Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2015, Az. I ZR 211/14

I. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 2437

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 211/14
vom
12. November 2015
in dem Rechtsstreit

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Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 12. November 2015 durch [X.]
Dr.
Büscher, [X.]
Dr.
Koch, Dr.
Löffler, die Richterin Dr.
[X.] und den Richter Feddersen

beschlossen:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 29.
August 2014 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.
Der Streitwert wir

Gründe:
[X.] Die Klägerin, eine bundesweit überwiegend auf dem Gebiet des Versi-cherungsrechts tätige Rechtsanwaltskanzlei, verfolgt gegenüber der [X.], die sich mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus gekündigten Lebens-
und Rentenversicherungsverträgen befasst, wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz ([X.]).
Die Beklagte verfügt nicht über eine Registrierung nach §
10 [X.]. Po-tentielle Kunden der [X.] sind Versicherungsnehmer, die an ihren Versi-cherungsverträgen nicht mehr festhalten wollen.
Die Beklagte bietet ihren Kunden zwei Geschäftsmodelle an. Einerseits handelt es sich um eine sogenannte
Kauf-
und Abtretungsvereinbarung, bei der die Rechte des Kunden aus dem jeweiligen Versicherungsvertrag an die Be-1
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klagte abgetreten werden ([X.] "[X.] 2011" und "[X.] 2012"). [X.] handelt es sich um einen sog. Prozessbetreuungsvertrag, bei dem die Beklagte die Ansprüche des Kunden in dessen Namen durchsetzen soll und die Prozesskosten üblicherweise durch eine Rechtsschutzversicherung des Kunden getragen werden sollen ([X.] "Prüfauftrag Ökopaket", "Prüfauftrag [X.]", "[X.] 2011" und "[X.] 2012").
Die Beklagte hat für die Prozessbetreuungsverträge "[X.] 2011" und "[X.] 2012" Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, in denen es unter anderem
wie folgt heißt:
[[X.] 2011] "(...) Deshalb beauftrage ich Sie hiermit, meine Ansprüche für [X.] gemäß der umseitigen Bedingungen über die Prozessbetreuung zur Anfechtung von Versicherungsverträgen (...) durchzusetzen. (...) Ich habe eine Rechts-schutzversicherung, die die Verfahrenskosten trägt. (...)"

[[X.] 2012] "(...) Deshalb beauftrage ich Sie hiermit, die Durchsetzung meiner Ansprüche für [X.] gemäß der umseitigen Bedingungen über die Prozessbe-treuung zur Anfechtung von Versicherungsverträgen (...) zu betreuen.
(...) Die Verfahrenskosten übernimmt meine Rechtsschutzversicherung. (...)"

"Bedingungen über die Prozessbetreuung zur Anfechtung von Versicherungs-verträgen

Präambel
(...) Um schnellstmöglich über das Guthaben verfügen zu können, beauftragt der Anspruchsinhaber die p.

durch umstehende Erklärung mit der Be-
treuung und Steuerung der Anspruchsdurchsetzung. Die p.

hat hierzu
eine
Strategie entwickelt, die ihr Know-how und damit einen wesentlichen Teil ihrer Geschäftsgrundlage darstellt und mit welcher der gesamte [X.] gesteuert werden soll. (...) Die p.

erbringt im Rahmen dieser Ver-
einbarung selbst keine Leistungen im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes ([X.]). Mit der Prüfung des Sachverhalts sowie der ggf. erforderlichen außer-gerichtlichen Korrespondenz zum Zwecke der Anspruchsdurchsetzung werden jeweils unabhängige Rechtsanwälte beauftragt, welche dem Netzwerk der p.

zugehörig sind.
(...)
§ 2 Leistungen der p.

(1) Die p.

übernimmt die Betreuung und Steuerung der außergerichtli-
chen und gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche des Anspruchsinhabers gegenüber der Versicherung. Hierfür bringt die p.

ihr gesamtes Know-
how, das sie bereits erworben hat und stetig weiterentwickelt, ein.
(2) Die p.

ist (...) bevollmächtigt, für die gerichtliche und außergericht-
liche Wahrnehmung der Interessen des Anspruchsinhabers gegenüber dem 4
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Versicherer einen unabhängigen Rechtsanwalt aus ihrem Netzwerk auszuwäh-len und mit der Anspruchsdurchsetzung zu beauftragen. Die p.

wird
durch den Anspruchsinhaber ermächtigt, in Abstimmung mit den [X.] Rechtsanwälten in Vertretung für den Anspruchsinhaber zu entscheiden, welche außergerichtlichen bzw. gerichtlichen Maßnahmen für die Durchsetzung der sich etwaig aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Ansprüchen einge-leitet werden. (...)"

Das [X.] hat die Beklagte wegen Verstoßes gegen §
3 Abs.
1, §
4 Nr.
11 UWG in Verbindung mit §
2 Abs.
2, §
3 [X.] antragsgemäß verur-teilt,
es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen,

b) Versicherungsnehmer geschäftsmäßig aufzufordern, Versicherungsverträge samt Korrespondenz mit dem betreffenden Versicherer einzureichen und eine entgeltliche rechtliche Prüfung hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer vollstän-digen oder teilweisen Beitragsrückforderung vorzunehmen,

wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben:

[es folgt die Nennung näher bezeichneter, als Anlagen vorliegender Vertragsun-terlagen]

Die Berufung der [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit der angestreb-ten Revision möchte die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfol-gen.
I[X.] Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die auf die Verletzung von [X.] greifen nicht durch und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern auch im Übrigen eine Entscheidung des [X.] nicht (§
543 Abs.
2 Satz
1 ZPO).
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet allerdings zutreffend, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der vom Klageantrag zu
b) erfassten 5
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Prozessbetreuungsverträge "[X.] 2011" und "[X.] 2012" zu Unrecht vom [X.] eines Mandatsverhältnisses zwischen der [X.]
und dem Rechts-anwalt ausgegangen ist. Auch bei Zugrundelegung der richtigen Annahme, dass in diesen Konstellationen ein Mandatsverhältnis zwischen Versicherungs-nehmer und Rechtsanwalt zustande kommt, ist jedoch die Revision nicht [X.]. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch insoweit im Ergebnis als richtig, weil ein Verstoß gegen §§
3, 4 Nr.
11, §
8 UWG in Verbin-dung mit §
3 [X.] gegeben ist. Das ergangene Verbot ist zudem mit dem Grundrecht der [X.] aus Art.
12 Abs.
1 Satz
2 GG vereinbar.
a) Die Struktur der [X.] "[X.] 2011" und "[X.] 2012", die den Eintritt der Rechtsschutzversicherung des Kunden vorsehen, bedingt ein Mandatsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Kunden. Nach §
5 der [X.] ([X.]) 2010 trägt der Versicherer bei Eintritt des Rechtsschutzfalles "die Vergütung eines für den Ver-sicherungsnehmer tätigen Rechtsanwaltes". Für die Rechtsverfolgung mithilfe eines durch einen Dritten mandatierten Rechtsanwalts träte die [X.] folglich nicht ein (vgl. [X.]/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
5 [X.] 2010 Rn.
4).
b) Das ergangene Verbot erweist sich aber bei Zugrundelegung der in der Senatsentscheidung "[X.]" (Urteil vom 29.
Juli 2009

I
ZR
166/06, [X.], 1077
= [X.], 1380) ausgesprochenen [X.] gleichwohl als richtig, weil es sich bei
der beanstandeten Handlung um eine außergerichtliche Rechtsdienstleistung in Form der entgeltlichen Rechts-prüfung im Sinne der §§
2, 3 [X.] handelt.
Im Fall "[X.]", in dem ein Unternehmen einen "in [X.] versierten Rechtsanwalt" empfahl und dessen Kosten trug, war ein Verstoß gegen § 3 [X.] gegeben, weil dieser Rechtsanwalt der Sache 9
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nach ein Erfüllungsgehilfe des Unternehmens war, auch wenn er formal vom Kunden selbst beauftragt und bevollmächtigt wurde ([X.], [X.], 1077
Rn.
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[X.]).
Vorliegend steht der Umstand, dass im Rahmen der Verträge "[X.] 2011" und "[X.] 2012" zwischen dem Kunden der [X.] und dem Rechts-anwalt ein eigenständiges Mandatsverhältnis begründet wird, der Annahme ei-ner unzulässigen Rechtsdienstleistung ebenfalls nicht entgegen, weil der Rechtsanwalt der Sache nach als Erfüllungsgehilfe der [X.] einzuordnen ist. Dies folgt aus der starken Stellung, die die Beklagte

wie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen erkennen lassen

im Rahmen der versprochenen [X.] innehat. Sie steuert die Anspruchsdurchsetzung, indem sie den Rechtsanwalt auswählt, beauftragt und in Abstimmung mit diesem über die einzelnen Maßnahmen entscheidet. Hieran vermag der formale Umstand, dass das
Mandatsverhältnis zwischen Kunden und Rechtsanwalt besteht, nichts zu ändern.
c) Das ergangene Verbot verletzt die der [X.] grundgesetzlich ga-rantierte Berufsausübungsfreiheit (Art.
12 Abs.
1 Satz
2 GG) nicht. Es handelt sich um eine von dem Schrankenvorbehalt des Art.
12 Abs.
1 Satz
2 GG ge-deckte
verhältnismäßige Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit. Die Dienstleistung der [X.] lässt sich nicht in die

dem Rechtsanwalt überlas-sene

erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung und die sonstigen unterstützenden, nicht dem Erlaubnisvorbehalt unterfallenden Tätigkeiten aufteilen, die nur gerin-ge Berührungspunkte mit der Rechtspflege aufweisen (vgl. [X.], NJW 2002, 3531, juris Rn.
30). Bei der Würdigung der Tätigkeit der [X.] ergibt sich kein maßgeblicher, von der Anspruchsdurchsetzung zu differenzierender Ge-halt; die Tätigkeit der [X.] ist, weil sie selbst in der dargestellten Weise in 12
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die Anspruchsdurchsetzung eingebunden ist, vielmehr schwerpunktmäßig rechtspflegenah.
2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß §
544 Abs.
4 Satz
2 Halbsatz
2 ZPO abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Büscher
Koch
Löffler

[X.]
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.12.2013 -
33 O 68/12 -

O[X.], Entscheidung vom 29.08.2014 -
6 U 13/14 -

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Meta

I ZR 211/14

12.11.2015

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2015, Az. I ZR 211/14 (REWIS RS 2015, 2437)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2437

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 211/14

6 U 13/14

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