Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2016, Az. 5 StR 564/15

5. Strafsenat | REWIS RS 2016, 10334

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:080616U5STR564.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
5 StR 564/15

vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Totschlags u.a.

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Der 5.
Strafsenat des [X.]s hat in der Sitzung vom 8. Juni 2016, an der teilgenommen haben:
[X.] Prof. Dr. Sander

als Vorsitzender,

[X.]in Dr. [X.],
[X.] Dr. [X.],
[X.],
[X.] Dr. Feilcke

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwalt
beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt G.

als Verteidiger,

Rechtsanwalt Br.

als [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.]s zu-rückverwiesen.
2.
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das [X.] Urteil wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten insoweit ent-standenen notwendigen Auslagen zu tragen.

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Von Rechts wegen
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die 1
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hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils, während die ebenfalls auf die Sachrüge ge-stützte, zu Lasten des Angeklagten eingelegte und auf den Strafausspruch be-schränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom [X.] ver-treten wird, erfolglos bleibt.
I.
1. Das [X.] hat Folgendes festgestellt:
Der nicht vorbestrafte Angeklagte verlor infolge erheblicher geschäftli-cher Schulden seine Wohnung und lebte zur Tatzeit in einer Unterkunft für Wohnungslose. Im Nachbarzimmer wohnte der Nebenkläger. Der Angeklagte galt als ruhig und unauffällig. Er lebte sehr ungern in der Unterkunft und wollte mit den anderen Bewohnern möglichst wenig zu tun haben. Am [X.] der erheblich alkoholisierte Nebenkläger mit dem Zeugen T.

das ge-meinsame Zimmer des Angeklagten und des Zeugen. Der noch schlafende An-geklagte erwachte; es gab möglicherweise eine kurze verbale Auseinanderset-zung zwischen dem Nebenkläger und dem Angeklagten. Der Nebenkläger schlug dem noch im Bett liegenden Angeklagten unvermittelt und ohne, dass dieser dazu Anlass gegeben hätte, mit der Hand in das Gesicht. Der [X.] auf, flüchtete aus [X.] und rief mit seinem Handy den poli-zeilichen Notruf an; er teilte der Einsatzzentrale mit, dass er geschlagen werde und Hilfe benötige. Als der Nebenkläger im Flur erschien, sagte ihm der Ange-klagte, dass er die Polizei gerufen habe, und forderte den Nebenkläger auf, ihn in Ruhe zu lassen. Dieser ging unter Beschimpfungen auf den Angeklagten zu und [X.] ausweichen. Der Nebenkläger ergriff den Kopf des Angeklagten und schlug ihn mit einiger Wucht gegen die Glasscheibe der Außentür des Flures. 2
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Nachdem der Angeklagte zunächst vergeblich versucht hatte, den Nebenkläger abzuwehren, ließ dieser von ihm ab und ging zurück in Richtung seines [X.]. Der Angeklagte folgte ihm, um in [X.] zu gelangen. Der Nebenkläger bemerkte dies und wandte sich dem Angeklagten zu; dieser flüch-tete in Richtung Außentür und rief abermals die Polizei an. Als der Nebenkläger sich wieder in Richtung seines Zimmers wandte, versuchte auch der [X.], [X.] zu erreichen. Der Nebenkläger drehte sich abermals um und lief auf den Angeklagten zu, der versuchte, sich in der Küche der Unterkunft in Sicherheit zu bringen. Der Nebenkläger erreichte ihn jedoch, stieß ihn gegen den Türrahmen und verhinderte so, dass der Angeklagte die Tür schließen konnte. Der Angeklagte lief in den hinteren
Teil der Küche und rief durch ein offenes Fenster um Hilfe. Als er bemerkte, dass der Nebenkläger weiter auf ihn zukam, schloss er das Fenster aus Angst, er könnte vom [X.] schlug ihn mit der rechten Seite mit Schwung gegen die Fensterscheibe. Anschließend presste er den Kopf mit starkem Druck gegen das Glas, so dass der Angeklagte befürchtete, das Glas könnte brechen. Er schlug panisch um sich, was den Nebenkläger aber nur veranlasste, noch stärker gegen dessen

In dieser Situation ergriff der Angeklagte spontan ein neben ihm auf dem Herd liegendes [X.] und stach ungezielt auf den Nebenkläger ein. Gleichzeitig versuchte er, den Nebenklägden ersten Stichen ließ der Nebenkläger den Kopf des Angeklagten los, schlug ihm aber mehrfach in den Hals-
und Schulterbereich. Der Angeklagte stach [X.] ungezielt ohne Unterlass auf den Nebenkläger ein. Dieser ging dabei
schon rückwärts, bot dem Angeklagten aber noch Widerstand. Ein bis zwei Meter vor der Küchentür hörte der Nebenkläger auf zu schlagen und ließ sich ohne [X.]
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derstand durch den Angeklagten zurückschieben. Der Angeklagte bemerkte dies und hörte zu diesem Zeitkam rückwärts zu Fall; der Angeklagte stolperte hinterher und fixierte den [X.] am Boden. Er schüttelte den Nebenkläger, so dass dessen Kopf mehrfach gegen die Wand schlug. Dabei schrie der Angeklagte
laut und weinte.

Der Nebenkläger wurde durch zehn Stiche oder Schnitte getroffen und erheblich verletzt. Fünf der Messerstiche hatten den Bauchraum eröffnet, die Leber verletzt und den Dünndarm perforiert. Aufgrund zeitnaher medizinischer Versorgung befand er sich zu keinem Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr. Die Verletzungen waren jedoch potentiell lebensbedrohlich. Der Angeklagte setzte die Messerstiche in Verteidigungsabsicht. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass der Nebenkläger durch die Stiche zu Tode kommen könnte. Die Schuldfähigkeit des Angeklagten war während der Tat nicht erheblich beeinträchtigt.
2. Die Schwurgerichtskammer hat hinsichtlich der Messerstiche eine ob-jektive
[X.] angenommen. Jedoch fehle es an der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung. Der Angeklagte habe die Möglichkeit gehabt, den [X.] durch Gesten oder jedenfalls verbal auf das Messer hinzuweisen und mit seinem Einsatz zu drohen oder zunächst in weniger gefährdete [X.], z. B. in die Extremitäten, zu stechen. Außerdem habe es innerhalb der Stichserie keine Unterbrechung gegeben, die dem Nebenkläger Gelegenheit geboten hätte, durch Beendigung seines Angriffs den Angeklagten von weiterer gefährlicher Gegenwehr abzuhalten.
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Ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom Versuch des [X.] sei nicht erfolgt. Es habe sich um einen beendeten Versuch gehandelt; seinen eigenen Angaben nach habe der Angeklagte geglaubt, dass er
den [X.] getötet habe.
Bei der Strafzumessung ist die Schwurgerichtskammer von einem min-der schweren Fall des versuchten Totschlags gemäß § 213 2. Alt. StGB ausge-gangen und hat dessen Strafrahmen gemäß §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB noch einmal gemildert. Im Rahmen der Prüfung eines minder schweren Falles hat sie insbesondere zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass es sich um eine Spontantat gehandelt und der Angeklagte mehrfach versucht ha-be, die von dem Nebenkläger ausgehende Gefahr
durch normgerechtes Verhal-ten abzuwenden. Weiter hat sie ihm zugutegehalten, dass er die Tat in einer Notwehrsituation mit Verteidigungswillen begangen habe und sein Handeln deutlich affektiv geprägt gewesen sei. Aufgrund seiner furchtsamen Persönlich-keit
habe sich der Angeklagte über das Normale hinaus bedrängt gefühlt und geängstigt. Dies habe seine überschießende Reaktion wesentlich mitveranlasst, auch wenn nicht das nach § 33 StGB erforderliche Maß erreicht worden sei. Bereits ohne Hinzuziehen des Aspekts des Versuchs sei daher eine Einordnung als minder schwerer Fall des Totschlags gerechtfertigt. Der vertypte Strafmilde-rungsgrund des Versuchs rechtfertige es, den Strafrahmen des § 213 StGB . Dabei hät-Angeklagten insbesondere die der Tat vorangegangene Misshandlung des An-

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II.
Die Revision des Angeklagten ist begründet. Der Schuldspruch hat kei-nen Bestand.
1. [X.] geht nicht von zutreffenden rechtlichen Maß-stäben aus; die Feststellungen weisen Lücken auf.
a) Eine in einer objektiven [X.] verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Ab-wehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel han-delt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 21. März 1996

5 StR 432/95, [X.]St 42, 97, 100; vom 19. Dezember 2013

4 StR 347/13, [X.], 147, 148, und vom 1. Juli 2014

5 [X.], [X.]R StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 22 mwN). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tat-sächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt wer-den (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 28. Februar 1989

1 StR 741/88, NJW
1989, 3027, und vom 27. September 2012

4 StR 197/12,
[X.], 139, 140 mwN; Beschlüsse vom 5. November 1982

3 [X.], [X.], 117; vom 21. November 2012

2 [X.], [X.], 105, 106, und vom 21. August 2013

1 StR 449/13, NJW 2014, 1121, 1122). Danach muss der Angegriffene auf weniger gefährliche [X.] nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe kann [X.] durch Notwehr gerechtfertigt sein. Gegenüber einem unbewaffneten Angrei-fer ist der Gebrauch eines bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen [X.] allerdings in der Regel anzudrohen ([X.], Urteile vom 27. September 2012 9
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4 StR 197/12, [X.], 139, 140 mwN; vom 19. Dezember 2013

4 StR 347/13, [X.], 147, 148 f., und vom 25. März 2014

1 [X.]; Beschlüsse vom 11. August 2010

1 [X.],
NStZ-RR 2011, 238, und vom 21. November 2012

2 [X.],
[X.], 105, 106).
b) Gemessen hieran waren die
Stiche, die der Angeklagte dem [X.] versetzte, während dieser den Kopf des Angeklagten unter starkem Druck gegen das Glas des Küchenfensters presste, durch Notwehr gerechtfer-tigt.
Angesichts der Unkalkulierbarkeit des Risikos einer ungeeigneten
Ver-teidigungshandlung durften an die vom Angeklagten in einer zugespitzten [X.] zu treffende Entscheidung über eine vorherige Androhung des [X.] oder eine weniger gefährliche Stichführung keine überhöhten [X.] gestellt werden. Das
[X.] hat schon nicht erkennbar berücksich-tigt, dass der Angeklagte

schlagen zunächst tatsächlich eine den Nebenkläger weniger gefährdende Abwehrhandlung vor-genommen hatte, die aber erfolglos blieb. Sie veranlasste den Nebenkläger vielmehr, noch stärker gegen dessen Kopf zu drücken. Aufgrund dessen befand sich der Angeklagte in einer höchst bedrängten Lage; eine weitere Eskalation des Geschehens war auch unter Berücksichtigung des Vorgeschehens bei [X.] erneut ungeeigneten Verteidigungshandlung objektiv zu befürchten. Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe ausreichend Zeit und [X.] gehabt, mit dem Messer zu drohen oder zunächst in weniger sensible Körperbereiche des [X.] zu stechen, wird dieser Situation nicht ge-recht.

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Das [X.] hat diese Annahme darauf gestützt, dass der [X.] schon zweimal ohne Gegenwehr des Angeklagten von ihm abgelassen habe; außerdem habe der Nebenkläger gewusst, dass jederzeit mit dem Ein-treffen der Polizei
zu rechnen gewesen sei, was ihn von einem Entwinden des Messers und dessen Einsatz gegen den Angeklagten abgehalten hätte (UA S.
28). Hierbei lässt das [X.] außer Acht, dass die Information über die Verständigung der Polizei den Nebenkläger zuvor schon nicht abgeschreckt hatte, den Angeklagten weiter anzugreifen, sondern seine Aggression erkenn-bar noch gesteigert hatte. Auch das Umsichschlagen des Angeklagten hatte diese Wirkung gehabt. In dieser Lage war es für den Angeklagten höchst [X.],
ob das Androhen des Messereinsatzes oder Stiche in weniger sensible Körperbereiche zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führen würden.
c) Trotz Fortbestehens der [X.] war allerdings eine Entspannung der Bedrängnis des Angeklagten eingetreten, nachdem der Nebenkläger nach den ersten Stichen den Kopf des Angeklagten losgelassen hatte und (nur) noch auf den Hals-
und Schulterbereich des Angeklagten einschlug. Es wäre deshalb folgende, ungezielte Einstechen des Angeklagten auf den Nebenkläger auch in dieser Situation noch durch Notwehr gerechtfertigt war.
Den Urteilsgründen lässt sich indes nicht hinreichend entnehmen, wie

objektiv darstellte. Diese ist aber bestimmend für die Frage der Erforderlichkeit der [X.]; ihre Beurteilung muss

wie dargelegt

auf der Grundlage einer objekti-ven Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungs-handlung erfolgen. Aus dem Urteil lässt sich weder ersehen, wie stark und wie 14
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gefährlich die von dem Nebenkläger ausgeführten Schläge waren, noch verhält es sich zum Kräfteverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger. Es ist auch nicht ersichtlich, ob der Nebenkläger in diesem Zeitpunkt bereits Verletzungen erlitten hatte, die ihn geschwächt hatten. Die bisherigen [X.] sind damit lückenhaft und ermöglichen keine zuverlässigen [X.], ob dem Angeklagten in dieser Phase des Geschehens mildere Verteidi-gungsmöglichkeiten zur Verfügung standen.
d) Nach den Feststellungen beendete der Angeklagte seine Stiche sofort, nachdem der Nebenkläger aufgehört hatte, ihn zu schlagen ([X.], 30), also mit Beendigung der [X.].
e) Ohne Zweifel nicht mehr durch Notwehr gerechtfertigt ist das Schüt-teln des am Boden liegenden [X.], so dass dessen Kopf mehrfach gegen die Wand schlug. Ob darin jedoch eine Körperverletzung, [X.] sogar mittels einer lebensgefährdenden Behandlung, zu sehen ist, kann den Urteilsgründen nicht hinreichend sicher entnommen werden. Denn es ist nicht festgestellt, dass der Nebenkläger in diesem Zusammenhang Verletzun-gen oder Schmerzen erlitt.
2. Die Verneinung eines vom [X.] konsequenterweise geprüften strafbefreienden Rücktritts ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Die Schwurgerichtskammer geht von einem beendeten Versuch aus, so dass für einen strafbefreienden Rücktritt durch Ablassen von weiteren Angrif-fen kein Raum gewesen sei. Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter glaubt, alles zur Verwirklichung des Tatbestands Erforderliche getan zu haben (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 15. Januar 1960

4 StR 501/59, [X.]St 14, 75, 79). [X.] ist der Versuch, wenn er glaubt, zur Vollendung des Tatbe-17
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stands bedürfe es noch weiteren Handelns. Für die Abgrenzung kommt es [X.] auf die Vorstellung des [X.] nach Abschluss der letzten [X.] an ([X.], Urteile vom 3. Dezember 1982

2 [X.], [X.]St 31, 170, 175,
und vom 2. November 1994

2 StR 449/94, [X.]St 40, 304, 306). Entscheidend ist, ob der Täter zu diesem Zeitpunkt den Eintritt des tatbe-standsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sogenannter
Rücktrittshorizont, vgl. [X.], Beschluss vom 19. Mai 1993

[X.], [X.]St 39, 221, 227).
b) Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung des Rücktrittshorizonts des Angeklagten ist also der Augenblick, in dem er aufhörte, auf den [X.] einzustechen. Dies geschah, nachdem der Angeklagte bemerkt hatte, dass der Nebenkläger sich ohne weiteren Widerstand zurückschieben ließ. Aus den Feststellungen ([X.]) und der Beweiswürdigung ([X.]) ist nicht ersicht-lich, dass der Angeklagte schon in diesem Zeitpunkt davon ausging, den [X.] getötet zu haben. Vielmehr
legen sie nahe, dass der Angeklagte [X.] Vorstellung erst entwickelte, als der Nebenkläger zu Fall kam. In diesem Zeitpunkt waren seine Messerangriffe jedoch bereits beendet.
III.
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos. Der Strafausspruch hält im Ergebnis revisionsgerichtlicher Prüfung stand.
1. Die Staatsanwaltschaft wendet sich dagegen, dass die [X.] den Strafrahmen des § 213 StGB im Hinblick auf den vertypten [X.] des Versuchs erneut gemildert hat. Die Begründung der [X.] nach §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB lasse nicht erkennen, dass bei der gebotenen Gesamtschau gerade den wesentlich versuchsbezogenen Um-ständen das ihnen zukommende besondere Gewicht bei der Ermessensaus-21
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übung beigemessen worden sei. Vielmehr habe die [X.] bei der Prü-fung der Strafrahmenverschiebung ihre zuvor zur Begründung eines sonstigen minder schweren Falls nach § 213 2. Alt. StGB angestellten Erwägungen noch einmal wiederholt.
Der [X.] versteht die entsprechende

oben (I.2) wiedergegebene

[X.] lediglich als zusätzliche Begründung dafür, weshalb der [X.] des Versuchs nicht bereits bei der Begründung des min-

§§
22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB erfolgen konnte. Dass der [X.] [X.] die Lebensgefährlichkeit des Vorgehens des Angeklagten aus dem Blick geraten sein könnte, erscheint bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe ausge-schlossen. Das [X.] hat die Stichverletzungen des Angeklagten im [X.] dargelegt ([X.]); nach seinen Feststellungen befand sich der [X.] allerdings aufgrund rascher medizinischer Versorgung zu keinem Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr. Mit einer zeitnahen medizinischen Versor-gung des [X.] durfte auch der Angeklagte rechnen, da er bereits vor dem eigentlichen Tatgeschehen wiederholt die Polizei verständigt hatte, deren Eintreffen jederzeit zu erwarten war ([X.]).
b) Die Staatsanwaltschaft weist zwar zu Recht darauf hin, dass sich das [X.] nicht damit auseinandergesetzt hat, ob der Strafzumessung der gegenüber § 213 StGB strengere Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB zugrunde zu legen war. Der [X.] vermag jedoch auszuschließen, dass der Strafausspruch hierauf beruht. Selbst wenn die [X.]

was unter Be-rücksichtigung ihrer Strafzumessungserwägungen eher fern liegt

einen min-der schweren Fall des § 224 StGB abgelehnt hätte, wäre angesichts der [X.] der für den Angeklagten sprechenden
gewichtigen Milderungsgründe nicht 24
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davon auszugehen, dass sie zur Verhängung einer höheren Strafe gelangt
wäre.

[X.] [X.]

Bellay

Feilcke

Meta

5 StR 564/15

08.06.2016

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2016, Az. 5 StR 564/15 (REWIS RS 2016, 10334)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10334

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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