Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.01.2020, Az. XII ZB 627/17

12. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 621

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Gegenstand

Vergütung eines Berufspflegers für Zeitaufwand vor Bestellung


Leitsatz

Vor seiner förmlichen Bestellung kann ein Berufspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfahren auch für solche Tätigkeiten (hier: Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses, Fahrt zum Verpflichtungstermin) keine Vergütung verlangen, die seiner wirksamen Bestellung denknotwendig vorgelagert sind (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 30. August 2017 - XII ZB 562/16, FamRZ 2017, 1846 und vom 13. Dezember 2017 - XII ZB 436/17, FamRZ 2018, 513).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des 8. [X.] des [X.] vom 22. September 2017 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - [X.] vom 27. Januar 2017 abgeändert. Die dem weiteren Beteiligten zu 2 aufgrund seines [X.] vom 17. November 2016 aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird auf 386,33 € festgesetzt. Der weitergehende [X.] wird zurückgewiesen.

Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 45 €

Gründe

I.

1

Das Verfahren betrifft den Vergütungsanspruch eines Ergänzungspflegers.

2

Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 28. August 2015 wurde eine Pflegschaft für den kurz zuvor als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in das [X.] eingereisten Betroffenen eingerichtet. Das Jugendamt wurde zum vorläufigen Pfleger für den Wirkungskreis Personensorge und der als Rechtsanwalt zugelassene Beteiligte zu 2 zum berufsmäßigen "Mitpfleger" für den Wirkungskreis "ausländer- und asylrechtliche Betreuung" bestellt. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde der Beteiligte zu 2 von der Bestellung unterrichtet. Am 24. September 2015 erfolgte im Amtsgericht die förmliche Verpflichtung des Beteiligten zu 2 durch den Rechtspfleger.

3

Auf Antrag des Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht für dessen Tätigkeit als "Ergänzungspfleger" eine Vergütung in einer Gesamthöhe von 424,18 € festgesetzt. Gegen diese Entscheidung hat sich die Staatskasse (Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde gewendet. Sie hat die Auffassung vertreten, dass dem Beteiligten zu 2 für die im Zeitraum bis zum 24. September 2015 abgerechneten Tätigkeiten mangels förmlicher Bestellung zum Mitpfleger keine Vergütungsansprüche zustünden. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Staatskasse gegen die Festsetzung einer höheren Vergütung als 379 €.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist überwiegend begründet.

5

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt: [X.] mit der Amtsübernahme verbundene Tätigkeiten, die einer angemessenen verwaltungsmäßigen Vorbereitung auf die Pflegschaft dienen und zwingend vor der Verpflichtung anfallen, seien auch dann zu vergüten, wenn sie zeitlich vor der förmlichen Verpflichtung lägen. Der Beteiligte zu 2 habe unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes davon ausgehen können, dass ihm der Zeitaufwand für die Entgegennahme des [X.] sowie für die Anlegung der Handakte und die Anwesenheit beim [X.] vergütet wird. Es widerspräche dem Grundsatz von [X.] und Glauben nach § 242 BGB, wenn dem Amtsträger die Vergütung für solche Tätigkeiten versagt würde, die einerseits organisatorisch notwendig seien, um die Pflegschaft auszuüben, und andererseits ohne weiteres zu vergüten gewesen wären, wenn sie der Pfleger zu einem späteren Zeitpunkt erbracht hätte. Eine Handakte müsse bereits bei Erhalt des [X.] angelegt werden, weil dessen ungeordnete Ablage nicht einmal eine zuverlässige Wahrnehmung des Termins zur förmlichen Bestellung gewährleiste.

6

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Beteiligte zu 2 hat für den Zeitaufwand vor der förmlichen Verpflichtung durch den Rechtspfleger am 24. September 2015 keinen Vergütungsanspruch nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB iVm § 3 [X.].

7

a) Der Senat hat sich - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung - zur Frage des Vergütungsanspruchs für einen (noch) nicht wirksam bestellten Vormund oder Pfleger bereits mehrfach geäußert. Danach ist im rechtlichen Ausgangspunkt zwischen der Anordnung der Pflegschaft, der Auswahl des Pflegers und der förmlichen Bestellung des ausgewählten Pflegers zu unterscheiden. Wird eine Einzelperson als Pfleger ausgewählt und sind deshalb die §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1789 BGB anwendbar, setzt die wirksame Bestellung eine persönliche Verpflichtung durch das Gericht in Anwesenheit des Bestellten voraus. Durch §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1789 BGB soll die Bedeutung und Notwendigkeit der besonderen Bestellung des Pflegers klargestellt werden, der als Hoheitsakt ein konstitutiver Charakter zukommt. Erst mit der wirksamen Bestellung des Pflegers entstehen die Rechte und Pflichten aus der Pflegschaft und damit auch die mit einer berufsmäßig geführten Pflegschaft verbundenen Vergütungsansprüche (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. Dezember 2017 - [X.] 436/17 - FamRZ 2018, 513 Rn. 12 und vom 30. August 2017 - [X.] 562/16 - FamRZ 2017, 1846 Rn. 11). Ein berufsmäßig tätiger Pfleger wird zwar in der Regel darauf vertrauen, dass er eine Vergütung erhält, wenn er auf Veranlassung des Gerichts bereits vor seiner förmlichen Bestellung tätig wird. Jedoch läuft es dem Grundsatz der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zuwider, wenn dem nicht wirksam bestellten Pfleger aufgrund von bloßen Billigkeitserwägungen ein Vergütungsanspruch zuerkannt werden könnte, für den es an einer gesetzlichen Grundlage fehlt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. Dezember 2017 - [X.] 436/17 - FamRZ 2018, 513 Rn. 14 und vom 30. August 2017 - [X.] 562/16 - FamRZ 2017, 1846 Rn. 12 ff.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. September 2017 - [X.] 6/16 - FamRZ 2018, 40 Rn. 8 ff. zur Aufwandsentschädigung nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 a Abs. 1 BGB). Hinzu kommt, dass im formalisierten [X.] nach § 168 Abs. 1 FamFG kein Raum für außerhalb des [X.] liegende Zahlungsansprüche des nicht wirksam bestellten Pflegers ist, selbst wenn sie im Einzelfall materiell-rechtlich auf § 242 BGB, auf Geschäftsführung ohne Auftrag oder auf Amtshaftung gestützt werden könnten (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. Dezember 2017 - [X.] 436/17 - FamRZ 2018, 513 Rn. 15 ff. und vom 30. August 2017 - [X.] 562/16 - FamRZ 2017, 1846 Rn. 20 f.).

8

b) Auch wegen der hier im Streit stehenden Tätigkeiten - Entgegennahme des [X.] und der Ladung zum Verpflichtungstermin, Anlegen der Handakte, Fahrt zum Verpflichtungstermin - ist keine Abweichung von der Regel veranlasst, dass der [X.] Vergütungsansprüche nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB iVm § 3 [X.] ausschließlich für solchen Zeitaufwand geltend machen kann, der nach seiner förmlichen Bestellung anfällt.

9

aa) Richtig ist allerdings, dass den bislang vom Senat entschiedenen Fällen immer das Verlangen nach Zahlung einer Vergütung für solche Tätigkeiten zugrunde lag, die von dem nicht oder noch nicht wirksam bestellten Vormund oder Pfleger auf Verlangen oder mit Billigung des Familiengerichts im Interesse des (vermeintlichen) Mündels oder Pfleglings erbracht worden sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich demgegenüber um Tätigkeiten des späteren Pflegers, die überwiegend - nämlich soweit es die Entgegennahme des [X.] und die Fahrt zum Verpflichtungstermin betrifft - einer wirksamen Bestellung denknotwendig vorgelagert sind.

bb) Auch ein solcher, vor der Bestellung liegender Zeitaufwand des späteren Amtsträgers kann aber mangels gesetzlicher Grundlage nicht vergütet werden (vgl. [X.]/[X.] 3. Aufl. § 1836 Rn. 9; [X.] FamRZ 2018, 553, 563; [X.] FamRZ 2005, 655). Im Übrigen dienen solche Mitwirkungshandlungen im Vorfeld der Bestellung, die - wie insbesondere die Fahrt zum Verpflichtungstermin vor dem Rechtspfleger - unmittelbar auf die wirksame Übernahme des Amts abzielen, bei einem berufsmäßig tätigen Pfleger auch den eigenen Vergütungsinteressen. Die damit verbundenen [X.] können als berufsbedingte Aufwendungen angesehen werden, die es dem [X.] ermöglichen sollen, überhaupt erst Einkommen durch die Übernahme einer Pflegschaft zu erzielen (vgl. auch [X.], 1533, 1534). Es verstößt deshalb entgegen der Auffassung des [X.] auch nicht gegen [X.] und Glauben (§ 242 BGB), dem Pfleger eine Vergütung für die der Bestellung notwendigerweise vorgelagerten Tätigkeiten zu versagen.

3. Dem Beteiligten zu 2 steht somit auf der Grundlage seines im Übrigen nicht beanstandeten [X.] vom 17. November 2016 eine Vergütung in Höhe von 386,33 € (669/60 x 33,50 € = 373,53 € Vergütung nach Zeitaufwand + 12,80 € Auslagen) zu.

4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose     

      

Günter     

      

Nedden-Boeger

      

Botur     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZB 627/17

15.01.2020

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 22. September 2017, Az: 8 WF 2/17

§ 1789 S 1 BGB, § 1836 Abs 1 BGB, § 1915 Abs 1 S 1 BGB, § 3 VBVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.01.2020, Az. XII ZB 627/17 (REWIS RS 2020, 621)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 372-373 REWIS RS 2020, 621

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 436/17

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