Bundessozialgericht, Urteil vom 02.03.2010, Az. B 12 AL 1/09 R

12. Senat | REWIS RS 2010, 8849

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Gegenstand

(Arbeitslosenversicherung - alleiniges Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft - alleiniger Aktionär - Versicherungsfreiheit - keine Berechtigung zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag gem § 28a SGB 3 - Verfassungsmäßigkeit)


Leitsatz

Versicherungspflicht auf Antrag in einer selbständigen Tätigkeit kann nach dem Recht der Arbeitsförderung nicht begründet werden, wenn diese Tätigkeit - ausgeübt in abhängiger Beschäftigung - nach §§ 27, 28 SGB 3 versicherungsfrei wäre.

Tatbestand

1

[X.], ob der Kläger aufgrund einer freiwilligen Weiterversicherung versicherungspflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung ist.

2

Der 1960 geborene Kläger war vom [X.] bis zum 31.7.2004 sozialversicherungspflichtig bzw beitragspflichtig beschäftigt. Am 15.7.2004 schloss er mit der [X.] einen auf den Zeitraum vom 1.7.2004 bis 30.6.2007 befristeten Dienstvertrag über eine Anstellung als Vorstand der [X.] ab. Im Handelsregister war der Kläger bereits seit [X.] neben einem weiteren Vorstand und seit dem 29.10.2004 als einziger Vorstand der [X.] eingetragen. Durch [X.] erwarb der Kläger sämtliche Anteile an der [X.] unter Übertragung sämtlicher Aktien auf ihn.

3

Am [X.] beantragte der Kläger bei der beklagten [X.] die freiwillige Weiterversicherung als Selbstständiger nach dem Recht der Arbeitsförderung. Mit Bescheid vom [X.] lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Kläger nach § 27 Abs 1 [X.] als Mitglied des Vorstandes einer Aktiengesellschaft (AG) versicherungsfrei sei. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Die Berufung hat das [X.] ([X.]) mit Urteil vom [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat es [X.] ausgeführt, trotz Aufnahme einer mehr als 15 Wochenstunden umfassenden selbstständigen Tätigkeit spätestens mit dem Erwerb sämtlicher Aktien der [X.] durch [X.] sei der Kläger aufgrund seiner Stellung als Vorstand einer AG nach § 27 Abs 1 [X.] von der Versicherungspflicht nach dem [X.] und vom Recht zur Begründung eines Versicherungsverhältnisses auf Antrag nach § 28a [X.] ausgenommen gewesen. Der Ausschluss von Vorstandsmitgliedern von [X.] entspreche einer langen Tradition in allen Zweigen der Sozialversicherung sowie im [X.]. Anhaltspunkte für eine Abkehr hiervon seien den Materialien zur Einführung der Antragspflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung nicht zu entnehmen. Auch aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes ergäben sich keine entsprechenden Hinweise. Der Kläger könne sich auch nicht auf die in § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.] enthaltene Verweisung auf § 27 [X.] stützen. Sofern hierdurch ein Zugang zur Antragspflichtversicherung hätte eröffnet werden sollen, müsse dies für alle in § 27 [X.] genannten Personengruppen gelten. Dies sei offensichtlich nicht gewollt gewesen. Gleichzeitig führe die vom Kläger angestrebte Erweiterung des Kreises der Antragsberechtigten auch auf Vorstandsmitglieder von [X.] zu einem nicht auflösbaren Widerspruch zu § 28a Abs 2 Satz 4 [X.], wonach die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Zweiten Kapitels [X.] entsprechend gelten.

4

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 28a Abs 1 [X.]. Bei dem Klammerzusatz in § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.] handele es sich um eine bewusste Einbeziehung des in § 27 [X.] genannten Personenkreises einschließlich der Vorstandsmitglieder einer AG in den Kreis der zur Antragspflichtversicherung nach § 28a [X.] Berechtigten. Der eindeutige und unmissverständliche Wortlaut sei der vom [X.] vorgenommenen Auslegung nach anderen Gesichtspunkten nicht zugänglich. Zudem sei die typisierende Betrachtungsweise, die dem Ausschluss von Vorständen von [X.] von der Arbeitslosenversicherung in § 27 Abs 1 [X.] zugrunde liege, wonach diese wirtschaftlich ausreichend abgesichert seien, empirisch nicht fundiert und spätestens seit der Gründung von kleineren [X.] im Zuge der [X.] praktisch widerlegt. Das [X.] habe zu Recht festgestellt, dass er spätestens mit der Übernahme der Aktienmehrheit selbstständig tätig sei. Als Selbstständiger falle er jedoch nicht mehr unter den Anwendungsbereich des § 27 [X.], der die Versicherungsfreiheit von Beschäftigten regele, was das [X.] verkannt habe. Zudem erfasse § 27 Abs 1 [X.] nach seinem Wortlaut nur Mitglieder eines Kollegialvorstandes einer AG, nicht jedoch einen Alleinvorstand. Da § 27 [X.] auf ihn nicht anwendbar sei, gebe es auch nicht den vom [X.] angeführten Wertungswiderspruch zu § 28a Abs 2 Satz 4 [X.]. Eine Berechtigung selbstständiger Vorstände von [X.] zur Antragspflichtversicherung entspreche auch den gesetzgeberischen Motiven, da diese sich in einer den Existenzgründern ähnlichen wirtschaftlich ungesicherten Position befänden. Gleichzeitig habe der Gesetzgeber mit § 28a [X.] eine bewusste Ausnahme von der Versicherungsfreiheit nach § 27 [X.] schaffen wollen, die jedoch aufgrund der weiteren Zugangserfordernisse nach § 28a Abs 1 Satz 2 [X.] und 2 [X.] nur für wenige Personen oder Personengruppen gelte.

5

Der Kläger beantragt,

das Urteil des [X.]s Nordrhein-Westfalen vom [X.] und das Urteil des [X.] vom 27.9.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger seit dem [X.] nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. § 27 [X.] gehe typisierend davon aus, dass Mitglieder des Vorstands einer AG grundsätzlich versicherungspflichtige Beschäftigte seien. Für eine Überprüfung im Einzelfall, ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliege oder eine selbstständige Tätigkeit bleibe daher kein Raum. Andernfalls wäre die gesonderte Regelung in § 27 [X.] nicht notwendig gewesen, da dann eine Abgrenzung der Tätigkeit ähnlich wie beim GmbH-Geschäftsführer erfolgen könne.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Zutreffend hat das [X.] die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des [X.] ist rechtmäßig. Der Kläger ist nicht nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig.

9

1. Zutreffend hat der Kläger die Anfechtungsklage mit einer Klage auf Feststellung, dass seit dem [X.] Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht, verbunden (vgl Urteil des Senats vom [X.], [X.] AL 1/08 R, zur [X.] vorgesehen) .

2. Der Kläger ist nicht aufgrund einer hier allein in Betracht kommenden freiwilligen Weiterversicherung nach § 28a Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] (eingefügt mit Wirkung zum 1.2.2006 durch Art 1 [X.]0 und Art 124 Abs 4 des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, [X.] 2848) nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig. Nach dieser Vorschrift können Selbstständige auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis begründen, [X.]n sie eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Neben einem fristgerechten Antrag iS von § 28a Abs 2 Satz 2 [X.] und § 434j Abs 2 [X.] setzt die Weiterversicherung nach § 28a Abs 1 Satz 2 [X.] voraus, dass der Selbstständige innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit mindestens 12 Monate sowie unmittelbar vor Aufnahme der zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigenden Tätigkeit in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts des [X.] gestanden, eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder (in der seit [X.] geltenden Fassung des [X.] vom 28.5.2008, [X.] 874) eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte, ein Versicherungspflichtverhältnis oder einen Leistungsbezug unterbrechende Beschäftigung ausgeübt hat ([X.] und [X.]) und dass eine anderweitige Versicherungspflicht nicht besteht ([X.] 3). § 28a Abs 2 Satz 1 und 2 [X.] und § 434j Abs 2 [X.] treffen Regelungen zum Beginn der Versicherungspflicht sowie zur Frist, innerhalb der der Antrag gestellt werden muss .

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger in seiner Tätigkeit als Vorstand einer AG allerdings nicht bereits nach § 27 Abs 1 [X.] 5 [X.] versicherungsfrei und von der Versicherungspflicht auf Antrag ausgeschlossen. Denn § 27 Abs 1 [X.] 5 [X.] ordnet allein die Versicherungsfreiheit von abhängig beschäftigten Vorständen einer AG an. Zwar geht das Gesetz von einer regelmäßig vorliegenden abhängigen Beschäftigung aus ([X.] , Urteil vom 19.6.2001, [X.] KR 44/00 R, [X.] 3-2400 § 7 [X.]8 S 66 f) . Vorliegend hat das [X.] jedoch zutreffend entschieden, dass der Kläger spätestens mit Übernahme aller Anteile an der [X.] in seiner Tätigkeit als alleiniger Vorstand dieser AG im [X.] selbstständig und nicht abhängig beschäftigt war.

b) Eine Versicherungspflicht des [X.] auf Antrag ist dennoch nicht eingetreten, weil nach § 28a Abs 2 Satz 4 [X.] die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit auf die Antragspflichtversicherung entsprechend anzu[X.]den sind. Diese entsprechende An[X.]dung bedeutet, dass eine selbstständige Tätigkeit nicht versichert sein kann, [X.]n diese Tätigkeit - ausgeübt in abhängiger Beschäftigung - nach §§ 27, 28 [X.] versicherungsfrei wäre.

aa) Nach § 28a Abs 2 Satz 4 [X.] (§ 28a Abs 2 Satz 3 [X.] in der seit [X.] geltenden Fassung durch Art 4 [X.] Buchst b des [X.] vom 28.5.2008, [X.] 874) gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts über die Versicherungsfreiheit für Versicherungspflichtverhältnisse auf Antrag entsprechend. Dies verweist im Ersten Abschnitt des [X.] des [X.] auf die §§ 27, 28 [X.] [X.] in [X.], [X.], § 28a Rd[X.] 8, 11) , die die Versicherungsfreiheit in bestimmten, grundsätzlich versicherungspflichtigen Beschäftigungen anordnen [X.] in [X.], [X.], § 27 Rd[X.]) . "Entsprechend" zeigt dabei an, dass die hierdurch in Bezug genommenen §§ 27, 28 [X.] ihrem Regelungsgehalt nach auf den nach § 28a Abs 1 [X.] grundsätzlich antragsberechtigten Personenkreis auch dann anzu[X.]den sein sollen, [X.]n die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 27, 28 [X.] nicht vollständig erfüllt sind, zB weil es sich nicht um eine Beschäftigung handelt. Dies gilt etwa für die Ausübung einer Tätigkeit während des Studiums, [X.]n eine Beschäftigung vergleichbaren Umfangs wegen des sogenannten [X.](§ 27 Abs 4 Satz 1 [X.] [X.]) versicherungsfrei wäre, oder eine selbstständige Tätigkeit nach dem 65. Lebensjahr, weil auch eine abhängige Beschäftigung nach Erreichen des Alters für die Regelaltersrente versicherungsfrei ist (§ 28 Abs 1 [X.] [X.]) . Ebenso wie § 4 Abs 3a Satz 1 SGB VI für die Antragspflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung (hierzu [X.]) stellt § 28a Abs 2 Satz 4 [X.] für die Antragspflichtversicherung nach dem Recht der Arbeitsförderung klar, dass die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit grundsätzlich nicht nur für die Versicherungspflichttatbestände gelten, bei denen die Versicherungspflicht ipso jure eintritt, sondern auch für Versicherungspflichttatbestände, bei denen die Versicherungspflicht auf Antrag eintritt.

bb) Gleichzeitig bewirkt die in § 28a Abs 2 Satz 4 [X.] angeordnete entsprechende An[X.]dung der §§ 27, 28 [X.] für den Bereich der Antragspflichtversicherung bereits den Ausschluss von der Versicherungspflicht (auf Antrag) und nicht nur - wie die direkte An[X.]dung der §§ 27, 28 [X.] im Ersten Abschnitt des [X.] [X.] (hierzu Schlegel in [X.], [X.], § 27 Rd[X.] f) - die Befreiung von den mit der Versicherungspflicht verbundenen Rechten und Pflichten. Denn im Unterschied zur Versicherungspflicht nach §§ 25, 26 [X.] tritt die Versicherungspflicht nach § 28a [X.] nicht von Gesetzes wegen, sondern erst auf Antrag ein. Damit bedarf es anders als im direkten An[X.]dungsbereich der §§ 27, 28 [X.] nicht der Befreiung von den Folgen einer bereits unabhängig vom Willen des Betroffenen bestehenden Versicherungspflicht. Vielmehr genügt es, die Versicherungspflicht durch Negation der [X.] erst gar nicht entstehen zu lassen, um die bereits bestehende, dem Regelungszweck entsprechende Versicherungsfreiheit beizubehalten. Ein Interesse der nach § 28a Abs 1 Satz 1 [X.] grundsätzlich Antragsberechtigten, entsprechend der Konzeption der §§ 25 bis 28 [X.] zunächst zur Pflichtversicherung zugelassen, dann aber von deren Folgen befreit zu werden, ist nicht erkennbar.

cc) Ein anderes Ergebnis ist auch nicht aus § 28a Abs 1 Satz 2 [X.] 3 [X.] herzuleiten, den die Revision in den Mittelpunkt ihrer Argumentation stellt. Danach gilt: "Voraussetzung der Versicherungspflicht auf Antrag ist, … dass Versicherungspflicht (§§ 26, 27) anderweitig nicht besteht". Entgegen dem Vorbringen des [X.] kann dem Wortlaut keineswegs eindeutig und jede andere Auslegung ausschließend entnommen werden, dass über den Verweis auf § 27 [X.] das Recht zur Antragspflichtversicherung auch auf den nach dieser Vorschrift versicherungsfreien Personenkreis, jedenfalls aber auf die Vorstände von [X.] ausgedehnt werden sollte . Vielmehr handelt es sich bereits nach dem Wortlaut des § 28a Abs 1 Satz 2 [X.] 3 [X.] um eine Ausschlussnorm, die im Sinne einer Subsidiaritätsklausel [X.] in [X.], [X.], § 28a Rd[X.] 7) den Ausschluss des Rechts zur Antragspflichtversicherung beim Vorliegen anderweitiger Versicherungspflicht und gerade nicht die Erweiterung des Kreises der Antragsberechtigten zum Gegenstand hat.

Entgegen der Interpretation des [X.] bezieht sich § 28a Abs 1 Satz 2 [X.] 3 [X.] auch nicht auf die zur Antragspflichtversicherung berechtigende Tätigkeit, sondern auf eine "anderweitige" Tätigkeit oder Beschäftigung, aufgrund derer keine Versicherungspflicht bestehen darf. [X.] sich diese Vorschrift stattdessen auf die zur Antragspflichtversicherung berechtigende Tätigkeit, hätte sie keinen An[X.]dungsbereich. Denn die Tätigkeiten bzw Beschäftigungen der Fallgruppen des § 28a Abs 1 Satz 1 [X.] begründen gerade keine Versicherungspflicht nach anderen Vorschriften des [X.], weshalb die Begründung von Versicherungspflicht auf Antrag überhaupt erst not[X.]dig ist. Im Rahmen dieser Auslegung kommt dem zunächst schwer verständlichen (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 28a Rd[X.]8) Verweis auf §§ 26, 27 [X.] eine klarstellende Funktion zu: Er verdeutlicht, dass nicht nur die allgemeine Versicherungspflicht Beschäftigter nach § 24 Abs 1 Alt 1 [X.] iVm § 25 [X.], sondern auch die sonstige Versicherungspflicht nach § 26 [X.] und auch eine Beschäftigung, die grundsätzlich Versicherungspflicht begründet, aber nach § 27 [X.] versicherungsfrei ist, die Antragspflichtversicherung ausschließt.

dd) Der Ausschluss von selbstständigen Vorstandsmitgliedern einer [X.] AG von der Antragspflichtversicherung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Soweit der Kläger geltend macht, die dem Ausschluss von Vorständen von [X.] von der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung zugrunde liegende Annahme des Gesetzgebers, wonach diese wirtschaftlich ausreichend abgesichert seien, sei empirisch nicht fundiert und spätestens seit der Gründung von kleineren [X.] im Zuge der [X.] praktisch widerlegt, rügt er sinngemäß eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG. Durch die ständige Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zu Art 2 Abs 1 GG ist jedoch geklärt, dass es im Spannungsverhältnis zwischen der (Vorsorge-)Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung weitgehend in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers liegt, ob er eine Pflichtversicherung begründen will und [X.] diese erfassen soll. Die Einbeziehung in die Versicherung darf nach Maßgabe einer typisierten Schutzbedürftigkeit ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse erfolgen (vgl Urteil des Senats vom [X.], [X.] KR 14/08 R, mwN, zur [X.] in [X.] 4-2500 § 7 [X.] vorgesehen) . Der Gesetzgeber darf dabei die Sozialversicherung primär an der Schutzbedürftigkeit der abhängig Beschäftigten ausrichten ([X.], Beschluss vom [X.], 1 BvR 564/84 ua, [X.]E 75, 78, 103 = [X.] 2200 § 1246 [X.]42) , ist aber dennoch im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums durch Art 3 Abs 1 GG bereits nicht gehalten, jede denkbare Form von Beschäftigung in den Schutz der Sozialversicherung einzubeziehen ([X.], Urteil vom 1.7.1998, 2 [X.] ua, [X.]E 98, 169) . Erst recht ist er grundsätzlich nicht zu einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Gruppen nicht abhängig Beschäftigter - hier selbstständiger [X.] und anderer Selbstständiger - gezwungen.

Im Rahmen einer solchen typisierenden Betrachtung der Schutzbedürftigkeit liegt der Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer AG nach § 27 Abs 1 [X.] 5 [X.] - wie bei der Vorgängernorm § 3 Abs 1a des Angestelltenversicherungsgesetzes ([X.]) - die Erwägung zugrunde, dass bei Mitgliedern des Vorstandes einer AG wegen ihrer herausragenden und starken wirtschaftlichen Stellung Schutz und Sicherheit durch die Rentenversicherung - und die Arbeitslosenversicherung - entbehrlich erscheinen ([X.], Urteil vom 22.11.1973, 12/3 [X.] 20/71, [X.], 258, 260 = [X.] [X.]4 zu § 3 [X.], unter Hinweis auf das Urteil vom 18.9.1973, 12 [X.] 5/73, [X.], 164, 167 = [X.] [X.]3 zu § 3 [X.]; zur Regelungsgeschichte Urteil vom 27.2.2008, [X.] KR 23/06 R, [X.], 62 = [X.] 4-2600 § 1 [X.] 3 Rd[X.]1 mwN) . Aufgrund dieser typisierenden Betrachtung stand es dem Gesetzgeber offen, das Recht zur Pflichtversicherung auf Antrag nach § 28a Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] mit Hilfe der [X.] des § 28a Abs 2 Satz 4 [X.] auf Existenzgründer (zu dieser Zielgruppe BT-Drucks 15/1515 [X.] zu [X.]0) zu beschränken, die nicht über die mit der Stellung als Vorstandsmitglied einer AG typischerweise verbundene wirtschaftliche Absicherung verfügen oder aus einem anderen Grund im Falle einer Beschäftigung versicherungsfrei wären. Soweit der Gesetzgeber bisher auf die Entstehung finanzschwacher "kleiner" [X.] nicht reagiert hat, kann sich der Senat vorliegend nicht davon überzeugen, dass der Gesetzgeber seiner Verpflichtung, das geltende Recht laufend im Auge zu behalten und zur Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes erforderlichenfalls den tatsächlichen Entwicklungen anzupassen (vgl zB [X.]E 90, 226, 238 = [X.] 3-4100 § 111 [X.] 6; BSG, Urteil vom 19.6.2001, [X.] KR 44/00 R, [X.] 3-2400 § 7 [X.]8) , nicht hinreichend nachgekommen ist.

3. [X.] folgt aus § 193 SGG.

Meta

B 12 AL 1/09 R

02.03.2010

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Düsseldorf, 27. September 2007, Az: S 25 AL 134/06, Urteil

§ 27 Abs 1 Nr 5 SGB 3, § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 3 vom 23.12.2003, § 28a Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 3, § 28a Abs 2 S 4 SGB 3 vom 23.12.2003, § 28a Abs 2 S 3 SGB 3 vom 28.05.2008, § 434j Abs 2 SGB 3, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 02.03.2010, Az. B 12 AL 1/09 R (REWIS RS 2010, 8849)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8849

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