Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.10.2012, Az. B 9 V 39/12 B

9. Senat | REWIS RS 2012, 2591

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage - inhaltliche Auseinandersetzung mit einschlägiger Rechtsprechung - Gewaltopferentschädigung


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 7. Juni 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom 7.6.2012 hat das [X.] [X.] ([X.]) einen Anspruch der 1987 geborenen Klägerin auf Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem [X.] wegen der Folgen der vom [X.] und Mitte September 2004 an ihr vorgenommenen sexuellen Handlungen verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim [X.] ([X.]) Beschwerde eingelegt. Als Grund für die Zulassung der Revision macht sie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

2

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

3

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl [X.] § 160 [X.] 17; [X.], 158 = [X.] 1500 § 160a [X.] 11; [X.] § 160a [X.] 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.

4

Die Klägerin hält es sinngemäß für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung,
ob sexuelle Übergriffe, die ohne aktive Gegenwehr des Opfers stattfinden, einen vorsätzlichen, rechtwidrigen tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 S 1 OEG darstellen, wenn der Täter erkennt oder zumindest hätte erkennen müssen, dass die Tat gegen den Willen des Opfers ausgeführt wird.

5

Abgesehen davon, dass diese Frage im Wesentlichen auch tatrichterliche Einschätzungen betrifft, fehlt es an hinreichenden Ausführungen der Klägerin zur Klärungsbedürftigkeit der darin enthaltenen rechtlichen Problematik (s in der jüngeren Senatsrechtsprechung zur Auslegung des § 1 Abs 1 S 1 OEG: [X.] Urteil vom 7.4.2011 - [X.] [X.], [X.], 97 Rd[X.] 32 ff = [X.] 4-3800 § 1 [X.] 18). Insoweit wäre eine intensive Auseinandersetzung mit der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich gewesen um darzulegen, inwiefern sich darin keine genügenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der angesprochenen Frage finden lassen. Denn eine Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist ([X.] § 160 [X.] 51; [X.] § 160a [X.] 13 und 65) oder wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist ([X.] [X.] 1300 § 13 [X.] 1; [X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] 7), wenn sie so gut wie unbestritten ist ([X.] § 160 [X.] 17), wenn sie praktisch außer Zweifel steht ([X.], 40 = [X.] 1500 § 160a [X.] 4) oder wenn vorliegende höchstrichterliche Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte für die Antwort enthalten ([X.] [X.] 3-1500 § 146 [X.] 2 und § 160 [X.] 8).

6

Die Klägerin hätte demnach anhand der auch vom [X.] umfangreich benannten Rechtsprechung des [X.] zur Auslegung des Rechtsbegriffs "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" iS des § 1 Abs 1 S 1 OEG darstellen müssen, dass sich die - erkennbare Rechtsfrage - anhand dieser Rechtsprechung nicht beantworten lasse. Die bloße Behauptung, dass eine Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage vorliege, weil diese bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden sei, genügt diesen Darlegungserfordernissen nicht. Die Beschwerdeführerin hätte sich vielmehr inhaltlich mit der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] auseinandersetzen und dann aufzeigen müssen, in welchem Rahmen auch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich ist (vgl [X.], Die Nichtzulassungsbeschwerde zum [X.] , [X.] 2007, 261, 266 zu Fußnote 58). So hat sich der Senat zuletzt mit Urteil vom 7.4.2011 (- [X.] [X.] - aaO) umfangreich zur Auslegung von § 1 Abs 1 S 1 OEG geäußert. Insbesondere hätte die Klägerin auch auf das Senatsurteil vom 16.4.2002 (- [X.] [X.] -, [X.]E 89, 199 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] 21) eingehen müssen, wonach für die Annahme eines tätlichen Angriffs iS von § 1 Abs 1 S 1 OEG bei einer (strafbaren) Inzestbeziehung zwischen einem Vater und seiner (allerdings volljährigen) Tochter das Erzwingen des maßgeblichen Geschlechtsverkehrs verlangt wird. Dies hat sie versäumt.

7

Die Beschwerde ist daher ohne Hinzuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

8

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 9 V 39/12 B

08.10.2012

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: V

vorgehend SG Braunschweig, 22. Oktober 2009, Az: S 42 VG 17/07, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 1 Abs 1 S 1 OEG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.10.2012, Az. B 9 V 39/12 B (REWIS RS 2012, 2591)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2591

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