Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2018, Az. AK 27/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 6984

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:280618BAK26.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

AK 26 und 27/18

vom
28. Juni
2018
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

1.

2.

wegen
des Verdachts der Unterstützung einer ausländischen terroristischen

Vereinigung u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung der [X.] und ihrer Verteidiger
am 28. Juni
2018
gemäß §§ 121, 122
[X.]
beschlos-sen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesge-richtshof findet in drei Monaten statt.
Bis
zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemei-nen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
I.
Die Beschuldigten wurden am 12. Dezember 2017 vorläufig festgenom-men und befinden sich aufgrund der Haftbefehle des Ermittlungsrichters
des [X.] vom 13. Dezember 2017 ([X.] und [X.]) seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand der Haftbefehle ist jeweils der Vorwurf, die Beschuldigten hätten durch dieselbe Handlung die außereuropäische terroristische [X.] "Islamischer St[X.]t"
([X.]) unterstützt und in einer Weise, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören, Straftaten angedroht (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5, § 129b Abs. 1 Satz 1
und
2, § 126 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 6, § 52 StGB), indem sie zumindest seit November 2017 als verantwortliche Administratoren in öffentlich einsehbaren Medien im [X.] unter Bezugnahme auf die außereu-1
2
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3
-
ropäische terroristische [X.] ([X.]) Inhalte mit jihadisti-schem Inhalt eingestellt, mit
[X.] gedroht und den Betrachter aufgefordert hätten, sich dem [X.] anzuschließen oder die Verei-nigung zu unterstützen.
Der [X.] hat das Verfahren mit Verfügung vom 12. [X.] gemäß § 142a Abs. 2 Nr. 2 GVG an die [X.] abgegeben und mit Verfügung vom 15. Mai 2018 nach erneuter Prüfung des [X.] unter Hinweis auf die unveränderte Einstufung der Sache als solche von minderer Bedeutung die Übernahme abgelehnt ([X.].
2 [X.] 1179/17-9).
II.
Die Voraussetzungen der Anordnung der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Gegenstand des [X.] sind die Haftbefehle des Er-mittlungsrichters des [X.] vom 13. Dezember 2017; die Haftprüfung bezieht sich somit allein auf die in den vollzogenen Haftbefehlen gegen die Beschuldigten erhobenen
Tatvorwürfe (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Januar 2017 -
AK 67/16, juris Rn. 22;
vom 28. Juli 2016 -
AK 41/16, juris Rn. 9). Diese Beschränkung bezieht sich indes auf den geschilderten Lebens-sachverhalt, aus dem sich die zur Last gelegten Taten ergeben (vgl. [X.],
[X.], 7. Aufl.,
§ 121 Rn. 10 mwN), nicht dagegen auf dessen recht-liche Würdigung. Nach diesen Maßgaben sind die Beschuldigten jedenfalls des Werbens um Mitglieder und Unterstützer einer Vereinigung im Sinne des §
129a Abs. 1 Nr. 1 StGB dringend verdächtig (§ 129a Abs. 5 Satz 2, § 129b 3
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-
Abs. 1 Satz 2 StGB); dies rechtfertigt die Fortdauer der Untersuchungshaft. Im Einzelnen:
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
[X.]) Der [X.] ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islami-scher Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historische Region "ash-Sham" -
die heutigen St[X.]ten [X.], [X.] und [X.] sowie [X.] -
umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesst[X.]t" zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.] und das Regime des [X.] Präsidenten
[X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchte-rung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" im Juni 2014 aus "Islamischer St[X.]t im [X.] und in [X.]" in "Islamischer St[X.]t" umbenannte und damit von der regionalen Selbstbeschränkung auf ein "[X.]" Abstand nahm, hat der "Emir" [X.] inne, der von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt wurde, dem die Muslime weltweit [X.] zu leisten hätten. Ihm unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]" und ein "[X.]". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "[X.]". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "[X.]" [X.] und über die Medienstelle "al-I'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen [X.]kanal und ein [X.]forum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten 6
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verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah -
Rasul -
Muhammad" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem [X.] Glaubensbekenntnis. Die [X.] verfügt über mehrere Tausend Kämpfer, die dem "[X.]" unter-stellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert sind.
Die von ihr besetzten Gebiete teilte die [X.] ein und installierte einen [X.]; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer st[X.]tlicher Strukturen. Angehörige der [X.] [X.], aber auch von in Gegnerschaft zum [X.] stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des [X.] in Frage stellen, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von [X.] grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.] zu Zwecken der Ein-schüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der [X.] immer wieder [X.] an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines
Machtbereichs [X.]. So hat er auch für Anschläge in [X.], etwa in [X.], [X.], [X.] und [X.] die Verantwortung übernommen.
[X.]) Die Beschuldigten kannten zumindest die grundlegenden Strukturen der terroristischen Vereinigung [X.] sowie
ihre Ziele und Stärke; sie wussten auch von den Terroranschlägen des [X.] auf Ziele in westlichen Ländern.
[X.]) Der Beschuldigte M.

S.

verbreitete in öffentlich ein-sehbaren [X.] Medien im [X.] [X.] und Beiträge mit der impli-zierten Aufforderung, den Kampf des [X.] zu unterstützen und Anschläge nach dem Vorbild bereits begangener Terrorakte zu begehen. Dabei verfolgte er zu-9
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gleich das Ziel, Schrecken und Angst zu verbreiten, da er die Völker [X.]s als verantwortlich für die [X.] ansieht.
(1) Zumindest seit November 2017 betrieb er als verantwortlicher Admi-nistrator den öffentlich einsehbaren [X.] "Dr. A.

", in dessen Beschreibung zum einen die Flagge des [X.] gezeigt und zum anderen angege-ben wird, dass der Kanalbetreiber Unterstützer des [X.] sei. Der Kanal verbreitet [X.]-Propaganda, bietet seinen Nutzern Verknüpfungen zu Radiosendern mit Playlists von "[X.]"
an und zitiert Koransuren, die den [X.] zum [X.] haben. Zudem stellte der Beschuldigte [X.] ein, die er mit Hilfe
des Bildbearbeitungsprogramms "[X.]"
fertigte und die sich auf die [X.] in [X.] im Jahr 2015 und den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in [X.] am 19. Dezember 2016 bezogen. Die [X.] und seine dazu gehö-renden Kommentare drohten mit Anschlägen in Westeuropa oder stellten ge-troffene Sicherheitsmaßnahmen wie [X.] als wirkungslos dar. Der Be-schuldigte verwendete die Symbole des [X.] in den von ihm hergestellten und veröffentlichten Collagen und Fotos.
(2) Am 3. Dezember 2017 richtete der Beschuldigte M.

S.

einen neuen [X.] "Dr. A.

"
ein; die dort veröffentlichten Beiträge hatten überwiegend jihadistische Inhalte. So wurde dort noch am [X.] das Video "[X.]"
veröffentlicht, in dem mit [X.] in [X.] und [X.] gedroht wurde; das Video the-matisierte
unter anderem den Weihnachtsmarkt in [X.], den Anschlag in [X.] am 19. Dezember 2016 und den Anschlag von [X.] im Juli 2016.
(3) Zeitgleich veröffentlichte der Beschuldigte M.

S.

das Video "[X.]" auf dem Facebook-A[X.]ount "Dr. A.

".
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(4) Auf einem ihm zugerechneten [X.]-A[X.]ount, der das Logo des [X.] zeigte,
stellte der Beschuldigte mehrere Videos des "Dr. A.

"
ein, die den [X.] und den [X.] verherrlichten.
Der [X.] "Dr. A.

"
hatte im Juni 2017 bis
zu
128 Nutzer, nach der Erneuerung am 3. Dezember 2017 zeitnah 95 Nutzer; die Beiträge wurden auf einschlägigen [X.] und sonstigen [X.] Medien weiterverbreitet.
dd) Der Beschuldigte A.

S.

verbreitete seit November 2017 als verantwortlicher Administrator in öffentlich einsehbaren [X.] Me-dien im [X.] Beiträge, in denen er den Betrachter inzident aufforderte, sich der terroristischen Vereinigung [X.] anzuschließen oder sie zu unterstützen und nach dem Muster bereits verübter Terrorakte weitere Anschläge zu begehen. Er verwaltete den Kanal "

B.

", bezeichnete sich dort als "[X.] Unterstützer des Kalifats"
und stellte dort unter Bezugnahme auf den [X.] Fotocollagen und Drohungen mit [X.] und Beiträge mit jihadistischem Inhalt ein, die auf weiteren [X.]-nahen [X.] weiterverbreitet wurden.
(1) Eine Bildcollage zeigte
in der linken Bildhälfte die Darstellung eines vermummten Kämpfers mit einem Sturmgewehr vor einer Hauswand, auf der das Logo des [X.] aufgesprüht war; auf der rechten Bildhälfte waren
die Fahnen [X.] und des [X.] sowie der [X.] in [X.] und das [X.] mit der [X.] Aufschrift: "[X.] in eurem Land werde eure Ruhestätten erschüttern"
abgebildet.
(2) Eine Bildcollage zeigte
den weihnachtlichen Times
Square in [X.], vor dem im Vordergrund "[X.]"
stand. Daneben waren
Dyna-15
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mitstangen sowie eine Holzkiste mit der Beschriftung "[X.]"
zu sehen. Das Bild trug
die Aufschrift: "[X.] in N.
(3) Eine Bildcollage zeigte
einen Kampfpanzer, auf dem die Flagge des [X.] zu sehen war, in einer Häuserschlucht, die aufgrund [X.] Beflag-gung in den [X.] gelegen zu sein schien. Die Häuserfassaden waren
teilweise zerstört; das Bild trug
die Schriftzüge: "We will send war and destruction to your country. These are the results of Bush, [X.] and now Trump through their ".
(4) Eine Bildcollage zeigte
einen am Boden liegenden Mann mit dem Gesicht des Fußballspielers [X.], dem eine schwarz gekleidete Person ein Messer an den Hals hielt, während sie seinen Kopf nach oben zog. In der rechten oberen Ecke des Bildes war
ein Fußballstadion zu sehen. Das Bild trug
in kyrillischer Schrift
die Aufschrift: "Wir treffen uns im Stadion Lusch-niki".
b) Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 [X.]) ergibt sich aus Folgendem:
[X.]) Hinsichtlich der außer[X.] Vereinigung [X.] beruht er für den hier relevanten Zeitraum -
senatsbekannt -
auf islamwissenschaftlichen Gutach-ten sowie auf diversen Behördenerklärungen der Nachrichtendienste und poli-zeilichen Auswertungsberichten (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Februar 2018

-
AK 4/18, juris Rn. 22).
[X.]) Hinsichtlich der vorgeworfenen Handlungen haben sich die [X.] teilgeständig eingelassen.
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Der Beschuldigte M.

S.

hat in seiner Vernehmung vom 12. Dezember 2017 eingeräumt, Urheber der unter dem Namen "Dr. A.

"
im [X.] verbreiteten Beiträge zu sein. Mit seinen Beiträgen betreffend die [X.] auf Weihnachtsmärkte habe er allerdings nichts bezwecken, vielmehr nur ein wenig Angst verbreiten wollen. Die Collagen habe er mit der App "Pics-Art"
gefertigt und unter dem Spitznamen "Dr. A.

"
seine Beiträge über ver-schiedene Medien verbreitet, weil er die Völker in [X.] als verantwortlich für die erlittenen Leiden von Moslems ansehe. Das Logo des [X.] habe er benutzt, um damit Schrecken zu verbreiten.
Der Beschuldigte A.

S.

hat eingeräumt, die Collagen mit dem [X.]-Logo erstellt, in seinem [X.] veröffentlicht und oft die [X.] des [X.] gepostet zu haben. Außerdem habe er Beiträge mit gewaltverherrli-chendem Inhalt im [X.] gepostet und verbreitet. Als Motiv dafür nannte er die [X.] Besatzung [X.]s; die "anderen"
seien die eigentlichen [X.]. Es sei aber nicht ernst gewesen; er sei kein Mitglied der Vereinigung [X.]. Die Idee dahinter sei gewesen, dass "der Moslem bereit sei, die [X.], da die [X.] Muslime fertig mache".
Sein Vorgehen sei ein Fehler ge-wesen.
[X.]) Die [X.], in denen sich Werbung um Unterstützer und [X.] des [X.] manifestiert, sowie die zu ihrer Erstellung verwendeten [X.] sind ebenso wie die dabei verwendete Software als Dateien auf den [X.] der Beschuldigten sichergestellt worden. Darüber hinaus wurden dort
weitere [X.]-Propaganda und gewaltverherrlichende Darstellungen gefunden. Im Übrigen gründet der dringende Tatverdacht auf den Ergebnissen der Auswer-tung des [X.]s "Dr. A.

"
durch die Zentrale Kriminalinspektion Braunschweig vom 28. November 2017, der Mitteilung des [X.] 25
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vom 7. Dezember 2017 über den Inhalt einzelner Beiträge des [X.]s und der Erkenntnismitteilung des [X.] zu den Aktivitäten der Beschuldigten in [X.] Netzwerken vom 7. Dezember 2017 sowie den weiteren in den Haftbefehlen angeführten Beweismitteln. Der
Beschuldigte M.

S.

soll nach Erkenntnissen des Landeskrimi-nalamts [X.] zudem für die "Nachrichtenagentur"
[X.] (ein Nach-richtenkanal und bedeutendes Medium der Verbreitung der Propaganda des [X.], der kurze Nachrichten auf ihrer Website sowie mittels [X.], [X.] und anderer [X.]dienste absetzt) tätig sein.
c) In rechtlicher Hinsicht begründen die vorgeworfenen Tätigkeiten die Strafbarkeit der Beschuldigten wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine außereuropäische terroristische Vereinigung (§ 129a Abs. 5 Satz 2, §
129b Abs. 1 Satz 2 StGB). Insoweit gilt:
[X.]) Um Mitglieder für eine der in § 129a Abs. 1 oder 2 StGB bezeichne-ten terroristischen Vereinigungen wirbt, wer sich um die Gewinnung von [X.] bemüht, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation einer bestimmten derartigen Vereinigung einfügen. Um Unterstützer wirbt, wer bei anderen die Bereitschaft wecken will, die Tätigkeit oder die Bestrebungen einer solchen Vereinigung direkt oder über eines ihrer Mitglieder zu fördern, ohne sich selbst als Mitglied in die Organisation einzugliedern. Die Werbung kann sich dabei in beiden Fällen sowohl an eine konkrete Person als auch an eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten richten. Ein Erfolg der Werbung wird nicht vorausge-setzt; auch der erfolglose Versuch, andere als Mitglied oder Unterstützer einer Vereinigung zu gewinnen, wird von der Strafbarkeit erfasst ([X.], Beschluss vom 16. Mai 2007 -
AK 6/07, [X.]St 51, 345, 353).
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Nach diesen Maßstäben sind die Beschuldigten als Nichtmitglieder des Werbens um Mitglieder
oder Unterstützer zu Gunsten einer konkreten Organi-sation -
der terroristischen Vereinigung [X.] -
dringend verdächtig. Die [X.] handelten in Kenntnis der wesentlichen Umstände, welche die [X.] [X.] als eine terroristische kennzeichnen, und wussten auch um die von ihr verübten [X.]. Ihre in öffentlich ein-sehbaren [X.] Medien im [X.] verbreiteten [X.] und Beiträge enthielten für den Betrachter zumindest die schlüssige Aufforderung, den [X.] zu unterstützen oder sich ihm anzuschließen und Anschläge nach Muster der be-reits verübten Terrorakte zu begehen. Darin liegt nicht nur ein befürwortendes
Eintreten der Beschuldigten für die terroristische Vereinigung [X.] und die aus ihr heraus begangenen
Straftaten sowie die Verherrlichung ihrer Ideologie, viel-mehr begründen die
fraglichen [X.]aktivitäten
in der Gesamtschau
den dringenden Verdacht, dass die Beschuldigten gezielt Mitglieder oder Unterstüt-zer des [X.] gewinnen wollten.
[X.]) Soweit der Haftbefehl den Sachverhalt als Unterstützung einer au-ßer[X.] terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Störung des öf-fentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs.
5, § 129b Abs. 1 Satz 1
und
2, § 126 Abs. 1 Nr. 2,
3 und 6, § 52 StGB) gewürdigt
hat, besteht auf der Grundlage des in den Haftbefehlen jeweils ge-schilderten konkreten [X.] kein dringender Tatverdacht. Inso-weit gilt:
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist unter einem Unter-stützen im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB grund-sätzlich jedes Tätigwerden zu verstehen, durch das ein Nichtmitglied der Verei-nigung deren innere Organisation und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, 30
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12
-
die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten -
wenn auch nicht unbedingt maßgebend -
erleichtert oder das sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eige-ne Gefährlichkeit festigt (s. etwa [X.], Urteil vom 14. August 2009 -
3 [X.], [X.]St 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert. Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förde-rung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hin-aus; denn er bezieht sich auch und -
wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt -
sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im kon-kreten Fall die Aktivität des [X.] zu einer einzelnen [X.] Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss.
Das Wirken des Nichtmitgliedes
muss
nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen; es genügt, wenn [X.] für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass ein messbarer Nutzen für diese eintritt (vgl. [X.], Urteile vom 14. August 2009 -
3 [X.], [X.]St 54, 69, 116; vom 25. Juli 1984 -
3 [X.], [X.]St 33, 16, 17; vom 25. Januar 1984 -
3 [X.], [X.]St 32, 243, 244; Beschluss vom 10. Mai 2007 -
AK 6/07, [X.]St 51, 345, 350 f.).
(2) Zwar könnten nach diesen Maßstäben die vorgeworfenen Handlun-gen der Beschuldigten als der Vereinigung [X.] nützliche Unterstützung
angese-hen werden, weil ihnen die abstrakte Eignung zukommt, das [X.] der beworbenen Vereinigung zu stärken. Jedoch schließen die vom Ge-setzgeber mit dem [X.] (vom 22. August 2002, [X.].
I
S.
3390) und dem Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung ande-rer Gesetze (vom 22. Dezember 2003, [X.].
I
S.
2836) vorgenommenen [X.]
-
13
-
rungen des §
129a StGB es aus, Tätigkeiten, die sich als Werben für eine terro-ristische Vereinigung darstellen, (auch) unter das Tatbestandsmerkmal des Un-terstützens zu subsumieren; dies gilt sowohl für das Werben um Mitglieder oder Unterstützer, als auch für das Werben für die Ideologie oder die Ziele der [X.] ([X.], Beschluss vom 16. Mai 2007 -
AK
6/07, [X.]St 51, 345, 346). Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Mit dem [X.] hat der Gesetzgeber den [X.] des Werbens eingeschränkt; während zuvor jede Art der Werbung für eine terroristische Vereinigung mit Strafe bedroht war, ist seither
nur noch das Werben um Mitglieder oder Unterstützer strafbar. Damit sollte eine gegenüber der früheren Rechtsprechung klarere Eingrenzung des Tatbestandsmerkmals des Werbens erreicht und dieses auf die Fälle beschränkt werden, in denen die Pönalisierung auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Mei-nungsfreiheit (Art.
5 Abs.
1 Satz
1 GG) erforderlich sei; hierzu sollte insbeson-dere der Bereich der sog. reinen Sympathiewerbung von der Strafbarkeit aus-genommen werden (s. Protokoll der 125. Sitzung des Rechtsausschusses der 14. Wahlperiode vom 24. April 2002 S.
33 ff.; Beschlussempfehlung und [X.] vom 24. April 2002, BT-Drucks. 14/8893 S.
8). Durch das Gesetz vom 22. Dezember 2003 hat der Gesetzgeber in §
129a StGB schließlich deutliche Differenzierungen zwischen den [X.] um Mitglieder oder Unterstützer vor-genommen. Nach Absatz
5 Satz
1 der Neufassung ist die Unterstützung jeder der in den Absätzen 1 bis 3 genannten terroristischen Vereinigungen strafbar, jedoch mit unterschiedlicher Strafandrohung je nach Art der Vereinigung. [X.] ist, soweit eine werbende Tätigkeit in Frage steht, gemäß Absatz
5 Satz
2 der Neufassung allein das Werben um Mitglieder oder Unterstützer für eine der in den Absätzen 1 oder 2 genannten Vereinigungen strafbar. Das 34
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14
-
Werben um Mitglieder oder Unterstützer für die in Absatz
3 beschriebenen Or-ganisationen sowie jede andere, nicht auf die Gewinnung von Mitgliedern oder Unterstützern gerichtete Werbung sind als solche nicht mit Strafe bedroht
([X.], Beschluss vom 16. Mai 2007 -
AK 6/07, [X.]St 51, 345, 348).
Der Gesetzgeber hat damit ausdrücklich alle Handlungen, die sich in ei-nem Werben für
die Ideologie und die Ziele einer terroristischen Vereinigung erschöpfen, aus der Strafbarkeit herausnehmen wollen; das Werben um [X.] oder Unterstützer hat er nur noch für bestimmte besonders gefährliche terroristische Vereinigungen unter Strafe gestellt und es insoweit bei einem ge-genüber dem Unterstützen niedrigeren Strafrahmen belassen. Dieser im Ge-setzeswortlaut und in der Gesetzessystematik objektivierte Wille des Gesetz-gebers würde missachtet, wenn man propagandistische Aktivitäten eines Nichtmitgliedes, denen die bloße abstrakte Eignung zukommt, das [X.] der beworbenen Vereinigung zu stärken, weiterhin als Unter-stützen im Sinne des §
129a Abs.
5 Satz
1 StGB ansehen wollte (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Mai 2007 -
AK 6/07, [X.]St 51, 345, 349).
(3) Die Voraussetzungen der im Gesetz unmissverständlich zum Aus-druck gebrachten Privilegierung des Werbens sind -
wie auch im Haftbefehl für
beide Beschuldigte ausgeführt -
nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen erfüllt (siehe oben zu
II.1.c)); eine über das bloße Werben hinausgehende Un-terstützungshandlung ist im Rahmen des im [X.] Sachverhalts nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
(4) Ob eine abweichende Beurteilung propagandistischer Aktivitäten als Unterstützen im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB dann gerechtfertigt wäre, wenn im Einzelfall festgestellt werden könnte, dass das Werben der [X.] tatsächlich einen messbaren Vorteil gebracht, etwa nachweislich zum Bei-35
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37
-
15
-
tritt eines neuen Mitglieds geführt hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn der mit dem Haftbefehl unterbreitete Lebenssachverhalt ergibt keinen Anhalts-punkt dafür, dass die Beschuldigten einen derartigen konkreten Vorteil bewirkt haben.
(5) Der Senat lässt auch die Frage offen, ob die Beschuldigten der tat-einheitlichen (§ 52 StGB) Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2, 3
und 6
StGB dringend verdächtig sind. Der öffentliche Friede ist ein objektiver Zustand allgemeiner Rechtssi-cherheit und das subjektive Bewusstsein der Bevölkerung davon; gestört ist dieser, wenn eine allgemeine Beunruhigung der Bevölkerung innerhalb der Bundesrepublik [X.], mindestens aber einer nicht unerheblichen Per-sonenzahl, eintritt (vgl. [X.], Urteil vom 2. April 1987 -
4 [X.], [X.]St 34, 329, 331; Beschluss vom 30. November 2010
-
3 [X.], NStZ-RR 2011, 109; [X.],
StGB,
65. Aufl.,
§ 126 Rn. 3 mwN). Für den Tatbestand des §
126 StGB ist zwar der Eintritt einer konkreten Gefahr nicht erforderlich, die jeweilige Handlung muss aber bei genereller Betrachtung konkret zur [X.] geeignet sein (abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt, vgl. Urteil vom 12. [X.] -
1 StR 184/00, [X.]St 46, 212, 218 mwN).
Zwar haben die
Beschuldigten nach dem Stand der Ermittlungen Strafta-ten des Mordes (§ 211 StGB), der schweren Körperverletzung (§ 226 StGB) und der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB) angedroht; ob dies indes in einer Weise geschah, die geeignet ist, den Zustand allgemeiner Rechtssicherheit und das Bewusstsein der Bevölkerung, in Ruhe und Frieden zu leben, erheblich zu stören, ist angesichts der Verbreitung allein in [X.]-nahen [X.] zweifelhaft; dem Senat ist es angesichts des eingeschränk-ten [X.] im Haftprüfungsverfahren
verwehrt, auf sich aus den Ak-38
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ten ergebende weitere Handlungen, die den Tatverdacht erhärten könnten, zu-rückzugreifen.
d) Die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts ergibt sich daraus, dass die Taten im Geltungsbereich des Strafgesetzbuchs begangen wurden (§ 3 StGB). Die Beschuldigten sind im Inland wohnhaft; der Inlandsbezug gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB ist gegeben.
e) Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Ermächti-gung zur strafrechtlichen Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der sich als "Islamischer St[X.]t im [X.] und [X.]"
sowie als "Islamischer St[X.]t"
bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung hat das [X.] am 13. Oktober 2015 un-ter Neufassung seiner bisherigen Erklärungen erteilt.
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Die Beschuldigten haben im Falle ihrer Verurteilung mit einer erheblichen Frei-heitsstrafe zu rechnen. Dem daraus
folgenden hohen Fluchtanreiz stehen keine hinreichend festen persönlichen und [X.] Bindungen der Beschuldigten entgegen, welche die Annahme rechtfertigen, sie würden
sich dem Verfahren in [X.] stellen.
Die Beschuldigten M.

und A.

S.

sind nach eigenen Angaben am 15. September 2015 aus [X.] in die [X.] geflohen. Außer der Teilnahme an einem Sprachkurs sind keine Tätigkei-ten im Inland bekannt, die für eine den Fluchtanreiz mindernde [X.] Einbin-dung der Beschuldigten in [X.] sprechen würden. Der
Beschuldigte M.

S.

hat überdies Freunde im [X.] Ausland, die ei-
ne Flucht aus [X.] ermöglichen oder erleichtern könnten. Der Um-40
41
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17
-
stand, dass sich die Eltern und Geschwister der Beschuldigten als Flüchtlinge in [X.] aufhalten, vermag dem aus der zu erwartenden Strafe [X.] nicht hinreichend entgegenzuwirken.
Eine mit Auflagen nach § 116 [X.] verbundene Außervollzugsetzung des
Haftbefehls ist unter den gegebenen Umständen nicht geeignet, den Zweck der Untersuchungshaft in gleicher Weise zu erfüllen.
3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§
121 Abs.
1 [X.]) liegen vor.
Die
besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen. Zwar haben die Beschuldigten sich frühzeitig teilgeständig eingelassen. Die gleichwohl erforderliche Auswertung der Be-weismittel zur Aufklärung des Ausmaßes ihrer Aktivitäten gestaltete sich indes bereits aufgrund des Umfanges der sichergestellten Dateien als besonders aufwändig. So mussten nach der Sicherstellung von Computern und [X.] des Beschuldigten A.

S.

ca. 53 Gigabyte Daten, darunter etwa 66.000 Bilddateien und 110.000 C[X.]richten, und auf den Speicher-medien des Beschuldigten M.

S.

ca. 158 Gigabyte Daten, da-runter etwa 260.000 Bilddateien und 90.000 C[X.]richten, gesichtet und ausgewertet werden. Bis zum Abschlussbericht der Zentralen [X.] vom 18. April 2018 sind die Auswertungen ohne vermeidbare [X.] vorangetrieben und abgeschlossen worden; danach mussten die relevan-ten Dateien zum Teil noch in ein lesbares Format umgewandelt
werden, um St[X.]tsanwaltschaft und Verteidigern eine Sichtung zu ermöglichen. Nach [X.] dieser Arbeiten konnte den Verteidigern am 4. Mai 2018 die [X.] in die Akten und die sichergestellten Datenbestände gewährt wer-44
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18
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den; die Frist zur Stellungnahme dazu lief bis zum 8. Juni 2018. Derzeit wird die Anklageschrift gefertigt.
Nach alledem ist das Verfahren mit der in Haftsachen gebotenen Intensi-tät beschleunigt und gefördert worden.
4. Schließlich steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft auch un-ter Berücksichtigung der besonderen Belastungen, die dieser für die [X.] zur Folge hat, nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

Riin[X.] [X.] ist

urlaubsbedingt gehindert

zu unterschreiben.

[X.]Gericke

Hoch

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48

Meta

AK 27/18

28.06.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2018, Az. AK 27/18 (REWIS RS 2018, 6984)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6984

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 428/10

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