Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.05.2023, Az. 5 StR 100/23

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 4263

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Gegenstand

Schwerer Bandendiebstahl: Konkurrenzverhältnisse bei Mittäterschaft an Seriendelikten


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. November 2022 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte wegen schweren Bandendiebstahls in acht Fällen und gewerbsmäßiger Hehlerei verurteilt ist und gegen ihn als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 60.550 Euro angeordnet ist.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls und gewerbsmäßiger Hehlerei unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Einziehung „von [X.]“ in Höhe von 60.550 Euro angeordnet. Gegen die Verurteilung richtet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen nicht durch.

3

2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils hat ergeben, dass das [X.] bei einzelnen Fällen von einer unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Einordnung ausgegangen ist. Aus deren Korrektur resultieren eine Änderung des Schuldspruchs und der Wegfall von Einzelstrafen. Im Übrigen hat die Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen.

4

a) Nach den Feststellungen schloss sich der Angeklagte mit mehreren gesondert verfolgten Personen zu einer international operierenden Bande zusammen, um in der [X.] Fahrzeuge, insbesondere der Marken [X.] und [X.] zu entwenden, in die [X.] zu verbringen und dort gewinnbringend zu verwerten. Der Angeklagte organisierte und finanzierte als Hauptorganisator und Kopf der Bande dabei über ihm nachgeordnete Mittelsmänner den Diebstahl von Fahrzeugen eines bestimmten Typs, von dem er wusste, dass nach diesen sowie nach zugehörigen Ersatzteilen eine Nachfrage auf dem Markt besteht. Er stattete die anderen Bandenmitglieder mit mechanischen Werkzeugen zum Überwinden von [X.] aus, hielt Werkstätten vor, in denen die Fahrzeuge versteckt und auseinandergenommen werden konnten, und war für den Verkauf der Fahrzeuge und Fahrzeugteile verantwortlich.

5

In den [X.]n nach Ziffer II.1 und 2, Ziffer [X.] und 6 sowie Ziffer II.8 und 9 der Urteilsgründe beauftragte der Angeklagte jeweils zwei Bandenmitglieder damit, passende Fahrzeuge in [X.] zu stehlen. Er händigte ihnen dazu stets die erforderlichen Werkzeuge aus; teilweise organisierte er zudem ihre Anfahrt aus der [X.] zu den in [X.]      liegenden [X.]. Auf dieser Basis entwendeten die Bandenmitglieder [X.]     und B.    am 6. Dezember 2012 einen Pkw, während die Wegnahme eines zweiten, bereits aufgebrochenen Fahrzeugs misslang. Das gestohlene Auto wurde in die [X.] überführt und dort dem Angeklagten zur Verwertung übergeben (Fälle Ziffer II.1 und 2). Am 18. und 19. Oktober 2019 gelang den [X.]    und P.     die Wegnahme zweier Pkw, die sie anschließend zum Angeklagten brachten und ihm übergaben (Fälle Ziffer [X.] und 6). In der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober 2020 entwendeten dieselben Bandenmitglieder erneut zwei Fahrzeuge. Bei deren anschließender Überführung in die [X.] versuchten beide Bandenmitglieder erfolglos, sich durch Flucht einer Polizeikontrolle zu entziehen; einer der Männer verstarb dabei unfallbedingt. Beide Fahrzeuge wurden stark beschädigt sichergestellt (Fälle Ziffer II.8 und 9).

6

b) Das [X.] hat alle genannten Fälle als selbständige, in Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangene Taten angesehen. Diese konkurrenzrechtliche Bewertung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

7

Sind an einer Deliktserie mehrere Personen beteiligt, kommt es nicht darauf an, wie sich die Taten für andere Tatbeteiligte konkurrenzrechtlich darstellen; vielmehr ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 6. Dezember 2022 – 5 [X.]; Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 [X.], [X.]St 49, 177, 182 f.). Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten [X.]. Leistet ein Mittäter für alle oder einige [X.] einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der [X.], durch die alle oder mehrere [X.] seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben ([X.], Beschlüsse vom 25. Juni 2019 – 3 StR 130/19; vom 3. November 2021 – 3 StR 231/21).

8

Danach erweist sich das Verhalten des Angeklagten innerhalb der genannten [X.] jeweils als [X.] im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit (vgl. zu deren Voraussetzungen [X.], Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 [X.], [X.], 276; Beschluss vom 27. September 2017 – 4 StR 235/17; [X.], StGB, 70. Aufl., Vor § 52 Rn. 3 ff. mwN).

9

c) Der [X.] hat deshalb den Schuldspruch wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich geändert. Dieser reduziert sich um zwei Fälle des vollendeten und einen Fall des versuchten schweren Bandendiebstahls. Die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

d) Die Änderung des Schuldspruchs führt für jedes Fallpaar zum Wegfall einer Einzelstrafe und zur Festsetzung einer neuen Einzelstrafe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO.

Es entfallen die für die Fälle II.2, [X.] und [X.] der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. Der [X.] setzt für das Geschehen der Fälle II.1 und II.2 die für Fall II.1 verhängte Strafe, für dasjenige der Fälle [X.] und II.6 die für Fall II.6 verhängte Strafe und für dasjenige der Fälle II.8 und [X.] die für Fall II.8 verhängte Strafe jeweils als neue Einzelstrafe fest. In allen Fällen ist auszuschließen, dass das [X.] für die jeweiligen Geschehnisse bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung niedrigere Einzelstrafen bestimmt hätte.

e) Der Gesamtstrafausspruch wird hierdurch nicht berührt. Der [X.] kann angesichts der verbleibenden zehn [X.] von jeweils mindestens zwei Jahren Dauer ausschließen, dass das [X.] allein aufgrund der geänderten [X.] und des Wegfalls dreier weiterer Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal eine unterschiedliche konkurrenzrechtliche Beurteilung bei – wie hier – unverändertem Schuldumfang regelmäßig kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 28. April 2020 – 3 [X.] Rn. 9 mwN).

3. Hinsichtlich des nach §§ 73, 73c StGB eingezogenen Wertes von Taterträgen war anzuordnen, dass der Angeklagte als Gesamtschuldner haftet (vgl. Antragsschrift des [X.]).

4. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Gericke     

  

Mosbacher     

  

Resch

  

von Häfen     

  

Werner     

  

Meta

5 StR 100/23

24.05.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dresden, 8. November 2022, Az: 3 KLs 424 Js 15154/21

§ 52 Abs 1 StGB, § 53 StGB, § 244a StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.05.2023, Az. 5 StR 100/23 (REWIS RS 2023, 4263)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4263

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Ermittlung des Tatbeitrags eines Mittäters einer Deliktserie erforderlich


Referenzen
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Zitiert

4 StR 235/17

3 StR 231/21

3 StR 130/19

5 StR 155/22

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