Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.03.2010, Az. 1 WNB 3/10

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2010, 8082

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde; Verfahrensmangel; rechtliches Gehör; Berücksichtigung von Schriftsätzen nach Beschlussfassung


Leitsatz

Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Nichtberücksichtigung eines Schriftsatzes, der nach getroffener Entscheidung des Gerichts, aber vor Übergabe der vollständigen Entscheidung mit Gründen an die Geschäftsstelle beim Gericht eingegangen ist.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Nichtberücksichtigung eines Schriftsatzes, der nach getroffener, das Verfahren abschließender Entscheidung des [X.]s, aber vor der Übergabe der vollständigen Entscheidung mit Gründen an die Geschäftsstelle beim Gericht eingegangen ist.

Das [X.] hat den Beschluss des [X.]s aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

...

1

Die fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des [X.]s vom 6. August 2009 ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

2

Nach § 22b Abs. 1 Satz 1 [X.] steht dem Beschwerdeführer bei Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das [X.] die Nichtzulassungsbeschwerde an das [X.] zu. Die Rechtsbeschwerde ist unter anderem dann zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die - angefochtene - Entscheidung beruhen kann (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 [X.]).

3

Die Beschwerde wendet sich vorrangig mit der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs dagegen, dass das [X.] in seinem Beschluss vom 6. August 2009, der am 7. Oktober 2009 zur Geschäftsstelle gelangte, den am 31. August 2009 eingegangenen Schriftsatz des Bevollmächtigten des Antragstellers vom selben Tag nicht mehr berücksichtigt hat. Die Beschwerde trägt dazu vor, der Bevollmächtigte habe mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 15. April 2009 - neben einer vorläufigen Begründung des [X.] ohne konkreten Sachantrag - um Akteneinsicht gebeten und eine vertiefende Antragsbegründung angekündigt. Nachdem die Akteneinsicht durchgeführt worden sei, habe das [X.], ohne diese ergänzende Antragsbegründung abzuwarten, am 6. August 2009 abschließend entschieden und sich dabei entscheidungstragend auf Zeugenaussagen des Leutnants B. und des [X.] gestützt. Zu diesen Zeugenaussagen, die dem Antragsteller erstmals anlässlich der Akteneinsicht bekannt geworden seien, habe er kein rechtliches Gehör erhalten. In der Stellungnahme zum Parallelverfahren habe der Bevollmächtigte auf die Nichtverwertbarkeit der Aussagen hingewiesen.

4

Mit diesem Vorbringen macht die Beschwerde einen Verfahrensmangel im Sinne des § 22a Abs. 2 Nr. 3 [X.] geltend. Die daneben mit gleichem Inhalt erhobene Anhörungsrüge ist nicht statthaft (§ 23a Abs. 3 [X.] i.V.m. § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

5

Ein Verfahrensmangel liegt vor, wenn der Anspruch eines Antragstellers oder [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt wird. Dieser in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz gilt auch im wehrbeschwerderechtlichen Antragsverfahren und erstreckt sich - über den Wortlaut des § 18 Abs. 2 Satz 4 [X.] hinaus - auf alle für die Entscheidung maßgeblichen Sachfragen sowie auf die Beweisergebnisse, ferner auf entscheidungsrelevante Rechtsfragen, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt ([X.], [X.], 5. Aufl. 2009, § 18 Rn. 56, 57). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen (stRspr, vgl. z.B. Urteile vom 29. November 1985 - BVerwG 9 C 49.85 - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 177 und vom 14. April 1989 - BVerwG 4 C 22.88 - [X.] 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 29 S. 6).

6

Gegen diesen Grundsatz hat das [X.] in dem angefochtenen Beschluss verstoßen, weil es den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 31. August 2009 in seiner Entscheidung nicht mehr berücksichtigt hat. In Abschnitt I der Entscheidungsgründe weist das [X.] insoweit ausdrücklich darauf hin, "dass das schriftsätzliche Vorbringen des Bevollmächtigten vom 31.08.2009 die getroffene Entscheidung selbstverständlich nicht mehr beeinflussen konnte". In diesem Schriftsatz hat der Bevollmächtigte insbesondere zu der Aussage des [X.] detailliert Stellung genommen, die ihrerseits für die angefochtene Entscheidung von tragender Bedeutung war. Vor dem Entscheidungstermin hat das [X.] nicht die Möglichkeit wahrgenommen, dem Bevollmächtigten des Antragstellers gem. § 18 Abs. 2 Satz 1 und § 23a Abs. 2 [X.] i.V.m. § 86 Abs. 4 Satz 2 VwGO eine Frist zur Vorlage der vertiefenden Begründung zu setzen.

7

Der Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 31. August 2009 ist nicht verspätet beim [X.] Süd eingegangen.

8

Zwar hatte das Gericht seine Entscheidung am 6. August 2009 getroffen, diese jedoch mit Gründen erst am 7. Oktober 2009 zur Geschäftsstelle gegeben und dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 9. Oktober 2009 zugestellt. Die Zustellung an den Antragsteller selbst erfolgte am 4. November 2009. Äußerungen der Beteiligten müssen nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung noch bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht sich selbst seiner Entscheidung entäußert, zur Kenntnis genommen und gewürdigt werden. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob für Fälle, in denen - wie hier - keine mündliche Verhandlung oder nach mündlicher Verhandlung keine Verkündung der Entscheidung im Verhandlungstermin stattgefunden hat, der Zeitpunkt der Entäußerung erst mit der Absendung zumindest des Tenors der Entscheidung an die Beteiligten erreicht ist ([X.], Beschlüsse vom 7. Dezember 1982 - 2 BvR 1118/82 - [X.]E 62, 347 <353> und vom 4. August 1992 - 2 BvR 1129/92 - NJW 1993, 51 - juris Rn. 2; [X.], Beschluss vom 2. Oktober 1967 - [X.] - NJW 1968, 49 - juris Rn. 3; vgl. ferner [X.]/[X.], VwGO, 16. Aufl. 2009 § 104 Rn. 14, § 108 Rn. 27a), oder ob eine verbindliche Entäußerung möglicherweise schon in einer dokumentierten Übergabe der Entscheidung an die Geschäftsstelle liegt (Urteil vom 14. April 1989 a.a.[X.]; BFH, Beschluss vom 24. November 1994 - [X.] bis 149/94 - juris Rn. 10). Denn der Schriftsatz vom 31. August 2009 ging erheblich vor diesen beiden Zeitpunkten beim [X.] ein; wann der vom Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richtern unterzeichnete Tenor der Geschäftsstelle übergeben wurde, ist in der Akte nicht dokumentiert, allerdings ist der Tenor der Entscheidung erst hinter dem Schriftsatz vom 31. August 2009 in den Gerichtsakten abgeheftet worden.

9

Der festgestellte Verfahrensfehler stellt im Sinne des § 138 Nr. 3 VwGO einen absoluten Revisionsgrund dar, bei dem stets davon auszugehen ist, dass die Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Die Vorschrift des § 138 Nr. 3 VwGO ist gem. § 23a Abs. 2 [X.] in den Verfahren nach §§ 22a und 22b [X.] entsprechend anwendbar ([X.], [X.], a.a.[X.], § 23a Rn. 13).

In den Verfahren nach §§ 22a und 22b [X.] gilt gem. § 23a Abs. 2 [X.] auch die Vorschrift des § 133 Abs. 6 VwGO entsprechend, die es dem [X.] in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde ermöglicht, den Rechtsstreit bei einem festgestellten Verfahrensmangel unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (Beschluss vom 30. November 2009 - BVerwG 1 [X.] 2.09 - juris Rn. 9, 10 m.w.[X.]). Davon macht der Senat hier im Interesse der Verfahrensbeschleunigung Gebrauch.

Meta

1 WNB 3/10

24.03.2010

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WNB

§ 22a Abs 2 Nr 3 WBO, Art 103 Abs 1 GG, § 23a Abs 2 WBO, § 138 Nr 3 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.03.2010, Az. 1 WNB 3/10 (REWIS RS 2010, 8082)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8082

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