Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.06.2023, Az. VI ZR 207/22

6. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 4620

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rechtschutzbedürfnis für Ehrschutzklagen gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren dienen


Leitsatz

Für Klagen, die auf ansehensbeeinträchtigende Äußerungen gestützt werden, welche dazu dienen, einen Antrag auf Vereinsausschluss zu begründen und das entsprechende Verfahren der zuständigen Vereinsorgane in Gang zu setzen bzw. zu fördern, besteht in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis (Fortentwicklung von BGH, Urteile vom 27. Februar 2018 - VI ZR 86/16, VersR 2018, 817; vom 28. Februar 2012 - VI ZR 79/11, VersR 2012, 502; vom 11. Dezember 2007 - VI ZR 14/07, VersR 2008, 357).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 23. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer ansehensbeeinträchtigenden Äußerung in Anspruch.

2

Die Parteien sind Mitglieder des [X.] Die Klägerin ist zudem Mitglied des Vorstands des ehemaligen Vereins [X.] Kalk e.V., der nach entsprechender Satzungsänderung nunmehr [X.] heißt. Dieser hatte seine Vereinsräume von dem Verein [X.] [X.] gepachtet. Nachdem das Pachtverhältnis von Seiten des Verpächters zum Ende des Jahres 2020 gekündigt worden war, kam es zwischen den Vertragsparteien zu Streitigkeiten über die Frage, welche Verpflichtungen der Verein [X.] Kalk e.V. (heute [X.]) nach Beendigung des Pachtverhältnisses zu erfüllen hat. Der Pachtvertrag sieht in Ziffer 8 vor, dass bei Beendigung des Pachtverhältnisses sämtliche Vermögenswerte und Rechte des Pächters auf den Verpächter übergehen. Der Verein [X.] Kalk e.V. (heute [X.]) vertritt die Auffassung, dass diese Vertragsbestimmung unwirksam ist. Wegen dieser Streitigkeit wurde ein Rechtsstreit vor dem [X.] geführt.

3

Mit Schreiben vom 23. Januar 2020 wandte sich die Beklagte an das Organ "[X.]" des [X.] Der Ausschuss entscheidet ausweislich § 9 Abs. 3 der Satzung über den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Verein. Er besteht aus neun oder mehr Personen. In dem Schreiben vom 23. Januar 2020 mit der Überschrift "Antrag auf Ausschluss von [X.]] aus den [X.]" führte die Beklagte unter anderem folgendes aus, wobei [X.]] die Klägerin bezeichnet:

4

"Den eklatantesten - und sinnfälligsten - [Verstoß] stellt jedoch die Tatsache dar, dass sie das in der [X.] ihrer Pacht erwirtschaftete Vermögen, das den [X.] gehört, mitgenommen hat und der Verein [X.] dieses Vermögen, auf das er Anspruch hat, nun gerichtlich einklagen muss. Es handelt sich dabei um keine Kleinigkeit: Geht man von den Einnahmen und den Investitionen aus, die sie selbst beziffert hat, kommt man auf eine sechsstellige Summe. Anders ausgedrückt '[X.]] hat in erheblichem Umfang Vermögen der [X.] veruntreut.'"

5

Mit Schreiben vom 3. Februar 2020 forderte die Klägerin die Beklagte auf, diese Äußerungen zu unterlassen und bis zum 6. März 2020 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Dies verweigerte die Beklagte.

6

Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Androhung von [X.] verurteilt, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu äußern oder zu verbreiten, die Klägerin habe in erheblichem Umfang Vermögen der Naturfreunde veruntreut. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.

7

Nach Auffassung des Berufungsgerichts fehlt es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Klage. Für [X.] gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen Vorbereitung dienten, bestehe in aller Regel kein Rechtschutzbedürfnis. Das sogenannte Ausgangsverfahren solle nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden. Diese Rechtsprechung sei auch auf die Durchführung vereinsinterner Verfahren wie das von der Beklagten initiierte Vereinsausschlussverfahren gemäß § 9 der Satzung anwendbar. Der Ausschluss eines Vereinsmitglieds wäre nicht möglich, wenn es dem den Ausschluss beantragenden Mitglied verboten wäre, die Gründe für den Ausschluss vorzutragen. Um dem nach ihrer Auffassung begründeten [X.] zum Erfolg verhelfen zu können, müsse es der Beklagten daher gestattet sein, die nach ihrer Auffassung vorliegenden Ausschlussgründe vorzutragen, die auch in dem Vorwurf einer Straftat liegen könnten. Die Beklagte habe den Vereinsausschluss bei dem nach der Satzung hierfür zuständigen Organ beantragt. Ihre Äußerungen hätten der Begründung dieses Antrags gedient. Die Unrichtigkeit oder Unzulässigkeit der beanstandeten Äußerung, die die Beklagte zur Begründung ihres Antrags auf Vereinsausschluss vorgebracht habe, sei deshalb zunächst außergerichtlich im Rahmen der vereinsinternen Rechtsbehelfe zu prüfen. Soweit von Seiten des [X.] dem Antrag auf Ausschluss der Klägerin als Vereinsmitglied stattgegeben worden sei, habe für die Klägerin sodann die Möglichkeit bestanden, ihren Vereinsausschluss und damit auch die Vorwürfe in dem diesem zugrundeliegenden [X.] der Beklagten gerichtlich - bei den ordentlichen Gerichten oder einem gegebenenfalls bestehenden Vereinsschiedsgericht - überprüfen zu lassen. Dafür, dass die Beklagte mit dem von der Klägerin beanstandeten Vorwurf im [X.] vorsätzlich unwahre Äußerungen getätigt hätte, was womöglich eine andere Beurteilung rechtfertigen würde, gebe es keine Anhaltspunkte.

II.

8

Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht für unzulässig gehalten.

9

1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats besteht für [X.] gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren dienen oder die dort in Wahrnehmung staatsbürgerlicher Pflichten, etwa als Zeuge, gemacht werden, in aller Regel kein Rechtschutzbedürfnis (vgl. Senatsurteile vom 27. Februar 2018 - [X.], [X.], 817 Rn. 16 ff., 26; vom 28. Februar 2012 - [X.], [X.], 502 Rn. 7; vom 11. Dezember 2007 - [X.], [X.], 357, juris Rn. 12; [X.], NJW 2018, 3143 ff.; jeweils mwN). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche bzw. eine in einem weiteren Verfahren erfolgte Verurteilung zur Unterlassung oder Beseitigung in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Es wäre mit der rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar, wenn die Beteiligten in einem anderen Rechtsstreit verurteilt werden könnten, Erklärungen zu widerrufen oder zu unterlassen, die sie im Ausgangsverfahren abgegeben haben. Damit würde in unerträglicher Weise in die Führung dieses Verfahrens eingegriffen. Die Parteien müssen in einem Gerichtsverfahren alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft werden. Ein weiterer Gesichtspunkt, der die Beschränkung des Ehrenschutzes bei Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren dienen, rechtfertigt, ist der, dass dem Betroffenen bereits in diesem Verfahren prozessual wie materiell-rechtlich ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz seiner Interessen bereitstehen; schon hier kann er die ehrkränkende Äußerung des Prozessgegners zur Nachprüfung durch das Gericht stellen (vgl. Senatsurteile vom 27. Februar 2018 - [X.], [X.], 817 Rn. 17; vom 28. Februar 2012 - [X.], [X.], 502 Rn. 7; vom 11. Dezember 2007 - [X.], [X.], 357, juris Rn. 13, 16; vom 14. Juni 1977 - [X.], [X.], 181, juris Rn. 16 a.E.; jeweils mwN).

Diese Grundsätze gelten entsprechend für Äußerungen gegenüber Verwaltungs- oder Strafverfolgungsbehörden. Es kann dem Bürger grundsätzlich nicht verwehrt werden, vermeintliche Missstände oder den Verdacht strafbarer Handlungen den Stellen aufzuzeigen, die für die Beseitigung des angeblichen Missstands oder für die Aufklärung von Straftaten zuständig sind (vgl. Senatsurteile vom 27. Februar 2018 - [X.], [X.], 817 Rn. 26; vom 28. Februar 2012 - [X.], [X.], 502 Rn. 8; vom 11. Dezember 2007 - [X.], [X.], 357, juris Rn. 12; jeweils mwN; Senatsbeschluss vom 3. November 1977 - [X.], [X.], 62, juris Rn. 39).

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht diese Grundsätze auf ansehensbeeinträchtigende Äußerungen übertragen, die dazu dienen, einen Antrag auf Vereinsausschluss zu begründen und das entsprechende Verfahren der zuständigen Vereinsorgane in Gang zu setzen bzw. zu fördern. Auch für auf solche Äußerungen gestützte Klagen besteht in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis (so auch [X.] NJW-RR 1986, 675; [X.], Hinweisbeschluss vom 5. September 2022 - 15 U 124/22, n.v.; [X.], NJW-RR 2003, 39, juris Rn. 11; [X.]/[X.], Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., [X.]. 10 Rn. 37; [X.]/Klass, [X.], 16. Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 273; [X.]/[X.], Handbuch zum Vereinsrecht, 12. Aufl., Rn. 1207; vgl. auch Senatsbeschluss vom 3. November 1977 - [X.], [X.], 62 juris Rn. 39).

a) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wären die Einleitung und Durchführung eines vereinsrechtlichen [X.] nicht möglich, wenn den Ausschluss beantragende Vereinsmitglieder durch die Erhebung einer Ehrschutzklage daran gehindert werden könnten, einen möglicherweise vereinsschädigenden Sachverhalt der Stelle zur Nachprüfung zu unterbreiten, die nach der von allen Vereinsmitgliedern anerkannten Vereinssatzung dafür zuständig ist. Hierdurch würde in unerträglicher Weise in ein Verfahren eingegriffen, das Ausfluss der in Art. 9 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgten ([X.], Urteile vom 23. November 1998 - [X.], [X.]Z 140, 74, juris Rn. 12; vom 20. September 2016 - [X.], [X.]Z 212, 70 Rn. 37; [X.] 124, 25, juris Rn. 37; [X.], NJW 2023, 976 Rn. 9) und in den §§ 21 ff. [X.] einfachgesetzlich verankerten Vereinsautonomie ist und das rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen hat.

aa) Die Vereinsautonomie genießt als Teil der Vereinigungsfreiheit den Schutz des Art. 9 Abs. 1 GG. Diese Bestimmung gewährleistet das Recht, Vereine und Gesellschaften zu gründen, ihnen beizutreten oder fernzubleiben, und garantiert damit das Prinzip freier [X.] Gruppenbildung (vgl. [X.], Urteil vom 23. November 1998 - [X.], [X.]Z 140, 74, juris Rn. 12; [X.] 149, 160 Rn. 97). Hieraus folgt sowohl für Mitglieder als auch für die Vereinigung die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte, also das Recht auf Entstehen und Bestehen in der gewählten gemeinsamen Form (vgl. [X.], Urteil vom 23. November 1998 - [X.], [X.]Z 140, 74, juris Rn. 12; [X.] 149, 160 Rn. 98; [X.] 124, 25, juris Rn. 37; [X.]/[X.], [X.], 2019, § 25 Rn. 5; jeweils mwN). Es umfasst unter anderem die Befugnis des Vereins, gegenüber seinen Mitgliedern nach Maßgabe der Satzung [X.] zu verhängen, insbesondere sie aus dem Verein auszuschließen (vgl. [X.], Urteile vom 20. September 2016 - [X.], [X.]Z 212, 70 Rn. 37; vom 28. November 1994 - [X.], [X.]Z 128, 93 Rn. 12, 31; vom 30. Mai 1983 - [X.], [X.]Z 87, 337, juris Rn. 19; [X.], [X.] 1989, 593, 594; [X.], NJW-RR 2003, 39, juris Rn. 11; [X.]/[X.], [X.], 82. Aufl., § 25 Rn. 7, 13, 27; [X.]/[X.], [X.], 2019, § 25 Rn. 11).

bb) Zwar gelten aufgrund der Vereinsautonomie für das vereinsrechtliche Ausschließungsverfahren nicht dieselben strengen Anforderungen wie für ein gerichtliches Verfahren; eine buchstäbliche Übernahme der für die staatlichen Gerichte geltenden prozessualen Regeln kann nicht verlangt werden (vgl. [X.], Urteile vom 19. Oktober 1987 - [X.], [X.]Z 102, 265, juris Rn. 8, 10; vom 10. Juli 1989 - [X.], NJW 1990, 40, juris Rn. 19). Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] muss das Ausschließungsverfahren aber elementaren rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen (vgl. [X.], Urteile vom 9. Juni 1997 - [X.], NJW 1997, 3368, juris Rn. 6, 13; vom 28. November 1994 - [X.], [X.]Z 128, 93, juris Rn. 31; vom 10. Juli 1989 - [X.], NJW 1990, 40, juris Rn. 19; vom 19. Oktober 1987 - [X.], [X.]Z 102, 265 Rn. 10). So hat der Verein bzw. dessen satzungsmäßig bestimmtes Organ die Grundlagen für die Ausschließungsentscheidung in einer auch die entlastenden Umstände umfassenden, fairen Untersuchung selbst zu ermitteln (vgl. [X.], Urteil vom 2. Dezember 2002 - [X.], [X.], 343, juris Rn. 15). Die Tatsachen, die der Ausschließungsentscheidung zugrunde gelegt werden, müssen durch eine objektive und an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichtete Ermittlung zutreffend festgestellt werden (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juni 1997 - [X.], NJW 1997, 336, juris Rn. 6; vom 10. Juli 1989 - [X.], NJW 1990, 40, juris Rn. 19; vom 30. Mai 1983 - [X.], [X.]Z 87, 337, juris Rn. 19). Dem betroffenen Mitglied ist im Ausschließungsverfahren auch ohne dahingehende Satzungsbestimmung rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. [X.], Urteile vom 2. Dezember 2002 - [X.], [X.], 343, juris Rn. 15; vom 3. März 1971 - [X.], [X.]Z 55, 381, juris Rn. 43; vom 4. Juli 1960 - [X.], NJW 1960, 1861, juris Rn. 15). Dabei müssen die Vorwürfe, die dem Mitglied gemacht werden und die zu seinem Ausschluss führen sollen, so konkret bezeichnet werden, dass sich der Auszuschließende sachgerecht verteidigen kann und die zur Entscheidung aufgerufenen Mitglieder nicht im Unklaren darüber sein können, über welche Vorwürfe sie abstimmen (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 1989 - [X.], NJW 1990, 40, juris Rn. 19).

cc) Die Einhaltung dieser Verfahrensgarantien durch die zuständigen Vereinsorgane - so auch durch ein etwa bestehendes vereinsinternes Gericht (vgl. [X.], Urteile vom 28. November 1994 - [X.], [X.]Z 128, 93, juris Rn. 31; vom 23. April 2013 - [X.]/12, [X.]Z 197, 162 Rn. 17; vom 20. September 2016 - [X.], [X.]Z 212, 70 Rn. 22) - unterliegt der uneingeschränkten Kontrolle durch die staatlichen Gerichte (vgl. [X.], Urteile vom 9. Juni 1997 - [X.], NJW 1997, 3368, juris Rn. 6; vom 30. Mai 1983 - [X.], [X.]Z 87, 337, juris Rn. 19). Zwar muss die gerichtliche Kontrolle in grundsätzlicher Anerkennung der Vereinsautonomie bestimmte Grenzen einhalten. Zur Gewährleistung des gebotenen Rechtsschutzes des von der Ausschließungsentscheidung betroffenen Vereinsmitglieds prüfen die staatlichen Gerichte aber nach, ob die Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung hat, ob ein elementaren, rechtsstaatlichen Normen und der eigenen Verfahrensordnung des Vereins entsprechendes Verfahren eingehalten wurde, ob die Tatsachen, die der Ausschließungsentscheidung zugrunde gelegt worden sind, bei objektiver und an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteter Ermittlung zutreffend festgestellt worden sind und ob die Maßnahme grob unbillig oder willkürlich ist ([X.], Urteile vom 28. November 1994 - [X.], [X.]Z 128, 93, juris Rn. 31; vom 9. Juni 1997 - [X.], NJW 1997, 3368, juris Rn. 6; vom 10. Juli 1989 - [X.], NJW 1990, 40, juris Rn. 19; vom 30. Mai 1983 - [X.], [X.]Z 87, 337, juris Rn. 19).

b) Hieraus folgt zugleich, dass dem von einer ansehensbeeinträchtigenden Darstellung in einem auf seinen Vereinsausschluss gerichteten Antrag Betroffenen bereits im Ausschließungsverfahren ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz seiner Interessen bereitstehen. Dieses Verfahren dient der Rechts- und Wahrheitsfindung. In ihm wird die Richtigkeit der im [X.] aufgestellten Behauptungen unter Beachtung elementarer rechtsstaatlicher Grund-sätze überprüft. Wie unter a) dargestellt, ist der Verein bzw. dessen satzungsmäßig bestimmtes Organ dazu berufen, den Behauptungen des den Ausschluss beantragenden Vereinsmitglieds in einer auch die entlastenden Umstände umfassenden, fairen Untersuchung, zu der auch die Gewährung rechtlichen Gehörs gehört, nachzugehen und zu überprüfen, ob die erhobenen Vorwürfe berechtigt sind.

c) Soweit dem Senatsurteil vom 16. November 2004 zu entnehmen sein sollte, dass eine Beschränkung des Ehrschutzes nur anlässlich eines laufenden oder im Hinblick auf ein konkret bevorstehendes gerichtliches oder behördliches Verfahren gerechtfertigt werden kann ([X.], [X.], 70, juris Rn. 19), wird daran in dieser Allgemeinheit nicht festgehalten.

3. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage zu Recht verneint. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen war die beanstandete Äußerung der Beklagten Bestandteil ihres an das zuständige Vereinsorgan gerichteten Antrags, die Klägerin aus dem Verein [X.] [X.] auszuschließen. Die Äußerung diente dazu, den [X.] zu begründen und das in der Satzung vorgesehene Ausschließungsverfahren der zuständigen Vereinsorgane in Gang zu setzen. Ein solches Vorgehen kann der Beklagten ungeachtet des ansehensbeeinträchtigenden Charakters der Antragsbegründung nicht verboten werden. Die Klägerin kann die Beklagte nicht durch eine Ehrschutzklage daran hindern, einen möglicherweise vereinsschädigenden Sachverhalt der Stelle zur Nachprüfung zu unterbreiten, die nach der von allen Vereinsmitgliedern anerkannten Vereinssatzung dafür zuständig ist. Ob die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe zutreffen, war vielmehr in dem daraufhin einzuleitenden Ausschließungsverfahren zu prüfen.

Dabei kann dahingestellt werden, ob das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage zu bejahen wäre, wenn die Äußerungen der Beklagten im [X.] bewusst unwahr oder auf der Hand liegend falsch gewesen wären oder eine Schmähung dargestellt hätten (vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 2012 - [X.], [X.], 502 Rn. 14 mwN). Denn eine derartige Fallkonstellation ist nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gegeben. Die beanstandeten Äußerungen stellen insbesondere keine Schmähung dar (vgl. zum Begriff der Schmähung: [X.], NJW 2021, 148 Rn. 15 ff.). Im Vordergrund des Vorbringens der Beklagten stand ersichtlich nicht die Diffamierung der Person der Klägerin, sondern die kritische Auseinandersetzung in der Sache. Die Beklagte beanstandet, dass die Klägerin als Mitglied des Vorstands des ehemaligen Vereins [X.] Kalk e.V. (nunmehr Nischenwelt e.V.) entgegen der Bestimmung in Ziffer 8 des mit dem Verein [X.] [X.] geschlossenen Pachtvertrags diesem bei Beendigung des Pachtverhältnisses nicht sämtliche Vermögenswerte und Rechte überlassen, sondern das in der [X.] erwirtschaftete Vermögen mitgenommen habe.

[X.]     

      

von [X.]     

      

[X.]

      

[X.]     

      

Allgayer     

      

Meta

VI ZR 207/22

20.06.2023

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Köln, 23. Juni 2022, Az: 1 S 96/21

§ 253 BGB, § 823 BGB, Art 9 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.06.2023, Az. VI ZR 207/22 (REWIS RS 2023, 4620)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4620

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 S 96/21 (Landgericht Köln)


39 T 72/21 (Landgericht Köln)


118 C 10/21 (Amtsgericht Bonn)


VI ZR 262/10 (Bundesgerichtshof)

Allgemeines Persönlichkeitsrecht: Berichterstattung über die nichtöffentliche Mitgliedschaft in einem politischem Führungsgremium


II ZR 74/12 (Bundesgerichtshof)

Vereinsrecht: Bindung des Vereins an Entscheidung des Vereinsgerichts; Überprüfbarkeit der Entscheidung durch das staatliche Gericht


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

II ZR 74/12

II ZR 25/15

VI ZR 79/11

VI ZR 86/16

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.