Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.03.2015, Az. 5 AZR 460/13

5. Senat | REWIS RS 2015, 13480

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Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 25. März 2013 - 8 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten wegen einer Altersstufenregelung über die Höhe der geschuldeten Vergütung im [X.]raum Juni 2011 bis Mai 2012.

2

Der am 4. April 1977 geborene Kläger ist seit dem 1. Juli 2002 bei der Beklagten als [X.]ruppenleiter beschäftigt.

3

Im Arbeitsvertrag vom 26. Juni 2002 heißt es [X.].:

        

„2.     

Soweit nachstehend nichts anderes vereinbart ist, gelten für das Arbeitsverhältnis die Haustarifverträge der [X.] mit der [X.]ewerkschaft ÖTV, Kreisverwaltung W, einschließlich der Anlagen in der jeweils gültigen Fassung und die Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat, die Bestandteil dieser Verträge sind. Die jeweils gültige Fassung ist in der Personalabteilung einzusehen.

        

…       

        
        

4.    

Die Vergütung erfolgt gemäß [X.]. Der Mitarbeiter wird in die Vergütungsgruppe VI b eingestuft. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, Änderungen, die die Berechtigung zum Bezug des erhöhten [X.]es und von Kindergeldzuschlägen betreffen, unverzüglich anzuzeigen.

        

5.    

[X.] richtet sich nach dem [X.]. Sie beträgt 38,5 Std. wöchentlich …

        

…       

        
        

12.     

Änderungen und Ergänzungen dieses Arbeitsvertrages bedürfen zu ihrer [X.]ültigkeit der Schriftform.“

4

Am 19. Juni 2000 vereinbarte die Beklagte mit der [X.]ewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr den Rahmentarifvertrag 2000 (im Folgenden [X.]), den [X.] 2001 (im Folgenden [X.] 2001) und den [X.] 2001 (im Folgenden [X.] 2001).

5

Der [X.] regelt [X.].:

        

„§ 6   

        

Vergütungsregelung

        

1.    

Die Vergütung der Beschäftigten besteht aus:

                 

a. der [X.]rundvergütung,

                 

b. dem [X.],

                 

c. und den Zulagen.

                 

Die Beträge der [X.]rundvergütung, des [X.]es und der Zulagen werden in gesonderten Tarifverträgen (Vergütungstarifvertrag, [X.]) vereinbart.

        

2.    

Die Eingruppierung des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des Vergütungsgruppenverzeichnisses (Anlage 1).

        

3.    

Der Beschäftigte wird bei der Einstellung in die Vergütungsgruppe eingruppiert, die der von ihm überwiegend auszuübenden Tätigkeit entspricht. Er erhält die [X.]rundvergütung der Stufe, die er erreicht hätte, wenn er seit Vollendung des 21. Lebensjahres in dieser Vergütungsgruppe beschäftigt worden wäre.

        

4.    

Vom Beginn des Monats an, in dem der Beschäftigte das 21. Lebensjahr vollendet, erhält er die Anfangsgrundvergütung (1. Stufe) seiner Vergütungsgruppe. Nach je zwei Jahren erhält der Beschäftigte bis zum Erreichen der Endgrundvergütung (letzte Stufe) die [X.]rundvergütung der nächsthöheren Stufe seiner Vergütungsgruppe.

        

5.    

Bei der Festsetzung oder Einstufung in die nächsthöhere Stufe seiner [X.]rundvergütung ist die Vollendung des Lebensjahres mit Beginn des Monats anzunehmen, in den der [X.]eburtstag fällt.

        

6.    

Für den [X.] gelten die Bestimmungen des § 29 Bundesangestelltentarifvertrag ([X.]) in der jeweils gültigen Fassung.

        

7.    

Wird der Beschäftigte höhergruppiert, erhält er von Beginn des Monats an, in dem die Höhergruppierung wirksam wird, in der Aufrückungsgruppe die [X.]rundvergütung der Stufe, in der er sich in der bisherigen Vergütungsgruppe befand.

        

…       

        
        

§ 12   

        

[X.]

        

1.    

Jeder Beschäftigte, der spätestens am 1. Oktober des laufenden Kalenderjahres eingestellt wurde und am 1. Dezember noch im Beschäftigungsverhältnis steht und nicht in der [X.] bis einschließlich 31. Dezember des Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet, hat Anspruch auf [X.]. Das [X.] beträgt im Jahr 2000 87,86% und im Jahr 2001 85,8% einer Monatsvergütung ([X.]rundvergütung, [X.], allgemeine Zulage nach dem [X.]) gemäß der am 1. Oktober gültigen Vergütungsregelung und erhöht sich um [X.] 50,-- für jedes im [X.] berücksichtigte unterhaltspflichtige Kind.

        

…       

        
        

§ 19   

        

Erlöschen von Ansprüchen

        

Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis erlöschen spätestens 6 Monate nach Fälligkeit, wenn sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht worden sind. Die gesetzlichen Verjährungsfristen bleiben unberührt.“

6

In Anlage 1 des [X.] 2001 heißt es auszugsweise:

        

„Anlage 1 zum Vergütungstarifvertrag 2001 vom 19. Juni 2000

                 
        

TABELLE DER [X.]RUNDVER[X.]ÜTUN[X.]EN 2001

                 
        

(monatlich in [X.])

                 
        

gültig ab dem 1. September 2001

                 
                                   
        

[X.]rundvergütungssätze in Stufe

                 
        

Vergütungsgruppe

 1     

 2     

 …     

 7     

 …     

 10    

 …     

        

…       

                                                              
        

[X.]    

2823,68

3011,27

        

3766,96

        

4136,14

…“    

7

Im [X.] 2001 ist [X.]. geregelt:

        

„§ 2   

        

Allgemeine Zulagen

        

1.    

Die Beschäftigten, die in die Vergütungsgruppe X bis I der Vergütungsregelung eingruppiert sind, erhalten eine monatliche Zulage nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.

        

2.    

Die Höhe der Zulage richtet sich nach der Vergütungsgruppe, in die der Beschäftigte eingruppiert ist. Sie beträgt ab dem 1. September 2001 monatlich in den Vergütungsgruppen

                 

X - IX

[X.] 170,33,

                 

VIII - V c

[X.] 201,18,

                 

V b - II

[X.] 214,59,

                 

I       

[X.]   80,46,

                 

und für Auszubildende

[X.]   40,23.

                 

Bei allgemeinen Vergütungserhöhungen erhöht sich die allgemeine Zulage um den von den Tarifvertragsparteien festgelegten durchschnittlichen Vomhundertsatz der allgemeinen Vergütungserhöhung.

        

…“    

        

8

Die Beklagte kündigte den [X.] zum 31. Oktober 2002. Anschließend mit der [X.]ewerkschaft [X.] geführte Tarifverhandlungen führten zu keiner Einigung.

9

Zum 1. April 2003 erhöhte die Beklagte bei allen Arbeitnehmern die bisherige Vergütung um 1,7 %. In einer von der Beklagten für die Mitarbeiter der Personalabteilung als Arbeitshilfe erstellten Vergütungstabelle (im Folgenden Vergütungstabelle April 2003) sind [X.]rundvergütung, [X.] und Allgemeine Zulage unter Berücksichtigung der Erhöhung umgerechnet in [X.] angegeben. Darin heißt es auszugsweise:

        

[X.]rundvergütungen 2003

        
        

und Allgemeine Zulagen in €uro

gültig ab 01.04.2003

        
        

Vergütungsgruppe

Allgemeine Zulage

1       

2       

…       

7       

…       

10    

21    

23    

…       

33    

…       

39    

        

…       

                                                              
        

[X.]    

111,59

1.468,26

1.565,81

        

1.958,76

        

2.150,72“

Eine am 11. Juni 2008 geschlossene „Betriebsvereinbarung zur vertraglichen [X.]estaltung von Arbeitsverhältnissen ab dem 01.09.2008“ (im Folgenden [X.] 2008) regelt [X.]. die Entgeltgrundsätze (§ 9b), Tätigkeitsmerkmale und Entgeltgruppen (§ 9c) sowie die [X.], die [X.] und -stufen (§§ 9d ff.). Zum [X.]eltungsbereich der [X.] 2008 bestimmt diese:

        

„§ 1 [X.]eltungsbereich

        

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer, die nach dem 01.09.2008 eingestellt werden und für die Arbeitnehmer, die ab dem 01.09.2008 einen neuen (z.B. bisher befristeten) Arbeitsvertrag abschließen und für alle Arbeitnehmer, die gemäß § 19 Überleitungsregelung nach dem [X.]ünstigkeitsprinzip in diese Betriebsvereinbarung wechseln.

        

Diese Betriebsvereinbarung gilt nicht:

        

•       

für alle Arbeitnehmer, die einen Arbeitsvertrag mit der [X.]PS vor dem 01.11.2002 abgeschlossen haben,

        

…       

        
        

Für bestehende Arbeitsverhältnisse ab dem 1.11.2002 gilt die Überleitungsregelung nach Anlage 1.

        

…       

        

§ 19 Überleitungsregelung

                 

Alle Arbeitnehmer, die ab dem 1.11.2002 mit der [X.]PS einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben und noch bei der Arbeitgeberin beschäftigt sind, werden zum 1.9.2008 in die Regelungen dieser Betriebsvereinbarungen übergeleitet. Das Verfahren regelt die Anlage 1 ‚Überleitungsregelung für bestehende Arbeitsverhältnisse ab dem 1.11.2002‘.

        

…“    

        

Der Kläger wurde im Streitzeitraum nach Vergütungsgruppe [X.] Stufe 7 vergütet.

Nach erfolgloser außergerichtlicher [X.]eltendmachung verlangt der Kläger mit seiner am 7. Febr[X.]r 2012 eingereichten, mit [X.] vom 19. Juni 2012 erweiterten Klage für den [X.]raum Juni 2011 bis Mai 2012 die Differenz zwischen den von der Beklagten als [X.]rundvergütung, Vergütungszulage und [X.] nach Vergütungsgruppe [X.] Stufe 7 gezahlten und den sich jeweils unter Zugrundelegung von Vergütungsgruppe [X.] Stufe 10 - in rechnerisch unstreitiger Höhe - ergebenden Beträgen. Er hat geltend gemacht, die Staffelung der Vergütung nach [X.] benachteilige ihn unzulässig wegen des Alters.

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.610,77 [X.] brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie genieße Vertrauensschutz, weil der [X.] vor Inkrafttreten der [X.] 2000/78/E[X.] und des A[X.][X.] abgeschlossen worden sei und sie zu diesem [X.]punkt von der Wirksamkeit der tariflichen Regelungen habe ausgehen dürfen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anpassung seiner Vergütung nach oben. Er habe die ihm angebotene Überführung in die Regelungen der [X.] 2008 nicht angenommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat ihr auf die Berufung des [X.] stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist begründet. Dem Kläger stehen nach §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] für den Streitzeitraum Grundvergütung, [X.] und [X.] berechnet nach Vergütungsgruppe Vb Stufe 10 abzüglich der von der [X.] unter Zugrundelegung von Vergütungsgruppe Vb Stufe 7 geleisteten Zahlungen zu. Die Beibehaltung der in § 6 [X.]. Anlage 1 [X.] 2001 geregelten Altersstufen als Basis für die Berechnung der Grundvergütung, der [X.] und des [X.] verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung (§ 7 Abs. 1 [X.] iVm. § 1 [X.]). Die aufgrund betrieblicher Übung Vertragsinhalt gewordene Vergütungsregelung ist nach § 7 Abs. 2 [X.] unwirksam, soweit sie jüngere Arbeitnehmer diskriminiert (vgl. [X.] 10. November 2011 - 6 [X.] - Rn. 31, [X.]E 140, 1). Die Ungleichbehandlung kann nur durch eine Anpassung der Vergütung nach oben beseitigt werden.

I. Die Beklagte vergütet ihre Arbeitnehmer seit 1. April 2003 auf der Grundlage einer die Höhe des [X.] bestimmenden betrieblichen Übung. Dies ergibt die Auslegung des Verhaltens der Parteien.

1.  Die vom [X.] unterlassene - grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehaltene (st. Rspr., vgl. [X.] 25. April 2013 - 8 [X.] - Rn. 23; 15. April 2014 - 3 [X.] - Rn. 18) - Auslegung des dem tatsächlichen Verhalten der Parteien zukommenden Erklärungswerts kann der Senat selbst vornehmen. Die für die Begründung einer Zahlungsverpflichtung der [X.] erheblichen Tatsachen hat das [X.] festgestellt. Die Vergütungspraxis der [X.] ist zudem zwischen den Parteien unstreitig.

2. Von einer betrieblichen Übung ist bei regelmäßiger Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers auszugehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob die Belegschaft davon ausgehen musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt ([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 20, [X.]E 133, 337). Liegen die Voraussetzungen des § 151 Satz 1 BGB vor, wird allerdings nur die Verlautbarung der Vertragsannahme gegenüber dem Antragenden entbehrlich, nicht aber die Annahme als solche. Ein Schluss auf einen entsprechenden Annahmewillen ist jedoch gewöhnlich dann gerechtfertigt, wenn der Erklärungsempfänger ein für ihn lediglich vorteilhaftes Angebot nicht durch eine nach außen erkennbare Willensäußerung abgelehnt hat ([X.] 15. Mai 2012 - 3 [X.] - Rn. 62).

3. Die Beklagte hat ihren Arbeitnehmern, jedenfalls soweit sie vor dem 1. November 2002 eingetreten sind (vgl. § 1 und § 19 [X.]), seit 1. April 2003 differenziert nach Vergütungsgruppen und Altersstufen in der durch die Vergütungstabelle April 2003 ausgewiesenen Höhe eine um 1,7 % erhöhte Vergütung und darüber hinaus - berechnet aus der Summe von Grundvergütung, [X.] und allgemeiner Zulage - ein (erhöhtes) [X.] und eine [X.] gewährt.

Die Leistungen beruhten auf einem generalisierenden Prinzip, das hinsichtlich der Grundvergütung und der allgemeinen Zulage in der Vergütungstabelle April 2003 lediglich schriftlich festgehalten wurde. Die von der [X.] geübte Praxis konnte von den Arbeitnehmern als Angebot gewertet werden, die Beklagte werde auch künftig Vergütung in entsprechender Höhe zahlen. Mit dem Bekanntwerden [X.] vor dem 1. November 2002 eingetreten Arbeitnehmern gewährten Leistungen in Verbindung mit dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes wurde ein zurechenbarer objektiver Bindungswille der [X.] deutlich (vgl. [X.] 28. Mai 2008 - 10 [X.] - Rn. 23). Die Beklagte selbst behauptet nicht, die künftige Vergütungshöhe und deren Bestandteile seien nicht verbindlich oder nur unter Einschränkungen zugesagt worden. Die Arbeitnehmer sind den Entgelterhöhungen, die im Vergleich zu den bisher geltenden Entgeltsätzen für sie ausschließlich vorteilhaft waren, nicht entgegengetreten.

4. Der Entstehung eines Anspruchs aus betrieblicher Übung steht die in Nr. 11 des Arbeitsvertrags für Vertragsänderungen vereinbarte Schriftform nicht entgegen. Eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrags zu ihrer Gültigkeit der Schriftform bedürfen, kann formlos, ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten, abbedungen werden. Dies kann - wie hier - auch durch eine formfreie betriebliche Übung geschehen ([X.] 20. Mai 2008 - 9 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 126, 364; 15. Mai 2012 - 3 [X.] - Rn. 75). Entscheidend ist, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer das formlos Vereinbarte übereinstimmend wollen, selbst wenn sie nicht an die Formvorschrift gedacht haben ([X.] 19. Dezember 2007 - 5 [X.] - Rn. 20). Hierfür spricht vorliegend die tatsächliche Vertragsdurchführung.

[X.] [X.] ist, auch soweit diese vor dem 18. August 2006 begründet wurde, für den Streitzeitraum an den Bestimmungen des [X.] vom 14. August 2006 zu messen.

1. Das [X.] regelt nicht rückwirkend Sachverhalte, die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 18. August 2006 bereits abgeschlossen waren ([X.] 16. Dezember 2008 - 9 [X.] - Rn. 33, [X.]E 129, 72), es findet jedoch Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einer vor Inkrafttreten des [X.] geschlossenen Vereinbarung beruht und der Sachverhalt bei Inkrafttreten des [X.] noch nicht abgeschlossen war. § 33 Abs. 1 [X.] enthält keine entgegenstehende Übergangsregelung. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung (vgl. [X.] 25. Februar 2010 - 6 [X.] - Rn. 18, [X.]E 133, 265; 20. März 2012 - 9 [X.] - Rn. 12, [X.]E 141, 73). Die vom Kläger geltend gemachte Benachteiligung beruht zwar auf der Beibehaltung der bereits vor dem 1. April 2003 geltenden Altersstufen des § 6 [X.], auf deren Grundlage die Höhe der Grundvergütung, der [X.] und des [X.] festgelegt wurde. Sie ist jedoch hinsichtlich der streitgegenständlichen Vergütungsansprüche erst nach dem Inkrafttreten des [X.] eingetreten.

2. Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 [X.] dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes benachteiligt werden. Hiergegen verstößt die Altersstufenregelung.

a) Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 [X.]. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 [X.] genannte Gründe anknüpft ([X.] 20. März 2012 - 9 [X.] - Rn. 14 [X.]E 141, 73; 21. Oktober 2014 - 9 [X.] - Rn. 13).

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Diskriminierung wegen Alters vor. Dies ergibt die Auslegung von § 6 [X.], dessen Altersstufenregelung von der [X.] als Bestandteil der betrieblichen Übung übernommen wurde.

aa) Die Stufenzuordnung knüpft in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 3 [X.], wonach die erstmalige Einstufung in eine bestimmte Stufe einer Vergütungsgruppe allein anhand des Alters erfolgt. Hinsichtlich des [X.] stellen § 6 Abs. 4 und Abs. 5 [X.] ebenfalls auf das Lebensalter ab, auch wenn die Zunahme des Lebensalters im bestehenden Arbeitsverhältnis mit einer höheren Betriebszugehörigkeit einhergeht. Ein älterer Arbeitnehmer mit geringer Betriebszugehörigkeit wird, auch wenn man die Regelungen in § 6 Abs. 4 und Abs. 5 [X.] berücksichtigt, stets einer höheren Stufe zugeordnet als ein jüngerer Arbeitnehmer mit einer längeren Betriebszugehörigkeit.

bb) Arbeitnehmer wie der Kläger, die die höchste Altersstufe nicht erreicht haben, werden wegen ihres Lebensalters unmittelbar benachteiligt. Ihnen stehen im Vergleich zu älteren Arbeitnehmern, die der höchsten Altersstufe zuzuordnen sind, die streitgegenständlichen Vergütungsbestandteile Grundvergütung, [X.] und [X.] in geringerer Höhe zu.

c) Die Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung kann nach § 10 [X.] unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sein. § 10 Satz 1 [X.] gestattet die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Jedoch müssen nach § 10 Satz 2 [X.] die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Die Beklagte hat sich nicht auf Ziele berufen, die einen an das Alter anknüpfenden Stufenaufstieg rechtfertigen könnten. Wollte man annehmen, § 6 [X.] ziele auf eine Berücksichtigung der Berufserfahrung, ginge die Regelung über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels erforderlich und angemessen ist. Ein Kriterium, das auf die Betriebszugehörigkeit oder die Berufserfahrung abstellte, wäre zur Erreichung dieses Ziels geeigneter (vgl. [X.] 8. September 2011 - [X.]/10 und [X.]/10 - Rn. 77, Slg. 2011, [X.]).

3. Die Diskriminierung des [X.] kann nur durch eine Verpflichtung der [X.], ihn nach Vergütungsgruppe Vb Stufe 10 zu vergüten, beseitigt werden.

a) Nach § 7 Abs. 2 [X.] führt ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Abs. 1 zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung. Kann die Benachteiligung nicht durch die Nichtanwendung der Regelung, sondern nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden, führt dies dazu, dass dem benachteiligten Arbeitnehmer ein Anspruch auf die vorenthaltene Leistung zuzuerkennen ist ([X.] 10. November 2011 - 6 [X.] - Rn. 21, [X.]E 140, 1; 20. März 2012 - 9 [X.] - Rn. 30, [X.]E 141, 73; 14. Mai 2013 - 1 [X.] - Rn. 25, [X.]E 145, 113).

b) So verhält es sich hier. Die Beklagte kann den von der Altersstufenregelung begünstigten Arbeitnehmern für die Vergangenheit keine Leistungen entziehen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung kann bei Bestehen einer Diskriminierung, solange keine Regelungen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erfolgen, nur dadurch gewährleistet werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie den Angehörigen der privilegierten Gruppe. Die bestehende Regelung bleibt für die nicht benachteiligten Arbeitnehmer solange das einzig gültige Bezugssystem (vgl. [X.] 22. Juni 2011 - [X.]/09 - Rn. 51; [X.] 10. November 2011 - 6 [X.] - Rn. 31, [X.]E 140, 1).

4. Die Beklagte kann keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen.

a) Die Wirksamkeit einer vertraglichen Vereinbarung richtet sich grundsätzlich nach dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Recht. [X.] können bereits wirksam begründete Dauerschuldverhältnisse jedoch in der Weise erfassen, dass diese für die Zukunft („ex nunc“) nichtig werden. Das setzt voraus, dass Sinn und Zweck des [X.]s die für die Zukunft eintretende Nichtigkeit erfordern. Gilt ein Verbotsgesetz ohne Übergangsregelung, erstreckt sich das Verbot auf alle Sachverhalte, die sich seit seinem Inkrafttreten in seinem Geltungsbereich verwirklichen. Der zeitliche Geltungsbereich wird nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt ([X.] 16. Dezember 2008 - 9 [X.] - Rn. 38, [X.]E 129, 72).

b) Gemäß § 1 [X.] ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die mit der begrenzten Übergangsregelung in § 33 [X.] einhergehende unechte Rückwirkung für Sachverhalte, die aus vor dem 18. August 2006 abgeschlossen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen resultieren, ist unter Beachtung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes zulässig.

aa) Die Anwendung der Bestimmungen des [X.] auf die vom Kläger für den Streitzeitraum geltend gemachten Vergütungsansprüche beinhaltet keine echte, sondern lediglich eine unechte Rückwirkung.

Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie in einen abgeschlossenen Sachverhalt nachträglich ändernd eingreift ([X.] 27. März 2014 - 6 [X.] - Rn. 43, [X.]E 147, 373). Um eine unechte Rückwirkung handelt es sich demgegenüber, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet. Das ist der Fall, wenn - wie hier - belastende Rechtsfolgen einer gesetzlichen Regelung erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits „ins Werk gesetzten“ Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“; vgl. [X.] 7. Juli 2010 - 2 [X.] ua. - Rn. 55, [X.]E 127, 1; [X.] 27. März 2014 - 6 [X.] - Rn. 46, aaO).

bb) Unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig.

(1) Grenzen ihrer Zulässigkeit können sich allerdings aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben. Diese Grenzen sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung nicht geeignet oder erforderlich ist, um den Gesetzeszweck zu erreichen, oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen. [X.] der Gesetzgeber für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte an, sind die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abzuwägen. Der vom Gesetzgeber zu beachtende Vertrauensschutz geht nicht so weit, den [X.] Personenkreis vor Enttäuschungen zu bewahren ([X.] 27. März 2014 - 6 [X.] - Rn. 46, [X.]E 147, 373). Die bloße allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde künftig unverändert fortbestehen, genießt keinen verfassungsrechtlichen Schutz, wenn keine besonderen Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten (vgl. [X.] 7. Juli 2010 - 2 [X.] ua. - Rn. 57, [X.]E 127, 1). Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die Wirksamkeit einer Regelung bestimmt sich ua. danach, inwieweit vorhersehbar war, dass diese als (unions-)rechtswidrig eingeordnet würde (vgl. [X.] 10. Dezember 2014 - 2 BvR 1549/07 - Rn. 25).

(2) Nach diesen Maßstäben ist das von der [X.] in ein Fortbestehen der Gesetzeslage und die Wirksamkeit der Altersstufenregelung nach § 6 [X.] gesetzte Vertrauen nicht schutzwürdig. Der Zweck des [X.], in Umsetzung der [X.] 2000/78/[X.] Ungleichbehandlungen zu beseitigen, kann, wie bereits unter [X.] 3. ausgeführt, nur durch eine Anpassung der Vergütung des [X.] nach oben erreicht werden. Die Richtlinie 2000/78/[X.] trat schon am 2. Dezember 2000 in [X.] und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/[X.] war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Die Beklagte musste damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte die Beklagte nicht darauf vertrauen, die Altersstufenregelung des § 6 [X.] könne, soweit sie jüngere Arbeitnehmer benachteiligt, nach Inkrafttreten des [X.] Bestand haben (vgl. [X.] 20. März 2012 - 9 [X.] - Rn. 32, [X.]E 141, 73). Das Vertrauen der [X.] ist auch nicht aufgrund des Scheiterns der [X.] geführten Tarifverhandlungen schutzwürdig. Hierin hat sich lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht. Ob die Erstreckung der in der [X.] vorgesehenen Übergangsregelungen über deren Geltungsbereich hinaus auf die vor dem 1. November 2002 eingetretenen Arbeitnehmer den Anforderungen von § 1 [X.] genügt hätte (vgl. zur Zulässigkeit befristeter Übergangsregelungen [X.] 8. September 2011 - [X.]/10 und [X.]/10 - Rn. 99, Slg. 2011, [X.]) und unter Beachtung von § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 und § 77 Abs. 3 [X.] möglich gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben. Die Beklagte hat das von ihr behauptete und vom Kläger bestrittene [X.] und dessen Inhalt nicht dargelegt. Die Annahme eines solchen Angebots durch den Kläger hätte zudem nicht zu einer Gleichbehandlung mit den von der bisherigen Altersstufenregelung begünstigten Arbeitnehmern führen können.

5. Eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten. Die Auslegung des den Vorschriften des [X.] zugrunde liegenden unionsrechtlichen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters ist durch die Entscheidung des Gerichtshofs vom 8. September 2011 in den Rechtssachen [X.] und Mai (- [X.]/10 und [X.]/10 - Slg. 2011, [X.]) geklärt. Einer Vorabentscheidung zur Klärung der Frage, ob eine individuelle „Anpassung nach oben“ zwingend vorzunehmen ist, bedarf es ebenfalls nicht. Der Gerichtshof überlässt es in gefestigter Rechtsprechung den nationalen Gerichten, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergibt, zu gewährleisten und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu garantieren ([X.] 22. November 2005 - [X.]/04 - Rn. 77, Slg. 2005, [X.]; 20. März 2003 - [X.]/00 - Slg. 2003, [X.]). In Fällen dieser Art bedarf es keiner Vorlage an den [X.] ([X.] 19. Januar 2010 - [X.]/07 - Rn. 53, Slg. 2010, [X.]; [X.] 14. Mai 2013 - 1 [X.] - Rn. 28, [X.]E 145, 113).

6. Die Höhe der geschuldeten Differenzvergütung ist nach der von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellung des [X.]s unstreitig. Auch die Wahrung der in § 19 [X.] geregelten Ausschlussfrist durch den Kläger steht zwischen den Parteien außer Streit.

7. Das [X.] hat dem Kläger zutreffend die geforderten Prozesszinsen ab dem Folgetag der jeweiligen Rechtshängigkeit der [X.] zugesprochen, §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB (vgl. [X.] 17. April 2012 - 3 [X.] - Rn. 27; 19. Februar 2014 - 5 [X.] - Rn. 37).

I[X.] [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Buschmann    

        

    [X.]    

                 

Meta

5 AZR 460/13

25.03.2015

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wilhelmshaven, 10. Juli 2012, Az: 1 Ca 73/12, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.03.2015, Az. 5 AZR 460/13 (REWIS RS 2015, 13480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13480

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