Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2016, Az. 2 StR 223/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 13988

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[X.]:[X.]:BGH:2016:230316U2STR223.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR
223/15

vom
23. März
2016
in der Strafsache
gegen

wegen versuchter Strafvereitelung

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 23. März 2016, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. [X.],

[X.] am [X.]
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],

Staatsanwalt
beim [X.]

in der Verhandlung,
[X.] beim [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht
erkannt:

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-
1. Auf die Revision des Angeklagten I.

wird das Urteil des [X.] vom 22. Dezember 2014, soweit es ihn betrifft,
mit den Feststellungen
auf-gehoben.

2. [X.] wird zu neuer Verhandlung und Entschei-
dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hatte
den Angeklagten
I.

mit Urteil vom 3.
Juni 2013 wegen versuchter Strafvereitelung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe und den Mitangeklagten K.

wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Auf die Revision beider Angeklagter
hat
der [X.] mit Be-schluss vom 3.
April 2014 das Urteil in vollem Umfang aufgehoben. Das Land-gericht hat nunmehr den Mitangeklagten K.

freigesprochen und den Ange-klagten I.

wegen versuchter Strafvereitelung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.

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I.

1. Nach den Feststellungen des [X.]s gerieten der Angeklagte I.

und
der
Mitangeklagte K.

mit dem später Geschädigten Kü.

sowie zwei weiteren zu ihm gehörenden Personen, der Zeugin A.

und dem Zeugen [X.]

, am 30. September 2012 in einen Streit, der zu wechsel-seitigen Beleidigungen führte. Dabei standen sich der Mitangeklagte K.

und der Geschädigte einerseits und der Angeklagte I.

und der Zeuge [X.]

andererseits gegenüber. Im Verlauf der Streitigkeit erhob der [X.] eine von ihm bei sich geführte Bierflasche drohend gegenüber dem [X.]

, der

für die Beteiligten unbemerkt

ein Einhandmesser gezogen hatte und dieses geöffnet in seiner rechten Hand hielt.

Der Geschädigte schlug dem Mitangeklagten K.

sodann ins Ge-
sicht, worauf sich beide gegenseitig an den Oberarmen griffen und stehend miteinander rangen. Im Verlaufe der Rangelei kamen beide zu Fall, setzten ihre Auseinandersetzung aber am Boden fort. Der Angeklagte führte das Messer nunmehr in Richtung des später Geschädigten, wobei nicht festgestellt werden konnte, dass er ihn dadurch zielgerichtet im Kopf-
und Halsbereich verletzen wollte. Dem Geschädigten gelang es, die rechte Hand des Mitangeklagten K.

zu ergreifen und festzuhalten. Da der Mitangeklagte K.

jedoch mit seiner linken Hand in das Gesicht des Geschädigten griff, biss
ihm dieser aus Angst vor Stichen in den Ringfinger der linken Hand. Zeitgleich oder unmittelbar auf den Biss folgend versetzte der Angeklagte dem weiter auf dem Boden lie-genden Geschädigten mit dem Messer zwei Stiche in den Bereich des linken Mittelbauchs, wobei er den Tod des Opfers billigend in Kauf nahm. Schon zu einem Zeitpunkt, als die Beteiligten noch im Stehen miteinander rangen, war der Zeuge S.

, der als Passant mit seinem Fahrzeug an dem Gesche-2
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hen vorbeigefahren und darauf aufmerksam geworden war, hinzugetreten. Er
hörte von einer Frauenstimme, dass der Mitangeklagte K.

ein Messer ha-be, woraufhin er eine von ihm mitgeführte pistolenähnliche Anscheinswaffe aus seinem Auto holte, auf den Mitangeklagten K.

richtete und ihn lautstark zum Aufhören aufforderte. Dieser erhob sich und verließ

das [X.] [X.] in der Hand haltend

den
Tatort. Aufforderungen zum Stehenbleiben kam er nicht nach. Er ging zu dem wenige Meter entfernt stehenden Angeklagten I.

und übergab ihm schnell und wortlos das noch aufgeklappte Messer.

Während dieses
Geschehens gab es auch eine körperliche Auseinan-dersetzung zwischen dem Angeklagten I.

und dem Zeugen [X.]

, des-sen genauer Verlauf nicht festgestellt werden konnte. Der Kampf fand in [X.] Nähe zu dem eigentlichen Tatgeschehen statt, in dessen [X.] sich der Angeklagte I.

einige Meter vom Tatort entfernte, wo er auch das [X.] entgegennahm. Dabei erkannte er, dass es sich bei dem blutigen Messer um das Tatwerkzeug handelte. Er verließ den Tatort und entsorgte in der Folgezeit das Messer, um den Mitangeklagten K.

zu entlasten und ihn einer späteren Strafverfolgung zu entziehen.

2. Das [X.] hat den Mitangeklagten K.

freigesprochen, weil dieser in Ansehung des Bisses in den Finger in Notwehr gehandelt habe. Den Angeklagten I.

hat es wegen (untauglichen) Versuchs der Strafvereite-lung zu Gunsten des Mitangeklagten K.

verurteilt. Dass dieser bei der Ent-
gegennahme des Messers und dessen anschließender Entsorgung erkannt
habe, dass der Mitangeklagte in Notwehr gehandelt habe, sei nicht ersichtlich.

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II.

Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Die Beweiswürdigung des [X.]s zum Vorstellungsbild des Angeklagten bei der Entgegennahme und Entsorgung des [X.]s weist Rechtsfehler zum Nachteil des Ange-klagten auf; sie ist lückenhaft.

1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte in der Absicht, den Mitangeklagten zu entlasten und ihn einer späte-ren Strafverfolgung zu entziehen (UA S.
11, 50). Nicht
erkennbar erwogen hat die Strafkammer, ob der Angeklagte nicht zumindest auch seine eigene Bestra-fung vereiteln wollte und deshalb gemäß §
258 Abs.
5 StGB nicht zu bestrafen wäre. Für eine entsprechende Erörterung hätte hier Anlass bestanden, insbe-sondere
vor dem Hintergrund,
dass der [X.] auch ein-greift, wenn der Täter lediglich irrig annimmt, er sei Beteiligter der Vortat, und daher die Befürchtung eigener Strafverfolgung unbegründet ist (vgl. [X.], StGB, 63.
Aufl., §
258 Rn.
34 m.
N. zur Rspr.).

Eine solche Vorstellung mit einer daran anknüpfenden Absicht der Selbstbegünstigung liegt hier nicht fern, weil die tätlichen Auseinandersetzun-gen aus der zunächst verbal geführten Auseinandersetzung zweier Gruppen resultierten und der genaue Ablauf unter Beteiligung der Angeklagten
nicht hin-reichend sicher aufgeklärt werden konnte (UA S.
11). Aus Sicht des Angeklag-ten könnte die Befürchtung entstanden sein, Angriffe des
Mitangeklagten wür-den ihm zugerechnet oder er sei sonst strafrechtlich (mit-)verantwortlich. Selbst wenn der Angeklagte entsprechend seiner Einlassung von einem nicht strafba-ren Verhalten des
Mitangeklagten ausgegangen sein sollte, könnte er ange-nommen haben, dass die Beweislage ungünstig ist und deshalb ein

aus sei-6
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7
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ner Sicht ungerechtfertigter

Verdacht auch im Hinblick auf eine eigene Betei-
ligung an dem Tatgeschehen, entsteht oder verstärkt wird, dem er durch die Entsorgung des Messers entgegenwirken wollte.

2. Auf diesem
Rechtsfehler beruht auch die angefochtene
Entscheidung. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei lückenloser Wür-digung zu einer für den Angeklagten günstigeren Entscheidung gekommen und den Angeklagten freigesprochen hätte. [X.] bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Es ist möglich, dass in einer neuen Hauptverhandlung [X.] getroffen werden können, die zu einer Verurteilung des Angeklagten führen. Der [X.] verweist die Sache an das mit ausreichender Strafgewalt ausgestattete [X.] zurück

354 Abs.
3 StPO).

[X.] [X.] Eschelbach

[X.] R'inBGH Dr. [X.] ist

an der Unterschriftsleistung

gehindert.

[X.]
9

Meta

2 StR 223/15

23.03.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2016, Az. 2 StR 223/15 (REWIS RS 2016, 13988)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13988

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