Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.11.2021, Az. 7 ABR 18/20

7. Senat | REWIS RS 2021, 1018

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Gegenstand

Verlegung einer betrieblichen Einheit - Versetzung - Beteiligung Betriebsrat - Aufhebungsantrag


Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 3. März 2020 - 11 TaBV 67/19 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Verlagerung des [X.] mehrerer Arbeitnehmer innerhalb [X.] und darüber, ob es sich dabei um Versetzungen iSv. § 99 Abs. 1 [X.] handelt.

2

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin gehört zum Konzern der [X.]. Der Beteiligte zu 1. ist der bei ihr aufgrund eines [X.] für die Organisationseinheit „Region F“ gebildete Betriebsrat. Dieser Organisationseinheit sind die Außenstellen der Arbeitgeberin in [X.] zugeordnet. Sitz der Leitung der Organisationseinheit und des Betriebsrats ist [X.] Die bei der Arbeitgeberin in [X.] beschäftigten Arbeitnehmer erbringen ihre Tätigkeit ua. in mehreren [X.] im [X.]er Stadtgebiet.

3

Mit E-Mail vom 2. Mai 2018 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber, dass anlässlich der Umsetzung der in einem Interessenausgleich und Sozialplan festgelegten Maßnahme „Zukunft Innendienst“ zum 18. Juni 2018 der Umzug von 59 namentlich benannten Arbeitnehmern innerhalb [X.] vom Betriebsstandort [X.] an den Betriebsstandort [X.] geplant sei. Die Maßnahme betraf drei Teams aus dem Bereich der Disposition. Die Entfernung zwischen den Standorten beträgt mit dem Kfz 12,1 km, die Fahrzeit zwischen den Standorten mit öffentlichen Verkehrsmitteln mindestens 46 Minuten. Der Betriebsrat bat mit E-Mail vom 16. Mai 2018 um weitere Informationen. Die Arbeitgeberin setzte die vorgesehene Maßnahme um, ohne den Betriebsrat zuvor nach § 99 [X.] beteiligt zu haben. Dabei wurden nach den Feststellungen des [X.] sämtliche Arbeitnehmer umgesetzt. Infolge der Verlagerung der Arbeitsplätze änderten sich die Art der Tätigkeit, die funktionalen Beziehungen der betroffenen Arbeitnehmer untereinander, die Einordnung in die Arbeitsabläufe und die Zuständigkeiten von Vorgesetzten nicht. Im Anhörungstermin beim [X.] haben die Beteiligten zu Protokoll erklärt, dass sowohl in dem bisherigen Dienstgebäude als auch in dem neuen Dienstgebäude auch Beschäftigte anderer Betriebe der Arbeitgeberin und anderer Unternehmen des [X.] tätig waren und sind. Am bisherigen Standort in der [X.] waren die Mitarbeiter etwa zur Hälfte in einem Großraumbüro und daneben in mehreren kleineren Büros untergebracht. Am Standort [X.] arbeiten alle Mitarbeiter in zwei Großraumbüros, wobei sogenannte [X.] zur Verfügung gestellt werden.

4

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Umsetzungen der betroffenen Arbeitnehmer seien nach § 101 [X.] aufzuheben, da es sich bei ihnen schon aufgrund des Wechsels des [X.] um Versetzungen handele, die die Arbeitgeberin ohne seine Zustimmung nach § 99 Abs. 1 [X.] vorgenommen habe. Dem stehe der Beschluss des [X.] vom 27. Juni 2006 (- 1 [X.] - [X.] 118, 314), wonach die bloße Verlagerung eines Betriebs oder eines räumlich gesonderten Betriebsteils um wenige Kilometer innerhalb einer politischen Gemeinde ohne Hinzutreten weiterer Veränderungen keine Versetzung der davon betroffenen Arbeitnehmer darstellt, nicht entgegen. Bei den drei von dem Umzug betroffenen Teams aus dem Bereich Disposition handele es sich nicht um einen Betriebsteil, sondern allenfalls um eine Betriebsabteilung. Eine stadtbezirksübergreifende Umsetzung über zwölf Kilometer sei jedenfalls aufgrund der für die Arbeitnehmer verbundenen Nachteile als Versetzung anzusehen. Zudem sei die Veränderung der räumlichen Unterbringung der Arbeitnehmer in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen.

5

Der Betriebsrat hat - nach Erledigung des Verfahrens im Hinblick auf die übrigen Arbeitnehmer und soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - zuletzt beantragt,

        

1.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, die Versetzung der Arbeitnehmer

                 

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vom Standort in der [X.], [X.], an den Standort in der [X.]., [X.], aufzuheben,

                 

hilfsweise

        

2.    

festzustellen, dass die Umsetzungen der o.g. Arbeitnehmer vom Standort in der [X.], [X.], an den Standort in der [X.]., [X.], mitbestimmungspflichtige Versetzungen im Sinne von § 99 Abs. 1 [X.] sind.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter. Die Arbeitgeberin begehrt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

8

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat die Beschwerde des Betriebsrats gegen den den Hauptantrag abweisenden arbeitsgerichtlichen Beschluss zu Recht zurückgewiesen. Der Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

9

I. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, die Umsetzungen der im Antrag zu 1. genannten Arbeitnehmer vom Standort [X.] zum Standort [X.] in [X.] nach § 101 [X.] aufzuheben.

1. Nach § 101 Satz 1 [X.] kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine personelle Maßnahme iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] aufzuheben, wenn der Arbeitgeber die Maßnahme ohne seine - des Betriebsrats - Zustimmung durchführt. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] muss der Arbeitgeber den Betriebsrat in Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern ua. vor jeder Einstellung unterrichten und seine Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einholen. Personelle Einzelmaßnahmen iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] können daher nur nach Zustimmung des Betriebsrats oder deren rechtskräftiger Ersetzung in einem Verfahren nach § 99 Abs. 4 [X.] oder als vorläufige personelle Maßnahme unter den Voraussetzungen des § 100 [X.] vorgenommen werden (vgl. [X.] 21. November 2018 - 7 [X.] - Rn. 10, [X.] 164, 230; 30. September 2014 - 1 [X.] - Rn. 15, [X.] 149, 182).

2. Danach ist die Arbeitgeberin nicht verpflichtet, die streitige Maßnahme aufzuheben. Die Arbeitgeberin führt diese zwar nach wie vor ohne Zustimmung des Betriebsrats durch. Dessen Zustimmung war jedoch nicht erforderlich. Die Verlagerung der Arbeitsplätze vom Standort in der [X.] an den Standort in der [X.] in [X.] stellt keine Versetzung der betroffenen Arbeitnehmer iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 [X.] dar.

a) Nach der Legaldefinition in § 95 Abs. 3 Satz 1 [X.] liegt eine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] zustimmungspflichtige Versetzung bei der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs vor, die die Dauer von voraussichtlich einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.

aa) „Arbeitsbereich“ sind die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Der Begriff ist räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst neben der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation. Um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs handelt es sich, wenn sich das gesamte Bild der Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters nunmehr als eine „andere“ anzusehen ist (vgl. [X.] 20. Oktober 2021 - 7 [X.] - Rn. 19; 29. September 2020 - 1 ABR 21/19 - Rn. 24; 9. April 2019 - 1 [X.] - Rn. 21 mwN; 8. November 2016 - 1 [X.] - Rn. 13 mwN). Dies kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihnen verbundenen Verantwortung ergeben, kann aus einer Änderung des [X.] oder der Art der Tätigkeit - dh. der Art und Weise, wie die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist - folgen und kann mit einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit verbunden sein (vgl. [X.] 20. Oktober 2021 - 7 [X.] - aaO; 29. September 2020 - 1 ABR 21/19 - aaO; 23. Juni 2009 - 1 [X.] - Rn. 28 mwN, [X.] 131, 145).

bb) In der Zuweisung eines anderen [X.] kann - je nach [X.] - auch bei ihrer Art nach gleichbleibender Tätigkeit eine Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 [X.] liegen (vgl. zu Fallkonstellationen, in denen von der Maßnahme allerdings einzelne oder wenige Arbeitnehmer betroffen waren: [X.] 20. Oktober 2021 - 7 [X.] - Rn. 18 ff.; 21. September 1999 - 1 [X.] - zu [X.] 1 der Gründe; 23. Juli 1996 - 1 [X.] - zu [X.] 2 c der Gründe; 8. August 1989 - 1 [X.] - zu [X.] 1 der Gründe, [X.] 62, 314; 1. August 1989 - 1 [X.] - zu [X.] 2 a der Gründe). Hingegen handelt es sich nicht um Versetzungen der betroffenen einzelnen Arbeitnehmer, wenn betriebliche Einheiten am Sitz des Betriebs um wenige Kilometer innerhalb einer politischen Gemeinde insgesamt verlagert werden, ohne dass sich am konkreten Arbeitsplatz der Arbeitnehmer und seiner Beziehung zur betrieblichen Umgebung sonst etwas ändert ([X.] 27. Juni 2006 - 1 [X.] - [X.] 118, 314). Dies beruht auf der Annahme, dass in einem solchen Fall bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kein „anderer“ Dienst- oder Arbeitsort zugewiesen wird, da der Betriebssitz als typischer Dienst- oder Arbeitsort in der Regel die politische Gemeinde ist. Auch systematisch stellt sich die Verlagerung eines Betriebs oder eines räumlich von dem restlichen Betrieb getrennten Betriebsteils nicht als Summe personeller Einzelmaßnahmen dar. Die Veränderungen finden nicht auf [X.], sondern auf [X.] des gesamten Betriebs oder Betriebsteils statt. Der Zweck des § 99 [X.] gebietet in einem solchen Fall ebenfalls nicht die Mitbestimmung des Betriebsrats. Es geht nicht wie sonst bei personellen Einzelmaßnahmen um eine vom Betriebsrat zu kontrollierende Auswahl zwischen verschiedenen in Betracht kommenden Arbeitnehmern. Vielmehr sind von der Verlagerung sämtliche Arbeitnehmer der betrieblichen Einheit betroffen. Wird allerdings nicht der gesamte Betrieb oder ein räumlich gesonderter Betriebsteil insgesamt verlagert, sondern eine Betriebsabteilung aus einem Betrieb ausgelagert, so verändert sich für deren Arbeitnehmer das betriebliche Umfeld. Typischerweise ist dabei die Veränderung der betrieblichen Umgebung umso größer, je kleiner die verlegte Betriebsabteilung ist ([X.] 27. Juni 2006 - 1 [X.] - Rn. 13, aaO).

b) Soweit der Begriff der Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 [X.] unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, steht dem [X.] bei deren Prüfung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine entsprechende tatrichterliche Würdigung ist in der [X.] nur darauf überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer [X.] gelassen hat (vgl. [X.] 29. September 2020 - 1 ABR 21/19 - Rn. 26; 13. August 2019 - 1 [X.] - Rn. 49, [X.] 167, 230).

c) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung stand.

aa) Das [X.] ist von der ständigen Rechtsprechung des [X.] zum Begriff der Versetzung iSv. § 95 Abs. 3, § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] ausgegangen und hat seiner Entscheidung insbesondere die Grundsätze des Beschlusses des [X.] vom 27. Juni 2006 (- 1 [X.] - Rn. 13 f., [X.] 118, 314) zugrunde gelegt.

bb) Seine Würdigung, die örtliche Verlagerung der drei Teams der Disposition bewirke keine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] beteiligungspflichtigen Versetzungen der betroffenen Arbeitnehmer, lässt keine [X.] erheblichen Rechtsfehler erkennen. Sie hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

(1) Zwar war die Verlegung der Arbeitsplätze für die Dauer von mehr als einen Monat vorgesehen. Den betroffenen Arbeitnehmern ist mit dem Umzug jedoch kein anderer Arbeitsbereich zugewiesen worden. Nach den Feststellungen des [X.] sind die räumlich von anderen Abteilungen der Organisationseinheit „Region F“ im Gebäude in der [X.] getrennt untergebrachten Dispositionsteams mit sämtlichen Arbeitnehmern in das Gebäude in der [X.] umgezogen. Nach den weiteren Feststellungen in den Gründen des angefochtenen und des erstinstanzlichen Beschlusses, auf die das [X.] insoweit Bezug genommen hat, haben sich infolge der örtlichen Verlagerung der Arbeitsplätze die funktionalen Beziehungen der Arbeitnehmer untereinander, die Art ihrer Tätigkeit, die Einordnung in die Arbeitsabläufe des Betriebs und die Zuständigkeiten von Vorgesetzten der betroffenen Arbeitnehmer nicht geändert. Die Würdigung, unter diesen Umständen ändere sich das gesamte Bild der Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer nicht, so dass diese nach der räumlichen Verlagerung vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters nunmehr nicht als eine „andere“ anzusehen ist, unterliegt keinen [X.]en Bedenken.

(2) Auch mit seiner Annahme, Versetzungen lägen nicht vor, weil der Umzug von einem Betriebsgebäude in das andere Betriebsgebäude innerhalb der Stadt [X.] erfolgte, hat das [X.] seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist wegen der stadtbezirksübergreifenden Standortverlagerung keine andere Sichtweise geboten. Die einzelnen [X.]er Bezirke mögen ihrer Fläche und Einwohnerzahl nach mit anderen politischen ([X.] vergleichbar sein. Hingegen hat sich bereits im Verständnis des allgemeinen Sprachgebrauchs der Arbeitsort der betroffenen Arbeitnehmer nicht verändert. Dieser ist nach wie vor [X.], selbst wenn [X.] als stadtstaatliche Einheitsgemeinde eine Verwaltungsgliederung in zwölf Bezirke aufweist (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Verfassung von [X.] [GVBl. 1995, 779]).

(3) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das [X.] der Entfernung von zwölf Kilometern zwischen dem bisherigen und dem neuen Standort keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat. Für die Frage, ob eine Veränderung der Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs eintritt, spielt die Reichweite der Verlagerung bei Umzügen betrieblicher Einheiten innerhalb einer Gemeinde ohne sonstige Änderungen der betrieblichen Strukturen jedenfalls keine ausschlaggebende Rolle. Zwar vermag sich eine Standortverlagerung auch innerhalb einer politischen Gemeinde nicht unerheblich auf die Wegezeiten der betroffenen Arbeitnehmer auszuwirken. Die Veränderung eines solchen außerbetrieblichen Umstandes ist aber für den Arbeitsbereich der Arbeitnehmer - im Sinn ihrer Aufgaben, Verantwortung, der Art ihrer Tätigkeit und ihrer Einordnung in den Arbeitsablauf - nicht relevant (vgl. auch [X.] 27. Juni 2006 - 1 [X.] - Rn. 14, [X.] 118, 314). Im Übrigen hat eine betriebliche Standortverlagerung für die betroffenen Arbeitnehmer aufgrund der unterschiedlichen Wohnorte individuell unterschiedliche Auswirkungen. Ebenso ist die Entfernung zwischen dem vormaligen und dem neuen betrieblichen Standort für die Wege der betroffenen Arbeitnehmer zur und von der Arbeit nicht von Belang, da sich diese allein wohnortabhängig bestimmen. Daraus ggf. für die betroffenen Arbeitnehmer resultierende wirtschaftliche Nachteile können unter den Voraussetzungen des § 111 Satz 3 Nr. 2 [X.] durch einen Sozialplan auszugleichen oder abzumildern sein. Schließlich lässt auch die Erwägung des [X.], infolge eines ausgebauten öffentlichen Nahverkehrs in einer Großstadt wie [X.] hielten sich die tatsächlichen Auswirkungen der Standortverlagerung für die Arbeitnehmer in geringerem Rahmen als ggf. in anderen [X.] mit anderen infrastrukturellen Bedingungen, keine Denkfehler oder Verstöße gegen allgemeine Erfahrungssätze erkennen.

(4) Die in Auseinandersetzung mit dem Beschluss des [X.] vom 27. Juni 2006 (- 1 [X.] - [X.] 118, 314) angebrachte Argumentation der Rechtsbeschwerde, bei der Beurteilung, ob ein Umzug betrieblicher Einheiten eine Veränderung des Arbeitsbereichs iSv. § 95 Abs. 3 [X.] bewirke, sei nicht pauschal darauf abzustellen, ob er über die Grenzen einer politischen Gemeinde hinweg erfolge oder nicht, verfängt nicht. Sie vernachlässigt, dass diesem Umstand eine maßgebliche Bedeutung bei der bloßen Verlagerung betrieblicher Einheiten ohne Hinzutreten weiterer tätigkeits- oder betriebsorganisationsbezogener Änderungen zukommt. Dies berücksichtigt, dass der Arbeitsort iSd. Betriebssitzes nach dem allgemeinen Sprachgebrauch einer bestimmten politischen Gemeinde zugeordnet ist und im Übrigen seiner Verlegung innerhalb einer Gemeinde jedenfalls typischerweise keine signifikanten Entfernungen zugrunde liegen. Einer darüberhinausgehenden Generalisierung enthält sich diese Wertung. So ist mit ihr nicht etwa vorgegeben, bei einer betrieblichen Standortverlagerung von einer Straßenseite auf die andere („um wenige Meter“) handele es sich allein deshalb um Versetzungen iSd. § 95 Abs. 3 [X.], weil die Gemeindegrenze auf der Straße verläuft. Ungeachtet dessen ist im Beschluss des [X.] vom 27. Juni 2006 (- 1 [X.] - Rn. 13, aaO) ausdrücklich offengelassen, ob bei einer Verlagerung ganzer Betriebe oder Betriebsteile über größere Entfernungen für die davon betroffenen Arbeitnehmer wegen des unveränderten Verhältnisses des einzelnen Arbeitsplatzes zu seinem betrieblichen Umfeld von der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs auszugehen ist. Auch im vorliegenden Streitfall muss diese Frage nicht abschließend entschieden werden. Das [X.] hat im Rahmen seiner tatsachengerichtlichen Würdigung die Entfernung zwischen den Standorten nicht als erheblich angesehen. Das ist - wie ausgeführt - [X.] nicht zu beanstanden.

(5) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die von der Verlagerung in das Betriebsgebäude in der [X.] betroffenen betrieblichen Einheiten (ggf. selbständige) Betriebsteile iSv. § 4 Abs. 1 [X.] darstellen. Entscheidend ist vielmehr, ob eine zusammenhängende Einheit - unabhängig von ihrer betriebsverfassungsorganisatorischen Einordnung - vollständig und ohne Änderungen der konkreten Arbeitsplätze und ihrer Beziehung zur betrieblichen Umgebung räumlich verlagert wird. Zwar kann sich für die Arbeitnehmer das betriebliche Umfeld ändern, wenn nicht der gesamte Betrieb oder ein räumlich gesonderter Betriebsteil insgesamt verlagert, sondern eine Betriebsabteilung aus einem Betrieb ausgelagert wird (vgl. [X.] 27. Juni 2006 - 1 [X.] - Rn. 13, [X.] 118, 314). Das ist im Hinblick auf die im Streitfall umgesetzten Teams der Disposition jedoch nicht ersichtlich. Diese sind nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 559 Abs. 2 ZPO) mit sämtlichen Arbeitnehmern ohne Änderung der funktionalen Beziehungen, Zuständigkeiten von Vorgesetzten und der betroffenen Arbeitnehmer untereinander umgesetzt worden. Die in die [X.] verlagerte betriebliche Einheit wurde damit nicht aus einem in der Betriebsstätte [X.] verbleibenden Betrieb ausgelagert. Dem steht nicht entgegen, dass nach der zu Protokoll des Anhörungstermins beim [X.] gegebenen Erklärung der Beteiligten in dem bisherigen Dienstgebäude „auch“ Beschäftigte anderer Betriebe der Arbeitgeberin und anderer konzernangehöriger Unternehmen tätig waren. Dem [X.] in den Vorinstanzen war nicht zu entnehmen, dass Teile der Organisationseinheit „Region F“ am Standort [X.] verblieben. Soweit der Betriebsrat erstmals in der Rechtsbeschwerdebegründung Vortrag hält zur Weiterbeschäftigung von der Organisationseinheit „Region F“ zuzuordnenden Technikern in dem bisherigen Dienstgebäude, kann das nach § 559 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt werden. Gleiches gilt für den erstmals in der Rechtsbeschwerde gehaltenen Vortrag, im bisherigen Dienstgebäude seien weiterhin Arbeitnehmer anderer Betriebe der Arbeitgeberin und anderer Konzernunternehmen beschäftigt, mit denen eine fachliche Zusammenarbeit in Bezug auf betriebs- und unternehmensübergreifende Prozesse stattfinde.

(6) Es unterliegt schließlich keinen [X.]en Bedenken, dass das [X.] der Einrichtung von zwei Großraumbüros am neuen Standort für nunmehr sämtliche Mitarbeiter keine Bedeutung beigemessen hat. Dieser Umstand ist nicht so beachtlich, als dass von einer Änderung des Arbeitsbereichs der einzelnen Arbeitnehmer gesprochen werden könnte (vgl. auch [X.] 27. Juni 2006 - 1 [X.] - Rn. 15, [X.] 118, 314). Für diejenigen Arbeitnehmer, die bereits am bisherigen Standort in einem Großraumbüro ihre Tätigkeit verrichteten - nach den Feststellungen des [X.] etwa die Hälfte - haben sich insoweit die Umstände nicht geändert. Aber auch für die Beschäftigten, die zuvor in mehreren kleineren Büros arbeiteten, liegt keine erhebliche Änderung ihrer Arbeitsumstände vor. Sie haben weiterhin und wie bisher einen Arbeitsplatz in einem Büro, das nunmehr lediglich für eine größere Anzahl von Personen vorgehalten ist. Ebenso ist es [X.] nicht zu beanstanden, dass das [X.] eine Änderung des Arbeitsbereichs nicht darin gesehen hat, dass am neuen Standort [X.] zur Verfügung gestellt werden. Der Umstand, dass die Arbeitnehmer vor Beginn ihrer Tätigkeit einen freien Schreibtisch wählen sowie ihre individuellen Arbeitsmittel aus dem verschließbaren [X.] entnehmen und an den Schreibtisch bringen müssen, betrifft weder deren Aufgabe und Verantwortung noch die Art ihrer Tätigkeit und ihre Einordnung in den betrieblichen Arbeitsablauf. Es ist im Streitfall nicht ersichtlich, dass sich dadurch die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer so verändert hat, dass sie am neuen Standort vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters nunmehr als eine „andere“ anzusehen ist.

II. Der Beschluss des [X.] ist allerdings insoweit rechtsfehlerhaft und wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 ZPO iVm. § 87 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG zu korrigieren, als es über den Hilfsantrag des Betriebsrats entschieden hat. Dieser Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

1. Eine Verletzung des Antragsgrundsatzes nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt nicht nur vor, wenn einer Partei ohne ihren Antrag etwas zugesprochen wird, sondern auch, wenn ihr ein nicht zur Entscheidung gestellter Anspruch aberkannt wird ([X.] 22. Juli 2021 - 2 [X.] - Rn. 42 mwN). § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO gilt auch im Beschlussverfahren; Besonderheiten des Verfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 ArbGG stehen seiner Anwendung nicht entgegen. Ein Verstoß der Vorinstanzen gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist von Amts wegen zu beachten ([X.] 26. Januar 2016 - 1 [X.] - Rn. 29, [X.] 154, 64).

2. Danach hat das [X.] gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen, indem es über den Hilfsantrag entschieden und diesen abgewiesen hat. Mit diesem Antrag begehrt der Betriebsrat die Feststellung, dass die Umsetzungen der im Hauptantrag genannten Arbeitnehmer mitbestimmungspflichtige Versetzungen iSv. § 99 Abs. 1 [X.] sind. In der Beschwerdebegründung hat er zur Erläuterung des Eventualverhältnisses ausgeführt, der Hilfsantrag sei für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. dann von Bedeutung, wenn das hauptsächliche Begehren „nicht aufgrund einer Ablehnung der Versetzungsmaßnahmen iSv. §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 [X.], sondern aus anderen Gründen“ abzuweisen sei. Damit ist als Bedingung für den Anfall des [X.] nicht allein die Abweisung des [X.] formuliert, sondern dessen Abweisung aus anderen Gründen als dem Nichtvorliegen einer Versetzungsmaßnahme. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.

3. Der Beschluss des [X.] ist daher - ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedurfte - zu berichtigen (vgl. zum Revisionsverfahren [X.] 22. Juli 2021 - 2 [X.] - Rn. 47; 25. März 2021 - 6 [X.] - Rn. 20). Die Entscheidung des [X.] ist insoweit gegenstandslos, als der Hilfsantrag abgewiesen worden ist.

        

    Schmidt    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Waskow    

        

        

        

    Steininger    

        

    [X.]    

                 

Meta

7 ABR 18/20

17.11.2021

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Hannover, 26. Juni 2019, Az: 5 BV 2/19, Beschluss

§ 95 Abs 3 S 1 BetrVG, § 99 Abs 1 S 1 BetrVG, § 101 S 1 BetrVG, § 308 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.11.2021, Az. 7 ABR 18/20 (REWIS RS 2021, 1018)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1018

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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