Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.04.2017, Az. 4 StR 35/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12410

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:130417B4STR35.17.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF

BES[X.]HLUSS
4 StR 35/17

vom
13. April
2017
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen gefährlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 13.
April 2017 gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21.
September 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten K.

[X.].

der gefähr-
lichen Körperverletzung in zwei Fällen und den Angeklagten Ka.

[X.].

der
gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen. Den Angeklag-
ten K.

[X.].

hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
und neun Monaten und den Angeklagten Ka.

[X.].

zu einer Freiheits-
strafe von einem Jahr

unter Strafaussetzung zur Bewährung

verurteilt. [X.] hat es mit Blick auf Art.
6 Abs.
1 Satz
1 EMRK zugunsten beider Angeklag-ter [X.] getroffen.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten jeweils die Verletzung for-mellen und materiellen Rechts.
1
2
-
3
-
I.
Die Verfahrensrügen beider Angeklagter sind nicht näher ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
II.
Jedoch führt die von beiden Angeklagten erhobene Sachrüge zur Auf-hebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen ge-troffen:
a)
Hintergrund der Anklagevorwürfe ist eine körperliche Auseinanderset-zung zwischen den Angeklagten einerseits und den mit ihnen schon vor der Tat zerstrittenen Nebenklägern A.

und H.

[X.]e.

andererseits. Zum
Tatzeitpunkt wohnten alle vier Personen mit ihren Familien in demselben Häu-serblock. Eingedenk des fortdauernden Streites gerieten am [X.], dem 27.
Oktober 2013, zunächst der Angeklagte K.

[X.].

und der Ne-
benkläger H.

[X.]e.

bei einem zufälligen Treffen vor der Wohnung der
Angeklagten aneinander und führten ein lautstarkes Streitgespräch, in dessen Verlauf der Angeklagte dem Nebenkläger ein etwa 15
cm langes Messer vor-hielt, es aber eingeschüchtert wieder einsteckte, als der Nebenkläger ihm eine Ohrfeige versetzte und weitere Schläge androhte. Als kurz darauf auch der [X.] A.

[X.]e.

in Begleitung seines Neffen, des Zeugen S.

[X.]e.

, am Ort des Geschehens erschien und die angespannte Stimmung
bemerkte, blieb er zur Unterstützung des [X.] H.

[X.]e.

vor
dem Wohnblock.
3
4
5
6
-
4
-
Der Nebenkläger H.

[X.]e.

wollte nunmehr auch mit dem Ange-
klagten Ka.

[X.].

über den Anlass des Streits sprechen. Dieser er-
schien, von dem Mitangeklagten telefonisch benachrichtigt, vor dem Haus. K.

[X.].

hoffte nunmehr, einer Fortsetzung des Streits durch
Flucht in den Hausflur entgehen zu können, wurde aber vom Nebenkläger H.

[X.]e.

zurückgehalten. Zwischen H.

[X.]e.

und dem hin-
zugekommenen Angeklagten Ka.

[X.].

entwickelte sich sogleich ein
aggressives Streitgespräch, in dessen Verlauf der

.

[X.]e.

eine Ohrfeige verabreichte. Um sich dafür zu revanchieren und H.

[X.]e.

-

.

[X.].

, ohne jedoch eine Waffe einzusetzen. In der Absicht, in diese Prügelei

, bewegte sich daraufhin der Nebenkläger A.

[X.]e.

auf
die [X.] zu. Obwohl [X.]e.

dabei eine Absicht, den Angeklagten
Ka.

[X.].

K.

[X.].

sein Messer und stach damit nach A.

[X.]e.

,

Gunsten des Angeklagten Ka.

[X.].

.

[X.].

traf A.

[X.]e.

mit der Messerklinge in Höhe des Oberbauchs; der Ne-
benkläger, der eine lebensgefährliche Leberverletzung erlitt, zog sich zurück und ging hinter einer nahe gelegenen Hecke liegend in Deckung. Der Angeklag-te K.

[X.].

verfolgte ihn noch einige Schritte, verzichtete jedoch
auf weitere, ihm noch mögliche Attacken mit dem Messer, wobei er

zu-treffend

annahm, der Nebenkläger werde den Messerstich überleben.
7
-
5
-
Der Angeklagte Ka.

[X.].

hatte in der Zwischenzeit den Ne-
benkläger H.

[X.]e.

zu
Boden gebracht und so die Oberhand über ihn
gewonnen. Mit der einen Hand würgte er ihn, mit der anderen führte er seinen aus der Hose gezogenen Gürtel mit der Schnalle am losen Ende als Schlag-werkzeug und fügte dem Nebenkläger auf diese Weise mehrere Platzwunden, u.a. am Kopf, zu. K.

[X.].

kam hinzu und griff den Nebenkläger
H.

[X.]e.

mit dem Messer an, der seinerseits bei der Abwehr des An-
griffs eine Schnittwunde am Arm erlitt. Beide Nebenkläger wichen sodann [X.]; die Angeklagten wurden von in der Zwischenzeit alarmierten Nachbarn zurückgehalten.
b)
Das [X.] hat den Stich des Angeklagten K.

[X.].

in den Bauch des [X.] A.

[X.]e.

rechtlich als gefährliche Kör-
perverletzung im Sinne von §
224 Abs.
1 Nr.
2 und 5 StGB gewürdigt. Von dem (unbeendeten) Versuch eines Tötungsdelikts zum Nachteil dieses [X.] sei der Angeklagte strafbefreiend zurückgetreten. Die Schnittwunde, die der Nebenkläger H.

[X.]e.

bei der Abwehr der Messerattacke des
K.

[X.].

erlitten habe, erfülle (tatmehrheitlich) den Tatbestand des
§
224 Abs.
1 Nr.
2 und 4 StGB. Der Angeklagte Ka.

[X.].

sei wegen
der Schläge mit der Gürtelschnalle auf den Kopf des am Boden liegenden [X.]s H.

[X.]e.

ebenfalls gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
2 und 4 StGB
zu bestrafen.
2.
Das [X.] hat hinsichtlich des ersten Handlungsabschnitts (Messerstich des K.

[X.].

) rechtsfehlerhaft den Rechtfertigungs-
grund der Notwehr bzw. Nothilfe (§
32 StGB) nicht erörtert. Die insoweit maß-geblichen Erwägungen kann der [X.] daher lediglich den Feststellungen ent-nehmen, wonach der Angeklagte K.

[X.].

dem A.

[X.]e.

8
9
10
-
6
-
den Messerstich versetzte,
als dieser in die Prügelei zwischen dem Angeklag-ten Ka.

[X.].

und dem Nebenkläger H.

[X.]e.

eingreifen
wollte, dabei aber nicht hatte erkennen lassen, dass er den Ka.

[X.].

angreifen würde. Die insoweit getroffenen
Feststellungen sind jedoch unzu-reichend, um eine für den Angeklagten K.

[X.].

bestehende Not-
wehr-
bzw. [X.] objektiv und subjektiv auszuschließen.
a)

und dazu getroffen, welche Absichten der Nebenkläger A.

[X.]e.

hatte,
als er sich näherte, um in die zwischen dem Angeklagten Ka.

[X.].

und dem Nebenkläger H.

[X.]e.

stattfindende Auseinanderset-
zung einzugreifen. Dem [X.] ist daher schon die Prüfung verwehrt, ob die [X.] von einem zutreffenden Begriff des gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs im Sinne des §
32 StGB ausgegangen ist. Vor dem Hintergrund der zum Geschehensverlauf getroffenen Feststellungen war dies insbesondere deshalb von Bedeutung, weil für die Gegenwärtigkeit des Angriffs nicht erst die Vornahme der Verletzungshandlung entscheidend ist, sondern bereits der Zeit-punkt der durch den bevorstehenden Angriff geschaffenen bedrohlichen Lage (vgl. dazu nur [X.], Beschluss vom 11.
Dezember 1991

2
StR
535/91, [X.]R StGB §
32 Abs.
2 Angriff
5 mwN). Wegen der lückenhaften Feststellungen kann der [X.] auch nicht prüfen, ob an das Merkmal der erforderlichen Verteidigung ein zutreffender rechtlicher Maßstab angelegt worden ist. Denn der Rahmen der erforderlichen Verteidigung wird von den gesamten Umständen der objektiven Kampflage bestimmt, namentlich vom konkreten Ablauf von Angriff und Abwehr, von Stärke und Gefährlichkeit des Angreifers und den [X.] (vgl. nur [X.], Urteile vom 28.
Februar 1989

1
StR 741/88, NJW 1989, 3027; vom 19.
November 1992

4
StR
464/92, [X.]R StGB §
32 Abs.
2 Erforderlichkeit
9; Beschluss vom 5.
November 1982

3
StR 11
-
7
-
375/82, [X.], 117; [X.]/[X.], 3.
Aufl., §
32 Rn.
26 mwN). Maßgebend sind insoweit ferner die Absichten des Angreifers und die von ihm ausgehende Gefahr einer Rechtsgutsverletzung ([X.], Urteil vom 24.
Novem-ber 2016

4
StR
235/16 mwN). Im Hinblick darauf, dass zu den Einzelheiten der Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten Ka.

[X.].

und
dem Nebenkläger H.

[X.]e.

und deren körperlichen Verhältnissen
konkrete Feststellungen ebenso fehlen wie zur Vorstellung des [X.] A.

[X.]e.

über die konkrete Art und Weise des von ihm beabsichtigten
Eingreifens, erweist sich die zusammenfassende Bewertung der [X.], n-.

[X.].

gehandelt, als nicht
tragfähig.
b)
Auch wenn objektiv ein Angriff durch den Nebenkläger A.

[X.]e.

nicht bevorstand, hätte das [X.] weiter feststellen müssen,
welche Vorstellungen der Angeklagte K.

[X.].

im Tatzeitpunkt
über das weitere Verhalten des [X.] hatte. Hätte der Angeklagte näm-lich mit einem unmittelbar bevorstehenden rechtswidrigen Angriff gerechnet und damit einen Sachverhalt angenommen, der ihn

falls er zuträfe

zur Nothilfe zu Gunsten des Mitangeklagten berechtigte, kämen gegebenenfalls die recht-lichen Grundsätze der Putativnotwehr in Betracht (vgl. [X.], Urteil vom 18.
April 2002

3
StR
503/01, [X.], 203, 204; Beschluss vom 11.
Dezember 1991 aaO).
3.
Wegen des dynamischen Geschehens mit gegenläufigen Handlungs-strängen von insgesamt vier Beteiligten kann der [X.] nicht ausschließen, dass sich die durchgreifenden [X.] nicht nur zum Nachteil des Angeklagten K.

[X.].

, sondern auch zum Nachteil des Mitan-
12
13
-
8
-
geklagten Ka.

[X.].

ausgewirkt haben. Aus diesem Grund hebt der
[X.] das Urteil des [X.] insgesamt mit den Feststellungen auf.
III.
Zur Abfassung der Urteilsgründe merkt der [X.] ergänzend an, dass bei dem hier vorliegenden unübersichtlichen Tatgeschehen mit mehreren Betei-ligten die von der [X.] vorgenommene Nummerierung der handelnden Personen, auch wenn diese teilweise übereinstimmende
Vor-
bzw. [X.] haben, dem Verständnis des festgestellten Geschehens schon für sich genommen nicht dienlich ist. Greift der Tatrichter gleichwohl zu dieser Methode, sollte er Bedacht darauf nehmen, dass die Bezeichnung der Beteiligten auch durchgehend zutrifft. Ist dies, wie hier, nicht durchgängig der Fall (vgl. nur UA
6 oben [Angeklagter statt
Nebenkläger]; UA
7 Mitte, 3.
Absatz, Zeilen
5 u. 6 [An-geklagter zu
2 statt Angeklagter zu
1]), wird die Verständlichkeit der Urteils-gründe nicht unerheblich erschwert.
Sost-Scheible
Roggenbuck
[X.]ierniak

Franke
Feilcke
14

Meta

4 StR 35/17

13.04.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.04.2017, Az. 4 StR 35/17 (REWIS RS 2017, 12410)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12410

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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