Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.01.2015, Az. IV ZB 14/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 17486

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 14/14
vom

7. Januar 2015

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.]
Karczewski
und Dr. Schoppmeyer

am 7. Januar 2015

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des [X.] vom 15. April 2014 wird auf ihre Kosten als unzuläs-sig verworfen.

[X.]: 6.000

Gründe:

[X.] Die Beklagte erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Haft-pflichtversicherung geltend. Das der Klage stattgebende Urteil des Land-gerichts ist der Beklagten am 3.
Mai 2013 zugestellt worden. Sie hat ge-gen das Urteil fristgerecht Berufung eingelegt. Das [X.] hat die Berufungsbegründungsfrist bis zum 3.
August 2013, einem [X.], verlängert. Mit Verfügung vom 6.
August 2013, der Beklagten am 8.
August 2013 zugegangen, hat das [X.] darauf hinge-1
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wiesen, dass bis zum 5.
August 2013 keine [X.] eingereicht worden sei. Mit einem am 21.
August 2013 beim Oberlan-desgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Dazu
hat sie ausgeführt, die Berufungsbegründung müsse auf dem [X.]weg verloren gegangen sein. Der sachbearbeitende Prozessbevoll-mächtigte habe den Schriftsatz am 1.
August 2013 vor einer mehrtägigen Abwesenheit unterzeichnet und mit den Akten auf den in der Kanzlei für die ausgehende [X.] vorgesehenen Tisch gelegt. Auf dem zugehörigen Verfügungsblatt in den Akten habe seine Sekretärin seinem Diktat ent-sprechend handschriftlich verfügt, dass die [X.] an das [X.] zu versenden sei und ihm die Akten anschlie-ßend wieder vorzulegen seien. Eine namentlich nicht zu ermittelnde Kanzleimitarbeiterin habe den Schriftsatz kuvertiert, frankiert und in das auf demselben Tisch befindliche [X.] gelegt. Sodann habe diese Mitarbeiterin auf dem Verfügungsblatt neben der Versendungsver-fügung das Datum "01.08." vermerkt. Im [X.] sei die [X.]sfrist wegen der Fertigung und Absendung der [X.] gestrichen worden. Auf diese Weise werde fristgebundene [X.] in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten durch-weg bearbeitet. Wie jeden Tag sei das [X.] geleert und die [X.] zur etwa 200 Meter entfernten [X.]filiale gebracht worden. Bei Rückkehr des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten am 4.
August 2013 sei das [X.] leer gewesen. Er habe sich vor Ablauf des 5.
August 2013 vergewissert, dass neben der Übersendungsverfü-gung in den Akten ein Datum vermerkt gewesen sei, dass sich die [X.] nicht mehr in den Akten befunden habe und 3
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dass dort stattdessen eine für die Akten vorgesehene Abschrift eingehef-tet gewesen sei.

Das [X.] hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zu-rückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde.

I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist nach den §§
574 Abs.
1
Satz
1 Nr.
1, 522 Abs.
1 Satz
4, 238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthaft, jedoch im Übrigen nicht zulässig,
weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht er-füllt sind. Eine Entscheidung des [X.] ist insbe-sondere nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das [X.] hat die in der Rechtsprechung des [X.] [X.] Anforderungen an die [X.] in einer Anwaltskanzlei
beachtet und nicht die Verfahrensgrundrechte der [X.] auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und
auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) verletzt, indem es ihr Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand versagt hat.

1. Nach seiner Ansicht hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht, dass sie die Berufungsbegründungsfrist ohne Verschulden versäumt hat.
Sie habe weder substantiiert vorgetragen
noch glaubhaft gemacht, dass die [X.] rechtzeitig am 1. oder 2.
August 2013 in den [X.]lauf gelangt sei. Sie habe im Einzelnen darlegen und [X.] machen müssen, wann, von wem und in welcher Weise die [X.] zur [X.] gegeben worden sei. Demgegenüber 4
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habe die Beklagte nur vorgetragen, dass ihr
Prozessbevollmächtigter den Schriftsatz auf den für die ausgehende [X.] vorgesehenen Tisch ge-legt habe. Wer den Schriftsatz kuvertiert, frankiert und in das [X.] gelegt habe, sei nicht aufklärbar. Es sei auch nicht dargelegt, wer dafür nach dem kanzleiinternen Organisationsplan
zuständig gewe-sen sei und wer den Schriftsatz habe zur [X.] bringen müssen. Dass den Bürokräften der Prozessbevollmächtigten bei der Bearbeitung des Schriftsatzes ein Versehen unterlaufen sei, habe die Beklagte nicht vor-getragen. Das neben der Übersendungsverfügung vermerkte Datum "01.08.", die gestrichene Berufungsbegründungsfrist im [X.] und die Beschaffenheit des Tisches, die ein Herunterfallen von [X.] ausschließe, reichten nicht aus, um mit hinreichender Wahr-scheinlichkeit auszuschließen, dass die [X.] weder in den Kanzleiräumen, noch auf dem Weg zur [X.]filiale verloren gegangen sei. Jedenfalls sei ihr Vorbringen ungeeignet,
ein Organisati-onsverschulden der Prozessbevollmächtigten der Beklagten
auszu-schließen. Es sei insbesondere
nicht vorgetragen, dass für die [X.] fristgebundener [X.] ausreichend zuverlässiges und regelmäßig überwachtes Personal mit abgegrenzten Aufgabenbereichen eingesetzt werde. Für ein Organisationsverschulden spreche
vielmehr, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach drei Wochen nicht mehr hätten aufklären können, wer die [X.] postfertig gemacht habe.

2. Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die [X.] Sorgfaltspflicht bei Übermittlung fristgebundener Schriftsätze nicht überspannt.
Es hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die [X.] nicht glaubhaft gemacht hat, dass die Ursache für die Versäumung der 7
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Berufungsbegründungsfrist außerhalb eines ihr nach § 85 Abs.
2 ZPO zurechenbares Anwaltsverschulden liegt.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu [X.], dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Der [X.] muss durch organisatorische Maßnahmen gewährleisten, dass für den [X.]versand vorgesehene Schriftstücke zuverlässig auf den [X.]weg gebracht werden (Senatsbeschlüsse vom 16.
Juli 2014

IV ZR 40/13, juris Rn.
9; vom 5.
Februar 2003

IV ZB 34/02,
NJW-RR 2003, 862 unter [X.]; vom 18.
Dezember 2002

[X.], NJW-RR 2003, 569 unter [X.]; [X.], Beschluss vom 27.
November 2013

III ZB 46/13, juris Rn.
8; Urteil vom 11.
Januar 2001

[X.], [X.], 380 unter [X.]; jeweils m.w.[X.]). Zu
diesem Zweck
hat er eine Ausgangskon-trolle zu organisieren, die einen gestuften Schutz gegen [X.] bietet ([X.], Beschlüsse vom 4.
November 2014

[X.], [X.], 2388 Rn.
8
f.; vom 16.
Dezember 2013

II ZB 23/12, juris Rn.
10). Zunächst muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass im [X.] vermerkte Fristen erst dann gestrichen oder anderweitig als erledigt [X.] werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und versandfertig gemacht und die weitere Beförderung der ausgehenden [X.] organisatorisch [X.] vorbereitet worden ist (Senatsbeschluss vom 16.
Juli 2014 aaO; [X.], Beschlüsse
vom 4.
November 2014 aaO Rn.
8; vom 16.
Dezember 2013 aaO
Rn.
9; vom 8.
Januar 2013

[X.], [X.], 645 Rn.
10; jeweils m.w.[X.]). Vor dem Streichen der Frist hat sich die damit betraute Bürokraft anhand der Akten oder des postfertigen Schriftsatzes zu vergewissern, dass zweifelsfrei nichts weiter zu [X.]
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lassen ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8.
Januar 2013
aaO; vom 11. Sep-tember 2007

[X.]/04, NJW 2007, 3497 unter [X.]; jeweils m.w.[X.]). Ferner gehört dazu die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Schriftsätzen am Abend eines jeden [X.] anhand des [X.]s durch eine dazu beauftragte [X.] überprüft wird. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Bürokraft nochmals und abschließend prüft, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im [X.] vermerkten Schriftsätzen übereinstimmen ([X.], Beschlüsse vom 4.
November 2014 aaO
Rn.
9
f.; vom 2.
März 2000

V
ZB 1/00, [X.], 1564).

b) Gemessen daran hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht, dass die Ursache der Fristversäumnis außerhalb ihres [X.] liegt. Sie hat die Möglichkeit nicht ausgeräumt, dass die [X.] in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten verloren gegangen ist, bevor sie dort versandfertig gemacht worden ist, und dass dies aufgrund unzureichender Kontrolle der ausgehenden [X.] nicht ent-deckt worden ist.

aa) Die [X.] in der Kanzlei der [X.] der Beklagten entspricht nicht den genannten Vorgaben. Eine An-ordnung an die dortigen Bürokräfte, vor dem Streichen der Frist anhand der Akten oder des postfertigen Schriftsatzes zu überprüfen, dass zwei-felsfrei nichts weiter zu veranlassen ist, hat die Beklagte nicht vorgetra-gen. Ihrem erkennbar auf den Einzelfall bezogenen Vortrag, die [X.]sfrist sei wegen Fertigung und Absendung der [X.] im [X.] gelöscht worden, ist eine allgemeine Anweisung an die Bürokräfte nicht zu entnehmen. Zu einer 9
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nochmaligen abendlichen Fristenkontrolle in der Kanzlei ihrer Prozess-bevollmächtigten hat die Beklagte ebenfalls nicht vorgetragen.

bb) Der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte selbst hat die Bearbeitung der [X.] nicht ausreichend kontrol-liert. Es reicht nicht, dass er sich noch vor Ablauf des 5. August 2013 vergewisserte, dass das Datum "01.08." auf dem Verfügungsblatt in den Akten vermerkt war und sich anstelle des Originals der [X.] das dafür vorgesehene Doppel in den Akten befand. Weder das auf dem Verfügungsblatt vermerkte Datum, noch das Fehlen des Originals der [X.] oder das in den Akten abgeheftete Doppel lassen zweifelsfrei erkennen, dass die [X.] tatsächlich postfertig in das [X.] der Kanzlei gelegt wurde.

cc) Die unzureichende Kontrolle der ausgehenden [X.] ist ursäch-lich für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewesen. Es reicht aus, dass eine mögliche Ursächlichkeit für das Versäumen der Frist nicht ausgeräumt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 11.
Ok-tober 2000

[X.], [X.], 85 unter 2). Das ist der Beklagten nicht gelungen. Hätten in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten ent-sprechende Anordnungen zur Durchführung der beschriebenen [X.] bestanden, wäre bei ansonsten pflichtgemäßem Verhal-ten der zuständigen Bürokraft ein möglicher Fehler bei der Bearbeitung des Schriftsatzes innerhalb der
Kanzlei aufgefallen.

11
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9
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Die Ursächlichkeit entfällt auch nicht deswegen, weil die [X.] trotz unzureichender Kontrolle ordnungsgemäß bear-beitet worden und in den [X.]ausgang gelangt ist. Die Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Berufungsbegründung postfertig gemacht
und tatsächlich zur [X.] gegeben wurde. Die vorgelegten [X.] an Eides statt des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten und von dessen Sekretärin reichen nicht aus, weil beide nicht mit der Bear-beitung des Schriftsatzes betraut waren.

[X.] [X.] [X.]

Dr. Karczewski Dr. Schoppmeyer
Vorinstanzen:
[X.] (Oder), Entscheidung vom 09.04.2013 -
12 O 231/12 -

OLG Brandenburg, Entscheidung vom 15.04.2014 -
11 [X.] -

13

Meta

IV ZB 14/14

07.01.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.01.2015, Az. IV ZB 14/14 (REWIS RS 2015, 17486)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17486

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