Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.06.2013, Az. 5 C 30/12

5. Senat | REWIS RS 2013, 5046

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Gegenstand

Kostenerstattung; Interessenwahrungsgrundsatz


Leitsatz

1. Der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Interessenwahrungsgrundsatz kann es einem kostenerstattungsberechtigten Jugendhilfeträger nach § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII (juris: SGB 8) primär gebieten, den erstattungspflichtigen Sozialhilfeträger vorrangig in Anspruch zu nehmen.

2. Eine Berufung auf den Interessenwahrungsgrundsatz ist dem erstattungspflichtigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe versagt, wenn offenkundig ist, dass es diesem ebenso wie dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger möglich wäre, einen vorrangig verpflichteten Sozialleistungsträger mit Aussicht auf Erfolg auf Erstattung in Anspruch zu nehmen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem [X.]n Erstattung der Kosten, die er für die Unterbringung eines geistig und körperlich schwerstbehinderten Kindes in einer Pflegefamilie aufgewandt hat.

2

Der Vater des im Januar 1998 geborenen Mädchens wurde nicht festgestellt. Es lebte zunächst gemeinsam mit seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen. Im September 1998 willigte seine Mutter in die Unterbringung ihrer Tochter in Vollzeitpflege ein. Nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in einer sonderpädagogischen Pflegefamilie und in einem privaten Säuglingsheim fand das Kind am 25. August 2002 Aufnahme in einer im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnhaften Pflegefamilie.

3

Die Kindesmutter war im [X.]raum von Januar 1998 bis zum 7. November 1999 im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen, im [X.]raum vom 8. November 1999 bis zum 25. November 2005 im [X.], hiernach im [X.] und im [X.]raum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 im Zuständigkeitsbereich des [X.]n gemeldet. Im Mai 2006 wurde ihr die elterliche Sorge für ihre Tochter entzogen und für diese Vormundschaft angeordnet; zugleich wurden die Pflegeeltern zum Vormund bestellt.

4

Rückwirkend zum 1. September 2002 gewährte der [X.] der seinerzeit noch sorgeberechtigten Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege für ihre Tochter. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 übernahm der Kläger die Sachbearbeitung des [X.] von dem [X.], der diesem im August 2004 ein Kostenerstattungsanerkenntnis erteilt hatte. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 gewährte der Kläger der Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege. Im April 2005 forderte der [X.] den Kläger auf, für das Kind Eingliederungshilfe nach dem [X.] und als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Kostenerstattung bei dem Träger der Sozialhilfe zu beantragen, bei dem das Mädchen vor Aufnahme in die Pflegefamilie ihren Aufenthalt gehabt habe. Der im Mai 2005 von dem [X.] als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger angeschriebene Beigeladene sah seine Zuständigkeit als nicht gegeben an, da die geleistete Hilfe nicht dem Zweck der Eingliederungshilfe diene.

5

Nach der Ummeldung der Mutter in den Zuständigkeitsbereich des [X.]n trat dieser einem Kostenerstattungsersuchen des Klägers entgegen. Seine ablehnende Haltung begründete er mit dem Vorrang der von dem Kind nach dortiger Rechtsauffassung zu beanspruchenden Eingliederungshilfe nach dem [X.] sowie mit der Verletzung des so genannten "[X.]es". Das [X.] stellte in einer von dem Kläger eingeholten Stellungnahme fest, dass der örtliche Sozialhilfeträger vorrangig leistungspflichtig und in Höhe der aufgewandten Kosten der Erziehung erstattungspflichtig sei. Ein Ersuchen des Klägers um Übernahme des [X.] und Erstattung der geleisteten [X.] lehnte der Beigeladene unter anderem mit der Begründung ab, Hilfen zur Erziehung seien im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe nicht vorgesehen.

6

Daraufhin stellte der Kläger dem [X.]n die seit dem 23. Juli 2006 aufgewandten [X.] in Rechnung. Nachdem dieser das Kostenerstattungsersuchen unter Beharrung auf seinem Rechtsstandpunkt zurückgewiesen hatte, hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, den [X.]n zu verurteilen, ihm, dem Kläger, die in dem [X.] in dem [X.]raum vom 23. Juli 2006 bis zum 19. März 2010 aufgewandten [X.] in Höhe von 51 417,01 € zu erstatten. Das Verwaltungsgericht hat den [X.]n antragsgemäß verurteilt. Auf dessen Berufung hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den [X.]n verurteilt, dem Kläger die in dem [X.] in der [X.] vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 aufgewandten [X.] in Höhe von 17 455,68 € zu erstatten, und die Klage, soweit sich diese auf die in dem vorstehenden [X.]raum nicht den Lebensunterhalt des Kindes betreffenden Kosten und auf die gesamten in dem [X.]raum vom 10. Juni 2009 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Kosten der Hilfe zur Erziehung erstrecke, abgewiesen. Bezogen auf den [X.]raum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 seien die Voraussetzungen des § 89a Abs. 1 und 3 [X.] dem Grunde nach erfüllt. Der Höhe nach könne der Kläger nur die Erstattung der für den Lebensunterhalt des Kindes aufgewandten Kosten in Höhe von 17 455,68 € beanspruchen. Einem Anspruch auf Erstattung auch der übrigen Kosten widerstreite der [X.]. Die Zurechnung der Verletzung der Interessen des [X.]n scheitere nicht daran, dass der erstangegangene [X.] seine Zuständigkeit nach § 14 [X.] festgestellt habe. Die Norm sei nicht anwendbar, da Jugendhilfeträger im Rahmen der Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung keine Rehabilitationsträger seien. Der Kläger habe den [X.] verletzt, da er es obliegenheitswidrig unterlassen habe, die Erstattung der aufgewandten Kosten oder die Feststellung des Anspruchs des Kindes auf Eingliederungshilfe gegenüber dem Beigeladenen gerichtlich einzufordern. [X.] spreche dafür, dass jedenfalls eine auf Kostenerstattung gerichtete Klage erfolgreich gewesen wäre. Die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege sei im Verhältnis zu einer konkurrierenden Pflicht des Beigeladenen zur Leistung von Eingliederungshilfe nachrangig. Das Kind habe einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Die Hilfeform der Vollzeitpflege in Pflegefamilien sei dem offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe ohne Weiteres zuzuordnen.

7

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Der geltend gemachte Anspruch sei in vollem Umfang aus § 89a [X.] begründet. Die Hilfe zur Erziehung sei rechtmäßig gewährt worden. Seine örtliche Zuständigkeit gehe auf die auf § 14 [X.] gründende Feststellung der örtlichen Zuständigkeit durch den erstangegangenen [X.] zurück. In dieser Zuständigkeit sei er gefangen gewesen, ohne die Möglichkeit zu besitzen, den [X.] abzugeben oder die Feststellung der vorrangigen Zuständigkeit zu betreiben. Dessen ungeachtet sei der [X.] nicht verletzt. Der Kläger sei berechtigt gewesen, sich gegen eine Abgabe des Falles an den Beigeladenen zu entscheiden, um das Wohl des untergebrachten Kindes sicherzustellen und um nicht mit einer Überführung in die in Bezug auf das Kindeswohl nicht ausreichend geregelte sachliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe das Scheitern des [X.] zu riskieren. Fehl gehe auch die Annahme des [X.], dem [X.]n sei die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen zuzumuten. Einem solchen Anspruch wohne nicht der Zweck inne, die Zuständigkeit des Inanspruchgenommenen auf Dauer festzuschreiben. Eine Auslegung, der zufolge dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Umweg des Gebotes der Interessenwahrung zugemutet werde, die Verantwortung für einen [X.] aus der Hand zu geben, verletze § 89f [X.]. Dessen ungeachtet hätte die gerichtliche Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen erst nach Inkrafttreten des § 54 Abs. 3 SGB XII am 5. August 2009 realistische Aussicht auf Erfolg gehabt, da der Träger der Sozialhilfe zuvor hätte geltend machen können, die Hilfe nicht als Eingliederungshilfe in einer Pflegefamilie fortzuführen. Soweit der [X.] dazu verpflichtet worden sei, die Kosten des Pflegeverhältnisses, die auf den notwendigen Unterhalt des Kindes entfallen seien, zu erstatten, habe das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass mit dem gewährten "Mehrbedarf" auch Kosten gedeckt würden, die aufgrund der Behinderung des Kindes hinsichtlich seiner materiellen Bedarfe entstünden. Ausgehend von einem Mehrbedarf von 17 v.H. des Regelsatzes wäre der Beigeladene berechtigt, seine Erstattungspflicht in Höhe eines Betrages von 2 967,46 € zu verweigern. Jedenfalls dieser Betrag sei daher ergänzend ihm, dem Kläger, zuzusprechen.

8

Der [X.] verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des [X.] (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990 <[X.]G[X.]l I S. 1163>) - [X.] - i.d.[X.] vom 8. Dezember 1998 ([X.]) bzw. vom 14. Dezember 2006 ([X.]) dem Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung über die ihm rechtskräftig zugesprochenen 17 455,68 € hinaus vermittelt.

Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] erfülle (1.), einer Verpflichtung des [X.]eklagten, dem Kläger weitere 22 537,05 € zu erstatten, indes entgegenstehe, dass dieser es unterlassen habe, die kostenerstattungsrechtlichen Interessen des [X.]eklagten wahrzunehmen, (2.). Ebenso wenig kann der Kläger die Erstattung eines Mehrbedarfs in Höhe von weiteren 2 967,46 € beanspruchen (3.).

1. Gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 [X.] aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Ändert sich während der Gewährung der Leistung nach § 89a Abs. 1 [X.] der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 [X.] maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, so wird gemäß § 89a Abs. 3 [X.] der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 [X.] örtlich zuständig geworden wäre.

Zwischen den [X.]eteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass im maßgeblichen Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 der Kläger aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 [X.] Leistungen nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 [X.] (vgl. hierzu Urteil vom 13. Dezember 2012 - [X.]VerwG 5 [X.] 25.11 - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen = juris Rn. 15 und 19) erbracht hat und der [X.]eklagte ohne die örtliche Zuständigkeit des [X.] nach § 86 Abs. 6 [X.] i.d.[X.] vom 8. Dezember 1998 bzw. vom 14. Dezember 2006 gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 [X.] örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewesen wäre.

Die Annahme des [X.], der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren 22 537,05 €, steht mit [X.]undesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar läuft dem Erstattungsanspruch nicht § 89f Abs. 1 Satz 1 [X.] i.d.[X.] vom 8. September 2005 ([X.]) zuwider (a). Ihm [X.] hingegen der aus dem Grundsatz von [X.] und Glauben folgende kostenerstattungsrechtliche [X.] (b).

a) Gemäß § 89f Abs. 1 Satz 1 [X.] sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses [X.]uches entspricht. Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten zielt darauf ab, zum einen sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das [X.] überschreitet, und zum anderen den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen (Urteil vom 29. Juni 2006 - [X.]VerwG 5 [X.] 24.05 - [X.]VerwGE 126, 201 = [X.] 436.511 § 89f [X.] Nr. 1, jeweils Rn. 16; ferner Urteile vom 8. Juli 2004 - [X.]VerwG 5 [X.] - [X.] 436.511 § 89d [X.]/[X.] Nr. 2 S. 1 <[X.] f.> und vom 12. August 2004 - [X.]VerwG 5 [X.] 51.03 - NVwZ-RR 2005, 119 <120>). Eine entsprechende Grenzüberschreitung steht hier nicht im Raum.

Dass der Kläger im Zuge der Gewährung der Hilfe zur Erziehung ihm durch das [X.] gesetzte Grenzen überschritten und hierdurch die Interessen des [X.]eklagten verletzt hätte, wird auch von diesem nicht geltend gemacht. Gegenstand der Einwendung ist vielmehr, dass es der Kläger obliegenheitswidrig unterlassen habe, zunächst den [X.]eigeladenen als zuständigen Träger der Sozialhilfe gerichtlich auf Erstattung der streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen.

b) Der Kläger kann die Erstattung des in Rede stehenden [X.]etrags deshalb nicht verlangen, weil er dem kostenerstattungsrechtlichen [X.] hat.

aa) Aus dem Grundsatz von [X.] und Glauben folgt die Pflicht des kostenerstattungsberechtigten [X.], die Interessen des erstattungspflichtigen Trägers von Sozialleistungen zu wahren.

Der Grundsatz von [X.] und Glauben gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Verwaltungsrecht. Er wird aus § 242 [X.]G[X.] abgeleitet, der über seinen Wortlaut hinaus das allgemeine Gebot der [X.]eachtung von [X.] und Glauben im rechtlichen Verkehr als allgemeinen Maßstab enthält, unter dem das gesamte private und öffentliche Recht steht. Der genannte Grundsatz bedarf wegen seiner Allgemeinheit der Konkretisierung. Diese erfolgt durch Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. Urteile vom 11. Oktober 2012 - [X.]VerwG 5 [X.] 22.11 - NJW 2013, 629 Rn. 25 und vom 23. November 1993 - [X.]VerwG 1 [X.] 21.92 - [X.]VerwGE 94, 294 <298> = [X.] 451.64 [X.][X.]ankG Nr. 3 S. 1 ; [X.]eschluss vom 30. April 2008 - [X.]VerwG 6 [X.] 16.08 - juris Rn. 7). Der Grundsatz von [X.] und Glauben begrenzt die Ausübung von Rechten. Ein außerhalb seiner Grenzen liegender Anspruch ist keine Ausübung eines "Rechts", sondern Überschreitung desselben. Deshalb kann der aus § 242 [X.]G[X.] folgende Rechtsgrundsatz materiellen Ansprüchen entgegengehalten werden. Anspruchsvernichtende Wirkung kann ihm insbesondere zukommen, wenn der Anspruchsteller in seine Rechtsposition unter Verletzung eigener Rechtspflichten gelangt ist (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1973 - [X.]VerwG 1 [X.] 34.72 - [X.] 451.52 § 19 MuFG Nr. 2 S. 9 ).

Im Zusammenhang mit [X.] von Sozialleistungsträgern untereinander ergibt sich aus dem Grundsatz von [X.] und Glauben der in der Rechtsprechung des Senats anerkannte kostenerstattungsrechtliche [X.] (vgl. Urteile vom 8. Juli 2004 a.a.[X.], vom 29. Juni 2006 a.a.[X.] Rn. 16 und vom 26. Oktober 2006 - [X.]VerwG 5 [X.] 7.05 - [X.] 436.511 § 89d [X.]/[X.] Nr. 3 Rn. 22). Danach hat der zur Kostenerstattung berechtigte Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist (vgl. Urteil vom 29. Juni 2006 a.a.[X.] Rn. 16). Der [X.] muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2006 a.a.[X.] Rn. 22), sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem [X.] nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen. Dies schließt auch ein darauf hinzuwirken, dass ein vorrangig zuständiger anderer Sozialleistungsträger den Anspruch des Hilfebedürftigen erfüllt. Insoweit kann auch die [X.]eschreitung des Rechtsweges zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit des anderen Trägers geboten sein, sofern dies nicht im Einzelfall aussichtslos erscheint.

Der kostenerstattungsrechtliche [X.] kann einem Erstattungsanspruch hingegen nicht entgegengehalten werden, wenn offenkundig ist, dass es dem erstattungspflichtigen Sozialleistungsträger in gleicher Weise wie dem erstattungsberechtigten Träger möglich wäre, einen vorrangig verpflichteten Träger der Sozialleistung mit Aussicht auf Erfolg in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall gebietet es der Grundsatz von [X.] und Glauben nicht, dem erstattungsverpflichteten Träger den Schutz des kostenerstattungsrechtlichen [X.]es zukommen zu lassen. "Offenkundigkeit" ist anzunehmen, wenn aus Sicht des nachrangig erstattungspflichtigen [X.] kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an dem Erfolg eines entsprechenden Erstattungsbegehrens bestehen kann.

Verletzt der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger den kostenerstattungsrechtlichen [X.], steht dies einem Erstattungsanspruch entgegen.

[X.]) Aufgrund des kostenerstattungsrechtlichen [X.]es ist ein erstattungsberechtigter Träger der Jugendhilfe gehalten, statt den nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger einen vorrangig erstattungspflichtigen Träger der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 10 Abs. 4 Satz 2 [X.] zum Ausdruck kommt.

Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 [X.] gehen die Leistungen nach dem Achten [X.]uch Sozialgesetzbuch den Leistungen nach dem Zwölften [X.]uch Sozialgesetzbuch vor. Von diesem Grundsatz normiert § 10 Abs. 4 Satz 2 [X.] eine Ausnahme für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften [X.]uch Sozialgesetzbuch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen [X.]ehinderung bedroht sind. Diese Leistungen gehen den Leistungen nach dem Achten [X.]uch Sozialgesetzbuch vor. § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 [X.] findet Anwendung, wenn sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (Urteil vom 2. März 2006 - [X.]VerwG 5 [X.] 15.05 - [X.]VerwGE 125, 95 = [X.] 436.511 § 41 [X.]/[X.] Nr. 2, jeweils Rn. 8). Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis des § 10 Abs. 4 Satz 1 [X.] wie auch des § 10 Abs. 4 Satz 2 [X.] ist nicht nach dem Schwerpunkt der Leistung, sondern allein nach der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialleistung abzugrenzen. Der Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist daher auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen beschränkt (Urteile vom 23. September 1999 - [X.]VerwG 5 [X.] 26.98 - [X.]VerwGE 109, 325 <329> = [X.] 436.511 § 41 [X.]/[X.] Nr. 1 S. 2 und vom 22. Oktober 2009 - [X.]VerwG 5 [X.] 19.08 - [X.]VerwGE 135, 159 = [X.] 436.511 § 10 [X.]/[X.] Nr. 4 S. 1, jeweils Rn. 32 f.).

Mit § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 [X.] hat der Gesetzgeber das Rangverhältnis zwischen Leistungen der Jugendhilfe und solchen der Sozialhilfe und speziell der Eingliederungshilfe mit Wirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis geregelt (Urteile vom 23. September 1999 a.a.[X.] S. 330 bzw. [X.] und vom 2. März 2006 a.a.[X.]). Dass beide Vorschriften nur das Verhältnis zwischen Jugendhilfeträger und Sozialhilfeträger, nicht hingegen auch das Verhältnis zweier Jugendhilfeträger betrifft, [X.] der Annahme einer Ausstrahlungswirkung auf den [X.] nicht, da diesem gerade die Frage eines Vorrangs der Erstattung im Verhältnis zwischen dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger zugrunde liegt.

Danach obliegt es dem erstattungsberechtigten Träger der öffentlichen Jugendhilfe in den von § 10 Abs. 4 Satz 2 [X.] erfassten Fallgestaltungen regelmäßig, die Interessen des erstattungsverpflichteten [X.] wahrzunehmen und sein Erstattungsbegehren vorrangig gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verfolgen.

cc) Gemessen an diesen Grundsätzen gebot es die eigenübliche Sorgfalt, zunächst den [X.]eigeladenen aus § 104 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten [X.]uches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) - SG[X.] X - vom 18. August 1980 ([X.]G[X.]l I S. 1469, 2218), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2000 ([X.]G[X.]l I S. 1983), auf Erstattung der ihm in dem [X.] entstandenen streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen (<1>). Dem [X.]eklagten war eine [X.]erufung auf den [X.] im Verhältnis zum Kläger auch nicht mit [X.]lick auf die Offenkundigkeit der Erfolgsaussichten eines eigenen Erstattungsanspruchs gegen den [X.]eigeladenen versagt (<2>).

(1) Der [X.]eigeladene ist dem Kläger aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] X verpflichtet, die diesem im [X.] entstandenen streitgegenständlichen Kosten zu erstatten. Einem entsprechenden Erstattungsanspruch steht nicht § 14 des Neunten [X.]uches Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) - SG[X.] IX - vom 19. Juni 2001 ([X.]G[X.]l I S. 1046) i.d.[X.] vom 23. April 2004 ([X.]G[X.]l I S. 606) entgegen (). Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] X sind erfüllt (). Dadurch, dass es der Kläger unterlassen hat, zunächst den [X.]eigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, hat er die eigenübliche Sorgfalt verletzt ().

(a) Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] X wird nicht durch § 14 SG[X.] IX ausgeschlossen. Dieser zielt auf eine schnelle und dauerhafte Klärung der Zuständigkeit im Leistungsverhältnis zwischen den betroffenen behinderten Menschen und den Rehabilitationsträgern.

Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SG[X.] IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Ergibt die Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 SG[X.] IX unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den [X.] gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SG[X.] IX unverzüglich fest.

Es mag auf sich beruhen, ob das ursprünglich an den [X.] herangetragene [X.]egehren des Kindes als Rehabilitationsbegehren zu werten gewesen wäre und welche Folgewirkungen mit [X.]lick auf den Gesichtspunkt der Hilfekontinuität hieran zu knüpfen gewesen wären. Denn die Regelungen des § 14 SG[X.] IX lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander übertragen. Der Ausgleich unter den Rehabilitationsträgern erfolgt vielmehr in erster Linie - die den Erstattungsanspruch des zweitangegangen Trägers regelnde Sondervorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 1 SG[X.] IX ist hier nicht einschlägig - nach Maßgabe der §§ 102 ff. SG[X.] X ([X.]SG, Urteile vom 26. Juni 2007 - [X.] 1 KR 34/06 R - [X.]SGE 98, 267 und vom 28. November 2007 - [X.] 11a [X.] 29/06 R - FEVS 59, 492 <494>). Ebenso wenig ändert die gesetzliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SG[X.] IX etwas an dem Nachrang der Zuständigkeit des [X.] im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 [X.] ([X.], Urteil vom 1. April 2011 - 12 A 153/10 - [X.] 2011, 539 ).

(b) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SG[X.] X vorliegen, ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der [X.]erechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] X setzt voraus, dass nebeneinander Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger bestehen () und die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen aus Gründen der System- oder Einzelanspruchssubsidiarität nachgeht (<[X.]>) (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - [X.]VerwG 5 [X.] 3.11 - [X.]VerwGE 142, 18 = [X.] 436.511 § 10 [X.] Nr. 7, jeweils Rn. 26 m.w.N.; [X.]SG, Urteile vom 14. Mai 1985 - 4a [X.] - [X.] 1300 § 105 Nr. 1 S. 1 und vom 25. Januar 1994 - 7 [X.]/93 - [X.]SGE 74, 36 <38> m.w.N.).

(aa) Hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Kosten der Pflege und Erziehung des Kindes waren sowohl der Kläger (<<1>>) als auch der [X.]eigeladene (<<2>>) dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet.

(<1>) Die Pflegeeltern konnten gemäß § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] i.V.m. § 33 [X.] von dem Kläger Hilfe zur Erziehung für die Vollzeitpflege des Kindes beanspruchen. Dies wird von den [X.]eteiligten nicht in Abrede gestellt. Auf der Grundlage der nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie erforderlich war.

(<2>) Der [X.]eigeladene war aus § 53 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 des Zwölften [X.]uches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, [X.]G[X.]l I S. 3022) - SG[X.] XII - i.V.m. § 55 Abs. 1 SG[X.] IX i.d.[X.] vom 23. April 2004 ([X.]G[X.]l I S. 606) verpflichtet, dem Kind für den streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren.

Personen, die durch eine [X.]ehinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen [X.]ehinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der [X.]esonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der [X.]ehinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. § 54 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] XII zählt neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SG[X.] IX einzelne Leistungen der Eingliederungshilfe in nicht abschließender Form auf. Gemäß § 55 Abs. 1 SG[X.] IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der [X.] die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des Neunten [X.]uches Sozialgesetzbuch nicht erbracht werden oder in einem der [X.] eines zuständigen Rehabilitationsträgers als Leistung zur Teilhabe am Leben in der [X.] ausdrücklich normiert sind. Auch auf der Grundlage der hier noch anwendbaren Fassung des § 54 SG[X.] XII kann die Vollzeitpflege in Gestalt der Unterbringung in einer Pflegefamilie eine Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe sein. Dem steht nicht entgegen, dass erst mit dem am 5. August 2009 in [X.] getretenen und hier noch nicht anwendbaren § 54 Abs. 3 SG[X.] XII i.d.[X.] vom 30. Juli 2009 ([X.]G[X.]l I S. 2495) die Hilfe für die [X.]etreuung in einer Pflegefamilie ausdrücklich als eine Leistung der Eingliederungshilfe normiert wird. [X.]ereits vor diesem Zeitpunkt konnte die Vollzeitpflege als solche, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, eine Eingliederungshilfe darstellen (vgl. Urteil vom 2. März 2006 - [X.]VerwG 5 [X.] 15.05 - [X.]VerwGE 125, 95 = [X.] 436.511 § 41 [X.]/[X.] Nr. 2, jeweils Rn. 9).

Eine Einstufung der Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie als Eingliederungshilfe liegt insbesondere nahe, wenn schwere körperliche und geistige [X.]ehinderungen eines Kindes dessen Unterbringung in einer sonderpädagogischen Pflegestelle erforderlich machen. In diesen Fällen sind wegen der Schwere der körperlichen und/oder geistigen [X.]ehinderungen neben den ohnehin aufgrund der Unterbringung außerhalb der eigenen Familie erforderlichen erzieherischen und pädagogischen Leistungen gerade auch in erheblichem Umfang therapeutische Leistungen zu erbringen, die in der Gesamtschau eine Qualifikation der Hilfe als Teilhabeleistungen und damit als Leistungen, die auch der Eingliederungshilfe unterfallen, rechtfertigen.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch die im streitgegenständlichen Leistungszeitraum gewährte Vollzeitpflege als Leistung der Eingliederungshilfe einzustufen. Aufgrund seiner schweren körperlichen und geistigen [X.]ehinderungen war das Kind wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Die Gewährung der Teilhabeleistung der Familienpflege hätte erwarten lassen, dass nach den [X.]esonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der [X.]ehinderungen, die Aussicht bestand, deren Folgen zu mildern und ihm so die Teilhabe am Leben in der [X.] zu ermöglichen. Auf der Grundlage der auch insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des [X.] ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Mädchens in der erfahrenen Pflegefamilie die geeignete und notwendige Maßnahme der Eingliederungshilfe war. Eine angemessene Teilhabe am Leben der [X.] war ihm nur bei einer seinen [X.] umfassend begleitenden [X.]etreuung möglich. Die zur [X.]ewältigung seiner behinderungsbedingt massiv eingeschränkten zwischenmenschlichen Kontakte und [X.] [X.]eziehungen erforderliche Hilfe wurde ihm im Rahmen der Unterbringung in der Pflegefamilie zuteil.

([X.]) § 10 Abs. 4 Satz 2 [X.] begründet einen Leistungsvorrang des [X.]eigeladenen als Träger der Sozialhilfe gegenüber dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sofern die zu beanspruchenden Leistungen der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften [X.]uch Sozialgesetzbuch gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind.

Die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege und die Eingliederungshilfe sind, soweit es die streitgegenständlichen familienpflegebezogenen Leistungen betrifft, nach ihrem Zweck und dem betreffenden Leistungszeitraum gleichartig. Gleichartigkeit liegt vor, wenn die Gewährung der Sozialleistung durch den erstleistenden Träger zugleich eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen zweiten Trägers erfüllt hat (Urteil vom 14. Oktober 1998 - [X.]VerwG 5 [X.] 2.98 - [X.]VerwGE 107, 269 <271> = [X.] 436.7 § 25 [X.]VG Nr. 5 S. 1 ; [X.]SG, Urteil vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - [X.]SGE 57, 218 <219>). Einer "Einheit des Leistungsgrundes" bedarf es nicht ([X.]SG, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 4a [X.] - [X.] 1300 § 104 Nr. 12 S. 30 ). Das ist hier der Fall.

Mit dem Oberverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Unterbringung und [X.]etreuung des Kindes in der Pflegestelle in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf die Deckung des gesamten, sich aus den multiplen [X.]ehinderungen des Kindes ergebenden [X.]edarfs gerichtet waren. Dadurch, dass die Pflegefamilie nicht nur den erzieherischen [X.]edarf gedeckt hat, sondern auch auf die geistigen und körperlichen [X.]ehinderungen eingegangen ist, ist der [X.]eigeladene im Umfang der [X.]edarfsdeckung von seiner Leistungspflicht freigeworden (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 17. Mai 2010 - 4 L[X.] 22/09 - [X.] 2010, 385 <387>).

Dass Empfänger der Jugendhilfeleistung die Pflegeeltern waren, während die Eingliederungshilfe dem Kind zu gewähren gewesen wäre, steht mit [X.]lick auf das Ziel des [X.], zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, der Annahme einer Gleichartigkeit der Leistungen nicht entgegen (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - [X.]VerwG 5 [X.] 3.11 - [X.]VerwGE 142, 18 = [X.] 436.511 § 10 [X.] Nr. 7 Rn. 36 m.w.N.).

Der Gleichartigkeit der Leistungen [X.] schließlich nicht, dass im streitgegenständlichen Leistungszeitraum - anders als im [X.]ereich der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege - nicht nur die Art, sondern auch der Umfang der eingliederungshilferechtlichen Hilfe für die [X.]etreuung in einer Pflegefamilie nicht normiert waren. Eine entsprechende Regelungslücke stellte sich als planwidrig dar. Dem Regelungszweck der Eingliederungshilfe entspricht es, die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen Regelung des § 39 [X.], hier i.d.[X.] vom 8. September 2005 ([X.]) bzw. der [X.]ekanntmachung vom 14. Dezember 2006 ([X.]), zu schließen. Ein solcher Analogieschluss ist mit [X.]lick auf den Zweck der Hilfegewährung und die Interessenlage angezeigt. § 39 [X.] trifft eine Regelung unter anderem für die Kosten der Pflege und Erziehung. Insoweit besteht eine hinreichende Vergleichbarkeit mit den betreffenden sozialhilferechtlichen Leistungen. Der entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe [X.] nicht, dass es sich bei Jugendhilfe und Sozialhilfe um zwei sozialrechtliche Hilfesysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen handelt. Denn diesen [X.] kommt bei der [X.]etreuung behinderter Kinder im Rahmen der Familienpflege keine entscheidende [X.]edeutung zu.

(c) Der Kläger hat dadurch, dass er es unterlassen hat, den [X.]eigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, den kostenerstattungsrechtlichen [X.] verletzt. Er hat das Erstattungsbegehren nicht mit der gebotenen Intensität verfolgt. In Anbetracht des Umstandes, dass ihm die [X.]etreibung eines entsprechenden Klageverfahrens nicht zuletzt auf der Grundlage des Urteils des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 2. März 2006 - [X.]VerwG 5 [X.] 15.05 - ([X.]VerwGE 125, 95 = [X.] 436.511 § 41 [X.]/[X.] Nr. 2, jeweils Rn. 9) und des Ergebnisses der von ihm eingeholten Stellungnahme des [X.] zumindest nicht als aussichtslos erscheinen durfte, war es ihm nicht nur möglich, sondern auch zuzumuten, den Rechtsweg mit dem Ziel zu beschreiten, die Kostenverantwortung des [X.]eigeladenen als vorrangig verpflichtetem Sozialleistungsträger zu realisieren.

Die Obliegenheit, im Sinne des [X.]es vorrangige Ansprüche und Leistungen gerichtlich geltend zu machen, wird im streitgegenständlichen Einzelfall auch nicht durch das Gebot überlagert, die Kontinuität der geleisteten Hilfe zur Erziehung zu gewährleisten. Der Kläger war nicht berechtigt, der Sicherstellung des Kindeswohls im Rahmen der Hilfegewährung Vorrang gegenüber der Wahrung der Interessen des [X.]eklagten einzuräumen, da eine Verurteilung des [X.]eigeladenen zur Erstattung der angefallenen Kosten der Pflege und Erziehung unmittelbar weder die Kontinuität der Hilfeleistung noch den Fortbestand der Steuerungsverantwortung des [X.] berührt hätte.

(2) Der [X.]eklagte war auch nicht gehindert, sich im Verhältnis zum Kläger auf den [X.] zu berufen. Es ist nicht offenkundig, dass es dem [X.]eklagten in gleicher Weise wie dem Kläger möglich war, den [X.]eigeladenen mit Aussicht auf Erfolg zur Erstattung heranzuziehen. Im [X.]etracht kommt hier allein ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 104 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] X.

Der Annahme einer entsprechenden Offenkundigkeit [X.], dass § 104 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] X voraussetzt, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Zwar hat das [X.]undesverwaltungsgericht entschieden, dass nach § 89a Abs. 1 [X.] auch ein Anspruch auf Erstattung solcher Kosten besteht, die rechtmäßig zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines weiteren [X.] aufgewendet worden sind (Urteil vom 5. April 2007 - [X.]VerwG 5 [X.] 25.05 - [X.]VerwGE 128, 301 = [X.] 436.511 § 89a [X.]/[X.] Nr. 3, jeweils Rn. 12 ff.); ob diese Rechtsprechung auf die Erbringung von Sozialleistungen im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] X zu übertragen ist, ist indes höchstrichterlich nicht entschieden und war im streitgegenständlichen Leistungszeitraum jedenfalls nicht offenkundig.

3. Ebenfalls ohne Erfolg nimmt der Kläger den [X.]eklagten auf Erstattung eines zusätzlichen Mehrbedarfs im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SG[X.] XII, geändert durch Gesetze vom 2. Dezember 2006 ([X.]G[X.]l I S. 2670) und vom 20. April 2007 ([X.]G[X.]l I S. 554), in Höhe von 2 967,46 € in Anspruch.

Nach dieser Vorschrift wird für Personen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SG[X.] XII noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten [X.]uch Sozialgesetzbuch sind und durch einen [X.]escheid der nach § 69 Abs. 4 SG[X.] IX zuständigen [X.]ehörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 SG[X.] IX die Feststellung des [X.] nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender [X.]edarf besteht.

Der Anerkennung eines entsprechenden Mehrbedarfs im vorliegenden [X.] steht entgegen, dass "erwerbsgeminderte Personen" im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SG[X.] XII nur solche Personen sind, die überhaupt rechtlich in der Lage wären, eine Erwerbstätigkeit auszuüben ([X.]SG, Urteil vom 6. Mai 2010 - [X.] 14 AS 3/09 R - [X.] 4-4200 § 28 Nr. 3 Rn. 20). Hierzu zählen noch der Schulpflicht unterliegende Kinder, so auch das hier betroffene Mädchen, nicht.

Meta

5 C 30/12

13.06.2013

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 3. September 2012, Az: 12 A 1514/10, Urteil

§ 10 Abs 4 SGB 8, § 89a Abs 3 SGB 8, § 89a Abs 1 S 1 SGB 8, § 89f Abs 1 S 1 SGB 8, § 39 SGB 8, § 242 BGB, § 104 Abs 1 SGB 10, § 53 Abs 1 SGB 12, § 54 Abs 1 SGB 12

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.06.2013, Az. 5 C 30/12 (REWIS RS 2013, 5046)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5046

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