Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.09.2012, Az. 10 C 12/12

10. Senat | REWIS RS 2012, 3480

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Gegenstand

Ehegattennachzug zu einem deutschen Staatsangehörigen; Spracherfordernis; verfassungskonforme Auslegung


Leitsatz

1. Die in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG (juris: AufenthG 2004) getroffene Regelung zum Spracherfordernis ist auf den Ehegattennachzug zu Deutschen gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG nur entsprechend anzuwenden. Die verfassungskonforme Auslegung des § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG gebietet es, von diesem Erfordernis vor der Einreise abzusehen, wenn Bemühungen um den Spracherwerb im Einzelfall nicht möglich, nicht zumutbar oder innerhalb eines Jahres nicht erfolgreich sind. Dies enthebt nicht von Bemühungen zum Spracherwerb nach der Einreise.

2. Ein deutscher Staatsangehöriger darf grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, seine Ehe im Ausland zu führen. Das Grundrecht des Art. 11 GG gewährt ihm - anders als einem Ausländer - das Recht zum Aufenthalt in Deutschland.

3. Dies gilt gleichermaßen für den Ehegattennachzug zu einem deutschen Staatsangehörigen, der eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine 1983 geborene [X.] Staatsangehörige, begehrt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug.

2

Der 1982 geborene Ehemann der Klägerin reiste 1999 als [X.]r Staatsangehöriger nach [X.] ein und betrieb hier erfolglos ein Asylverfahren. 2002 wurde ihm eine Aufenthaltsbefugnis erteilt, 2006 eine Niederlassungserlaubnis. Seit August 2007 oder Anfang 2008 ist die Klägerin wirksam mit ihrem Ehemann verheiratet. Im November 2009 erhielt der Ehemann durch Einbürgerung zusätzlich zur [X.]n die [X.] Staatsgehörigkeit.

3

Im Mai 2008 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug. Die [X.] in [X.] lehnte den Antrag am 9. April 2009 mit der Begründung ab, die Klägerin habe keine ausreichenden [X.]n Sprachkenntnisse nachgewiesen. Eine Ausnahme vom [X.] ergebe sich im Fall der Klägerin weder aus der Tatsache, dass sie Analphabetin sei, noch aus dem Umstand, dass in [X.] keine Deutschkurse angeboten würden.

4

Im Dezember 2009 hat die Klägerin Klage auf Erteilung des begehrten Visums erhoben. Hilfsweise hat sie beantragt, die Beklagte zur Erteilung eines Visums von einem Jahr zum Spracherwerb in [X.] zu verurteilen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 1. August 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug, da sie das [X.] nicht erfülle, das gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] auch für den Ehegattennachzug zu [X.] gelte. Die Klägerin sei nicht wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung außerstande, einfache Kenntnisse der [X.]n Sprache nachzuweisen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 [X.]). Vielmehr gehe sie selbst davon aus, dass es ihr im Rahmen geeigneter Integrationsmaßnahmen gelingen werde, Lesen und Schreiben und zudem die [X.] Sprache zu erlernen. Denn darauf ziele ihr Hilfsantrag.

5

Das Erfordernis, dass sich ein Ausländer grundsätzlich vor dem Nachzug zu dem im [X.] lebenden Ehegatten einfache Kenntnisse der [X.]n Sprache aneignen müsse, sei mit dem Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG und nach Art. 8 [X.] sowie mit Unionsrecht - insbesondere der [X.] - vereinbar. Die Richtlinie 2003/86/[X.] in Art. 7 Abs. 2 den Mitgliedstaaten das Recht ein, von Drittstaatsangehörigen zu verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen, wozu auch der erfolgreiche Abschluss eines Sprachkurses gehöre. Es sei auch nicht erkennbar, dass es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar wäre, einfache [X.] Sprachkenntnisse vor ihrem Zuzug nach [X.] zu erwerben. Entsprechende Kurse würden in [X.] angeboten. Von der Klägerin könne erwartet werden, dass sie sich zur Absolvierung eines solchen Sprachkurses nach [X.] begebe. Sie habe auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Spracherwerb in [X.].

6

Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision der Klägerin. Sie beruft sich auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes. Die Ungleichbehandlung der drittstaatsangehörigen Ehegatten von [X.] im Verhältnis zu drittstaatsangehörigen Ehegatten von in [X.] lebenden Unionsbürgern sei sachlich nicht gerechtfertigt. Sinn der Sprachanforderungen sei es, die Integration neu einreisender Ausländer zu fördern, Zwangsehen zu verhindern und das Entstehen von "Parallelgesellschaften" zu verhindern. Bei Ehegatten [X.]r Staatsangehöriger sei aber im Regelfall von einem geringeren [X.] auszugehen. Die mangelnde Rechtfertigung der Ungleichbehandlung sei auch nicht durch das formale Argument einer Bindung an das Unionsrecht zu heilen, die eigene Staatsangehörige nicht erfasse. Darüber hinaus erschwere die Regelung die Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar und verstoße daher gegen den Schutz der Ehe nach Art. 6 GG. Vor allem sei die Regelung aber mit Art. 20 AEUV nicht vereinbar. Dem Ehegatten der Klägerin werde als Unionsbürger das grundlegende Recht auf Familieneinheit unangemessen erschwert. Werde die Aufenthaltserlaubnis wegen fehlender Sprachkenntnisse versagt, könnten die Klägerin und ihr Ehemann die eheliche Lebensgemeinschaft nicht in [X.] aufnehmen. Das sei mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] nicht zu vereinbaren.

7

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung des begehrten Visums zum Ehegattennachzug mit einer Begründung verneint, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Es hat verkannt, dass sich die Voraussetzungen für den Ehegattennachzug zu einem [X.] von den Nachzugsvoraussetzungen zu einem Ausländer unterscheiden. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des [X.] zu den Anspruchsvoraussetzungen kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist daher an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Erteilung eines nationalen Visums zum Ehegattennachzug, das sie auch auf ihre Stellung als Familienangehörige eines Unionsbürgers stützt. Das in erster Instanz hilfsweise geltend gemachte Begehren auf Erteilung eines Visums zum Spracherwerb in [X.] hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht weiterverfolgt.

Der revisionsgerichtlichen Beurteilung ist das [X.] in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 ([X.]), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der [X.] vom 1. Juni 2012 ([X.]), zugrunde zu legen. Denn bei [X.] auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der Sach- und Rechtslage grundsätzlich der [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz maßgeblich (vgl. Urteil vom 30. März 2010 - BVerwG 1 [X.] 8.09 - BVerwGE 136, 231 Rn. 10). Die während des Revisionsverfahrens eingetretenen Rechtsänderungen sind allerdings zu beachten, weil auch das Verwaltungsgericht - entschiede es anstelle des [X.] - sie zu berücksichtigen hätte.

Die Anwendung des [X.]es ist nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ausgeschlossen, da die Rechtsstellung der Klägerin mangels eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nicht von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/[X.] [X.]/[X.]) erfasst wird. Ein solches ergibt sich nicht aus der Richtlinie 2004/38/[X.] - [X.], da sich ihr Ehemann in [X.] als dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, aufhält (vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie). Es lässt sich auch nicht unmittelbar aus der Unionsbürgerstellung ihres Ehemannes ableiten. Zum einen hat dieser von seinem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht keinen nachhaltigen Gebrauch gemacht, so dass es bereits an dieser Voraussetzung für die Annahme eines sog. Rückkehrerfalls fehlt (vgl. Urteil vom 22. Juni 2011 - BVerwG 1 [X.] 11.10 - NVwZ 2012, 52 Rn. 9 m.w.[X.]). Zum anderen wird ihm durch die Versagung eines Aufenthaltsrechts zugunsten der Klägerin nicht der tatsächliche Genuss des [X.] der Rechte verwehrt, die ihm der Unionsbürgerstatus nach Art. 20, 21 A[X.]V verleiht (vgl. [X.], Urteile vom 8. März 2011 - [X.]. [X.]-34/09, [X.] - NVwZ 2011, 545 Rn. 42; vom 5. Mai 2011 - [X.]. [X.]-434/09, [X.] - NVwZ 2011, 867 Rn. 56 und vom 15. November 2011 - [X.]. [X.]-256/11, [X.] u.a. - NVwZ 2012, 97 Rn. 74).

2. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin als [X.] Staatsangehörige ein nationales Visum für den von ihr angestrebten längerfristigen Aufenthalt in [X.] benötigt (§ 6 Abs. 3 [X.]). Das ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABl [X.] Nr. L 81 S. 1) - [X.]-VisaVO - und deren Anhang I.

3. Die Klägerin erstrebt den Nachzug zu ihrem [X.] Ehemann. Nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] ist dem ausländischen Ehegatten eines [X.] ein (nationales) Visum zu erteilen, wenn der [X.] seinen gewöhnlichen Aufenthalt im [X.] hat. Dabei ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 [X.] entsprechend anzuwenden (§ 28 Abs. 1 Satz 5 [X.]). Damit setzt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug zu einem [X.] - ebenso wie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu einem Ausländer - (u.a.) voraus, dass sich der nachzugswillige Ehegatte zumindest auf einfache Art in [X.] verständigen kann (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]). Die Klägerin verfügt nach den Feststellungen des [X.] über keinerlei Deutschkenntnisse und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.].

3.1 Nach § 2 Abs. 8 [X.] entsprechen einfache [X.] Sprachkenntnisse dem Niveau A 1 des [X.] ([X.].) Dies beinhaltet als unterstes Sprachniveau folgende sprachliche Fähigkeiten:

"Kann vertraute, alltägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze verstehen und verwenden, die auf die Befriedigung konkreter Bedürfnisse zielen. Kann sich und andere vorstellen und anderen Leuten Fragen zu ihrer Person stellen - z.B. wo sie wohnen, was für Leute sie kennen oder was für Dinge sie haben - und kann auf Fragen dieser Art Antwort geben. Kann sich auf einfache Art verständigen, wenn die Gesprächspartnerinnen oder Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen und bereit sind zu helfen."

Die Fähigkeit, sich auf einfache Art in [X.] verständigen zu können, umfasst nach der Definition des Sprachniveaus auch Grundkenntnisse der [X.] Schriftsprache (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.[X.] Rn. 14).

3.2 Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen, unter denen nach § 28 Abs. 1 Satz 5 [X.] in entsprechender Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 3 [X.] von dem [X.] abgesehen wird.

Die Klägerin kann sich insbesondere nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 [X.] berufen. Danach ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] unbeachtlich, wenn der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der [X.] Sprache nachzuweisen. Nach den Feststellungen des [X.] bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Klägerin der Erwerb einfacher Kenntnisse der [X.] Sprache wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht möglich ist. Auch ihr Analphabetismus hat seine Ursache danach nicht in einer Krankheit oder Behinderung. Die mit einer Erstalphabetisierung im Erwachsenenalter allgemein verbundenen Schwierigkeiten reichen für eine Ausnahme nach dieser Vorschrift nicht aus (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.[X.] Rn. 16).

Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 [X.] berufen. Danach gilt das [X.] nicht, wenn der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das [X.] einreisen und sich darin aufhalten darf. Diese Ausnahmeregelung bezieht sich auf [X.], die nach § 41 [X.] auch für längere Aufenthalte visumfrei einreisen und einen erforderlichen Aufenthaltstitel im [X.] einholen können (BTDrucks 16/5065 S. 175). Ihr kommt beim Ehegattennachzug zu einem [X.] über den Verweis in § 28 Abs. 1 Satz 5 [X.] keine Bedeutung zu. Ein [X.]r benötigt keinen Aufenthaltstitel zur Einreise und zum Aufenthalt im [X.]. Dass er aufgrund seiner [X.] Staatsangehörigkeit visumfrei einreisen und sich hier aufhalten darf, ergibt sich nicht aus § 41 [X.]. Bei einer Übertragung der Ausnahmeregelung auf [X.] [X.] würde das [X.] beim Nachzug zu einem [X.] vollkommen leerlaufen, was dem Willen des Gesetzgebers, auch in diesen Fällen vom nachziehenden Ehegatten grundsätzlich den Nachweis einfacher Deutschkenntnisse zu verlangen (vgl. BTDrucks 16/5065 S. 171), zuwiderlaufen würde.

4. Das Erfordernis einfacher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug ist mit dem besonderen Schutz, den Ehe und Familie nach Art. 6 [X.] und Art. 8 [X.] genießen, grundsätzlich zu vereinbaren, auch soweit es den Nachzug zu einem [X.] betrifft. Art. 7 der GR-[X.]harta findet beim Nachzug zu einem - wie hier - unionsrechtlich nicht privilegierten inländischen [X.]n, bei dem sich der Ehegattennachzug ausschließlich nach nationalem Recht richtet, keine Anwendung (vgl. Art. 51 Abs. 1 GR-[X.]harta).

4.1 Das Erfordernis einfacher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug stellt zwar keinen Eingriff in die Freiheitsrechte des Art. 6 [X.] dar. Nach der Rechtsprechung des [X.] gewährt Art. 6 [X.] grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Das gilt auch für den Nachzug eines Ausländers zu seinem [X.] Ehegatten. Das [X.] ist jedoch an der in Art. 6 [X.] enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm zu messen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - [X.]E 76, 1 <49>). Danach wirken der zur Berücksichtigung ehelicher und familiärer Bindungen verpflichtende Schutzauftrag und das Förderungsgebot des Art. 6 [X.] auf die gesamte, die Ehe und Familie betreffende Rechtsordnung ein und setzen auch dem Gesetzgeber Grenzen. Dieser hat beim Erlass allgemeiner Regeln über die Erteilung von Aufenthaltstiteln die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen an im [X.] lebende Personen in einer Weise zu berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz dem Schutz von Ehe und Familie beimisst. Damit korrespondiert ein grundrechtlicher Anspruch auf angemessene Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Interessen an einem Zusammenleben im [X.]. Stehen dem Begehren eines Ausländers auf Familiennachzug öffentliche Belange entgegen, sind seine ehelichen und familiären Belange sowie gegenläufige öffentliche Interessen mit dem Ziel eines schonenden Ausgleichs gegeneinander abzuwägen. Dabei müssen Grundlage und Abwägungsergebnis der gesetzlichen Regelung dem sich aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 [X.] ergebenden Gebot gerecht werden, die ehelichen und familiären Bindungen der einen Aufenthaltstitel begehrenden Ausländer an ihre im [X.] lebenden Angehörigen in angemessener Weise zu berücksichtigen. Die zu treffenden Regelungen müssen insbesondere den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots entsprechen. Dabei steht dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Ausländerrechts allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.[X.] Rn. 31 ff. m.w.[X.]).

Ehe und Familie unterfallen zudem dem Schutz des Art. 8 [X.]. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] garantiert aber auch die Konvention kein Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Staat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Maßnahmen im Bereich der Einwanderung können jedoch das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 [X.] berühren. Danach hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens; ein Eingriff ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 [X.] statthaft. In beiden Fällen ist ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den gegenläufigen Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft herzustellen. Im Ergebnis verpflichtet damit auch Art. 8 [X.] zu einer Abwägungslösung nach [X.] (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.[X.] Rn. 33 f. m.w.[X.]).

Für das [X.] beim Ehegattennachzug zu Ausländern ist der 1. Senat des [X.] in seinem Urteil vom 30. März 2010 (a.a.[X.] Rn. 40 ff.) zu dem Ergebnis gekommen, dass die gesetzliche Regelung in der Regel zu einem ausgewogenen Interessenausgleich führt, der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen von Art. 6 [X.] und Art. 8 [X.] entspricht. Zugleich hat er darauf hingewiesen, dass die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall auch durch Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Spracherwerb nach § 16 Abs. 5 [X.] hergestellt werden kann (Rn. 46). An dieser Rechtsprechung hält der 10. Senat für die Beurteilung des nationalen Rechts fest.

Das [X.] hat die verfassungsrechtliche Wertung des [X.] bestätigt, dass die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderliche Verpflichtung des Ehegatten eines in [X.] lebenden Ausländers, sich zumindest auf einfache Art in [X.] verständigen zu können, nicht gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 [X.] verstößt (Beschluss vom 25. März 2011 - 2 BvR 1413/10 - NVwZ 2011, 870). Danach verfolgt der Gesetzgeber mit der Obliegenheit, einfache Kenntnisse der [X.] Sprache vor Zuzug in das [X.] zu erwerben, ein legitimes Ziel, nämlich die Integration von Ausländern zu fördern und Zwangsverheiratungen zu verhindern. Es sei nicht ersichtlich, dass die Einschätzung des Gesetzgebers, das zur Erreichung dieses Ziels gewählte Instrumentarium sei Erfolg versprechend, evident ungeeignet sein könnte. Den Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers überschreite auch nicht die weitere Annahme, der Erwerb von Deutschkenntnissen vor der Einreise sei erforderlich, weil er häufiger und schneller zur Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse führe als ein Spracherwerb erst im [X.]. Gleiches gelte für die Einschätzung, bereits bei Einreise vorhandene Sprachkenntnisse erschwerten die Ausnutzung von [X.], insbesondere könne sich ein Ehegatte im Falle einer Zwangslage an die zuständigen Behörden wenden und der Abhängigkeit von der "Schwiegerfamilie" leichter entgehen. Auch soweit das [X.] zu der Beurteilung gelange, beim Ehegattennachzug zu einem Ausländer führe der geforderte Nachweis von Deutschkenntnissen in seiner konkreten gesetzlichen Ausgestaltung in der Regel zu einem angemessenen Interessenausgleich, sei dagegen von Verfassungs wegen nichts zu erinnern. Die mit dem Erwerb von Sprachkenntnissen typischerweise verbundene Belastung verzögerten häuslichen Zusammenlebens im [X.] werde sich zumeist in einem überschaubaren [X.]raum überwinden lassen, wofür insbesondere spreche, dass an die nachzuweisenden Sprachkenntnisse nur geringe Anforderungen gestellt werden. Hinzu komme, dass dem im [X.] lebenden ausländischen Ehepartner grundsätzlich Anstrengungen zumutbar seien, die familiäre Einheit durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen (Beschluss vom 25. März 2011 a.a.[X.] Rn. 5 ff.).

Auch der High [X.]ourt für [X.] und [X.] hält in seinem Urteil vom 16. Dezember 2011 (<2011> EWH[X.] 3370 (Admin) Rn. 115) die im [X.] Ende 2010 eingeführte gesetzliche Regelung, wonach der Ehegattennachzug vom erfolgreichen Absolvieren eines auf Verstehen und Sprechen beschränkten Sprachtests vor der Einreise abhängig ist - allerdings versehen mit einer Härteklausel ("exceptional compassionate circumstances") - für vereinbar mit Art. 8 [X.].

4.2 Die Gesichtspunkte, die für eine Vereinbarkeit des in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] geregelten [X.]ses mit Art. 6 Abs. 1 [X.] beim Ehegattennachzug zu Ausländern sprechen, sind allerdings nur eingeschränkt auf den Nachzug zu [X.] übertragbar. Das hat das Verwaltungsgericht in der hier angefochtenen Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt. Soweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beim Nachzug zum [X.] Ehepartner Einschränkungen gebietet, ist dem durch eine verfassungskonforme Auslegung von § 28 Abs. 1 Satz 5 [X.] Rechnung zu tragen, der nur eine entsprechende Anwendung von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] anordnet.

Zwar stellt es auch beim Ehegattennachzug zu [X.] ein legitimes gesetzgeberisches Ziel dar, durch frühzeitigen Nachweis von Sprachkenntnissen die Integration des nachziehenden Ausländers in die [X.] Gesellschaft zu erleichtern und der Gefahr von Zwangsverheiratungen entgegenzuwirken. An der Eignung und Erforderlichkeit der in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] getroffenen Regelung bestehen für den Senat aus den gleichen Gründen keine Zweifel, wie dies im Urteil vom 30. März 2010 bereits für den Ehegattennachzug zu einem Ausländer näher ausgeführt ist (a.a.[X.] Rn. 38 f.). Bei der Abwägung der gegenläufigen öffentlichen und privaten Belange ist allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein [X.]r - anders als ein im [X.] lebender Ausländer (vgl. Rn. 45 des zitierten Urteils) - grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden darf, seine Ehe im Ausland zu führen oder auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten (vgl. Urteil vom 20. Mai 1980 - BVerwG 1 [X.] 55.75 - BVerwGE 60, 126 <130>). Denn das Grundrecht des Art. 11 [X.] gewährt ihm - anders als einem Ausländer - das Recht zum Aufenthalt in [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Mai 1987 a.a.[X.] <47>) und erhöht deutlich das Gewicht der privaten Interessen am Ehegattennachzug zur Führung der ehelichen Gemeinschaft im [X.]. Einem [X.] Staatsangehörigen kann nur bei gewichtigen öffentlichen Belangen zugemutet werden, die Ehe für einige [X.] gar nicht oder nur im Ausland führen zu können. Sie dauerhaft im Ausland führen zu müssen, ist für ihn in jedem Fall unangemessen und unzumutbar.

Aus der Rechtsprechung des [X.] zu Art. 6 Abs. 1 [X.] ergibt sich zwar keine uneingeschränkte Verpflichtung für die Ausländerbehörde, dem ausländischen Ehegatten eines [X.] den Aufenthalt im [X.] zu ermöglichen. Ihr lässt sich durchweg entnehmen, dass die Ehe mit einem [X.] Partner den ausländischen Staatsangehörigen nicht schlechthin vor einer Aufenthaltsbeendigung schützt (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73 u.a. - [X.]E 35, 382 <408>). Jedoch verschiebt sich die Gewichtung der widerstreitenden Belange bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Gunsten des Schutzes der Ehe (vgl. Beschluss vom 18. Juli 1979 - 1 BvR 650/77 - [X.]E 51, 386 <398>). Gleiches gilt für die Kammerrechtsprechung, wonach es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 [X.] grundsätzlich vereinbar ist, den ausländischen Ehepartner eines [X.] auf die Nachholung eines erforderlichen Visumverfahrens und damit eine zeitweilige Trennung zu verweisen (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 2341/06 - [X.] 2008, 239 f.). Danach sind [X.] von eng begrenzter [X.]dauer auch beim Ehegattennachzug zu [X.] Staatsangehörigen nicht von vornherein verfassungswidrig.

Überschreitet jedoch das [X.] als Nachzugsvoraussetzung im Visumverfahren im Einzelfall das zumutbare Ausmaß der Beeinträchtigung der durch Art. 6 Abs. 1 [X.] qualifiziert geschützten Belange des ausländischen und [X.] Ehegatten, ist es geboten, gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 [X.] von der Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] vor der Einreise des ausländischen Ehegatten abzusehen. Die Unzumutbarkeit kann sich u.a. daraus ergeben, dass es dem ausländischen Ehegatten aus besonderen persönlichen Gründen oder wegen der besonderen Umstände in seinem Heimatland nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die [X.] Sprache innerhalb angemessener [X.] zu erlernen. In einem solchen Fall schlägt die grundsätzlich verhältnismäßige Nachzugsvoraussetzung in ein unverhältnismäßiges dauerhaftes Nachzugshindernis um. Die Grenze zwischen Regel- und Ausnahmefall ist nach der Überzeugung des Senats bei einer Nachzugsverzögerung von einem Jahr zu ziehen. Sind zumutbare Bemühungen zum Erwerb der Sprachkenntnisse ein Jahr lang erfolglos geblieben, darf dem Visumbegehren des Ehegatten eines [X.] das [X.] nicht mehr entgegen gehalten werden. Entsprechendes gilt, wenn dem ausländischen Ehepartner Bemühungen zum Spracherwerb von vornherein nicht zumutbar sind, etwa weil Sprachkurse in dem betreffenden Land nicht angeboten werden oder deren Besuch mit einem hohen Sicherheitsrisiko verbunden ist und auch sonstige erfolgversprechende Alternativen zum Spracherwerb nicht bestehen; in diesem Fall braucht die Jahresfrist nicht abgewartet zu werden. Bei der Zumutbarkeitsprüfung sind insbesondere die Verfügbarkeit von Lernangeboten, deren Kosten, ihre Erreichbarkeit sowie persönliche Umstände zu berücksichtigen, die der Wahrnehmung von Lernangeboten entgegenstehen können, etwa Krankheit oder Unabkömmlichkeit. Das erforderliche Bemühen zum Spracherwerb kann auch darin zum Ausdruck kommen, dass der Ausländer zwar die schriftlichen Anforderungen nicht erfüllt, wohl aber die mündlichen.

Führt die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall zu dem Ergebnis, dass vom Nachweis des [X.]ses nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] vor der Einreise abzusehen ist, ist bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen das Visum zum Ehegattennachzug nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] zu erteilen. Dies enthebt den ausländischen Ehepartner allerdings nicht von Bemühungen, die gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse dann nach der Einreise zu erwerben, um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] zu erhalten. Der Verzicht auf den [X.] vor der Einreise lässt das öffentliche Interesse an Mindestsprachkenntnissen als Integrationsvoraussetzung nicht endgültig entfallen (s.a. den Rechtsgedanken des § 41 Abs. 3 [X.]). Gelingt dem ausländischen Ehegatten der Spracherwerb nicht, ist der Aufenthalt jedenfalls auf andere Weise, etwa durch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 [X.] zu ermöglichen, um die Ehe im [X.] führen zu können.

4.3 Die vorstehenden Erwägungen gelten gleichermaßen für den Ehegattennachzug zu einem [X.], der eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt. Denn die weitere Staatsangehörigkeit führt nicht zu einer Beschränkung der Rechtswirkungen der [X.], insbesondere des Rechts auf Aufenthalt in [X.] nach Art. 11 [X.]. Der Senat weist darauf hin, dass die doppelte Staatsangehörigkeit eines [X.] [X.]n - entgegen der Gesetzesbegründung der Bundesregierung vom 23. April 2007 zu § 28 [X.] (BTDrucks 16/5065 S. 171) - auch keine besonderen Umstände begründet, um entgegen der gesetzlichen Regel den Ehegattennachzug von einer Sicherung des Lebensunterhalts abhängig zu machen.

5. Das Verwaltungsgericht ist bei der Zumutbarkeitsprüfung rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für den Ehegattennachzug zu [X.] "identisch" seien mit denen zu einem ausländischen Staatsangehörigen ([X.]) und ein [X.]raum von zwei bis drei Jahren für den Spracherwerb in aller Regel zumutbar sei ([X.]). In Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen zu den maßgeblichen Zumutbarkeitskriterien ist der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Das Verwaltungsgericht wird nunmehr insbesondere zu prüfen haben, ob der Klägerin der Besuch eines Sprachkurses in [X.] in der [X.] seit Stellung des Visumsantrags im Mai 2008 zumutbar gewesen ist. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass es einer [X.]n Frau, die bisher bei ihren Schwiegereltern in einem dörflichen Umfeld gelebt hat, eher nicht zumutbar sein dürfte, allein in die viele Autostunden entfernte Hauptstadt [X.] zu ziehen, um dort über einen [X.]raum von mehreren Wochen oder Monaten die [X.] Sprache zu erlernen. Anderes mag gelten, wenn Verwandte oder Freunde in [X.] leben, die die Klägerin während der Dauer des Spracherwerbs bei sich aufnehmen können. Hierzu fehlen Feststellungen des [X.]. Sollte die Klägerin tatsächlich - wie sie vorträgt - Analphabetin sein, wäre vom Verwaltungsgericht weiter zu ermitteln, ob sie unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles innerhalb eines Jahres eine Alphabetisierung und den Erwerb [X.]r Sprachkenntnisse hätte erreichen können. Sollte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass der Klägerin der Erwerb der gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse nicht zumutbar war, hat es die Beklagte zur Erteilung des begehrten Visums zu verpflichten, wenn auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für den Ehegattennachzug vorliegen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die doppelte Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes - wie bereits ausgeführt - keine besonderen Umstände begründet, um entgegen der gesetzlichen Regel in § 28 Abs. 1 Satz 3 [X.] den Nachzug von einer Sicherung des Lebensunterhalts abhängig zu machen.

6. Mit ihrer Rüge der Verletzung des Gleichheitssatzes hat die Revision keinen Erfolg. Der nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 5 [X.] auch von dem nachzugswilligen Ehegatten eines [X.] geforderte Sprachnachweis verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 [X.].

6.1 Zu Unrecht sieht die Revision einen mit der Verfassung nicht vereinbaren [X.] darin, dass der Sprachnachweis von den Ehegatten [X.]r verlangt wird, nicht hingegen von den Ehegatten anderer sich in [X.] aufhaltender Unionsbürger. Denn dieser Unterschied folgt aus dem Unionsrecht, das begünstigende Regelungen nur für diejenigen Unionsbürger gewährt, die unionsrechtlich privilegiert sind (vgl. [X.], Urteile vom 5. Mai 2011 a.a.[X.] und vom 15. November 2011 a.a.[X.]; Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/[X.] - [X.]). Nach der Rechtsprechung des [X.] stellt es keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 [X.] dar, wenn der nationale Gesetzgeber Regelungen des Unionsrechts nicht auf Familienangehörige von inländischen Unionsbürgern überträgt, die - wie der Ehemann der Klägerin - unionsrechtlich nicht privilegiert sind (vgl. Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 [X.] 17.09 - BVerwGE 138, 122 Rn. 15 m.w.[X.]). Dabei kann dahinstehen, ob angesichts der Verpflichtung zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und der dadurch bedingten Betroffenheit unterschiedlicher Rechtskreise überhaupt gleiche oder vergleichbare Sachverhalte im Sinne des Art. 3 Abs. 1 [X.] vorliegen. Denn die aus dem Nebeneinander von (umgesetztem) Unionsrecht und rein nationalem Recht entstehende Ungleichbehandlung ist jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Ist eine Übertragung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf Familienangehörige von inländischen Unionsbürgern, die unionsrechtlich nicht privilegiert sind, nicht geboten, liegen hinreichend gewichtige Gründe vor, dass in diesen Fällen die für alle unionsrechtlich nicht privilegierten Ausländer geltenden Bestimmungen des nationalen Aufenthaltsrechts zur Anwendung kommen. Im Übrigen berücksichtigt die gesetzliche Regelung in ihrer Auslegung durch den Senat das besondere Gewicht des privaten Interesses beim Ehegattennachzug zu [X.], weshalb das [X.] auf die Ehepartner von [X.] nur mit Einschränkungen Anwendung findet.

6.2 Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 [X.] liegt auch nicht vor, soweit Ehegatten, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das [X.] einreisen dürfen, einen erforderlichen Aufenthaltstitel innerhalb von drei Monaten nach der Einreise beantragen können (vgl. § 41 Abs. 3 [X.]). Dadurch sind sie gegenüber anderen Ehegatten insoweit im Vorteil, als sie das [X.] nicht schon vor der Einreise, sondern erst bei der erstmaligen Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis im [X.] erfüllen müssen. Diese Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich hinreichend gerechtfertigt. Der [X.] steht hinsichtlich der Pflege ihrer Beziehungen zu auswärtigen [X.] ein weites außenpolitisches Ermessen zu. Dies schließt die aufenthaltsrechtliche Privilegierung von Angehörigen bestimmter Drittstaaten ein (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.[X.] Rn. 59). Im Übrigen ist die Regelung von der [X.] gedeckt, differenzierte Regelungen für unterschiedliche Gruppen nachzugswilliger Ausländer zu treffen, die in einem Gesamtabgleich untereinander teilweise vorteilhafte und teilweise nachteilige Regelungen beinhalten. So gewähren die Nachzugsregelungen den Ehegatten von [X.] z.B. insoweit einen Vorteil gegenüber den Ehegatten aus [X.] privilegierten [X.], als § 28 Abs. 1 Satz 3 [X.] im Regelfall vom Erfordernis der Unterhaltssicherung befreit.

7. Einer Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 A[X.]V zur Klärung der Frage, ob das [X.] eine zulässige Integrationsmaßnahme im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86/[X.] darstellt, bedurfte es nicht. Denn bereits aus dem Wortlaut der Richtlinie ergibt sich eindeutig, dass die Klägerin nicht von ihren Regelungen erfasst wird.

Nach Art. 3 Abs. 3 findet die Richtlinie auf die Familienangehörigen eines Unionsbürgers keine Anwendung. Der Ehemann der Klägerin ist als [X.]r aber Unionsbürger, auch wenn er zusätzlich eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt. Denn "[X.]" ist nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie nur derjenige, der nicht - wie der Ehemann der Klägerin - Unionsbürger im Sinne von Art. 17 Abs. 1 des Vertrages (jetzt: Art. 20 Abs. 1 A[X.]V) ist. Im Übrigen bietet das Unionsrecht kein geschlossenes Konzept von Regelungen für den Familiennachzug. Vielmehr bleibt ein bestimmter Personenkreis sowohl von der Anwendbarkeit der [X.], der [X.] und anderen Regelungen des unionsrechtlichen Sekundärrechts ausgenommen. Das gilt insbesondere für Familienangehörige von Unionsbürgern, bei denen der Unionsbürger von seinem Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch gemacht hat.

Eine Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/86/[X.] auf die Klägerin ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass sie bis zur Einbürgerung ihres Ehemannes im November 2009 die Rechtsstellung einer Familienangehörigen im Sinne der Richtlinie besessen hat. Zwar hat der Gerichtshof der [X.] in seinem Urteil vom 29. März 2012 in der Sache [X.] und [X.] ([X.]. [X.]-7/10 und [X.]. [X.]-9/10 - [X.] 2012, 201) entschieden, dass sich die Familienangehörigen eines [X.] Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, weiterhin auf ihre Rechtsstellung nach Art. 7 des [X.]/[X.] 1/80 - [X.] 1/80 - berufen können, wenn dieser Arbeitnehmer zusätzlich zu seiner [X.] Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats erhalten hat. Diese Entscheidung zum Assoziationsrecht lässt sich auf die Rechtsstellung nach der Richtlinie 2003/86/[X.] nicht übertragen, da im Bereich der Richtlinie 2003/86/[X.] durch den Erwerb der [X.] Staatsangehörigkeit die Rechtsstellung eines Unionsbürgers erworben und damit der [X.]. 3 Abs. 3 erfüllt wird, während der [X.] 1/80 entsprechendes für die assoziationsrechtliche Rechtsstellung nicht vorsieht.

Meta

10 C 12/12

04.09.2012

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Berlin, 1. August 2011, Az: 22 K 340.09, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 GG, Art 11 GG, Art 8 MRK, Art 20 AEUV, Art 21 AEUV, Art 267 AEUV, § 41 AufenthV, Art 7 EUGrdRCh, Art 51 Abs 1 EUGrdRCh, Art 7 EWGAssRBes 1/80, § 1 Abs 2 AufenthG 2004, § 2 Abs 8 AufenthG 2004, § 4 Abs 1 AufenthG 2004, § 6 Abs 3 AufenthG 2004, § 16 Abs 5 AufenthG 2004, § 28 Abs 1 S 5 AufenthG 2004, § 28 Abs 1 S 1 Nr 1 AufenthG 2004, § 28 Abs 1 S 3 AufenthG 2004, § 30 Abs 1 S 1 Nr 2 AufenthG 2004, § 30 Abs 1 S 3 Nr 2 AufenthG 2004, Art 2 EGRL 86/2003, Art 3 Abs 3 EGRL 86/2003, Art 7 Abs 2 EGRL 86/2003, Art 3 Abs 1 EGRL 38/2004

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.09.2012, Az. 10 C 12/12 (REWIS RS 2012, 3480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3480

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