Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2011, Az. V ZR 22/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5673

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 22/11

vom

16. Juni
2011

in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 16. Juni 2011
durch den [X.] [X.] [X.], die Richterin [X.], [X.]
Czub
und Dr. [X.] und die Richterin Weinland

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 28.
Dezember 2010 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbe-schwerde, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts
zurück-verwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 144.000

Gründe:
I.
Mit notariellen Erklärungen vom 27. Januar 2005 gaben die Kläger ge-genüber der [X.] Angebote zum Kauf von zwei zu sanierenden Eigen-s-frist bis zum 28. Februar 2005 ab, welche die Beklagte mit notariellen Erklärun-gen vom 23. Februar 2005 annahm. Die Kaufpreise wurden durch ein den [X.] gewährtes Darlehen finanziert; die Kaufverträge wurden vollzogen.
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Mit [X.]reiben vom 1. August 2007 kündigten die Kläger gegenüber der [X.] die Verträge aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen und ver-langten die Rücknahme der Wohnungen unter Berufung auf eine mit deren [X.]vereinbarte Rückkaufsverpflichtung. Die Beklagte wies dies [X.].
Die Kläger haben
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soweit hier noch von Interesse
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hilfsweise ihre Ver-tragserklärungen wegen arglistiger Täuschung angefochten
und dazu vorgetra-gen, dass die Beklagte sie und andere Käufer systematisch mit bewusst falschen Angaben in den Vertragsgesprächen über den Inhalt der abzuschließenden Kauf-verträge (befristete Finanzierungsübernahme, 60-monatige Mietgarantie, zweijäh-rige Rückkaufsverpflichtung) getäuscht und durch Vorlage der solche Zusagen nicht enthaltenden
vorformulierten
[X.] erst in den jeweiligen Be-urkundungsterminen überrumpelt
habe.
Das [X.] hat der Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums unter Lastenfreistellung von den in Abt.
III Nr. 1 eingetragenen [X.] stattgegeben. Das Oberlan-desgericht hat sie auf die Berufung der [X.] abgewiesen. Auf die [X.] hat der Senat dieses Urteil mit Beschluss vom 11.
März 2010 ([X.]/09) aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen [X.] und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen. Das [X.] hat nach Beweisaufnahme die Klage erneut abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger
II.
Das Berufungsgericht meint, die Kläger hätten den ihnen obliegenden Beweis einer arglistigen Täuschung nicht geführt.
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Daran ändere die im Zuge eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bei der
den Kauf der Kläger finanzierenden Bank aufgefundene schriftliche Mietgarantieerklärung nichts. Da sich dieses [X.]reiben nur bei der [X.] habe, spreche vieles dafür, dass die Beklagte nur der Bank eine Mietgaran-tie vorgetäuscht habe, um die Übernahme der Finanzierung des Kaufs zu errei-chen.
Die Einvernahme der Zeugen [X.]und [X.]hätte den Beweis der von den Klägern behaupteten systematischen Täuschung ebenfalls nicht erbracht. Der Zeuge [X.] sei erst 18 Monate nach dem Vertragsschluss bei der [X.] tätig gewesen und habe bei seiner Vernehmung bekundet, dass er nicht sicher wisse, was den Kaufinteressenten versprochen worden sei. Der Zeuge [X.]habe zwar angegeben, dass in seinem Beisein oder durch ihn selbst im Namen der [X.] Versprechungen abgegeben worden seien. Da er aber ebenfalls erst 20 Monate nach dem Vertragsschluss für die Beklagte tätig gewesen sei, seien systematische Täuschungen der Käufer im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags zwischen den Parteien nicht zwingend. Zudem habe der Zeuge [X.]nicht von einer Mietgarantie der [X.], sondern von einer kommunalen Mietgarantie gesprochen,
und die Zeugenvernehmung habe auch nicht ergeben, dass der Verweis auf die Zahlung der Miete durch die Stadt falsch gewesen sei.
III.
Das angefochtene Berufungsurteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuhe-ben, weil das Berufungsgericht den Anspruch der [X.] auf rechtliches
Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erneut in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

1.
Das Berufungsgericht hätte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung der ehemaligen Vermittler [X.]und [X.] nicht die 6
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weiteren Beweisangebote
der Kläger durch die von diesen angebotenen [X.], [X.]. und Sc. übergehen dürfen. Die unter Beweis gestellte Behauptung, auch diese Käufer seien in den Verhandlungen durch Versprechungen der Vermittler durch die Beklagte getäuscht und so zum [X.] bewogen worden, betraf allerdings nicht die von den Klägern zu beweisende Haupttatsache, vor Abgabe ihrer Angebotserklärung von der [X.] getäuscht und durch den abweichenden, vorformulierten Text im Notartermin überrumpelt worden
zu sein, sondern lediglich eine Hilfstatsache (Indiz), dass auch andere Käufer in gleicher Weise getäuscht worden seien.
2. Bei einem [X.] darf der Tatrichter zwar von einer beantrag-ten Beweiserhebung absehen, wenn die unter Beweis gestellte Hilfstatsache für den Nachweis der Haupttatsache nach seiner Überzeugung nicht ausreicht ([X.], 245, 261; Urt. v. 14. März 2000 -
X ZR 31/98, Rn. 13 -
juris). Art.
103 Abs. 1 GG ist aber verletzt, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache die ernst-liche Möglichkeit des logischen Rückschlusses auf den zu beweisenden Tatbe-stand bietet und der Tatrichter sich mit dem Beweisantrag in seiner Entschei-dung überhaupt nicht auseinandersetzt.
So ist es hier.
Das Berufungsgericht hätte nach dem Ergebnis der Be-weisaufnahme durch Vernehmung der ehemaligen Vermittler, wenn es denn den Beweis als nicht geführt ansah, sich mit den weiteren Beweisangeboten der Kläger auseinandersetzen müssen. Angesichts dessen, dass die als Zeugen vernommenen Vermittler
nach den protokollierten Aussagen bekundet haben, dass die Verkaufsgespräche nicht ganz der Wahrheit entsprochen hätten

([X.] ([X.] ) und dass zwischen den Verkaufsgesprächen und den Beurkundun-gen kein Wochenende liegen sollte und daher wahrheitswidrig beurkundet [X.] sei, dass die Käufer bereits 14 Tage zuvor informiert worden seien
([X.] ), lag es nicht fern, dass auch die Kläger in der behaupteten Weise ge-10
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täuscht worden
sind, wenn -
wie unter Beweisantritt behauptet
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auch andere Käufer in der geschilderten Weise zum Vertragsschluss bestimmt und durch vorformulierte notarielle [X.] mit abweichendem Inhalt über-rumpelt wurden.
Das von dem Berufungsgericht vor dem Hintergrund der [X.] der Vermittler nicht begründete Übergehen der weiteren Beweisangebote verstieß gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
3.
Das Berufungsurteil beruht auch auf der Verletzung rechtlichen [X.], weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht unter Berück-sichtigung des übergangenen, unter Beweis gestellten
Vorbringens anders ent-schieden hätte (vgl. [X.] 62, 392, 396; 89, 381, 392).
IV.
Für die neue Verhandlung, für die der Senat von der auch im Verfahren nach § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO (Senat, Beschluss vom 1. Februar 2007 -
V [X.], NJW-RR 2007, 1221, 1222) Gebrauch macht, weist der Senat darauf hin, dass die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist und einer rechtlichen Prüfung in
einem Revisionsverfahren nicht standhielte.
1. Es fehlt an der im Falle eines [X.]es erforderlichen zusam-menfassenden Würdigung und Gesamtschau (vgl. [X.], Urteil vom [X.] 2006 -
IV ZR 21/05, NJW-RR 2005, 312, 313). Die Beweiswürdigung lässt die vorgenannten, für die Richtigkeit des Vortrags einer systematischen Täu-schung der Kaufinteressenten sprechenden Bekundungen der Zeugen voll-kommen
außer Betracht und stellt allein auf die gegen die Beweiskraft der vor-stehenden Indizien sprechenden Umstände
ab (spätere Tätigkeit der Zeugen für die Beklagte; unpräzise Erklärungen des Zeugen [X.] , Aussage des [X.] [X.] über eine Mietübernahme durch die [X.] für bedürftige Mieter).
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Zudem hat das Berufungsgericht die Anforderungen an den Grad der richterlichen Überzeugungsbildung überspannt. Für den Beweis ist es nicht er-forderlich, dass jede andere Deutung ausgeschlossen ist, sondern es genügt ein brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifel ausschließt (vgl. [X.], Urteil vom 14. April 1999 -
IV ZR 181/98, NJW-RR 1999, 1184).
2. Im Übrigen wird das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des von der Nichtzulassungsbeschwerde
vorgebrachten rechtlichen Gesichtspunkts die Begründetheit der Klage auch im Hinblick auf einen schadensersatzrechtlichen Rückabwicklungsanspruch (§§ 280 Abs. 1,
249 Satz 1 BGB) prüfen müssen. Dieser Anspruch bestünde, wenn die Beklagte die Annahme der Kaufver-tragsangebote der Kläger nach einer von ihr durch Täuschung der Bank herbei-geführten Kreditzusage für die Finanzierung des Kaufs erklärt
haben sollte. Die Bejahung dieses Anspruchs setzt allerdings voraus, dass die Beklagte die [X.] gegenüber der Bank tatsächlich abgegeben hat, was die Beklagte bestreitet.
Krüger

Stresemann

Czub

[X.]

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.11.2008 -
5 O 268/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 28.12.2010 -
14 U 1927/08 -

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Meta

V ZR 22/11

16.06.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2011, Az. V ZR 22/11 (REWIS RS 2011, 5673)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5673

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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