Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2000, Az. 3 StR 67/00

3. Strafsenat | REWIS RS 2000, 2926

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[X.]/00vom8. März 2000in der Strafsachegegenwegen gefährlicher Körperverletzung- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 8. März 2000 gemäß § 349Abs. 4 StPO beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. August 1999 mit den Feststellungenaufgehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkam-mer des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt unddie Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die auf dieVerletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.1. Der Angeklagte, seine Lebensgefährtin und zwei weitere Frauen [X.] nach dem Besuch mehrerer Kneipen in der [X.] die [X.] hinunter, als ihnen der erheblich alkoholisierte Zeuge [X.], dersich in Begleitung von sechs Personen befand, entgegen kam. Der Zeugepackte die Lebensgefährtin des Angeklagten kurz am [X.]. Unklar geblie-ben ist, ob, was der Angeklagte gesehen haben will, er diese auch am [X.] hat. Aus Wut schlug der Angeklagte dem Zeugen in den Nacken oderpackte ihn am Kragen; er ließ von ihm ab, als drei Begleiter des Zeugen, derenbis dahin fröhliche Stimmung in Aggression und Streitlust umgeschlagen [X.] 3 -in drohender Haltung auf ihn zukamen. Der Angeklagte, der diese Aggressionsofort bemerkte, entfernte sich. Nunmehr beschloß der Zeuge [X.] sowiedrei seiner Begleiter, das Verhalten des Angeklagten nicht ungestraft zu [X.]. Sie folgten dem Angeklagten und den drei Frauen, die alsbald [X.]. Der Angeklagte sah die vier Männer auf sich zurennen. "[X.] zu ergreifen" - so das [X.] ([X.]) -, forderte er die [X.] auf, sich in Sicherheit zu bringen; er selbst war mit einer körperlichen Aus-einandersetzung einverstanden. Die Gelegenheit schien ihm günstig, den Zeu-gen [X.] wegen dessen Aktion gegen seine Lebensgefährtin zu bestrafen.Einem möglichen Streit sah er gelassen entgegen, hatte er doch ein Klapp-messer mit einer Klingenlänge von 8 cm und einer Breite von 4 cm bei sich.Bevor der Angeklagte allerdings von sich aus aktiv werden konnte, schlug [X.] der Begleiter des Zeugen von hinten eine Bierflasche auf den Hinterkopf,die dabei zerbrach. Gleichzeitig erhielt er einen Tritt, so daß er zu Boden ging.Es kam nun zu einer Schlägerei zwischen den beiden Gruppen, an denen sichauch die Frauen beteiligten; diese entfernten sich dann.Zwischenzeitlich hatte der am Boden liegende Angeklagte sein Messergezogen, war aufgestanden, hielt es in drohender Haltung gegen die [X.] den Zeugen [X.] und schwang es vom Körper entfernt in weiten [X.] links nach rechts hin und her, um die ihn Bedrohenden von sich [X.]. Einer der Begleiter des Zeugen [X.] hatte sich entfernt, zwei andere,die Zeugen [X.]und [X.], blieben "in respektvoller Entfernung" stehen undversuchten, den Zeugen [X.] vom Angeklagten wegzuziehen. Sie habenspäter ausgesagt, die eigentliche Aggression sei von [X.] und ihnen [X.], sie hätten aufgrund ihres eigenen Verhaltens Verständnis für den Ein-satz des Messers seitens des Angeklagten [X.] 4 -In dieser Situation ging der Zeuge [X.] nun in wütender und aggressi-ver Stimmung auf den Angeklagten zu. Der Angeklagte, der sah, daß [X.]keine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug bei sich hatte, schwang [X.], um [X.] auf Abstand zu halten. Da dieser trotzdem weiter [X.] Angeklagten zukam, erlitt er fünf Schnittverletzungen.Gleichwohl ging er noch weiter auf den Angeklagten zu. "Wut und [X.] in dem Angeklagten hoch, war [X.] doch derjenige, der seine Freun-din 'unsittlich' angefasst hatte und sich nunmehr auch noch mit ihm - dem [X.] - schlagen wollte. Getragen von dieser Wut wollte er dem [X.]einen Denkzettel verpassen. Bevor [X.] von sich aus irgendeine [X.] gegen den Angeklagten ausführte, holte dieser mit dem Messer in [X.] Hand aus und versetzte dem ihm gegenüber stehenden [X.] einengezielten und wuchtigen Stich in den linken Oberbauch. Das Messer drang ca.4 cm durch das Bauchfettgewebe in den Körper des [X.] ein und durchstachden Darm" ([X.], 13). Der Zeuge wurde alsbald mit lebensgefährlicherDarmperforation in ein Krankenhaus eingeliefert, notfallmäßig operiert, undseine Schnittverletzungen wurden genäht.Das [X.] hat eine [X.] sowohl hinsichtlich der [X.] als auch bezüglich des [X.] verneint. Der Ange-klagte habe genügend [X.] gehabt, zusammen mit den drei Frauen wegzuren-nen und so der kommenden Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. [X.] er nicht getan. Vielmehr habe er sich wütend und erbost auf die körperli-che Auseinandersetzung eingelassen, um die Gelegenheit zu nutzen, [X.] zu bestrafen. Der eigentliche unmittelbare Angriff mit der Bierflasche sei abge-schlossen gewesen, als [X.] auf den Angeklagten zugegangen sei. "Mag der- 5 -Zeuge auch die Absicht gehabt haben, sich - vom Messer des Angeklagtenunbeeindruckt - mit diesem zu schlagen", habe doch kein Angriff auf ein ge-schütztes Rechtsgut des Angeklagten unmittelbar bevorgestanden. Der "unbe-waffnete [X.] habe weder den Arm zum Schlag erhoben, noch eine sonstigekörperliche Aktion gegen den Angeklagten ausgeführt" ([X.]). Bei [X.] sei ein künftiger Angriff durch [X.] "möglicherweise zu erwarten,die gerechtfertigte Notwehrhandlung (sei) zu dieser [X.] aber noch nicht mög-lich" ([X.]) gewesen.2. Die Ansicht des [X.], schon die fünf Schnittverletzungen [X.] nicht durch Notwehr gerechtfertigt, begegnet rechtlichen Bedenken. [X.] liegt insoweit eine zu enge Auffassung vom Umfang des Notwehrrechtszugrunde.Nach den Feststellungen stand dem Angeklagten unmittelbar einrechtswidriger Angriff durch den Zeugen [X.] bevor. Die der Tat vor[X.]e körperliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Gruppen warbeendet. Mindestens der Zeuge [X.] und noch zwei seiner Begleiter [X.] in feindseliger Absicht auf den Angeklagten zu. Der Zeuge [X.] ließ sichauch durch die Messerschwünge nicht abhalten, weiter auf den [X.]. Entgegen der Auffassung des [X.] war jetzt nicht nur "einkünftiger Angriff möglicherweise zu erwarten", sondern gegenwärtig. Das [X.] des [X.] konnte unmittelbar in eine Rechtsgutverletzung umschlagen,so daß durch das Hinausschieben einer Abwehrhandlung dessen Erfolg [X.] gestellt wäre (vgl. BGHR StGB § 32 II Angriff 1). Der Einsatz des [X.] war unter den gegebenen Umständen auch erforderlich, da er die soforti-ge Beseitigung des Angriffs des [X.] erwarten ließ (vgl. BGHSt 27, 336;- 6 -BGH NStZ 1996, 29; BGHR StGB § 32 II Verteidigung 4); er war in der [X.] im Abstand vor dem Körper Hin- und [X.] auch - im [X.] sofortigen Zustechen - das schonendere Mittel zur Erreichung des [X.]. Auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang brauchte sich der Ange-klagte nicht einzulassen (vgl. BGHR StGB § 32 II Erforderlichkeit 6).Darauf, daß [X.] unbewaffnet war und den Arm noch nicht [X.] erhoben hatte, kommt es angesichts der unmittelbaren [X.] der drohenden Haltung des Zeugen [X.] und seiner Begleiter, denender Angeklagte alleine gegenüberstand, nicht an.Der Angeklagte war auch - weder vor Beginn der Schlägerei, als [X.] um den Zeugen [X.] auf ihn und die drei Frauen zurannte, noch,nachdem er von der Bierflasche getroffen zu Boden gestürzt war, sich erhobenhatte und erneut [X.] und seine Begleiter in drohender Haltung auf sich [X.] sah - nicht gehalten, "selbst die Flucht zu ergreifen" ([X.], 34)und "wegzurennen" ([X.]). Seiner Abwehrhandlung war kein schuldhaftprovozierter Angriff seinerseits vorausgegangen (vgl. BGHSt 39, 374m.w.Nachw.), so daß er nicht verpflichtet war, dem Angriff auszuweichen. DerZeuge [X.] war nach den getroffenen Feststellungen auch nicht so betrun-ken, als daß unter diesem Gesichtspunkt das Notwehrrecht des [X.] gewesen wäre.Der Angeklagte handelte auch mit Verteidigungswillen. Zwar schien [X.] vor dem Beginn der körperlichen Auseinandersetzung die Gele-genheit, den Zeugen [X.] für dessen Verhalten zu bestrafen, günstig und [X.] auf sein Messer sah er auch einem Streit trotz der [X.] der Angreifer gelassen entgegen. Der [X.] hatte [X.] später in der konkreten Situation nach den getroffenen Feststellungennur noch den Zweck, zunächst die Gruppe um [X.] und dann diesen alleinvon sich fernzuhalten. Selbst wenn er in diesem Augenblick immer noch imSinn gehabt haben sollte, den Zeugen [X.] zu bestrafen, so drängte [X.] den [X.] nicht völlig in den Hintergrund (vgl. [X.], 29, 30).3. Soweit das [X.] auch bei dem anschließenden Bauchsticheine [X.] verneint hat (vgl. BGHSt 42, 97; BGHR StGB § 32 II Vertei-digung 6), kann der [X.] nicht ausschließen, daß die rechtsfehlerhafte Beur-teilung des ersten Tatkomplexes auch die Bewertung dieses Tatgeschehensbeeinflußt hat. Im Hinblick auf die Feststellung, daß der Angeklagte aus [X.] um dem Zeugen einen Denkzettel zu verpassen, zugestochen hat, läßt [X.] zudem eine Prüfung vermissen, ob der Angeklagte daneben auch nochmit Verteidigungswillen gehandelt hat. Denn eine Tat kann auch dann durchNotwehr gerechtfertigt sein, wenn der Täter neben der Abwehr noch andere- 8 -Ziele verfolgt, solange sie den [X.] nicht völlig in den Hinter-grund drängen; das gilt auch, wenn Wut bei der Tat eine Rolle spielt ([X.] 1996, 29, 30 m.w.[X.] Miebach [X.] von [X.]

Meta

3 StR 67/00

08.03.2000

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2000, Az. 3 StR 67/00 (REWIS RS 2000, 2926)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2926

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