Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2015, Az. 1 StR 351/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 17195

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
1
StR
351/14

vom
14. Januar 2015
in der Strafsache
gegen

wegen Vergewaltigung u.a.

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
14. Januar 2015, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Graf

als Vorsitzender,

der
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Jäger,
die [X.]in am [X.]
Cirener
und die [X.] am [X.]
Prof. [X.],
Prof. Dr. Mosbacher,

Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,
Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -

als Vertreter der Nebenklägerin,

Justizangestellte

-
in der Verhandlung -,
Justizobersekretärin

-
bei der Verkündung -

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Die Revision der Nebenklägerin gegen das Urteil des [X.] ([X.]) vom 7. März 2014 wird [X.].

Die Nebenklägerin
hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Der Angeklagte war vom [X.] zunächst wegen schweren sexuel-len Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Beischlaf zwischen Verwandten in fünf Fällen, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Beischlaf zwischen [X.] in zehn Fällen, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Beischlaf zwischen Verwandten in fünf Fällen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer [X.] von zwölf Jahren verurteilt worden. Zudem war die Unterbringung in der [X.] angeordnet worden. Auf die Revision des Angeklagten ist das Urteil durch Beschluss des Senats vom 23. August 2013 mit den [X.] aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen worden.
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-
4
-
Nunmehr hat das [X.] den Angeklagten aus tatsächlichen Grün-den freigesprochen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der [X.], die vom [X.] vertreten wird, hat keinen Erfolg.

I.
1. Dem Angeklagten liegt mit der unverändert zur Hauptverhandlung zu-gelassenen Anklage Folgendes zur Last:
Er soll als leiblicher Vater der am 6.
März 1994 geborenen [X.] mit ihr im Mai 2007 in fünf Fällen den vaginalen Geschlechtsverkehr ausge-übt haben. Dies soll er zwischen dem
1.
Juni 2007 und dem 24.
November 2007 in weiteren zehn Fällen wiederholt haben, wobei er Versuche des [X.], ihn wegzustoßen, durch Kniffe in deren Schenkel vereitelte. Zwischen
dem 6.
März 2009 und Februar 2011 soll er in weiteren fünf Fällen den vagina-len Geschlechtsverkehr gegen den Willen des sich wehrenden Mädchens, das er dabei jeweils mit Gewalt niederdrückte, vollzogen haben. Zwischen dem 1.
Juni 2010 und dem 24. November
2011 soll er sie in das Gesicht gebissen haben, so dass dieses
mit Hämatomen übersät war,
und sie anschließend [X.] haben, in der Badewanne zu schlafen, wobei er mit dem Duschkopf auf sie eingeschlagen haben soll, so dass diese eine Kopfplatzwunde und ei-nen gebrochenen Finger erlitten haben soll.
2. Das [X.] hat demgegenüber Folgendes festgestellt:
Der Angeklagte ist der leibliche Vater der Nebenklägerin, die seit Ende 2006 bei ihm lebte. Zwischen dem 7. und 8. Oktober 2007 erlitt die [X.] eine Nagelkranzfraktur und leichte Schürfwunden im Gesicht. Am 24. No-vember 2007 schrien der Angeklagte und die Nebenklägerin in der Wohnung 2
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so laut herum, dass die Polizei verständigt wurde. Im [X.] an den [X.] verblieb die Nebenklägerin bis Anfang 2009 in einem Kinderheim, bis sie wieder zum Angeklagten zog, wo sie bis Mitte 2011 blieb.
3. Das [X.] hat sich weder davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte mit der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr ausgeübt hat, noch, dass er sie zwischen dem 1. Juni 2010 und dem 24. November 2011 bzw. dem 7. und 8. Oktober 2007 mehrfach in das Gesicht gebissen und mit dem Duschkopf geschlagen hat. Dies gründet es auf Folgendes:
Die belastenden Angaben der einzigen unmittelbaren Tatzeugin, der [X.], hätten für eine Überzeugungsbildung von der Täterschaft des [X.] keine Grundlage geboten. So seien diese insbesondere zu den Missbrauchsvorwürfen inhaltlich außerordentlich karg, was deswegen von [X.] sei, da die
Nebenklägerin Streitereien zwischen sich und dem Ange-klagten aus dem gleichen Zeitraum detailliert habe schildern können. Den [X.] fehle es zudem an [X.], sie wiesen eine erhebliche Zahl von nicht erklärbaren Widersprüchen und Unvereinbarkeiten auf, die auch auf das Kern-geschehen bezogen seien. Hinzu komme, dass manche Angaben der Neben-klägerin durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt worden seien. Dies neige. Schließlich
begründeten auch die Umstände der Aussageentstehung

-sie-durch ihren Freund, demgegenüber sie dann gesagt habe, dass der Angeklagte

Zweifel an der Erlebnisbasiertheit ihrer Angaben; zu-durchgreifenden Zweifel an der Erlebnisbasiertheit der Angaben fänden im Gutachten der aussagepsychologischen Sachverständigen, die die Möglichkeit bewusst falscher Angaben nicht auszuschließen vermochte, eine Stütze. Aus-7
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reichende äußere Umstände, um dennoch eine Verurteilung des Angeklagten hierauf stützen zu können, hätten nicht vorgelegen.

II.
Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler auf.
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der [X.]. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind.
Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. [X.], Urteil vom 6.
November 1998

2
StR
636/97, [X.]R StPO §
261 Beweiswürdigung
16 mwN; [X.], Urteil
vom 17. Juli 2014

4 [X.]/14).
In der Beweiswürdigung selbst muss sich der Tatrichter mit den fest-gestellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen ([X.], Urteile
vom 14.
August 1996

3
StR
183/96, [X.]R StPO §
261 Beweiswürdigung
11
und vom 16. Januar 2013

2 [X.]). Dabei dürfen die Indizien nicht nur isoliert betrachtet werden, sie müssen vielmehr in eine umfassende Gesamt-würdigung aller bedeutsamen Umstände
eingebracht werden ([X.], Urteile
vom 23.
Juli 2008

2
StR
150/08, [X.], 2792, 2793
und
vom 9
10
11
-
7
-
13.
Dezember 2012

4 StR 33/12, [X.], 195, 196
mwN). Der Tatrichter darf insoweit keine überspannten Anforderungen an die für die Beurteilung [X.] Gewissheit stellen ([X.], Urteile vom 26.
Juni 2003

1
StR
269/02, [X.], 35, 36; vom 10.
August 2011

1
StR
114/11, [X.], 110
f.; vom 18.
Januar 2011

1
StR
600/10, [X.], 302, 303
und
vom 2. Oktober 2013

1 [X.]/13).
b) Diesen Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung wird
das angefochtene Urteil gerecht. Das [X.] hat in einer umfassenden Beweiswürdigung die wesentlichen für die Entscheidungsfindung bedeutsamen Gesichtspunkte erörtert. Dies genügt den oben dargelegten revisionsrechtli-chen Anforderungen an eine umfassende Gesamtwürdigung sämtlicher Indizien
unter Zugrundelegung der rechtlich zutreffenden Maßstäbe.
aa) So hat es ausführlich die Besonderheiten und Auffälligkeiten im [X.] der Nebenklägerin dargelegt und gewürdigt; wieso es sich auf dieser Grundlage nicht von der Erlebnisbasiertheit der Angaben hat überzeu-gen können, hat es nachvollziehbar begründet. Dass es dabei überspannte An-forderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat, ist
nicht zu besorgen. Dies gilt nicht schon allein deswegen, weil es die zutreffenden Obersätze hierzu in seine Erörterungen aufgenommen hat, sondern weil der Inhalt derselben be-legt, dass die Überzeugungsbildung daran ausgerichtet, insbesondere nicht von dem Erfordernis einer absoluten, das Gegenteil denknotwendig ausschließen-den Gewissheit geleitet ist. Auch dem Umstand, dass bei der Schilderung gleichförmig verlaufender sexueller Missbrauchstaten über einen längeren Zeit-raum keine überzogenen Anforderungen
an die Individualisierbarkeit der [X.] Taten zu stellen sind, hat es erkennbar in seine Würdigung eingestellt. Es hat

sachverständig beraten

eine Zusammenziehung einzelner Situatio-nen zu einem Schema in der Erinnerung als Erklärung für die [X.] der 12
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-
Schilderungen erwogen.
Es hat aber
angesichts der übrigen Auffälligkeiten, die nicht an die [X.] anknüpfen, eine solche Erklärung für das Aussagever-halten
nicht
für
plausibel erachtet.
Soweit die Revision der Auffassung ist, die Annahme von [X.] und Widersprüchen im [X.] sei nicht zu rechtfertigen, handelt es sich um eine revisionsrechtlich unbeachtliche eigene Beweiswürdigung, teilwei-se unter Heranziehung urteilsfremder Gesichtspunkte.
[X.]) Zum Vorwurf des Körperverletzungsdelikts nimmt das [X.] an mehreren Stellen ausdrücklich in den Blick, dass die Angaben der [X.] es darüber n-

dem Zusammenhang der würdigenden Ausführungen ergibt sich, dass das [X.] die fehlende situative Einbettung des Geschehens beschreibt und vergleichend feststellt, dass die Nebenklägerin bei der Schilderung anderer [X.]

wenn auch in unterschiedlichen Versionen

habe schildern können. Maßgeblich für die Überzeugungsbildung des Landge-richts wirkte sich insoweit aber aus, dass die Angaben der Nebenklägerin zu diesem Vorwurf in mehreren Bereichen durch das Ergebnis der Beweisauf-nahme, so u.a. die Angaben des behandelnden Arztes, widerlegt worden sind.
[X.]) Das [X.] hat auch die belastenden Indiztatsachen

sowohl im Hinblick auf Sexualdelikte als auch Körperverletzungsdelikte

in seine 14
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9
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Überzeugungsbildung einbezogen und ausführlich gewürdigt. Dass es sich un-ter Berücksichtigung dieser Umstände angesichts der rechtsfehlerfrei begrün-deten, erheblichen Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der [X.] nicht von einem innerhalb des [X.] liegenden konkreten Tatgeschehen hat überzeugen können, ist eine tatrichterliche [X.], die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
[X.] Cirener

Radtke Mosbacher

Meta

1 StR 351/14

14.01.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2015, Az. 1 StR 351/14 (REWIS RS 2015, 17195)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17195

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2 StR 106/12

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1 StR 75/13

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