Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2008, Az. 5 StR 276/08

5. Strafsenat | REWIS RS 2008, 1970

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5 [X.]/08 [X.] vom 17. September 2008 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 17. September 2008 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. Januar 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Ju-gendkammer des [X.] zurückverwiesen. G r ü n d e
1 Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt, die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sach-rüge Erfolg. 1. Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen: 2 Der Angeklagte wohnte wie auch die Nebenklägerin [X.]in einer Jugendhilfeeinrichtung. Am Mittwoch, dem 21. Juni 2006, waren [X.] dort allein. Auf Aufforderung des Angeklagten begab sich die Nebenkläge-rin in [X.]. Er verlangte, dass sie sich ausziehen und auf das Bett legen solle. Die Nebenklägerin, die keine Möglichkeit zur Gegenwehr sah, kam dem nach. Der Angeklagte legte sich auf sie, drückte sie mit seinem Körpergewicht nieder und hielt sie an den Handgelenken fest. Sodann führte er mit ihr den Geschlechtsverkehr durch, während die Nebenklägerin [X.] ihren Widerwillen äußerte und versuchte, sich wegzudrehen. Am [X.] - 3 - tag darauf berichtete sie u. a. ihren Freundinnen, einer Lehrerin und einer Erzieherin von dem Vorfall. 2. Der Angeklagte hat den Vorwurf bestritten und erklärt, es habe an einem Mittwoch oder Donnerstag in [X.] einverständliche sexuel-le Handlungen mit der Nebenklägerin gegeben. Zum Geschlechtsverkehr sei es dabei nicht gekommen. Er sei nicht in [X.]

verliebt, daher habe er auch nicht ihre Nähe gesucht, als er aus dem darauf folgenden Wochenende zurückgekehrt sei. Soweit der Angeklagte die Vorwürfe bestreitet, stützt sich das [X.] bei seiner Überzeugungsbildung auf die Angaben der [X.], die es abweichend von der Glaubhaftigkeitssachverständigen für erlebnisfundiert und daher glaubhaft erachtet hat. 4 5 Die Sachverständige hat [X.] soweit dies den Urteilsgründen entnommen werden kann [X.] unter Hinweis auf die Detailarmut der Angaben und gewissen Schwankungen zur räumlichen und zeitlichen Zuordnung die Erlebnisbezo-genheit der Aussagen nicht feststellen können. Eine Falschbezichtigung oder suggestive Fremdeinflüsse hat sie nicht ausschließen, jedoch auch die Un-wahrheit der Angaben nicht feststellen können. Letztlich kann dieser [X.] entnommen werden, dass die Sachverständige die bei der gebotenen Vorgehensweise (vgl. [X.]St 45, 164, 168 m.w.N.) zu bildende Hypothese, die Aussage sei unwahr, als nicht widerlegt angesehen hat. Auf der Grundlage dieser als insgesamt überzeugend und nachvoll-ziehbar erachteten Ausführungen der Sachverständigen hat das [X.] sich dennoch die Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der Angaben der [X.] verschafft. Sein abweichendes Ergebnis der Bewertung hat es auf die [X.] der Angaben und auf weitere, in der Hauptverhandlung zu Tage getretene Anhaltspunkte [X.] insoweit über —aussagepsychologische Mit-telfi hinausgehend [X.], die für die Richtigkeit der belastenden Angaben spre-chen, gestützt, wie [X.] das [X.] der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung, ihre Erschütterung und ihr —offensichtliches Leidenfi. 6 - 4 - 3. Die Beweiswürdigung des [X.]s weist Rechtsfehler auf (vgl. [X.], 384, 387, insoweit in [X.], 144 nicht abgedruckt). Die Darlegungen, mit denen das [X.] seine Überzeugung für das Revisi-onsgericht nachvollziehbar zu begründen sucht, sind lückenhaft und wecken die Besorgnis, dass es einen rechtlich unzutreffenden Maßstab seiner Über-zeugungsbildung zugrunde gelegt hat. 7 a) Es begegnet schon Bedenken, dass das [X.] nicht ersicht-lich bedacht hat, dass die Detailarmut der Angaben der Nebenklägerin [X.] auf die Aussagekraft des [X.]kriteriums für die Bewertung der Glaubhaftigkeit einer Aussage haben kann (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Oktober 1999 [X.] 4 StR 370/99, insoweit in [X.], 217 nicht abge-druckt). Jedenfalls aber entbehrt die Würdigung des [X.]s, die [X.] Angaben der Nebenklägerin seien —hinreichend konstantfi, einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Tatsachengrundlage, da die Anknüp-fungspunkte für diese Bewertung nicht mitgeteilt werden. Die Urteilsgründe enthalten weder eine geschlossene Darstellung der Angaben der Nebenklä-gerin noch eine sorgfältige Auseinandersetzung mit der durch zahlreiche Be-fragungen vor der ersten polizeilichen Vernehmung gekennzeichneten Aus-sageentwicklung. 8 Schon im Hinblick auf die von der Sachverständigen geltend gemach-ten Schwankungen im [X.] [X.] die das [X.] hinsichtlich der zeitlichen Einordnung ohne weitere Erörterung in Abrede stellt [X.] durfte auf eine zusammenfassende Wiedergabe der Angaben der Nebenklägerin nicht verzichtet werden. Denn ohne diese ist nicht nachvollziehbar, ob und inwieweit [X.] vorliegt [X.] wofür freilich die Bewertung als —hinreichend konstantfi spricht [X.] und welche Bedeutung dem zukommt. 9 Insbesondere fehlt es an einer Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der ersten offenbarenden Angaben der Nebenklägerin gegenüber ihrer Freundin. Das [X.] beschränkt sich auf die Feststellung, dass sie 10 - 5 - —davonfi erzählt habe. Zu einer ausführlicheren Darlegung hätte aber auch deswegen Anlass bestanden, weil sich die dürftigen Erkenntnisse zu den folgenden Angaben der Nebenklägerin nicht ohne weiteres mit dem festge-stellten Tatgeschehen in Übereinstimmung bringen lassen. So hat die [X.] gegenüber ihrer Beratungslehrerin angegeben, der Angeklagte habe sie in [X.] —angefasst und überwältigtfi. Einer weiteren Freundin hat sie am gleichen Tag berichtet, der Angeklagte habe —versucht bei ihr einzudringenfi, sie habe —probiert ihn wegzudrängen, danach sei sie wieder in [X.] gegangenfi. Die hierin liegende Abweichung vom fest-gestellten vollzogenen Geschlechtsverkehr lässt das [X.] unerörtert. In diesem Zusammenhang durfte das [X.] die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin auch nicht darauf stützen, dass sie selbst eine Beeinflussung durch diese Freundin ausgeschlossen hat. Dies lässt [X.], das [X.] habe zur Prüfung der Glaubhaftigkeit die zu über-prüfenden Angaben als wahr unterstellt, was jedoch zirkelschlüssig wäre. 11 12 b) Aber auch die übrigen Erwägungen, mit denen das [X.] ei-ne von der Sachverständigen abweichende Bewertung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin zu begründen sucht, sind nicht frei von [X.]. [X.]) So fehlt es an der Wiedergabe der Stellungnahme der Sachver-ständigen zu den Gesichtspunkten, auf welche das Gericht seine abwei-chende Auffassung stützt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, da das [X.] eine schwierige Frage, zu der es den Rat eines Sachverständigen in Anspruch genommen hat, abweichend von dem Gutachten gelöst hat (vgl. [X.]R StPO § 261 Sachverständiger 5 und 9). Diese Darlegungspflicht hat das [X.] verkannt. Es beachtet insbesondere nicht, dass das [X.] der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung, auf welches es maßgeblich für die abweichende Beurteilung abgestellt hat, auch der Begut-achtung durch die Sachverständige zugänglich war. Damit verweigert das 13 - 6 - [X.] die unerlässliche Erörterung der offensichtlich verschiedenen Schlüsse aus diesem [X.] durch die Sachverständige einer-seits und das Gericht andererseits. [X.]) Bedenklich ist überdies die Erwägung des [X.]s, die [X.] der Nebenklägerin und ihr Leiden sprächen für die Wahrheit ih-rer Schilderung, da sie diese sonst auch hätte vorspielen müssen, was ihr nicht gelingen würde. Diese Erwägung setzt voraus, dass die Belastungen der Nebenklägerin durch die angeklagte Tat entstanden sind, für deren Be-gehung sie das [X.] gerade als Indiz werten will. Andere mögliche, ersichtlich nicht fern liegende Ursachen für die psychischen Auffälligkeiten lässt das [X.] unerörtert. Entsprechendes gilt für die Würdigung des Zögerns der Nebenklägerin vor der Anzeigenerstattung. 14 15 4. Der Senat kann danach insgesamt nicht ausschließen, dass das Tatgericht ohne die genannten Rechtsfehler zu einer anderen Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin gelangt wäre. Er macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative StPO Gebrauch. [X.] Sch[X.]l Schneider Dölp

Meta

5 StR 276/08

17.09.2008

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2008, Az. 5 StR 276/08 (REWIS RS 2008, 1970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1970

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