Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2013, Az. XII ZR 58/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 424

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII ZR 58/12
Verkündet am:

11. Dezember 2013

Breskic,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1600 b
Der Umstand, dass beim Geschlechtsverkehr mit [X.] als dem rechtlichen Vater Kondome benutzt wurden, schließt die Kenntnis von der Mög-lichkeit der Abstammung des Kindes von [X.] nicht aus (im [X.] an Senatsurteil vom 29.
März 2006 -
XII
ZR 207/03 -
FamRZ 2006, 771).
BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 -
XII ZR 58/12 -
OLG [X.]

[X.]

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Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11.
Dezember
2013
durch den
Vorsitzenden
Richter Dose und [X.] Klinkhammer, Schilling, [X.] und Guhling

für Recht erkannt:

Die Revision
gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts [X.] vom 29. November 2011 wird auf Kosten der Klägerin, die auch die durch die Streithilfe verursachten Kosten zu tragen hat, zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie heirateten am 12. März 2004. Am 21. April 2004 wurde der [X.] (Streithelfer des Beklagten) gebo-ren. Die Parteien trennten sich im
Januar 2008. Mit ihrer im Juli 2009 einge-reichten Klage ficht die Klägerin, die während der [X.] auch Ge-schlechtsverkehr mit dem Zeugen [X.] hatte, die Vaterschaft des Beklagten an.
Das Amtsgericht
hat nach Beweisaufnahme antragsgemäß festgestellt, dass der Beklagte nicht der Vater des Streithelfers ist. Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen. Dagegen richtet 1
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sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen
Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.] noch das bis zum 31. August 2009 geltende Prozessrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Novem-ber 2010 -
XII ZB 197/10 -
FamRZ 2011, 100 Rn. 10).

I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts
ist der Klägerin die Anfechtung der Vaterschaft versagt, weil sie die Klage nicht innerhalb von zwei Jahren nach der Geburt des Kindes erhoben habe. Aufgrund des Geschlechtsverkehrs
mit dem Zeugen [X.] habe die Klägerin bereits vor der Geburt Kenntnis von Umstän-den
gehabt, die die nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Abstammung des Kindes von [X.] ergäben. Auch wenn bei dem [X.] verwendet worden seien, habe die Klägerin nicht hinreichend sicher sein können, dass der Zeuge [X.] als Erzeuger ausscheide.
Dies ergebe sich entgegen der Auffassung des [X.]s Hamm (FamRZ 1999, 1362) aus der recht hohen Versagensquote bei einer Verhütung mit Kondomen.

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II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Nach § 1600 b Abs. 1 Satz
1 BGB kann die Vaterschaft binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt nach § 1600 b Abs.
1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den [X.] erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen, aber nicht vor der Geburt des Kindes (§ 1600 b Abs. 2 Satz 1 BGB).
Zu den Umständen, deren Kenntnis die Anfechtungsfrist in Lauf setzt, gehört regelmäßig bereits ein einmaliger außerehelicher Geschlechtsverkehr der Kindesmutter während der gesetzlichen [X.], und zwar auch dann, wenn der Ehemann innerhalb dieser Zeit der Kindesmutter ebenfalls [X.] hat und es den
Umständen nach nicht ausgeschlossen erscheint, dass das Kind aus der außerehelichen Beiwohnung stammt. Insbesondere setzt der Beginn der Anfechtungsfrist nicht voraus,
dass aufgrund der dem [X.] bekannten Umstände die Vaterschaft eines Dritten wahrscheinlicher ist als die des Ehemanns (Senatsurteil vom 29. März 2006 -
XII ZR 207/03 -
FamRZ 2006, 771, 772 mwN).
2. Allerdings gilt die Regel, dass bereits die Kenntnis von einem außer-ehelichen Geschlechtsverkehr der Mutter während der [X.]
die An-fechtungsfrist in Lauf setzt, nicht uneingeschränkt. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich aus der Tatsache des außerehelichen Verkehrs die nicht ganz fern liegende Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem Dritten ergibt. Ganz fern liegend kann die Möglichkeit einer solchen Abstammung sein, wenn der außereheliche Verkehr unter Begleitumständen stattgefunden hat, nach denen eine Empfängnis in hohem Maße unwahrscheinlich ist (Senatsurteil vom 29. März 2006 -
XII ZR 207/03 -
FamRZ 2006, 771, 772 f. mwN).
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Bei der Frage, ob die dem [X.] bekannt gewordenen Gesamt-umstände die Möglichkeit der Vaterschaft eines anderen Mannes als nicht ganz fern liegend erscheinen lassen, ist auf die objektive Beurteilung aus der Sicht eines verständigen Betrachters abzustellen. Dabei ist der Beurteilungsmaßstab nicht an medizinisch-naturwissenschaftlichen Spezialkenntnissen auszurichten, da solche von einem Laien nicht erwartet werden können. Vielmehr ist insoweit von dem Erkenntnisstand auszugehen, der bei einem verständigen Laien in der Regel erwartet werden kann (vgl. Senatsurteile vom 29. März 2006 -
XII ZR 207/03 -
FamRZ 2006, 771, 773; vom 14. Februar 1990 -
XII ZR 12/89 -
FamRZ 1990, 507, 509 und vom 5. Oktober 1988 -
IVb [X.] -
FamRZ 1989, 169, 170).
3. Dass der Geschlechtsverkehr unter Verwendung von Kondomen statt-fand, schließt die grundsätzlich bestehende Kenntnis noch nicht aus, weil auch in diesem Fall die anderweitige Abstammung des Kindes nicht ganz fernliegend ist. Insoweit hat der Senat bereits darauf hingewiesen, es sei allgemein [X.], dass die Zuverlässigkeit der Empfängnisverhütung mit Kondomen deut-lich geringer sei als die anderer Verhütungsmittel wie etwa [X.]. Er hat -re-gelmäßiger
Verwendung von Kondomen 2 bis 12 von 100 Frauen innerhalb ei-nes Jahres schwanger werden gegenüber der deutlich höheren Sicherheit bei Einnahme [X.]

(Senatsurteil vom 29. März 2006 -
XII ZR 207/03 -

FamRZ 2006, 771, 773). Zwar könne die Kenntnis der Größenordnung dieser Versagensquoten nicht allgemein vorausgesetzt werden; eine ungefähre Vor-stellung von diesem Risiko müsse aber zum Allgemeinwissen gezählt werden
(Senatsurteil vom 29. März 2006 -
XII ZR 207/03 -
FamRZ 2006, 771, 773; ebenso [X.] FamRZ 2013, 555, 556 f.; [X.]/[X.] BGB [2011] § 1600
b Rn. 29a; [X.] FamRZ 1999, 1362, 1363).

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An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Das [X.] liegt im Wesentlichen in der fehlerhaften Anwendung begründet. Das wird nicht nur in der gesundheitlichen Aufklärung (vgl. etwa die Hinweise der [X.]; www.bzga.de -
Stand: 11.
Dezember 2013)
besonders betont, sondern ist nicht zuletzt im Hinblick auf die wichtige Frage der Vermeidung ungewollter Schwangerschaften auch Laien regelmäßig
bekannt. Da auf die objektive und verständige Beurteilung abzustel-len ist, kommt es auf den individuellen Bildungsstand des Anfechtungsberech-tigten nicht entscheidend an (vgl. Senatsurteile vom 29. März 2006 -
XII ZR 207/03 -
FamRZ 2006, 771, 773; vom 14. Februar 1990 -
XII ZR 12/89 -

FamRZ 1990, 507, 509 und vom 5. Oktober 1988 -
IVb [X.] -
FamRZ 1989, 169, 170; [X.]/[X.] BGB [2011] § 1600
b Rn. 18a). Auch eine im Einzelfall etwa bestehende besondere Sorglosigkeit oder Gleichgültigkeit des [X.] ist daher außer [X.] zu lassen.
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Aufgrund der allgemein bekannten Möglichkeit von [X.] kann demnach jedenfalls ein verständiger Laie die Möglichkeit der Abstammung des Kindes von [X.] nicht schon als in hohem Maße unwahr-scheinlich und mithin als ganz fern liegend ansehen. Dass beim anderweitigen Geschlechtsverkehr Kondome benutzt wurden, schließt somit die Kenntnis von der
Möglichkeit der Abstammung von [X.] als dem rechtlichen Vater nicht aus.
[X.]Klinkhammer Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.02.2011 -
328 F 28/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 29.11.2011 -
II-14 [X.]/11 -

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Meta

XII ZR 58/12

11.12.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2013, Az. XII ZR 58/12 (REWIS RS 2013, 424)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 424

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZR 58/12

XII ZB 197/10

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