Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.04.2011, Az. 3 StR 50/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 7297

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 50/11 vom 21. April 2011 in der Strafsache gegen wegen Betruges - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 21. April 2011, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] am [X.] [X.], die [X.] am [X.] [X.], von [X.], [X.], [X.] als beisitzende [X.], Staatsanwalt (GL) als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 18. Mai 2010, soweit es die Angeklagte [X.]betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten dadurch entstande-nen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat die Angeklagte wegen Betruges zu der [X.] von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und - zur Kompensati-on einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung - "von deren Vollstre-ckung fünf Monate abgezogen". Hiergegen richtet sich die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, auf die Verletzung sachlichen Rechts ge-stützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg. 1 Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand. Der Strafausspruch enthält einen die Angeklagte begünstigenden Zumessungsfehler, der [X.] - 4 - spruch über die Kompensation leidet an durchgreifenden Darstellungs- und Er-örterungsmängeln. 1. Das [X.] hat die verhängte Freiheitsstrafe wegen des von der Angeklagten angerichteten Betrugsschadens in Höhe von rund drei Millionen • dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 1. Alt. StGB (Vermögensverlust großen Ausmaßes) entnommen und bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu ihren Gunsten unter anderem - neben dem Umstand, dass die Tat bereits sechs Jahre zurückliegt - (zusätzlich) berücksichtigt, dass das Strafverfahren "rechtstaatswidrigen Verfahrensverzögerungen unterlag". Dies hält der rechtli-chen Nachprüfung nicht stand. 3 a) Die seit der Entscheidung des [X.] [X.] vom 17. Januar 2008 - [X.], [X.], 124 geltende sogenannte [X.] verpflichtet den Tatrichter, bei [X.] im strafrechtlichen Verfahren deren Art und Ausmaß sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. Diese Feststellung dient [X.] als Grundlage für die Strafzumessung. Der Tatrichter hat insofern in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens mil-dernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als be-stimmende Zumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Bezifferung des Maßes der Strafmilderung bedarf es indes nicht. 4 Für den Fall, dass die festgestellte überlange Verfahrensdauer - ganz oder teilweise - auf einem konventions- und rechtsstaatswidrigen Verhalten der 5 - 5 - Strafverfolgungsbehörden beruht, ist - von der Strafzumessung im engeren Sinne gesondert und hieran anschließend - zu prüfen, ob zur Entschädigung für diese Verfahrensverzögerung die - in den Urteilsgründen zum Ausdruck zu bringende - Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ge-nügt. [X.] diese zur Entschädigung des Angeklagten nicht aus, so hat das Gericht festzulegen, welcher bezifferte Teil der Strafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt und dies in der Urteilsformel auszusprechen. Allgemeine Kriterien für diese Festlegung lassen sich nicht aufstellen; entschei-dend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der [X.] sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch muss stets im Auge behalten werden, dass die Verfahrensdauer als solche so-wie die hiermit verbundenen Belastungen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswid-rige Verursachung dieser Umstände geht. b) Danach erweist sich die durch das [X.] im Rahmen der [X.] im engeren Sinne vorgenommene zusätzliche Berücksichtigung der rechtsstaats- und konventionswidrigen Verfahrensverzögerung als [X.]; denn das [X.] hat damit im Ergebnis das früher geltende Strafab-schlagsmodell und die nunmehr gültige [X.] nebeneinander angewandt und damit der Sache nach die rechtsstaatswidrige [X.] zweifach kompensiert. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei rechtsfehlerfreier Vorgehensweise auf eine höhere Strafe er-kannt hätte. 6 - 6 - 2. Auch der [X.] kann nicht bestehen bleiben. [X.] der aufgezeigten Grundsätze des [X.] hat das Land-gericht lediglich den äußeren Verfahrensgang festgestellt. Die Angemessenheit der Frist, innerhalb derer über eine strafrechtliche Anklage gegen einen - ggf. in Untersuchungshaft einsitzenden - Angeklagten verhandelt werden muss und ein Urteil zu ergehen hat (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs., Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK), beurteilt sich indes nach den besonderen Umständen des Einzelfalles, die in einer umfassenden Gesamtwürdigung gegeneinander abgewogen wer-den müssen. Zu berücksichtigen sind dabei namentlich der durch die [X.] verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrensge-genstands, Art und Weise der Ermittlungen sowie das Ausmaß der mit dem [X.] des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen beson-deren Belastungen. Nicht eingerechnet werden die Zeiträume, die bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung beansprucht werden durften. Zu beachten ist ferner, dass eine Verzögerung während eines einzelnen Verfahrensab-schnitts für sich allein keinen Verstoß gegen das [X.], wenn das Strafverfahren insgesamt in angemessener Zeit abgeschlos-sen wurde (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juni 2009 - 3 [X.], [X.], 338 mwN). Daran gemessen fehlt hier schon die Feststellung, dass überhaupt eine konventions- und rechtsstaatswidrige Verzögerung gegeben ist. Unabhängig hiervon lässt sich den Urteilsgründen auch der Umfang der eventuell staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der [X.] sowie die Auswirkungen all dessen auf die Angeklagte nicht ent-nehmen (vgl. hierzu auch [X.], Urteil vom 19. Juni 2002 - 2 StR 43/02, [X.], 384). Damit fehlt es für die vorgenommene
7 - 7 - Kompensation an einer ausreichenden Grundlage. Die unvollständigen [X.] auf die Sachrüge der Beschwerdeführerin veranlasste - Überprüfung des [X.]es durch das Revisionsgericht. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass das [X.] ohne diesen [X.] zumindest eine zeitlich geringer bemessene Entschädigung ausgesprochen hätte. 3. Einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten (§ 301 StPO) hat die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruches nicht ergeben. 8 [X.] [X.] von [X.] [X.] Schäfer

Meta

3 StR 50/11

21.04.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.04.2011, Az. 3 StR 50/11 (REWIS RS 2011, 7297)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7297

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