Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2013, Az. 3 StR 115/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 4656

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
115/13
vom
27. Juni 2013
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Totschlags u.a.

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Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 27. Juni 2013, an der teilgenommen haben:
Präsident des [X.]
Prof. Dr. [X.]

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Hubert,
Dr. Schäfer,
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. Spaniol

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwältin

als Verteidigerin der Angeklagten,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22.
Januar 2013
mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des
[X.]s zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Jugendstrafe von zwei [X.] und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge und eine Verfahrensrüge gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfah-rensrüge nicht ankommt.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s begab sich die Angeklagte, die Kokain und Alkohol konsumiert hatte, nach einem Gaststättenbesuch gegen 16.00 Uhr zur Straßenbahnhaltestelle, wohin ihr der Geschädigte, den sie zuvor in der Gaststätte kennengelernt hatte, folgte. An der Haltestelle erwarteten bei-1
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de nebeneinander stehend die Straßenbahn. Als der trotz haltestellenbedingter Bremsung mit "zügigem Tempo" einfahrende Zug noch etwa drei bis fünf Meter entfernt war, nahm die Angeklagte
Blickkontakt zum Fahrer auf, ergriff den [X.] mit beiden Händen am linken [X.] und stieß ihn auf das [X.]. Dabei nahm sie das Herannahen der Straßenbahn wahr und erkannte, dass der Geschädigte von dieser überrollt und getötet werden könnte, was sie billigend in Kauf nahm. Der Geschädigte, der in die Mitte des [X.] geriet, versuchte zwar, wieder in Richtung des [X.] zu gelangen, konnte der herannahenden Bahn jedoch nicht mehr vollständig ausweichen. Er wurde von dieser erfasst und kam auf der Warteplattform zum Liegen. Dabei zog er sich eine Rippenfraktur und eine Knieverletzung zu und musste drei Tage stationär sowie danach mit Schmerzmitteln behandelt werden. Die Angeklagte
war sehr aufgebracht und schrie u.a.: "[X.] nicht verreckt, spring doch von der Brücke".

Dass die Angeklagte, die in der Hauptverhandlung eingeräumt hat, den Geschädigten ins Gleis geschubst zu haben, mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, hat die [X.] wesentlich darauf gestützt, dass die sich trotz des kurz bevorstehenden [X.] noch mit einer hohen Geschwindigkeit nähernde Straßenbahn im Zeitpunkt des Stoßes bereits auf drei bis fünf Meter herangekommen war. Dies habe die Angeklagte
erfasst und damit auch die Gefahr erkannt, dass der Geschädigte von der Straßenbahn überrollt werden könnte.

2. Diese
Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsge-3
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richtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Be-weiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk-
oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anfor-derungen an die Überzeugungsbildung stellt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 25.
November 2010 -
3 [X.], NStZ-RR
2011, 73, 74). Nach diesen revi-sionsrechtlichen Prüfungsmaßstäben enthält die Beweiswürdigung auf die Sachrüge zu beachtende Rechtsmängel, weil sie gegen Denkgesetze verstößt.
b) Der objektive Geschehensablauf, auf den die [X.]
maßgeb-lich die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gründet, kann sich so wie festgestellt nicht abgespielt haben. Danach soll die Straßenbahn, die -
nach der Schätzung des Straßenbahnfahrers, zu deren Richtigkeit die [X.] nicht Stellung genommen hat -
mit ca. 30 km/h heranfuhr, noch drei bis fünf Meter entfernt gewesen sein, als die Angeklagte zu ihrem Angriff auf den
Geschädig-ten ansetzte. Welche Zeit die Straßenbahn benötigte, diese Strecke zu durch-fahren, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Geht man nach überschlägiger Berechnung von einem Zeitraum von höchstens einer Sekunde aus, so [X.] es [X.] nicht möglich, dass sich das mehraktige Geschehen, bei dem die Angeklagte
zunächst den Arm des Geschädigten ergriff, ihn dann auf das Gleisbett stieß und es diesem schließlich noch gelang, trotz erheblicher Alkoholisierung den Gleisbereich wieder weitgehend in Richtung der Einsteige-plattform zu verlassen, innerhalb dieses Zeitraums vollzogen haben kann.

c) Auf diesem Mangel beruht das Urteil auch. Der [X.] kann nicht aus-schließen, dass die [X.] bei Annahme einer größeren Entfernung des Zuges zu Tatbeginn andere Schlüsse zum subjektiven Tatbestand gezogen hätte.
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Es wird sich empfehlen, in der neuen Hauptverhandlung einen Sachver-ständigen zu hören.
[X.] Hubert Schäfer

Ri[X.] [X.] ist urlaubs-

Spaniol

bedingt an der Unterzeichnung

gehindert.

[X.]
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Meta

3 StR 115/13

27.06.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2013, Az. 3 StR 115/13 (REWIS RS 2013, 4656)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4656

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 364/10

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