie ihn der ausgeschiedene - voll befriedigte - Realgläubiger innegehabt hat. Diese vom Gesetzgeber als unberechtigt erachtete Bevorzugung des [X.] soll durch die Regelung in § 104 Satz 2 [X.] vermieden werden.

Die Vorschrift des § 104 Satz 2 [X.] könnte ihren Sinn und Zweck nicht erfüllen, sollte sie nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Versicherer die von ihm geschuldete Leistung noch nicht vollständig er-bracht hat, wie dies von der [X.] vertreten wird (Langheid, aaO). Denn in diesem Fall könnte der nachrangige Gläubiger ohnehin den noch offenen Teil der Versicherungssumme für sich beanspruchen ([X.], aaO). Ein Schutzbedürfnis für die gleich- und nachrangigen Gläubiger ergibt sich erst, wenn die Versicherungsleistung in voller Höhe an den erstrangigen Gläubiger gezahlt worden ist. Der Übergang des Grundpfandrechts auf den Versicherer führte ohne die Regelung in § 104 Satz 2 [X.] dazu, daß nachstehende Gläubiger im Rang nicht vorrücken könnten; ebenso gingen die gleichstehenden Gläubiger des Vorteils ver-lustig, den das Ausscheiden des befriedigten Gläubigers sonst mit sich brächte (vgl. Motive zum [X.] hrsg. vom [X.] [1963] S. 171 f.). Ihre Rechte als pri-vilegierte Gläubiger, denen durch die Befriedigung eines gleich- oder vorstehenden Gläubigers die Versicherungsforderung als Gegenstand des [X.] verlorengegangen ist, wären gefährdet, würde der Versicherer an die Stelle des befriedigten Gläubigers treten und des-sen Recht neben oder vor ihnen geltend machen können. Um das zu verhindern, ist § 104 Satz 2 [X.] mit dem Inhalt eingeführt worden, daß der Versicherer den Übergang des dinglichen Rechts des befriedigten Gläubigers nicht zum Nachteil eines gleich- oder nachstehenden [X.] -

gläubigers geltend machen kann, demgegenüber (ebenso) die Verpflich-tung des Versicherers zur Leistung bestehen geblieben ist.

d) Die Klägerin ist daher mit entsprechendem Vorrang für ihre be-stehende Reallast in Abteilung II Nr. 2 des Grundbuchs auszuweisen. Das gleiche gilt für die in Abteilung II unter Nr. 3 eingetragene Vormer-kung. Wird die vorgemerkte Reallast zu einem späteren Zeitpunkt einge-tragen, ist diese in ihren rechtlichen Wirkungen auf den Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung zurückzubeziehen (§ 883 Abs. 3 BGB; [X.], 389, 392, 394; [X.]/[X.], [2002] § 883 BGB Rdn. 251 m.w.N.). Demnach ist auch für diese künftige Reallast davon auszuge-hen, daß mit Eintritt des Versicherungsfalles die Verpflichtung der [X.] als Versicherer der Klägerin gegenüber als privilegierter Gläubi-gerin im Sinne des § 102 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestehen geblieben ist.

[X.][X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]

Meta

IV ZR 212/04

02.03.2005

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2005, Az. IV ZR 212/04 (REWIS RS 2005, 4729)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4729

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