Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2003, Az. 1 StR 403/02

1. Strafsenat | REWIS RS 2003, 4445

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

Nachschlagewerk: ja[X.]St: [X.]: [X.] § 211 Abs. 2, § 321. [X.] ist in einer von ihm gesuchten Konfrontation mit dem [X.] gegenüber einem wehrenden Gegenangriff des [X.]n auf sein Le-ben regelmäßig nicht arglos im Sinne des [X.] der Heimtücke,wenn er in dessen Angesicht im Begriff ist, seine Tat zu vollenden und zubeenden und damit den endgültigen [X.] auf Seiten des Er-preßten zu bewirken.2. Zur Notwehr gegen eine Erpressung.[X.], [X.]eil vom 12. Februar 2003 - 1 [X.] - [X.] NAMEN DES VOLKESURTEIL1 [X.]vom12. Februar 2003in der [X.] des [X.] hat aufgrund der Verhandlung [X.] 2003 in der Sitzung vom 12. Februar 2003, an denen teilgenom-men haben:[X.] am [X.] [X.] am [X.]. Wahl,[X.],[X.],[X.]in am [X.],[X.] als Vertreter der [X.]schaft,Rechtsanwalt - in der Verhandlung am 11. Februar 2003 -,Rechtsanwalt - in der Sitzung vom 12. Februar 2003 - als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 4 -Auf die Revision des Angeklagten wird das [X.]eil des [X.] vom 15. März 2002 mit den Feststellungenaufgehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurge-richt zuständige [X.] des [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.] zu [X.] Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit [X.] Erfolg. Die Annahme der [X.], der Angeklagte [X.] gehandelt, ist ebenso rechtsfehlerhaft wie die Verneinung einerNotwehrlage. Zudem weisen die weiteren Ausführungen der [X.] einer etwaigen Rechtfertigung des Angeklagten und zur inneren TatseiteErörterungsmängel auf.I.Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen hatte der spätervom Angeklagten getötete [X.] diesem in Teilbeträgen 6.000 [X.]. Er hatte ihm gedroht, ihm im [X.] wegen seines Han-- 5 -dels mit sog. Raubpressungen von Kompaktschallplatten ([X.]) Schwierigkei-ten bei der Polizei zu bereiten und ihn von Freunden zusammenschlagen zulassen. Beide, [X.]und der Angeklagte, waren miteinander bekannt und [X.]n oft persönlichen Kontakt. Als der Angeklagte am Tattage morgens [X.] indessen Wohnung besuchte, verlangte dieser weitere 1.000 DM. [X.]drohteihm erneut mit einer Anzeige wegen seiner illegalen Geschäfte. Um den Ange-klagten zur Zahlung zu veranlassen, rief [X.] über die Notrufnummer die Po-lizei an, um "einen Termin" zu vereinbaren. Er kündigte überdies an, er [X.] das Geld von ihm eintreiben. Der Angeklagte ließ sich [X.] zur Zahlung bewegen und verließ schließlich [X.]s Wohnung.Abends suchte [X.] in Begleitung eines gewissen [X.]. den [X.] in dessen Wohnung auf. Der Angeklagte ließ beide ein. Während[X.]. Proviant und eine Flasche Wodka besorgte, stritten der Angeklagteund [X.] lautstark miteinander. [X.] hielt dem Angeklagten vor, daß er seitdrei Jahren von Sozialhilfe lebe und daneben illegal [X.] verkaufe. Er fordertenunmehr vom Angeklagten die Zahlung von 5.000 DM. Nach [X.]. [X.] tranken die drei Anwesenden schließlich - am Wohnzimmertisch sit-zend - drei Viertel des Inhalts einer Flasche Wodka, der Angeklagte indessenlediglich etwa 0,2 cl. Als der Angeklagte auch auf [X.]s erneute, nun höhereForderung nicht einging und diese ablehnte, drohte [X.] , die Wohnzimmer-einrichtung zu zerstören. Der Angeklagte bot [X.] darauf die Übergabe [X.] an, die er in der Wohnung habe. Dies war [X.] jedoch zu wenig; erbestand auf der Zahlung von 5.000 DM und drohte im weiteren Verlauf erneutmit Polizei und Finanzamt sowie der Zerstörung der Sachen in der Wohnungoder aber der Mitnahme von Gegenständen im Wert von 5.000 DM. [X.] [X.], gegen die CD-Sammlung des Angeklagten zu treten. Der Ange-klagte erklärte sich daraufhin bereit, den geforderten Betrag zu zahlen, wenn- 6 -[X.]"seine Sachen in Ruhe ließe". Er ging ins Badezimmer seiner "Einraum-wohnung mit offenem Küchenbereich" und holte dort eine Plastiktüte aus einemVersteck, in der sich 5.000 DM und 500 US-Dollar befanden. Zurück im [X.] überließ er [X.]. die Tüte. Die [X.] vermochte nicht zuklären, ob [X.]. dem Angeklagten die Tüte aus der Hand riß oder ob [X.] sie an [X.]. übergab.[X.] stand zu diesem Zeitpunkt mit den [X.] in den Hosentaschenim Wohnzimmer. Völlig überraschend für ihn, der "keinerlei Angriff erwartete",trat der Angeklagte hinter ihn, um ihn zu töten. Er war wütend darüber, daß[X.] ihm das angesparte Geld wegnehmen wollte; er mochte sich von [X.]nicht seine Existenz zerstören lassen. [X.] riß er den Kopf [X.]s zu-rück, schlug ihm mehrfach auf denselben und schnitt [X.] mit einem aus [X.] gezogenen feststehenden, einseitig geschliffenen Küchenmessermit einer Klingenlänge von 5,8 cm sofort mehrfach von links nach rechts durchden Hals. Dabei fügte er [X.] mehrere bis auf die Wirbelsäule reichendeSchnittverletzungen zu. [X.]brach zusammen und verstarb umgehend. [X.] überraschte [X.]. rannte unter Mitnahme des Geldes aus [X.]. Er wurde später aufgrund seines [X.] wegen Erpressung zufünf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt ([X.]). Bei dem trinkgewohnten [X.]bestand zum Todeszeitpunkt eine hochgradige Alkoholbeeinflussung. [X.] lag zwischen 3,03 und 3,26 Promille. Die [X.] geht davon aus, daß [X.], der als —laut, nervig, sich [X.] charakterisiert wird ([X.]), auch von anderen Personen Geldbe-träge —gefordertfi hatte, ohne —hierauf einen Anspruch zu habenfi ([X.] -II.Der Schuldspruch wegen Mordes kann von Rechts wegen keinen [X.] haben.Das [X.] hält die Tötungshandlung des Angeklagten für heim-tückisch (§ 211 Abs. 2 StGB). [X.]sei zum Zeitpunkt der [X.] arglos gewesen; er habe sich keines Angriffs versehen. Der Streitzwischen beiden sei beendet gewesen, als der Angeklagte der Forderung [X.]s nachgegeben und das Geld herbeigeholt habe. Der Angeklagte habe sichdeshalb auch nicht mehr in einer Notwehrsituation befunden (§ 32 StGB). DerAngriff [X.]s, der seiner Geldforderung mit einem Fußtritt gegen die CD-Sammlung des Angeklagten Nachdruck verliehen habe, sei abgeschlossengewesen, als der Angeklagte der Forderung [X.]s nachgekommen sei.Beide Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der An-nahme heimtückischen Handelns des Angeklagten steht hier entgegen, daß[X.]wegen seines erpresserischen Angriffs mit Gegenwehr des objektiv nochin einer Notwehrlage befindlichen Angeklagten rechnen mußte und [X.] gänzlich arglos sein konnte.1. Die Notwehrlage bestand für den Angeklagten während seiner Messe-rattacke auf [X.]noch fort. [X.]s erpresserischer Angriff auf das [X.] Angeklagten war noch "gegenwärtig" im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB. [X.] zwar vollendet, aber noch nicht beendet; denn die Beute war noch nichtgesichert (vgl. [X.] bei [X.] 1979, 985; siehe weiter [X.]St 27, 336,339; [X.] NJW 1979, 2053; [X.], 82, 84; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB 26. Aufl. § 32 Rdn. 13, 15; [X.]/[X.] StGB 24. Aufl. § 32- 8 -Rdn. 4). Notwehr ist nicht darauf beschränkt, die Verwirklichung der gesetzli-chen Merkmale des Tatbestandes abzuwenden. Sie ist zum Schutz gegen [X.] auf ein bestimmtes Rechtsgut zugelassen. Dieser Angriff kann trotzVollendung des Delikts noch fortdauern und deshalb noch gegenwärtig sein,solange die Gefahr, die daraus für das bedrohte Rechtsgut erwächst, [X.] noch abgewendet werden kann oder bis sie umgekehrt endgültig in [X.] umgeschlagen ist. Nur im Falle des endgültigen Verlustes handelt essich etwa bei einem Angriff auf Eigentum und Besitz beweglicher Sachen fürden Berechtigten nicht mehr um die Erhaltung der Sachherrschaft, sondern umderen Wiedererlangung, für die Gewaltanwendung jedenfalls nicht mehr unterdem Gesichtspunkt der Notwehr zugelassen ist (so schon [X.], 82, 84).2. Die fortbestehende Notwehrlage bleibt - unbeschadet der [X.] (siehe unten unter [X.]) - [X.] der vorliegenden Art nicht ohne Auswirkungen auf die Beantwortung [X.] heimtückischen Handelns (§ 211 Abs. 2 StGB) des sich zur Wehr set-zenden Opfers der Erpressung, des Angeklagten:Heimtücke setzt unter anderem die Ausnutzung der [X.]igkeit [X.] voraus (vgl. nur [X.]St 32, 382, 388). [X.] ist in der vonihm gesuchten Konfrontation mit dem [X.]n im Blick auf einen etwaigenwehrenden Gegenangriff des Opfers auf sein Leben jedoch nicht arglos, wenner in dessen Angesicht im Begriff ist, seine Tat zu vollenden und zu [X.] damit den endgültigen [X.] auf Seiten des [X.]n zu be-wirken. Das sich wehrende Erpressungsopfer handelt in einem solchen Fallemithin in aller Regel nicht heimtückisch.[X.] in dem bei heimtückischer Begehungsweise [X.] ist der Getötete dann, wenn er nicht mit einem gegen seine körperliche- 9 -Unversehrtheit gerichteten erheblichen, geschweige denn mit einem lebensbe-drohlichen Angriff rechnet. Diese [X.]igkeit kann aus [X.] entfallen. [X.]ßgeblich sind [X.]eils die Umstände des konkreten Fal-les. Die Frage, ob ein Mensch arglos ist, beurteilt sich grundsätzlich nach [X.] tatsächlich vorhandenen Einsicht in das Vorhandensein einer Gefahr. [X.] einen tätlichen Angriff (hier: Gegenangriff) in Rechnung gestellt hat, kannsich allein schon aus seinem eigenen vorausgegangenen Verhalten ergeben([X.]R StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; vgl. weiter [X.]St 20, 301, 302; 33,363, 365; [X.] NJW 1980, 792; [X.], 235). Ist in einem Fall wie dem [X.] eine Notwehrlage aufgrund eines gegenwärtigen rechtswidrigen er-presserischen Angriffs durch den später Getöteten gegeben, der aktuell nichtnur im Fortwirken einer erpressungstypischen Dauergefahr besteht ([X.], etwa durch Setzen einer Fristzur Zahlung unter Übelsandrohung), sondern darüber hinaus in einer konkre-ten Tathandlung im Angesicht des Opfers, die unmittelbar die Verletzung einesbeachtlichen Rechtsguts des Opfers besorgen läßt, so gilt: Es ist regelmäßigder Angreifer, der durch sein Verhalten einen schützenden oder trutzwehren-den Gegenangriff herausfordert, mag dieser sich nun im Rahmen des durchNotwehr [X.] halten oder deren Grenzen überschreiten. Für dieFrage der [X.]igkeit ist letzteres unerheblich. Mit seinem konkreten [X.] das spätere Opfer des Gegenangriffs in aller Regel seine [X.]igkeit be-reits zuvor verloren. Er ist der wirkliche Angreifer. Dem Angegriffenen gestehtdie Rechtsordnung das [X.] zu. Mit dessen Ausübung muß jeder [X.] in solcher Lage grundsätzlich rechnen. Das ist von der strafrechtlichenWerteordnung und damit normativ prägend vorgegeben. Dem entspricht, daßdas [X.] generell im Rechtsbewußtsein der Bevölkerung tief verwur-- 10 -zelt ist. [X.] ist deshalb unter den hier gegebenen Umständen regel-mäßig nicht gänzlich arglos (vgl. [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13).Das Mordmerkmal der Heimtücke ist einer solchen, auch normativ [X.] einschränkenden Auslegung zugänglich. Diese gründet mit darin, daßder Gegenwehr hier ersichtlich nicht das Tückische in einem [X.]ße innewohnt,welches den gesteigerten Unwert dieses [X.] kennzeichnet (vgl.[X.]R StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13). Es gilt zudem, einen Wertungs-gleichklang mit dem [X.] zu gewährleisten. Gerade für ein zunächstunterlegenes Opfer kann es sich als unausweichlich erweisen, gegenüber demüberlegenen Rechtsbrecher, der gar noch von einem Tatteilnehmer unterstütztwird, bei der Verteidigung einen Überraschungseffekt auszunutzen, soll [X.] überhaupt Aussicht auf Erfolg haben. Unter solchen Umständen [X.] es bei wertender Betrachtung nicht systemgerecht, dem sich wehren-den Opfer, wenn es in der gegebenen Lage - in der Regel plötzlich - in [X.] der erforderlichen und gebotenen Verteidigung gerät oder garexzessiv handelt, das Risiko aufzulasten, bei Überschreitung der rechtlichenGrenzen der Rechtfertigung oder auch der Entschuldigung sogleich das Mord-merkmal der Heimtücke zu verwirklichen.Der [X.] läßt offen, ob gleichwohl unter besonderen Umständen Fall-gestaltungen denkbar sind, bei denen ausnahmsweise eine [X.]igkeit [X.] tragfähig festgestellt werden kann, obgleich dieser im [X.] Opfers eine Tathandlung verwirklicht und im Begriff ist, seine Tat zuvollenden und den endgültigen Verlust des Rechtsguts des [X.]n zu be-wirken. Solche besonderen Umstände sind hier weder den [X.]eilsgründen zuentnehmen noch sind sie sonst angesichts der Rahmenbedingungen [X.] -Der danach anzunehmende Argwohn des später getöteten [X.]wirdnicht dadurch in Frage gestellt, daß er den Feststellungen zufolge von [X.] "überrascht" war und diesen nicht erwartet [X.]. Das belegt lediglich, daß er die Aussichten falsch eingeschätzt hat, seinenRechtsbruch ohne Gegenwehr zu Ende führen zu können; seine [X.]igkeithatte er - mangels entgegenstehender Umstände - bereits mit seinem (erneu-ten) [X.] in dessen Angesicht verloren.Dem steht nicht entgegen, daß er sich auch in der Gefährlichkeit eines mögli-cherweise zu erwartenden Gegenangriffs verschätzt haben mag, weil er biszuletzt wohl die Bewaffnung des Angeklagten mit einem kleinen Messer nichtbemerkt hatte (ebenso [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13). Nach allemgilt: [X.] der später Getötete wegen seines eigenen gegenwärtigen rechtswid-rigen erpresserischen Angriffs nicht gänzlich seine [X.]igkeit gegenüber derMöglichkeit eines körperlichen (schutz- oder trutzwehrenden) [X.], so fehlt es an der Heimtücke selbst dann, wenn der sich Wehrende [X.] bewußt ausnutzt.3. Der Schuldspruch wegen Mordes unterliegt danach schon aus dengenannten Gründen der Aufhebung. Es kommt deswegen nicht mehr darauf an,daß die [X.] auch das Bewußtsein des Angeklagten nicht hinreichenddargetan hat, einen durch seine etwaige Ahnungslosigkeit gegenüber einemGegenangriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. zum sog. [X.] nur [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 9, 11, 26).Der [X.] stellt allerdings klar, daß in den Fällen der Erpressung, in [X.] Drohung als sog. Dauergefahr zwischen einzelnen Angriffsakten des [X.] auf die Willensentschließungsfreiheit des Opfers als gegenwärtig im Sinnedes Tatbestandes fortwirkt (vgl. dazu [X.]R StGB § 255 Drohung 9; [X.]- 12 -NStZ-RR 1998, 135), eine Tötung des [X.] durch sein Opfer in einer vondiesem, also dem Opfer gesuchten, vorbereiteten Situation sehr wohl [X.] sein kann (siehe etwa [X.] NStZ 1995, 231) und dann auch nicht durchNotwehr gerechtfertigt ist. Sie wäre als Verteidigung jedenfalls nicht geboten(im Sinne des § 32 Abs. 1 StGB). Dem Opfer wäre regelmäßig die Inanspruch-nahme staatlicher Hilfe zuzumuten (vgl. § 154c StPO). In solcher Lage würdeweder das individuelle Schutzinteresse noch das [X.],die das [X.] prägen, eine solche "Verteidigung" tragen (so im Er-gebnis auch [X.] NStZ 1995, 231). [X.]Die von der [X.] angestellten Hilfserwägungen zu einer etwai-gen Rechtfertigung des Angeklagten sowie zur inneren Tatseite leiden an Er-örterungsmängeln, denen der neue Tatrichter Rechnung zu tragen haben wird.1. Die [X.] meint, der Angeklagte habe - eine Notwehrlage un-terstellt - das [X.]ß der objektiv erforderlichen Verteidigung überschritten. [X.] habe "weggehen können", die Polizei rufen können oder [X.], [X.] mit ihm allein war, aus der Wohnung weisen können, "notfalls auch un-ter Einsatz adäquater körperlicher Aktion" ([X.]). Diese Würdigung ist lük-kenhaft und wird den rechtlichen Grundsätzen zur Frage der Erforderlichkeiteiner Verteidigung nicht in jeder Hinsicht gerecht.a) Ein "Weggehen" des Angeklagten aus seiner eigenen Wohnung oderein Herbeirufen der Polizei nach dem etwaigen Verlassen der Wohnung durch[X.]und [X.]. , also ein Abziehenlassen der Erpresser wäre [X.] gegen den rechtswidrigen Angriff mehr gewesen. Daß ein dro-- 13 -hendes, [X.] Vorzeigen des mit kurzer Klinge versehenen Küchenmes-sers sich ebenso wie der Versuch einer "körperlichen Auseinandersetzung" alsaussichtsreiche Verteidigungsmittel erwiesen hätten, versteht sich im Blick aufdie Übermacht zweier Angreifer nicht von selbst. Der trinkgewohnte [X.] warzwar hochgradig alkoholisiert, aber ersichtlich aktionsfähig und [X.]. Zuvor, als der Angeklagte mit [X.]vorübergehend allein war, weil[X.]. Proviant herbeiholte, hatte der Angeklagte versucht, [X.]hinzu-halten. Als die Tat vollendet wurde, sah der Angeklagte sich indessen wiederzwei Angreifern gegenüber. Daß der Versuch einer vom Angeklagten mittelskörperlicher Gewalt geübten Trutzwehr, die Androhung des Einsatzes [X.] oder aber der Versuch des Herbeirufens der Polizei in [X.] Angreifer aussichtsreich gewesen wären, liegt nicht nahe, hätte deshalbder näheren Darlegung bedurft.Hätte der Angeklagte den Einsatz des Messers angedroht oder hätte ersich auf eine körperliche Auseinandersetzung eingelassen, wäre zu [X.], daß er eine Eskalation durch die Angreifer heraufbeschworen hätte.Ein nicht bloß geringes Risiko, daß ein milderes Verteidigungsmittel fehlschlägtund dann keine Gelegenheit mehr für den Einsatz eines stärkeren Verteidi-gungsmittels bleibt, braucht der Angegriffene zur Schonung des [X.] nicht einzugehen. Auf einen Kampf mit ungewissem Ausgangmuß er sich nicht einlassen (vgl. nur [X.] [X.], 143; [X.] NStZ 2001,591, [X.]. m.w.[X.]). Allerdings hat der Verteidigende grundsätzlich, wenn ihmmehrere wirksame Mittel zur Verfügung stehen und er Zeit zur Auswahl und [X.] der Gefährlichkeit hat, dasjenige Mittel zu wählen, das dem [X.] am wenigsten gefährlich ist. Ist der Angreifer unbewaffnet und ihm [X.] des Verteidigers unbekannt, so ist je nach der [X.] grundsätzlich zu verlangen, daß er den Einsatz der Waffe androht,- 14 -ehe er sie lebensgefährlich oder gar gezielt tödlich einsetzt ([X.]St 26, 256,258; [X.] NStZ-RR 1999, 40, 41; NStZ 2001, 591, 592). Diese [X.] wird der neue Tatrichter zu bedenken, seiner Würdigung zugrun-dezulegen und die Auseinandersetzungslage mit den bei lebensnaher [X.]ung in Frage kommenden aussichtsreichen Verteidigungsmöglichkeitenzu erörtern haben.b) In diesem Zusammenhang wird das sog. Kräfteverhältnis zwischendem Angeklagten einerseits sowie [X.] und [X.]. andererseits näherzu bewerten sein. Dafür spielt auch die Aktionsfähigkeit [X.]s eine Rolle.Dieser ging nach den Feststellungen wohl recht zielstrebig vor, obwohl er -freilich trinkgewohnt - eine Blutalkoholkonzentration von drei Promille hatte.Hingegen hat sein Mittäter [X.]. als Zeuge bekundet, [X.] habe auf-grund seiner Alkoholisierung kaum stehen können ([X.] nach der Bewertung der Auseinandersetzungslage und des Kräfte-verhältnisses wird dann möglicherweise zu erwägen sein, ob etwa das [X.] kleinen Messers an den Hals des [X.]mit der Androhung einer massivenkörperlichen Attacke eine aussichtsreiche Verteidigung gewesen wäre. [X.] vom Ergebnis dieser Würdigung könnte sich erweisen, daß der überra-schende Einsatz des Küchenmessers mit dem Ziel der Tötung [X.]s - objek-tiv betrachtet - der einzig sicher erfolgversprechende Weg zur [X.] "[X.]" war. Ob er aber auch aussichtsreich hinsichtlich [X.] war, den endgültigen Verlust des Geldes im gegebenen Zeitpunkt nochabzuwenden, bedarf ebenfalls der Bewertung. Denn auch nach der Tötung [X.]s blieb [X.]. - im Besitz des Geldes - handlungsfähig. Ihm gelang tat-sächlich die Flucht. Das verdeutlicht, daß allein ein Gegenangriff auf [X.]nicht genügen konnte, den Vermögensverlust zu verhindern. Vielmehr war eine- 15 -weitere Verteidigungshandlung vonnöten, um [X.]. an der Flucht mitdem Geld zu hindern. Auch insoweit kommt es auf die konkrete Lage an, insubjektiver Hinsicht zudem darauf, welche Vorstellungen der Angeklagte [X.] zum Verteidigungserfolg seiner Gegenwehr hatte (vgl. [X.]St 45,378, 384; [X.]/[X.] 51. Aufl. § 32 Rdn. 27).2. Die Auffassung des [X.], die Tötung [X.]s sei "völlig un-verhältnismäßig" gewesen, vermag der [X.] nicht zu teilen. Eine Abwägungder betroffenen Rechtsgüter findet bei der Notwehr grundsätzlich nicht statt(anders etwa im [X.] gemäß § 34 StGB; vgl. [X.] NStZ 1996, 29;[X.]/[X.] 32 Rdn. 17). Ein Fall des Mißbrauchs des Notwehr-rechts wegen geringen Gewichts des angegriffenen Rechtsguts stand hier nichtin Rede (sog. Bagatellfälle; vgl. [X.] MDR bei [X.] 1979, 985; [X.]/[X.] 32 Rdn. 20 m.w.[X.]). Es ging bei dem Angriff [X.]s nicht le-diglich um eine etwaige Sachbeschädigung der CD-Sammlung des Angeklag-ten, sondern um die Erpressung eines Bargeldbetrages in Höhe von 5.000 [X.] solcher Ausgangslage gilt der Grundsatz, daß das Recht dem Unrecht nichtzu weichen braucht.3. Die bisherigen Feststellungen und die Würdigung des [X.]tragen schließlich nicht die Annahme, der Angeklagte habe nicht mit Verteidi-gungswillen gehandelt, sondern "Selbstjustiz" geübt. In den Feststellungenhebt die [X.] selbst hervor, daß der Angeklagte "wütend darüber war,daß [X.]ihm das angesparte Geld wegnehmen wollte und er sich von [X.]nicht seine Existenz zerstören lassen wollte" ([X.]). Dies kann darauf hin-deuten, daß der Angeklagte sich jedenfalls auch vom Willen zur Verteidigunggegen den Verlust des Geldes hat leiten lassen. Hinzutretende andere Tatmo-tive schließen den Verteidigungswillen nicht aus. Eine Rechtfertigung kommt- 16 -nach feststehender Rechtsprechung des [X.] auch dann in [X.], wenn neben der Abwehr eines Angriffs auch andere Ziele verfolgt [X.], solange sie den [X.] nicht völlig in den Hintergrund drän-gen (vgl. nur [X.] NStZ 1983, 117; [X.]R StGB § 32 Abs. 2 Verteidigungswille1, [X.]. m.w.[X.]).Die Beweiswürdigung genügt diesem [X.]ßstab nicht. Die [X.]hätte alle bedeutsamen tatsächlichen Umstände und die Einlassungen des [X.] einer eingehenden Bewertung unterziehen müssen, um auf dieserGrundlage seine Beweggründe festzustellen und an den rechtlichen [X.]ßstä-ben zu messen. Die [X.]eilsgründe geben die verschiedenen Äußerungen [X.] während der Ermittlungen zu seinen subjektiven Vorstellungenwieder. Dem Kriminalbeamten [X.]hatte er erklärt, er habe vermeiden wollen,daß [X.]. eingreift, da er [X.] unbedingt habe töten wollen. Er habesich das Geld nicht wegnehmen lassen wollen; ebensowenig andere Sachen,die ihm gehört hätten ([X.]). Beim Ermittlungsrichter hatte er sich dahineingelassen, er sei "sehr böse" gewesen, weil ihm sein angespartes Geld weg-genommen worden sei. Um zukünftig weitere Wegnahmen zu verhindern, [X.] sich zur Tötung [X.]s entschlossen. Das Messer habe er schon [X.] bei sich getragen, weil er befürchtet habe, [X.]könne zur Durchsetzungseiner Geldforderung mit weiteren Personen zu ihm kommen ([X.]). [X.] hatte der Angeklagte erklärt, er habe [X.]"aus Haßheimzahlen" wollen, "was dieser ihm die ganzen Monate vorher angetan [X.] S. 29). Er habe [X.] getötet, weil dieser durch seine ständigen Geldfor-derungen seine Pläne, eigentlich seine ganze Existenz bedroht bzw. kaputtgemacht habe ([X.]). Die [X.] meint, der Angeklagte habe dieunberechtigte Geldforderung [X.]s "für immer unterbinden wollen", indem [X.] tötete. "Aus Wut über den Verlust" des Geldes habe der Angeklagte unter- 17 -Ausnutzung des Überraschungseffekts der Drucksituation ein Ende bereitet.Die Tat beruhe auf dem "normalpsychologischen Motiv" der Wut.Dabei durfte die [X.] nicht stehen bleiben. Sie hätte sich [X.] der Einlassung des Angeklagten, er habe sich - naheliegender Weiseauch aktuell - das Geld nicht wegnehmen lassen wollen, die Frage vorlegenmüssen, ob hier die Wut des Angeklagten, ein Bestreben zur Verhinderungkünftiger, aber noch nicht gegenwärtiger Erpressungen sowie der Wille zur"Bestrafung" für früheres Unrecht (vgl. [X.]) einerseits und der Wille zuraktuellen Verteidigung gegen den Verlust des Geldes andererseits nebenein-ander Beweggrund waren, oder ob die zuerst genannten Motive so stark aus-geprägt waren, daß sie den [X.] völlig in den Hintergrund ge-drängt haben. Daran fehlt es. Im letzten Falle würde Notwehr mangels mitbe-stimmenden Verteidigungswillens ausscheiden. Bei der nunmehr vorzuneh-menden Würdigung wird indes zu beachten sein, daß der sich zur [X.] in einer sich zuspitzenden Situation oft erst durch ein gewisses[X.]ß gleichsam "natürlicher Wut" in den Stand gesetzt wird, seinen [X.] zu fassen und umzusetzen. Andererseits wird auch in diesem [X.] zu würdigen sein, was sich der Angeklagte aus seiner Sicht vonder Tötung [X.] s versprach und versprechen konnte, wenn er den [X.] Geldes zu verhindern trachtete, das [X.]. in [X.] hielt.Die [X.]eilsgründe sind überdies zur Frage des Motivs des [X.]. In ihren Feststellungen geht die [X.] davon aus, [X.] habe sich sein angespartes Geld nicht wegnehmen und sich von[X.]nicht seine Existenz zerstören lassen wollen ([X.]). Bei ihrer rechtli-chen Würdigung hingegen legt sie ein nicht deckungsgleiches Motiv zugrunde:Dort hebt sie hervor, er habe in dem Bestreben gehandelt, [X.]für sein vor-- 18 -angegangenes [X.] zu bestrafen und künftige Forderungen auszuschließen([X.]).4. [X.] wird im Blick auf die bisherigen [X.] die Einlassungen des Angeklagten möglicherweise weiter zu prüfen haben,ob ein Fall der sog. Absichtsprovokation vorliegt: Der Angeklagte könnte [X.] wirksam auf Notwehr berufen, wenn er sich absichtlich oder jedenfallsvorsätzlich in eine erwartete Verteidigungssituation hineinbegeben hätte, umdann [X.] unter dem Vorwand einer objektiven Notwehrlage angreifen und"vernichten" zu können. In einem solchen Fall erwiese sich seine Gegenwehrin Wahrheit als vorgeplanter Angriff auf das Leben [X.]s, rechtsmißbräuch-lich im Gewande der Verteidigung geführt (vgl. nur [X.] NJW 1983, [X.] 2001, 143; vgl. [X.]/[X.] 32 Rdn. 18, 23). In diesem [X.] bedarf es auch einer Bewertung der Äußerung des Angeklagtenim Ermittlungsverfahren, wonach er auch "zukünftige weitere Wegnahmen" ha-be verhindern wollen. Dies kann für sich betrachtet auf den Willen zu einer Art(unerlaubter) "[X.]" hindeuten. Für die tatsächliche Würdigungkann auch eine Rolle spielen (Indizwirkung), daß der Angeklagte [X.] und[X.]. in Kenntnis des wiederkehrenden, vorangegangenen erpresseri-schen Verhaltens [X.]s und von dessen Ankündigung am Vormittag in seineWohnung einließ. Die Tatsache, daß und wann der Angeklagte sich mit einemkleinen Küchenmesser bewaffnet hatte, kann im Gesamtzusammenhang [X.] für den Schluß auf seine Beweggründe bedeutsam sein. [X.] nicht entgegen, daß es im Grundsatz dem Notwehrübenden nicht anlast-bar ist, wenn er sich für den Fall einer ihm aufgezwungenen [X.] bewaffnet. Auch der Stellenwert der Äußerung, er habe [X.]unbedingttöten wollen, ist in ihrer Bedeutung für die Motivlage zu beurteilen. Gleiches [X.] den Umstand, daß der Angeklagte sich beim gemeinsamen [X.] -vergleichsweise zurückhielt und lediglich ca. 0,2 cl zu sich nahm. [X.] aber auch im Auge zu behalten, daß [X.] die Intensität seines [X.] hatte. So forderte er einen erheblich höheren Geldbetrag als [X.]. Er ließ sich auch nicht mehr erfolgreich hinhalten, sondern be-gann mit Sachbeschädigungen und drohte weitere Übel an, die die Durchset-zung mit räuberischen Mitteln nicht fernliegend erscheinen ließen. Daß der An-geklagte erst dann zum Gegenangriff überging, als ihm der endgültige [X.] Geldes unausweichlich vor Augen stehen mußte, könnte eher [X.] sprechen.Nach allem muß sich der neue Tatrichter fragen, ob er sich im Blick aufeinen etwaigen Mißbrauch des [X.]s davon überzeugen kann, daßder Angeklagte in der vorgefaßten Absicht handelte, [X.]zu töten und [X.] erst in der aktuellen Situation, weil er möglicherweise den Verlust seinesGeldes nicht mehr anders meinte abwenden zu können, zur Verteidigung [X.]. Hat der Tatrichter Zweifel, wird ein mitbestimmender wirklicher [X.]swille des Angeklagten anzunehmen und Rechtsmißbrauch zu vernei-nen sein. Er wird den zeitnah zur Tat gemachten Angaben des Angeklagtennaheliegenderweise größeres Gewicht beimessen als etwa solchen in einererneuten Hauptverhandlung.5. [X.] wird dann gegebenenfalls zu bedenken haben, obdas [X.] des Angeklagten einer erheblichen Einschränkung unterlag(vgl. dazu [X.]/[X.] 32 Rdn. 2 f.) und ob der Angeklagte derenGrenzen mit seinem sofortigen Messerangriff auf das Leben [X.]s über-schritten hat.Hierzu bemerkt der [X.] im einzelnen vorsorglich:- 20 -a) Eine Einschränkung des [X.]s des Angeklagten im Blick aufeine etwaige Provokation [X.]s durch vorwerfbares Vorverhalten würde vor-aussetzen, daß dieses Vorverhalten rechtswidrig oder wenigstens sozialethischzu mißbilligen wäre; zudem müßte zwischen ihm und dem rechtswidrigen [X.] des [X.] ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang bestehen(vgl. zu diesen Erfordernissen: [X.]St 27, 336, 338; 42, 97, 101; siehe auch[X.]St 24, 356, 358 f.; 26, 143, 145; [X.] [X.], 508; NStZ-RR 1999, 40,41; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], aaO § 32 Rdn. 54, 59; [X.]/[X.] 32 Rdn. 24).aa) Die bisherigen Feststellungen belegen nicht, daß der Angeklagte [X.]lage in rechtswidriger oder sonst sozialethisch zu mißbilligender [X.] und [X.] "provoziert" hätte. Das bloße Einlassen [X.]s unddessen Begleiters in seine, des Angeklagten Wohnung trotz der zuvor ausge-sprochenen Drohungen und der bereits erfolgten Erpressungen genügt dafürnicht. Damit hat er [X.]lediglich die Gelegenheit zum erneuten Erpressungs-versuch gegeben und damit gleichsam fahrlässig - die Sorgfalt in eigenen An-gelegenheiten betreffend - die Notwehrlage mit herbeigeführt. Ein rechtlich er-laubtes [X.] - wie etwa das Öffnen der Wohnungstür gegenüber einem unbe-kannten Bewaffneten ([X.] NStZ 1993, 332, 333) - führt jedoch nicht ohneweiteres zur Einschränkung des [X.]s, auch wenn der Täter wußteoder wissen mußte, daß der andere durch dieses Verhalten zu einem rechts-widrigen Angriff veranlaßt werden könnte (so schon [X.] NStZ 1993, 332,333). Entscheidend ist nicht, ob der später Angegriffene die Entwicklung vor-hersehen konnte, sondern - mit Blick auf das [X.] - obder Angreifer sich durch das vorwerfbare Verhalten des von ihm [X.] fühlen konnte (vgl. [X.] 75 <1963>, 497, 582). Die bloßfahrlässige oder gar leichtfertige Herbeiführung einer Notwehrlage führt nicht- 21 -zu einer Einschränkung des [X.]ßes der gebotenen Verteidigung. Das würdeselbst dann gelten, wenn der Angeklagte mit einem erneuten Angriff [X.]sgerechnet und dies beim Einlassen in seine Wohnung - wenn er dies hätteverhindern können - in Kauf genommen und geglaubt hätte, einen solchen [X.] hinhaltend oder sonst "schon irgendwie" abwehren zu können. Er hätteauch dann nicht im Sinne einer Provokation des Angreifers gehandelt, sondernlediglich eine notwehrträchtige Lage durch erlaubtes [X.] mitverursacht, für [X.] sich sogar wappnen durfte. Dieses Verhalten mochte dann zwar in hohem[X.]ße den Geboten der Vorsicht und der Lebensklugheit zuwiderlaufen; esnahm dem Angeklagten jedoch nichts von seinem Recht, sich gegen den [X.] mit den nach [X.]ßgabe der Situation erforderlichen und gebotenen Mittelnzu verteidigen ([X.], [X.]eil vom 20. Juli 1983 - 2 StR 43/83 - S. 12, aber auch[X.]eil vom 5. Juli 1978 - 2 StR 201/78 - S. 5 f.).bb) Ebensowenig erweist sich bei dem festgestellten Sachverhalt der il-legale Handel des Angeklagten mit Raubpressungen von CD's als notwehrein-schränkendes vorwerfbares Vorverhalten im Sinne einer Provokation der [X.] oder [X.]s. Dieses Verhalten des Angeklagten ist zwar von [X.] ersichtlich vorwerfbar. Es richtete sich jedoch nicht gegen ein Rechtsgutgerade des [X.], wie das etwa bei Tätlichkeiten oder Beleidigungen gegen-über dem späteren Angreifer der Fall ist. Betroffen waren vielmehr [X.], nämlich der Urheberrechtsinhaber der [X.]. [X.] auch der räumliche und zeitliche Zusammenhang mit dem Angriff [X.]s. Eine Notwehr des Angeklagten (wenn seine Trutzwehr vom Verteidi-gungswillen mitgetragen und erforderlich war) stünde "nicht im Zeichen seineseigenen Unrechts"; seiner Gegenwehr würde das eigene Unrecht nicht unmit-telbar anhaften. Sie wäre mithin durch seine anderweitigen Straftaten nicht ineiner Weise bemakelt, daß sie deshalb nicht mehr uneingeschränkt als Mittel- 22 -auch der Rechtsbewährung gegenüber dem erpresserischen Angriff [X.]sauf sein Vermögen hätte angesehen werden können (vgl. [X.]St 27, 336, 338;[X.] NStZ 1989, 474; [X.], [X.]. vom 25. Februar 1975 - 1 StR 702/74; [X.],[X.]. vom 15. April 1980 - 1 StR 130/80; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], aaO § 32 Rdn. 59). Auch demjenigen, der früher eine strafbareHandlung begangen hat, steht grundsätzlich ein uneingeschränktes Notwehr-recht zur Seite, wenn er in anderem Zusammenhang selbst Opfer einer [X.]. Er hat nicht etwa deshalb, weil die gegen ihn gerichtete Tat (hier: eineErpressung) vom Täter an seine gegen die Rechtsgüter Dritter begangene ei-gene Straftat angeknüpft wird, einen "Status minderen Rechts", der Erpressernicht deswegen einen größeren, im Ergebnis nicht notwehrfähigen Freiraum fürseinen Rechtsbruch.cc) Eine Einschränkung des [X.]s jenseits der in der Recht-sprechung bislang anerkannten Fallgruppen wird in der Literatur für die Fälleder sogenannten Schweigegelderpressung diskutiert ("Chantage"). Typischer-weise droht der Erpresser hier mit der Enthüllung kompromittierender Tatsa-chen, namentlich mit einer Strafanzeige wegen einer vom [X.] begangenen Straftat. Wehrt der [X.] sich oder tötet gar [X.], so wird das [X.] der Notwehr verneint oder von einer Ein-schränkung des [X.]s wegen verminderten Rechtsbewährungsinter-esses ausgegangen. Das Interesse des [X.]n am Schutz vor [X.] verdiene keinen uneingeschränkten Schutz (vgl. zu alledem [X.], Strafrecht [X.]. [1997] [X.] VIII § 15 [S. 593] Rdn. 89/90; [X.] 1964, 548, 549; [X.] 1982, 381; [X.] NStZ 1993, 366;Novoselec [X.], 218; dazu die Erwiderung von [X.] [X.], 70;Arzt [X.] 2001, 1052; weiter [X.] NStZ 2001, 225; zum Phänomen der "[X.]" siehe grundlegend schon die rechtsvergleichende Arbeit von Reinhold,- 23 -Die Chantage, Abhandlungen des kriminalistischen Seminars an der [X.] , 1909).Der [X.] stellt dahin, ob und inwieweit einer solchermaßen begründe-ten Einschränkung des [X.]s beizupflichten wäre. Das muß hier nichtentschieden werden. Der vorliegende Fall ist - anders als die in der [X.] erörterten Sachverhalte - dadurch geprägt, daß eine Erpressung inRede steht, die nicht ausschließlich auf der Androhung der Anzeige von Straf-taten des [X.]n fußt. Vielmehr hatte [X.] dem Angeklagten schon [X.], ihn zusammenschlagen zu lassen; noch am Vormittag des [X.] er angekündigt, das Geld "mit Freunden einzutreiben". Ob daraus eineLeibesgefahr im Sinne des § 255 StGB folgte, die zum Vorfallszeitpunkt noch"gegenwärtig" war, bedürfte gegebenenfalls der tatrichterlichen Würdigung(vgl. zu deren Fortwirken in Erpressungsfällen [X.] NStZ-RR 1998, 135;[X.]R StGB § 255 Drohung 9). In der aktuell gegebenen Notwehrlage drohte[X.] mit erheblichen Sachbeschädigungen und der Wegnahme von Gegen-ständen aus der Wohnung des Angeklagten im Wert von 5.000 DM, was [X.] durch Gewaltanwendung gegenüber dem Angeklagten oderjedenfalls durch Drohung mit weiteren Übeln durchzusetzen gewesen wäre undsich dann rechtlich möglicherweise gar als Raub oder räuberische Erpressungerwiesen hätte. Sind die Drohmittel solcherart verschieden, um gleichsam eine"gemischte [X.] aufzubauen, so liegt kein reiner Fall der Schweigegel-derpressung mehr vor; es steht eine Mischung aus Schutz- und Schweigegel-derpressung in Rede. In diesen Fällen ist das, was zur Verteidigung —gebotenfiist, unter dem Gesichtspunkt eigenen strafbaren Vorverhaltens des Erpres-sungsopfers gegenüber [X.] jedenfalls dann nicht eingeschränkt, wenn [X.] des [X.] auf die Willensentschließungsfreiheit zugleich in einengegenwärtigen Angriff auf das Vermögen übergeht, mit weiteren [X.] -gen verstärkt wird und der Angreifer im Angesicht des Opfers dabei ist, mit [X.] realisierbaren - auch konkludenten - Drohungen gegen Sachwerte undetwa auch die körperliche Integrität des Opfers seinen Angriff auf das Vermö-gen zu vollenden und zu beenden.Daran ändert nichts, daß das Erpressungsopfer zuvor die Möglichkeitgehabt hätte, staatliche Hilfe zu suchen. [X.]ßgeblich für die Beurteilung des-sen, was zur Abwehr des Angriffs erforderlich und geboten ist, sind die [X.] im Augenblick des konkreten Angriffs, also zum Zeitpunkt der [X.] durch den Angegriffenen ("Auseinandersetzungslage"; vgl. [X.] NJW1989, 3027; [X.], 143, 144; [X.]/[X.] 32 Rdn. [X.]) In Betracht zu ziehen haben wird der neue Tatrichter für den Fall [X.] jedenfalls mitbestimmten und erforderlichen Not-wehr schließlich eine Einschränkung dieses Rechts im Blick auf [X.]s Trun-kenheit, an deren Zustandekommen der Angeklagte durch Gestattung und Mit-wirkung am [X.] des Inhalts einer Flasche [X.]. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß das [X.] gegenüberschuldlos handelnden Angreifern eingeschränkt sein kann (vgl. [X.]/[X.] § 32 Rdn. 19). Daß [X.] allerdings schuldunfähig gewesen sein könnte,dürfte eher fernliegen. Näher wird - zumal in Rücksicht auf den [X.] -eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit liegen, weil er jedenfalls noch inbeachtlichem [X.]ße aktionsfähig [X.]) Der [X.] hat schließlich erwogen, ob eine weitere Kategorie einge-schränkter (gebotener) Notwehr zu begründen ist, wenn mehrere Umständevorliegen, die Anlaß zur Prüfung einer Einschränkung nach den insoweit aner-kannten Fallgruppen geben, dort aber eine solche Einschränkung je für [X.] zu rechtfertigen vermögen. Dies hat der [X.] jedoch verworfen: Das liefe- 25 -auf eine Art Gesamtschau und die Gewichtung verschiedener Umstände hin-aus. Damit verlöre das [X.] in solchen Fällen seine Konturenschärfe.Es muß geeignet bleiben, in den einschlägigen, oft durch die Plötzlichkeit [X.] charakterisierten Fällen des Lebens dem rechtlichen Laien ohneweiteres überschaubare, grundsätzlich einfache Richtschnur für das [X.] sein. Allzu differenzierte Erwägungen würden seinem Zweck widerstreiten.Die anerkannten Fälle der Einschränkung des [X.]s sind denn auchsolche, in denen das zumutbar geringere [X.]ß der gebotenen Verteidigungoder eine Pflicht zum Ausweichen für jedermann ohne weiteres augenfällig ist(Evidenzfälle).6. Zur inneren Tatseite wird folgendes im Auge zu behalten sein: Han-delte der Angeklagte auch mit Verteidigungswillen, kann es darauf ankommen,welche Vorstellungen er über das [X.]ß der erforderlichen und gebotenen - unddamit auch der erlaubten - Verteidigung hatte. Hierzu werden soweit möglichFeststellungen zu treffen sein. Daraus kann sich die Notwendigkeit der Erörte-rung von [X.] ergeben (zu deren Voraussetzungen und Folgen vgl.nur [X.]/[X.] 32 Rdn. 27 m.w.[X.]; zum übrigen: [X.]/[X.] § 32 Rdn. 26, 27, § 33 Rdn. 2 m.[X.]). Hätte der Angeklagte über die Eig-nung der Tötung [X.]s zur Abwendung des Geldverlustes geirrt, käme mögli-cherweise ein Erlaubnistatbestandsirrtum und damit fahrlässige Tötung in [X.] (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB; [X.]St 45, 378, 384). [X.] eine Fehlvor-stellung über die Grenzen der erlaubten Notwehr vor, wäre nach den [X.] für den Verbotsirrtum zu verfahren (§ 17 StGB). Im Falle eines vermeid-baren Irrtums stünde eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB imRaum.- 26 -7. Sollte der neue Tatrichter im Handeln des Angeklagten einen strafba-ren vorsätzlichen Totschlag sehen, wird er die Voraussetzungen des § 213StGB (sonst minder schwerer Fall) zu prüfen haben.Die Würdigung der Frage erheblich verminderter Schuldfähigkeit des Ange-klagten zur Tatzeit wird im Blick auf die im [X.]eil wiedergegebenen Ausführun-gen des psychiatrischen Sachverständigen näher zu begründen sein, sollte derneue Tatrichter vom Gutachten des Sachverständigen abweichen wollen (vgl.[X.]R StPO § 261 Sachverständiger 1, 5; [X.]/[X.] 20 Rdn. [X.] wird auch der Einfluß der Befindlichkeit des Angeklagten auf [X.] des [X.] nach § 33 StGB zu erörternsein (vgl. dazu auch [X.] [X.], 145).IV.Nach allem ist das angefochtene [X.]eil aufzuheben. Auch die [X.] können nicht bestehen bleiben. Im Blick auf die dem neuen Tatrichterobliegende Würdigung der Auseinandersetzungslage und des Kräfteverhält-nisses, insbesondere aber der Beweggründe des Angeklagten unter verschie-denen rechtlichen Gesichtspunkten muß der Tatrichter hinsichtlich der Fest-stellung des Sachverhalts frei sein (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).Nack Wahl [X.] Kolz Elf

Meta

1 StR 403/02

12.02.2003

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2003, Az. 1 StR 403/02 (REWIS RS 2003, 4445)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4445

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 397/21 (Bundesgerichtshof)

Mordmerkmal der Heimtücke bei tödlichem Gegenangriff des Erpressungsopfers; Notwehr gegen einen Erpresser


3 StR 331/00 (Bundesgerichtshof)


1 StR 48/01 (Bundesgerichtshof)


4 StR 551/12 (Bundesgerichtshof)

Notwehr: Verteidigungswille als subjektive Voraussetzung


4 StR 267/02 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.