Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.01.2013, Az. IV B 64/11

4. Senat | REWIS RS 2013, 9185

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Gegenstand

Keine Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids für den Gewerbesteuerbescheid hinsichtlich der Bestimmung der hebeberechtigten Gemeinde - Keine notwendige Beiladung der Gemeinden


Leitsatz

1. NV: Das Finanzamt bestimmt in einem Gewerbesteuermessbescheid nicht mit bindender Wirkung für den Gewerbesteuerbescheid auch die hebeberechtigte Gemeinde .

2. NV: Die Aufhebung eines Gewerbesteuermessbescheids kann gemäß § 127 AO nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist .

3. NV: Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn das Finanzamt nicht nur für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags, sondern auch für die Festsetzung der Gewerbesteuer selbst zuständig ist .

Gründe

1

Die [X.]eschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet, so dass sie insgesamt als unbegründet zurückzuweisen ist (z.[X.]. [X.]eschluss des [[X.].] --[[X.].]-- vom 18. Oktober 2010 VI [X.] 91/10, [[X.].], 280).

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung (§ 115 [X.]bs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im [X.]llgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. [X.]n der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den [[X.].] geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, z.[X.]. [[X.].]-[X.]eschluss vom 28. September 2009 [X.]I [X.] 103/08, [[X.].]/NV 2010, 73, m.w.N.). Das ist hier der Fall.

3

In der Rechtsprechung des [[X.].] ist geklärt, dass das Finanzamt in einem [X.] nicht mit bindender Wirkung für den [X.] auch die hebeberechtigte [X.] bestimmt. Diese [X.]estimmung ist als materiell-rechtliche Voraussetzung vielmehr eigenständig beim Erlass des [X.]s zu prüfen, sofern sie nicht Gegenstand eines Zuteilungs- oder Zerlegungsbescheids nach § 190 bzw. § 185 der [X.]bgabenordnung ([[X.].]) ist. Dementsprechend kann gemäß § 127 [[X.].] die [X.]ufhebung eines [X.]s nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist (vgl. [[X.].]-Urteil vom 19. November 2003 I R 88/02, [[X.].]E 204, 283, [[X.].], 751). Demzufolge kam der [[X.].] in seinem Urteil in [[X.].]E 204, 283, [[X.].], 751 zu dem Ergebnis, dass die Frage, ob die Klägerin jenes Verfahrens in den Streitjahren ihre Geschäftsleitungsbetriebsstätte statt in [X.] in [X.] gehabt habe, nicht im Verfahren gegen den [X.] zu beantworten sei.

4

Die Klägerin und [X.]eschwerdeführerin (Klägerin) hat weder dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich, weshalb diese Rechtsprechungsgrundsätze nicht auch dann gelten, wenn, wie im [X.], das Finanzamt nicht nur für die Festsetzung des [X.]s, sondern auch für die Festsetzung der Gewerbesteuer selbst zuständig ist. Denn auch in diesem Fall handelt es sich bei dem [X.] und dem [X.] um zwei selbständige Verwaltungsakte. Die [X.]estimmung des Steuergläubigers, also der hebeberechtigten [X.], als materiell-rechtliche Voraussetzung ist deshalb auch in diesem Fall eigenständig beim Erlass des [X.]s zu prüfen und ggf. in einem gegen diesen [X.]escheid gerichteten Rechtsbehelfsverfahren zu klären, sofern sie nicht Gegenstand eines Zuteilungsbescheids nach § 190 [[X.].] oder eines Zerlegungsbescheids nach § 185 [[X.].] ist. Dies übersieht die Klägerin, wenn sie davon ausgeht, dass in einem solchen Fall "infolge der Zuständigkeitsfestschreibung eine Prüfung der Steuergläubigereigenschaft infolge Handelndenidentität nicht mehr (gesondert) erfolgt".

5

2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 [X.]bs. 2 Nr. 2 [X.]lternative 2 [X.]O). Von dem Rechtssatz, dass das Finanzamt bei Erlass eines [X.]s nicht mit bindender Wirkung für den [X.] auch über die [X.] der [X.] entscheidet, ist das Finanzgericht ([X.]) in der angegriffenen Entscheidung nicht abgewichen. Einen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 [X.]bs. 2 Nr. 2 [X.]lternative 2 [X.]O führt (z.[X.]. [[X.].]-[X.]eschluss vom 6. September 2010 IV [X.] 104/09, [[X.].], 29, m.w.N.), hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

6

3. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 [X.]bs. 2 Nr. 3 [X.]O).

7

a) [X.]ei der Rüge von Verfahrensmängeln ist von der materiell-rechtlichen [X.]uffassung des [X.] auszugehen (ständige Rechtsprechung, z.[X.]. [[X.].]-[X.]eschluss vom 9. Dezember 2004 V [X.] 85/04, [[X.].]/NV 2005, 712).

8

Das [X.] hat in dem angegriffenen Urteil nur über den geänderten [X.] für 1994 und über den geänderten [X.]escheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen für 1994 entschieden, nicht aber auch über den geänderten [X.] für 1994. Zwar führt das Urteil, dem protokollierten [X.]ntrag der Klägerin entsprechend, im Klageantrag auch den [X.] auf. [X.]us den Entscheidungsgründen ergibt sich jedoch eindeutig, dass das [X.] nur über den Feststellungsbescheid und den [X.] entschieden hat und auch nur hierüber entscheiden wollte. Die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils enthalten [X.]usführungen zur Zulässigkeit und [X.]egründetheit der Klage jeweils nur hinsichtlich des [X.]s und des Feststellungsbescheids, nicht auch hinsichtlich des [X.]s. Das [X.] ging ersichtlich davon aus, dass die Gewerbesteuer 1994 nicht Gegenstand des Klageverfahrens sei. So hatte es mit Schreiben vom … (u.a.) dem seinerzeitigen [X.]evollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, es gehe davon aus, dass der [X.] 1994 "kein eigenständiger Streitgegenstand ist, weil es sich insoweit um einen Folgebescheid des [X.]s handelt" und daher die Löschung dieses Streitgegenstands im Rubrum veranlasst werde. Dementsprechend werden auch im Rubrum des angegriffenen Urteils als Streitgegenstand nur der [X.] und die gesonderte und einheitliche Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen des Streitjahres, nicht aber auch die Gewerbesteuer genannt. So hat auch der [X.]eklagte und [X.]eschwerdegegner (das Finanzamt) das Urteil verstanden, denn er geht in seiner [X.]eschwerdeerwiderung davon aus, dass (neben dem Feststellungsbescheid) nur der [X.] Gegenstand des Verfahrens gewesen sei. Letztlich geht auch die Klägerin selbst davon aus, dass das [X.] in dem angegriffenen Urteil nicht über den [X.] als selbständig angegriffenen Verwaltungsakt entschieden hat. Im Rahmen der Rüge der unterlassenen [X.]eiladung der [X.]n [X.] und [X.] führt sie zwar aus, dass "vorliegend ... zugleich auch über den [X.] entschieden und damit die alleinige [X.]erechtigung des [X.]eklagten im Erhebungszeitraum bestätigt" worden sei. [X.]us ihrer gesamten [X.]eschwerdebegründung, insbesondere aus ihrem Vorbringen zur ihrer [X.]nsicht nach gegebenen grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache, ergibt sich jedoch, dass sie der [X.]uffassung ist, dass jedenfalls in den Fällen, in denen --wie im [X.]-- die Finanzämter auch für die Festsetzung der Gewerbesteuer zuständig sind, über die Frage der [X.] der [X.] mit bindender Wirkung für den [X.] bereits im [X.] entschieden werde. Hierfür spricht auch ihr Vorbringen, sie habe auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal deutlich klargestellt, dass für sie "die Frage der örtlichen Zuständigkeit des [X.]eklagten auch und gerade mit der Frage der [X.] bzw. Steuergläubigereigenschaft verknüpf(t) bzw. dies denklogisch notwendigerweise einhergehe und nicht zu trennen sei". Wäre sie davon ausgegangen, dass auch der [X.] als der [X.]escheid, in dem über die [X.] der [X.] entschieden wird, selbständiger Gegenstand des Verfahrens wäre, hätte es jedoch nahe gelegen, unter Hinweis auf ihren Klageantrag im Wege eines [X.]ntrags auf Urteilsergänzung nach § 109 [X.]bs. 1 [X.]O geltend zu machen, dass über den [X.]ntrag auf [X.]ufhebung des [X.] versehentlich nicht entschieden worden sei. Eine entsprechende Rüge lässt sich dem Vorbringen der Klägerin jedoch nicht entnehmen.

9

b) War Gegenstand des angegriffenen Urteils demnach (neben dem geänderten Feststellungsbescheid 1994) nur der geänderte [X.] 1994 und kam es nach der dargelegten Rechtsprechung für einen Erfolg der hiergegen gerichteten Klage auf Ort und Sitz der Geschäftsleitung der Klägerin bzw. auf die [X.] des Landes [X.]erlin nicht an, ist die Rüge der Klägerin, das [X.] habe gegen das Recht auf Gehör ([X.]rt. 103 [X.]bs. 1 des Grundgesetzes, § 96 [X.]bs. 2 [X.]O) und gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 [X.]bs. 1 [X.]O) verstoßen, bereits unzulässig. Denn es fehlt für die Zulässigkeit der [X.] an der Darlegung, dass das als übergangen gerügte Vorbringen zu Sitz und Ort der Geschäftsleitung bzw. zur [X.] aus der maßgeblichen Sicht des [X.] entscheidungserheblich war, und für die Zulässigkeit der Sachaufklärungsrüge, dass sich dem [X.] weitere Ermittlungen zur [X.] des Landes [X.]erlin bzw. zu Sitz und Ort der Geschäftsleitung der Klägerin im Streitjahr 1994 aus der maßgeblichen Sicht des [X.] hätten aufdrängen müssen. Darüber hinaus hätte die ordnungsgemäße Darlegung eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht --woran es ebenfalls [X.] auch [X.]usführungen dazu erfordert, welche [X.]eweise das [X.] nicht erhoben hat und dass entweder die Nichterhebung angebotener [X.]eweise von der --anwaltlich vertretenen-- Klägerin in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder aber warum die Rüge nicht rechtzeitig erhoben werden konnte (z.[X.]. [[X.].]-[X.]eschluss vom 19. Januar 2012 IV [X.] 9/11, [[X.].]/NV 2012, 697).

c) Ohne Erfolg rügt die Klägerin eine unterlassene [X.]eiladung der [X.]n [X.] und [X.] nach § 60 [X.]bs. 3 [X.]O. Dabei kann dahinstehen, ob diese [X.]n zu einem Verfahren gegen den geänderten [X.] überhaupt notwendig beizuladen wären. Denn dieser [X.]escheid war, wie dargelegt, nicht Gegenstand des angegriffenen Urteils. Zum Verfahren gegen den geänderten [X.] waren die [X.]n jedenfalls nicht notwendig beizuladen, da in diesem Verfahren nicht mit bindender Wirkung über die hebeberechtigte [X.] entschieden wird.

Meta

IV B 64/11

09.01.2013

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 15. März 2011, Az: 6 K 10236/04 B, Urteil

§ 127 AO, § 14 GewStG 1991, § 16 GewStG 1991, § 18 AO, § 22 AO, § 60 Abs 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.01.2013, Az. IV B 64/11 (REWIS RS 2013, 9185)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9185

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