Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.07.2006, Az. 5 StR 232/06

5. Strafsenat | REWIS RS 2006, 2412

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5 [X.][X.]BESCHLUSS vom 26. Juli 2006 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u. a.

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 26. Juli 2006 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 27. Januar 2006 gem. § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch [X.] mit Ausnahme der ange-ordneten Einziehung [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landge-richts zurückverwiesen. [X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und das [X.] eingezogen. Die dagegen ge-richtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Auf die mit der Ablehnung der beantragten Begutach-tung der Schuldfähigkeit des Angeklagten begründete [X.] abgesehen von der Benennung eines —psychologischenfi Sachverständigen ebenfalls aussichts-reiche [X.] Verfahrensrüge kommt es nicht mehr an. 1 1. Das [X.] hat Folgendes festgestellt: 2 - 3 - Der 1956 geborene, ledig gebliebene Angeklagte hielt zu [X.] besonderen persönlichen Kontakt. Im ausgeübten Beruf als Fein-mechaniker war er leistungsbereit und trotz Ablegung der Meisterprüfung stets als Vorarbeiter in der Programmentwicklung für computergesteuerte Maschinen tätig. Der Angeklagte erwarb 1992 zur Erlangung steuerlicher Vorteile eine darlehensfinanzierte Eigentumswohnung und beteiligte sich an einem Immobilienfonds. Bis 1994 gab der Angeklagte ordnungsgemäße Ein-kommensteuererklärungen ab, bis 1999 nur noch Anträge auf Lohnsteuerer-mäßigung. Es kam zu hohen Steuerfestsetzungen auf Grund von Schätzun-gen, die der Angeklagte ab 2003 nicht mehr erfüllen konnte. Ein [X.] des Finanzamts stellte im Frühjahr 2003 fest, dass der An-geklagte zunehmend im Chaos lebe und es nicht einsehe, Steuererklärungen abgeben zu sollen. Der Angeklagte ließ Rechnungen und sonstige Briefe überall in seiner Wohnung ungeöffnet liegen. Er —fühlte sich hilflos und von seinen Schulden erdrückt, sah sich in einer ausweglosen Lage und blieb [X.] seit dem 5. Oktober 2005 unentschuldigt der Arbeit fernfi ([X.]). Am 6. Oktober 2005 wurde die Eigentumswohnung des Angeklagten zwangsver-steigert. Der Angeklagte trank verstärkt Alkohol, —[X.] weder ab, noch ent-sorgte er Müll oder räumte auf. Geschirr mit Essensresten stand in der [X.], und Dreck war überall zu finden, sodass die Wohnung einem Chaos glichfi ([X.]). 3 Der Angeklagte fasste den Entschluss, bevor er sich selbst töten würde, —einen von denen (vom Finanzamt) mitzunehmen, egal wenfi ([X.]). Am 10. Oktober 2005 betrat er das Büro der für ihn vertretungs-weise zuständigen Finanzbeamtin. Er legte eine Zeitung und zwei Schreiben des Finanzamts auf ihren Schreibtisch, um die Frau abzulenken. Die Beamtin gab die Steuernummer des Angeklagten in ihren Rechner ein. Der [X.] zog ein 30 Zentimeter langes Küchenmesser aus dem linken Jackenärmel, nahm es in die rechte Hand und versetzte der Beamtin aus Wut und [X.] ([X.]) plangemäß und zielgerichtet einen tiefen Stich in die Brust, der nach unten gerichtet die Leber durchstach und eine Schlagader 4 - 4 - zwischen Leber und Magen durchtrennte. Das Leben der Beamtin konnte nach umfangreicher intensivmedizinischer Versorgung gerettet werden. 2. Das [X.] hat [X.] neben dem fehlerfrei festgestellten Mordmerkmal der Heimtücke [X.] ein Handeln aus sonstigen niedrigen Beweg-gründen angenommen und die Voraussetzungen des § 21 StGB ohne sach-verständige Hilfe verneint. Es seien —keinerlei Anknüpfungstatsachen auf (die) Eingangskriterien des § 20 StGB erkennbar. Hinweise auf einen allen-falls noch am ehesten in Betracht kommenden Affekt gab es nicht. Die Tat war vorbereitet und vom Angeklagten planmäßig herbeigeführtfi ([X.]). 5 3. Diese Erwägungen halten sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, auch wenn vorliegend ein Ausschluss der Schuldfähigkeit offensicht-lich nicht in Betracht kommt. Das [X.] hat die festgestellten Beson-derheiten in der Persönlichkeit des Angeklagten und das auffällige Tatge-schehen nicht unter dem Gesichtspunkt einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB und im Umfang des § 21 StGB gewürdigt (vgl. [X.]St 37, 397, 400), obwohl [X.] wie es der 1. Strafsenat des Bundesge-richtshofs in [X.]St 49, 45, 53 dargelegt hat [X.] aus dem psychiatrischen Schrifttum taugliche, auch hier anwendbare Entscheidungskriterien zur [X.] gestanden hätten (vgl. auch [X.], Forensische Psychiatrie 2. Aufl. [X.] ff.), deren Anwendung freilich schon im Blick auf die [X.] diagnostischen Hilfsmittel der Erläuterung durch einen psychiatrischen Sachverständigen bedurft hätte (vgl. [X.] aaO S. 51; vgl. auch [X.]St 49, 347, 355). 6 4. Der aufgezeigte Rechtsfehler erfasst auch die Feststellung des [X.] der Tötung aus niedrigen Beweggründen, weil solches eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe maßgeblichen Faktoren und der Umstände erfordert, die (möglicherweise) eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit begründen (vgl. [X.]R StGB § 211 Abs. 2 [X.]iedrige Beweggründe 34 m.w.[X.]). 7 - 5 - 5. Der neue Tatrichter wird demnach mit Hilfe eines psychiatri-schen Sachverständigen den psychischen Zustand des Angeklagten bei [X.] aufzuklären und eine Tötung aus niedrigen Beweggründen zu un-tersuchen und zu bewerten sowie die Strafe neu zu bestimmen haben. Da nicht gänzlich ausgeschlossen ist, dass auch eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht kommen kann, war der gesamte Rechtsfolgenausspruch [X.] bis auf die Einziehung [X.] mit den zugehörigen [X.] aufzuheben. 8 [X.] [X.] [X.]

Meta

5 StR 232/06

26.07.2006

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.07.2006, Az. 5 StR 232/06 (REWIS RS 2006, 2412)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2412

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