Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.04.2015, Az. VIII ZR 281/13

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12648

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
VIII ZR 281/13
Verkündet am:

15. April 2015

Ring,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Ges[X.]häftsstelle
in dem Re[X.]htsstreit
Na[X.]hs[X.]hlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 543 Abs. 1, §
573 Abs. 2 Nr. 1

a)
Eine Kündigung des Vermieters wegen der Verletzung der Pfli[X.]ht des [X.], Instandsetzungs-
oder Modernisierungsarbeiten zu dulden, kommt ni[X.]ht erst dann in Betra[X.]ht, wenn der Vermieter gegen den Mieter vor Ausspru[X.]h der Kündigung einen (re[X.]htskräftig) titulierten Duldungstitel er-stritten hat.
b)
Dem Vermieter kann die Fortsetzung des Mietverhältnisses vielmehr au[X.]h s[X.]hon vor Erhebung einer [X.] und Erwirkung eines Titels un-zumutbar sein mit der Folge, dass eine fristlose Kündigung das Mietver-hältnis beendet; glei[X.]hermaßen kann die verweigerte Duldung eine derart s[X.]hwere Vertragsverletzung sein, dass (au[X.]h) eine ordentli[X.]he Kündigung gere[X.]htfertigt ist.
[X.])
Ob das Mietverhältnis na[X.]h verweigerter Duldung dur[X.]h den Mieter [X.] der ausgespro[X.]henen Kündigung sein Ende gefunden hat, hat der Tatri[X.]hter allein auf der Grundlage der in § 543 Abs. 1 [X.] beziehungs-weise in § 573 Abs. 2 Nr. 1 [X.] genannten Voraussetzungen unter Ab-wägung aller im Einzelfall in Betra[X.]ht kommenden Umstände zu prüfen.
[X.], Versäumnisurteil vom 15. April 2015 -
VIII ZR 281/13 -
LG [X.]

AG [X.]-Tempelhof-Kreuzberg

-
2 -
Der VIII.
Zivilsenat des Bundesgeri[X.]htshofs hat auf die mündli[X.]he Verhandlung vom 15. April 2015 dur[X.]h die Vorsitzende Ri[X.]hterin [X.], die Ri[X.]hter
Dr. A[X.]hilles und Dr. S[X.]hneider, die Ri[X.]hterin [X.] sowie [X.]
Kosziol
für Re[X.]ht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird
das Urteil der [X.] des Landgeri[X.]hts [X.] vom 14. August 2013 aufgehoben.
Die Sa[X.]he wird zur neuen Verhandlung und Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des
Berufungsgeri[X.]hts
zurü[X.]kverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstre[X.]kbar.

Von Re[X.]hts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagten sind Mieter einer Wohnung in [X.].
Die Klägerin stellte im Jahr 2010 einen ausgedehnten Befall mit Haus-s[X.]hwamm im Da[X.]hstuhl des Hauses und an den Balken der Wohnungsde[X.]ke fest. Die Beklagten zogen
deshalb
im November 2010 in ein Hotel, um der Klä-gerin Notmaßnahmen zu ermögli[X.]hen. Na[X.]h deren Beendigung erhielten die Beklagten die Wohnung von der Klägerin zurü[X.]k.
1
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3 -
Mit S[X.]hreiben vom 8. April 2011, mit dem die Klägerin weitere Arbeiten zur S[X.]hwammbeseitigung ankündigte, verlangte die Klägerin erneut Zutritt zur Wohnung.
Die Beklagten ma[X.]hten die Gewährung des Zutritts
in der Folgezeit von Bedingungen abhängig, unter anderem von der Erstattung entstandener Hotelkosten und Zusagen zur Wiederherstellung des vorherigen Zustandes der Mietsa[X.]he.
Unter dem
30. Juni 2011 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis außer-ordentli[X.]h fristlos, hilfsweise ordentli[X.]h mit gesetzli[X.]her Frist,
mit der [X.], die Beklagten hätten ihr trotz mehrmaliger Aufforderung den Zutritt zur Wohnung und die Dur[X.]hführung
der Instandsetzungsarbeiten verweigert.
Am 1. August 2011 erließ das Amtsgeri[X.]ht eine einstweilige Verfügung, mit dem Inhalt, dass die Beklagten den Zutritt zwe[X.]ks Dur[X.]hführung weiterer Instandsetzungsarbeiten zu dulden hätten. Die Beklagten legten gegen die einstweilige Verfügung Widerspru[X.]h ein und gewährten der Klägerin zunä[X.]hst keinen Zutritt. Mit S[X.]hreiben vom 21. September 2011 wiederholte die Klägerin ihr Zutrittsbegehren. Das Amtsgeri[X.]ht verhandelte am 29. September 2011 über die einstweilige Verfügung und hielt sie mit Urteil vom glei[X.]hen Tag aufre[X.]ht. Am 4. Oktober 2011 gewährten die Beklagten der Klägerin
Zutritt zu
der
Woh-nung.
Mit S[X.]hriftsatz vom 21. November 2011 wiederholte die Klägerin die
au-ßerordentli[X.]he fristlose Kündigung
wegen der
vorangegangenen Zutrittsverwei-gerungen, die sie zusätzli[X.]h
darauf stützte, dass die Beklagten im November 2011 den Zugang zu einem zu der vermieteten Wohnung
gehörenden Keller-raum verweigert hätten; der Zutritt sei zum Zwe[X.]k der Dur[X.]hführung von [X.] an den Trink-
und Abwasserleitungen erforderli[X.]h gewesen.

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-
4 -
Das Amtsgeri[X.]ht hat die Räumungsklage sowie die auf Zahlung von Ho-telkosten geri[X.]htete Widerklage
abgewiesen. Die in einem weiteren Verfahren
auf Duldung von
Instandsetzungsarbeiten geri[X.]htete Klage hat das Amtsgeri[X.]ht
-
wegen zwis[X.]henzeitli[X.]her Erfüllung des Duldungsanspru[X.]hs -
abgewiesen und der in diesem Verfahren erhobenen Widerklage der Beklagten auf [X.] des unmittelbaren Besitzes an der Wohnung stattgegeben.
Das Landgeri[X.]ht hat die
beiden Verfahren verbunden und die Berufun-gen der Klägerin
gegen die Abweisung der Räumungsklage und die [X.] zur Wiedereinräumung des Besitzes
mit Urteil vom 14. August 2013 zu-rü[X.]kgewiesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Räumungsklage weiter und
begehrt Abweisung der
Widerklage.

Ents[X.]heidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
Über das Re[X.]htsmittel ist antragsgemäß dur[X.]h Versäumnisurteil zu ent-s[X.]heiden, da die Beklagten in der mündli[X.]hen Verhandlung trotz ordnungsge-mäßer Ladung ni[X.]ht anwaltli[X.]h vertreten waren. Inhaltli[X.]h beruht das Urteil [X.] ni[X.]ht auf der Säumnis, sondern auf einer Sa[X.]hprüfung ([X.], Urteil vom 4. April 1962 -
V [X.], [X.]Z 37, 79, 81 ff.).
I.
Das Berufungsgeri[X.]ht hat zur Begründung seiner Ents[X.]heidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentli[X.]hen ausgeführt:
Die
Kündigungen vom 30. Juni 2011 und vom 21. November 2011 hätten das Mietverhältnis ni[X.]ht beendet. Unter Berü[X.]ksi[X.]htigung aller Umstände des 7
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Einzelfalles stelle das Verhalten der Beklagten, die Gewährung des Zutritts zur Wohnung von bestimmten Bedingungen abhängig zu ma[X.]hen, keine derart er-hebli[X.]he s[X.]huldhafte Pfli[X.]htverletzung der Beklagten dar, dass eine Kündigung gere[X.]htfertigt sei. Denn der Mieter dürfe die Einzelheiten der Duldungspfli[X.]ht zunä[X.]hst in einem Re[X.]htsstreit klären lassen, ohne befür[X.]hten zu müssen, [X.] deshalb die Wohnung zu verlieren. In Ansehung des bere[X.]htigten Besitzin-teresses des Mieters müsse der Vermieter deshalb zunä[X.]hst das Mittel der [X.] wählen. Es wäre mit der Re[X.]hts[X.]hutzgarantie ni[X.]ht vereinbar, wenn der Mieter plausibel ers[X.]heinende Einwendungen gegen die Duldungs-pfli[X.]ht ni[X.]ht geltend ma[X.]hen könnte, ohne der Gefahr einer Kündigung ausge-setzt
zu sein.
Na[X.]h der Re[X.]htspre[X.]hung des Bundesgeri[X.]htshofs
handele der An-spru[X.]hsteller ni[X.]ht s[X.]hon dann s[X.]huldhaft, wenn er ni[X.]ht erkenne, dass seine Re[X.]htsposition in der Sa[X.]he ni[X.]ht bere[X.]htigt sei, sondern erst, wenn er sie ni[X.]ht als plausibel ansehen dürfe
([X.]Z 179, 238 Rn. 20; [X.],
NJW-RR 2013, 1028 Rn. 64 f.). Etwas anderes könne ledigli[X.]h dann gelten, wenn in dem [X.] des Mieters querulatoris[X.]he Neigungen erkennbar würden oder der [X.] vertragli[X.]he Pfli[X.]hten ni[X.]ht erfülle, obwohl er hierzu verurteilt worden sei. Das sei vorliegend ni[X.]ht der Fall.
Im Hinbli[X.]k auf die fristlose sowie die hilfsweise erklärte ordentli[X.]he Kün-digung vom 30. Juni 2011 hätten die Beklagten zu keinem Zeitpunkt die zur endgültigen Sanierung angekündigten Arbeiten ohne Eins[X.]hränkung abgelehnt. Soweit sie die Zutrittsgewährung von der Übernahme entstandener Hotelkosten und weiteren Zusagen zur Wiederherstellung des Zustands der Mietsa[X.]he ab-hängig gema[X.]ht hätten, seien darin weder querulatoris[X.]he Neigungen erkenn-bar no[X.]h seien die Forderungen -
zumindest teilweise -
ni[X.]ht plausibel gewe-sen. Ob die geltend gema[X.]hten Ansprü[X.]he bestanden und ob diese ein Zurü[X.]k-13
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behaltungsre[X.]ht begründet hätten, brau[X.]he daher ni[X.]ht ents[X.]hieden zu werden. Hinsi[X.]htli[X.]h der Kündigung vom 21. November 2011 könne die Klägerin si[X.]h ni[X.]ht darauf berufen, dass die Beklagten einen re[X.]htskräftigen Duldungstitel missa[X.]htet hätten; ein sol[X.]her habe bis zur Zutrittsgewährung ni[X.]ht vorgelegen. Auf die ursprüngli[X.]he Weigerung, den Zutritt zu gewähren, könne
si[X.]h die Klä-gerin ni[X.]ht mehr stützen, da sie die Kündigung ni[X.]ht innerhalb einer angemes-senen Frist des § 314 Abs. 3 [X.] erklärt habe.
Da die Kündigungen das Mietverhältnis ni[X.]ht beendet hätten, sei die Klä-gerin verpfli[X.]htet, den Beklagten den Besitz an den streitgegenständli[X.]hen Wohnungen wieder einzuräumen.
II.
Diese Beurteilung hält re[X.]htli[X.]her Na[X.]hprüfung ni[X.]ht stand. Mit der vom Berufungsgeri[X.]ht gegebenen Begründung kann die Wirksamkeit der Kündigun-gen der Klägerin, von der die Ents[X.]heidung über
die Räumungsklage und die Widerklage auf Wiedereinräumung des Besitzes abhängt, ni[X.]ht verneint wer-den.
1. Die Auffassung des Berufungsgeri[X.]hts, die Kündigungen vom 30. Juni 2011 sowie vom 21. November 2011 seien sowohl als fristlose als au[X.]h als or-dentli[X.]he Kündigung unwirksam, weil ein s[X.]huldhafter Verstoß gegen mietver-tragli[X.]he Pfli[X.]hten aufgrund von plausiblen Einwendungen der Beklagten ni[X.]ht vorliege
und die Klägerin vorrangig auf eine [X.] zu verweisen sei, ist von Re[X.]htsfehlern beeinflusst.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgeri[X.]hts kommt eine
Kündigung des Vermieters wegen Verletzung vertragli[X.]her Duldungspfli[X.]hten dur[X.]h den Mieter ni[X.]ht
erst dann in Betra[X.]ht, wenn der Mieter gegen (re[X.]htskräftig) titulier-15
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te Duldungspfli[X.]hten verstoßen hat.
Ferner hat das Berufungsgeri[X.]ht
-
in Ver-kennung der (strengen) Anforderungen
an das Vorliegen eines s[X.]huldlosen Re[X.]htsirrtums des S[X.]huldners -
re[X.]htsfehlerhaft angenommen, dass der Mieter, der eine bestehende Duldungspfli[X.]ht ni[X.]ht erfülle, s[X.]hon dann s[X.]huldlos [X.], wenn er
(nur) plausibel
ers[X.]heinende
Einwendungen erhebe.
a)
Gemäß § 543 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann das Mietverhältnis aus wi[X.]hti-gem Grund von jeder Vertragspartei fristlos gekündigt werden. Ein wi[X.]htiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berü[X.]ksi[X.]htigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere eines Vers[X.]huldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhält-nisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses ni[X.]ht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 Satz 2 [X.]).
Na[X.]h § 573 Abs. 2 Nr. 1 [X.] kann der Vermieter das Mietverhältnis ordentli[X.]h kündigen, wenn der Mieter seine Vertragspfli[X.]hten s[X.]huldhaft ni[X.]ht unerhebli[X.]h verletzt hat. Die Beurteilung der Unzumutbarkeit im
Sinne des §
543 Abs.
1 Satz
2 [X.] unterliegt dabei -
ebenso wie die Erhebli[X.]hkeit einer Pfli[X.]htverlet-zung im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 1 [X.] -
der tatri[X.]hterli[X.]hen Würdigung, die
vom Revisionsgeri[X.]ht nur daraufhin überprüft werden
kann, ob die maßge-benden Tatsa[X.]hen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt
und
ob die allgemein anerkannten Maßstäbe berü[X.]ksi[X.]htigt und ri[X.]htig angewandt [X.] sind
(Senatsurteil vom 11. Januar 2006 -
VIII ZR 364/04,
NJW 2006, 1585 Rn. 12 mwN). Sol[X.]he Re[X.]htsfehler sind dem Berufungsgeri[X.]ht hier jedo[X.]h un-terlaufen.
aa) Anders als das Berufungsgeri[X.]ht meint, kann eine fristlose Kündi-gung ni[X.]ht erst
dann auf eine Verletzung von Duldungspfli[X.]hten des Mieters gestützt werden, wenn der Mieter einen re[X.]htskräftigen Duldungstitel missa[X.]h-tet oder sein Verhalten "querulatoris[X.]he Neigungen"
zeigt. Dem Vermieter kann 19
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die Fortsetzung des Mietverhältnisses vielmehr unter Berü[X.]ksi[X.]htigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen au[X.]h s[X.]hon vor Erhebung einer [X.] und Erwirkung eines Titels un-zumutbar sein, wenn der Mieter seine Pfli[X.]ht
gemäß § 554 [X.] aF (vgl. jetzt §§
555a
bis 555d [X.])
verletzt, die Instandsetzung oder Modernisierung der Mietsa[X.]he zu dulden ([X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2014, §
573 Rn. 35; Lützenkir[X.]hen/Lützenkir[X.]hen, Mietre[X.]ht, § 543 Rn. 20 f.; vgl. au[X.]h [X.]/
Lützenkir[X.]hen, [X.], 14. Aufl., § 543 Rn. 5;
Grapentin in Bub/[X.], Handbu[X.]h der Ges[X.]häfts-
und Wohnraummiete, 4. Aufl., [X.] IV Rn. 389;
Senatsbe-s[X.]hluss vom 5. Oktober 2010 -
VIII ZR 221/09, [X.], 13 Rn. 2 f. [zu ver-tragli[X.]hen Duldungspfli[X.]hten]). Au[X.]h eine
die ordentli[X.]he Kündigung re[X.]htferti-gende erhebli[X.]he Vertragsverletzung setzt bei einem Verstoß gegen Duldungs-pfli[X.]hten ni[X.]ht generell voraus, dass si[X.]h der Vermieter zuvor einen re[X.]htskräf-tigen Duldungstitel vers[X.]hafft hat.
[X.])
Die
-
offenbar au[X.]h vom Berufungsgeri[X.]ht geteilte -
vereinzelt in der
Instanzre[X.]htspre[X.]hung und in der mietre[X.]htli[X.]hen Literatur vertretene
Auffas-sung,
die eine Kündigung wegen der Verletzung ni[X.]ht titulierter
Duldungspfli[X.]h-ten
generell auss[X.]hließen will (LG Saarbrü[X.]ken, ZMR
2008, 975;
AG Mün[X.]hen, [X.], 365 f.; S[X.]hmidt-Futterer/Blank, Mietre[X.]ht, 11. Aufl., §
543 [X.] Rn.
210), findet im Gesetz keine Stütze. Weder können derartige
Vertragsver-letzungen generell als "ni[X.]ht so gewi[X.]htig"
angesehen werden (so wohl S[X.]hmidt-Futterer/Blank,
aaO) no[X.]h stellt
§ 554 [X.] aF
eine abs[X.]hließende Regelung
für den Interessenausglei[X.]h zwis[X.]hen Mieter und Vermieter im [X.] dar (vgl. LG Saarbrü[X.]ken aaO). Der Gesetzgeber hat vielmehr die Kündigung des Vermieters, [X.] davon, auf wel[X.]her Pfli[X.]htverletzung des Mieters sie beruht, allgemein in §
543 und §
573 [X.] geregelt, ohne spezielle Regelungen für die Fälle der Verletzung von Duldungspfli[X.]hten zu treffen.
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-
9 -
Die Auffassung des Berufungsgeri[X.]hts, ein Verstoß gegen (ni[X.]ht re[X.]hts-kräftig titulierte) Duldungspfli[X.]hten sei -
solange der Mieter keine "querulatori-s[X.]he Einwendungen"
erhebe -
ni[X.]ht so gravierend,
dass er die Kündigung des Mietverhältnisses re[X.]htfertigen könnte, verkennt
in grundlegender Weise, dass Modernisierungs-
und Instandsetzungsmaßnahmen für die
Erhaltung des Miet-objekts und
seines wirts[X.]haftli[X.]hen Wertes
von wesentli[X.]her
Bedeutung sein können, so dass der Vermieter an deren alsbaldiger
Dur[X.]hführung
ein erhebli-[X.]hes wirts[X.]haftli[X.]hes Interesse
haben kann.
Der vom Berufungsgeri[X.]ht angelegte, verfehlte
Maßstab läuft darauf hin-aus, dass dem Mieter die Mögli[X.]hkeit gegeben wird, Instandsetzungs-
und Mo-dernisierungsmaßnahmen, zu deren Duldung er re[X.]htli[X.]h verpfli[X.]htet ist
und an deren umgehender
Dur[X.]hführung der Vermieter ein bere[X.]htigtes Interesse hat, für einen unabsehbaren
Zeitraum (nämli[X.]h bis zur re[X.]htskräftigen Titulierung einer [X.])
hinauszuzögern, ohne die Konsequenzen tragen zu müs-sen, die mit einer derartigen
im Einzelfall au[X.]h sehr gravierenden Vertragsver-letzung grundsätzli[X.]h verbunden sein können. Die vom Berufungsgeri[X.]ht vertre-tene Auffassung bietet
dem Mieter geradezu einen
Anreiz
dazu, si[X.]h den aus seiner Si[X.]ht mögli[X.]herweise ni[X.]ht gewüns[X.]hten, na[X.]h der Re[X.]htslage aber ge-re[X.]htfertigten
und von ihm deshalb zu duldenden
bauli[X.]hen Maßnahmen zu-mindest zeitweise
zu
widersetzen. Dies widerspri[X.]ht dem Anliegen des [X.], der dem Mieter bei Instandsetzungs-
und Modernisierungsmaßnahmen ni[X.]ht nur im Hinbli[X.]k auf wirts[X.]haftli[X.]he Interessen des Vermieters, sondern au[X.]h mit Bli[X.]k auf das wohnungspolitis[X.]he Ziel der Verbesserung der allgemei-nen Wohnbedingungen umfangrei[X.]he Duldungspfli[X.]hten auferlegt hat (vgl. BT-Dru[X.]ks. 14/4553, S. 36 f.; BT-Dru[X.]ks. 9/2079, [X.] f.
[zu § 541b
[X.]
i.d.[X.] vom 20. Dezember 1982]).

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-
10 -
b) Bei der
Beurteilung der Frage, ob die Beklagten als S[X.]huldner des
Duldungsanspru[X.]hs
vertragli[X.]he Pfli[X.]hten
s[X.]huldhaft verletzt haben,
hat das Berufungsgeri[X.]ht re[X.]htsfehlerhaft die Re[X.]htspre[X.]hung des Bundesgeri[X.]htshofs zum Sorgfaltsmaßstab des Gläubigers, der zu Unre[X.]ht eine Leistung verlangt, herangezogen. Im Streitfall geht es jedo[X.]h
um die Pfli[X.]htverletzung eines S[X.]huldners, für den andere, strengere Maßstäbe gelten.
aa) Na[X.]h der Re[X.]htspre[X.]hung des Bundesgeri[X.]htshofs handelt ein Gläu-biger grundsätzli[X.]h ni[X.]ht s[X.]hon dann fahrlässig, wenn er ni[X.]ht erkennt, dass seine Forderung unbere[X.]htigt ist (vgl. [X.], Urteile vom 11. Juni 2014 -
VIII ZR 349/13, NJW 2014, 2717 Rn. 33; vom 1. März 2013 -
V [X.], NJW-RR 2013, 1028
Rn. 64 f.). Diese Re[X.]htspre[X.]hung beruht auf der Erwägung, dass dem Gläubiger die Dur[X.]hsetzung seiner Re[X.]hte unzumutbar ers[X.]hwert würde, wenn man von ihm verlangte, die si[X.]her nur in einem Re[X.]htsstreit zu klärende Bere[X.]htigung einer geltend gema[X.]hten Forderung s[X.]hon im Vorfeld oder au-ßerhalb eines Re[X.]htsstreits vorauszusehen. Der im Verkehr erforderli[X.]hen Sorgfalt entspri[X.]ht der Gläubiger demgemäß regelmäßig s[X.]hon dann, wenn er sorgfältig prüft, ob der eigene Re[X.]htsstandpunkt plausibel ist. Dies gilt au[X.]h dann, wenn die zu beurteilende Re[X.]htslage unklar ist ([X.], Urteil vom 11. Juni 2014
-
VIII ZR 349/13, aaO).
[X.]) Diese Re[X.]htspre[X.]hung ist
indes
ni[X.]ht anwendbar, wenn es -
wie im Streitfall -
um die Beurteilung einer Pfli[X.]htverletzung des S[X.]huldners geht; in-soweit gelten die (strengen)
Maßstäbe, die der Bundesgeri[X.]htshof in ständiger Re[X.]htspre[X.]hung an einen unvers[X.]huldeten Re[X.]htsirrtum stellt. Dana[X.]h
fordert der Geltungsanspru[X.]h des Re[X.]hts, dass der Verpfli[X.]htete grundsätzli[X.]h das Risiko eines Irrtums über die Re[X.]htslage selbst trägt (Senatsurteile vom
11.
Juni 2014 -
VIII ZR 349/13, aaO
Rn. 34; vom 30. April 2014 -
VIII ZR 103/13, [X.]Z 201, 91 Rn. 23), so dass ein unvers[X.]huldeter Re[X.]htsirrtum nur 24
25
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-
11 -
ausnahmsweise in Betra[X.]ht kommt (grundlegend [X.], Urteil vom 9. Januar 1951 -
I [X.], NJW 1951, 398).

Der S[X.]huldner darf das Risiko einer zweifelhaften Re[X.]htslage ni[X.]ht dem Gläubiger zus[X.]hieben. Ents[X.]heidet er si[X.]h bei zweifelhafter Re[X.]htslage dafür, die von ihm geforderte Leistung ni[X.]ht zu erbringen, geht er -
von besonderen Sa[X.]hlagen abgesehen
-
das Risiko, dass si[X.]h seine Eins[X.]hätzung später als fals[X.]h erweist, zumindest fahrlässig ein und hat deshalb seine Ni[X.]htleistung zu vertreten, wenn er -
wie in einem späteren Re[X.]htsstreit festgestellt wird -
zur Leistung verpfli[X.]htet war
(Senatsurteile vom 11. Juni 2014 -
VIII ZR 349/13, aaO Rn. 36; vom 30. April 2014 -
VIII ZR 103/13, aaO Rn. 24).
[X.][X.]) Das Berufungsgeri[X.]ht hätte deshalb ni[X.]ht offenlassen dürfen, ob den Beklagten
als S[X.]huldner der Duldungspfli[X.]ht
ein Zurü[X.]kbehaltungsre[X.]ht wegen erhobener Gegenansprü[X.]he zustand.
Das Glei[X.]he gilt,
soweit
die Beklagten von der
Klägerin verlangt hatten, die
Wiederherstellung eines Podests zuzusa-gen sowie Maßnahmen zum S[X.]hutz von Möbeln
dur[X.]h Vers[X.]hließen eines Dur[X.]hgangs mit Spanplatten zu ergreifen. Au[X.]h diesbezügli[X.]h kommt es ni[X.]ht darauf an, ob diese Forderungen aus Si[X.]ht
der Beklagten oder des Geri[X.]hts "plausibel"
waren, sondern darauf, ob das geltend gema[X.]hte Begehren und ein darauf gestütztes Zurü[X.]kbehaltungsre[X.]ht materiell-re[X.]htli[X.]h begründet
waren.
Die vom Berufungsgeri[X.]ht vorgenommene Unters[X.]heidung, ob die von den [X.] erhobenen Einwendungen "plausibel"
oder "querulatoris[X.]h"
waren, kann allenfalls bei der Beurteilung der S[X.]hwere des ihnen angelasteten Pfli[X.]htversto-ßes von Bedeutung sein.
[X.]) Re[X.]htsfehlerhaft hat das Berufungsgeri[X.]ht die fristlose Kündigung der Klägerin vom 21. November 2011 s[X.]hon na[X.]h § 314 Abs. 3 [X.] mit der [X.] era[X.]htet, dass sie erst rund se[X.]hs Wo[X.]hen na[X.]h der 27
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-
12 -
Zutrittsgewährung vom 4. Oktober 2011 und deshalb ni[X.]ht innerhalb [X.] erklärt worden sei. Es bedarf au[X.]h in diesem Zusammenhang keiner Ents[X.]heidung der vom Senat bisher offen gelassenen Frage, ob § 314 Abs.
3
[X.] im Wohnraummietre[X.]ht Anwendung findet oder der Gedanke einer illoya-len Verspätung nur im Rahmen von § 242 [X.] zu berü[X.]ksi[X.]htigen ist (vgl. Se-natsurteil
vom
11.
März 2009 -
VIII ZR 115/08, [X.], 231 Rn. 17; Senats-bes[X.]hluss vom 13. April 2010 -
VIII [X.], [X.], 352 Rn. 5; jeweils mwN).
Denn von einer illoyalen Verspätung kann s[X.]hon deshalb keine Rede sein, weil die Beklagten na[X.]h der Behauptung der Klägerin das beanstandete Verhalten au[X.]h na[X.]h dem 4. Oktober 2011 no[X.]h fortgesetzt hatten, indem sie im November 2011 den Zutritt zu einem Kellerraum verweigerten.

III.
Na[X.]h alledem kann das angefo[X.]htene Urteil
keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§
562 Abs. 1 ZPO).
Die Sa[X.]he ist s[X.]hon deshalb ni[X.]ht zur
Endents[X.]heidung reif, weil das Be-rufungsgeri[X.]ht re[X.]htsfehlerhaft auf die Darstellung des Tatbestands verzi[X.]htet hat; das Berufungsgeri[X.]ht durfte ni[X.]ht, wie ges[X.]hehen,
na[X.]h §
313a Abs.
1,
§
540 Abs. 2 ZPO
verfahren. Denn die Bes[X.]hwer der in einem Räumungs-re[X.]htsstreit unterlegenen Partei beläuft si[X.]h na[X.]h der ständigen Re[X.]htspre-[X.]hung des Senats gemäß §§ 8,
9 ZPO
analog auf den dreieinhalbfa[X.]hen Jah-resbetrag der Nettomiete, wenn es si[X.]h -
wie hier -
um ein Mietverhältnis von unbestimmter Dauer handelt.

e-u-fungsurteil die (von der Klägerin später au[X.]h eingelegte) Ni[X.]htzulassungsbe-s[X.]hwerde zulässig war.
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13 -
Soweit die Ents[X.]heidungsgründe einzelne
tatbestandli[X.]he Feststellungen enthalten, sind diese so bru[X.]hstü[X.]khaft, dass sie keine
abs[X.]hließende
Beurtei-lung der Begründetheit der von der Klägerin erklärten Kündigungen erlauben. Weder ist festgestellt, um wel[X.]he Arbeiten es im Einzelnen ging, wie umfang-rei[X.]h und dringend sie waren, wel[X.]he Beeinträ[X.]htigungen si[X.]h hieraus für die Beklagten ergaben, no[X.]h
wel[X.]he Bedeutung die alsbaldige Dur[X.]hführung der Arbeiten aus wirts[X.]haftli[X.]her Si[X.]ht für die Klägerin hatte
und wel[X.]he S[X.]häden und Unannehmli[X.]hkeiten
der Klägerin dadur[X.]h entstanden sind, dass die [X.] ihr den mit S[X.]hreiben vom 8. April 2011 zum Zwe[X.]ke der
Dur[X.]hführung von Instandsetzungsarbeiten begehrten Zutritt erst rund ein halbes Jahr später unter dem Eindru[X.]k des die einstweilige Verfügung bestätigenden Urteils des Amtsgeri[X.]hts vom 29. September 2011 gewährt haben.
Au[X.]h der Sa[X.]hvortrag der Parteien zu den behaupteten Gegenansprü-[X.]hen, auf die
die Beklagten ein Zurü[X.]kbehaltungsre[X.]ht stützen, lässt si[X.]h den Ausführungen in den Ents[X.]heidungsgründen des angefo[X.]htenen Urteils ni[X.]ht im Einzelnen entnehmen. Das Glei[X.]he gilt für die weitere Frage, ob die Beklagten Grund zu der Annahme haben konnten, dass die Klägerin ihren Wiederherstel-lungspfli[X.]hten ni[X.]ht na[X.]hkommen würde oder ihr gegebenenfalls selbst Ver-tragsverstöße zur Last fielen, die im Rahmen der Würdigung der Erhebli[X.]hkeit der den Beklagten zur Last gelegten Verstöße
von Bedeutung sein könnten
(vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 2014 -
VIII ZR 289/13, NJW 2014, 2566 Rn. 13).
Der ni[X.]ht ents[X.]heidungsreife Re[X.]htsstreit ist daher
an das Berufungsge-ri[X.]ht zurü[X.]kzuverweisen
(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei ma[X.]ht der Senat von der Mögli[X.]hkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrau[X.]h.

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14 -
Re[X.]htsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspru[X.]h zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgeri[X.]htshof zugelassenen Re[X.]htsan-walt binnen einer Notfrist von zwei Wo[X.]hen ab der Zustellung des Versäumnis-urteils bei dem Bundesgeri[X.]htshof, [X.], dur[X.]h Einrei[X.]hung einer Ein-spru[X.]hss[X.]hrift einzulegen.
[X.]
Dr. A[X.]hilles
Dr. S[X.]hneider

[X.]
Kosziol
Vorinstanzen:
AG [X.]-Tempelhof-Kreuzberg, Ents[X.]heidung vom 18.06.2012 -
12 [X.] und 20 [X.]/11 -

LG [X.], Ents[X.]heidung vom 14.08.2013 -
65 [X.] -

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Meta

VIII ZR 281/13

15.04.2015

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.04.2015, Az. VIII ZR 281/13 (REWIS RS 2015, 12648)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12648

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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