Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2020, Az. AK 14/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11477

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:300620BAK14.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 14/20

vom
30. Juni 2020
in dem
Strafverfahren
gegen

wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen [X.] u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung der
Angeklagten und ihrer Verteidigerin am 30.
Juni 2020
gemäß §§
121, 122 [X.] beschlos-sen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe:
[X.]
Die Angeklagte ist am 3.
Dezember 2019 vorläufig festgenommen [X.] und befindet sich seit dem 4.
Dezember 2019 -
zunächst aufgrund Haftbe-fehls des [X.] vom 27.
November 2019 (4
OGs 41/19)
-
ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand des ursprünglichen Haftbefehls war der Vorwurf, die Ange-klagte habe sich seit dem 8.
Dezember 2014 als Mitglied an der ausländischen terroristischen [X.] "Islamischer St[X.]t"
([X.]) beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§
211 StGB) oder Totschlag (§
212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§
8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu bege-1
2
-
3
-
hen. Das [X.] hat am 22.
Mai 2020 einen erweiterten [X.] vom 19.
Mai 2020 verkündet und dessen Invollzugsetzung beschlossen (5
StS
1/20). Zufolge dieses Haftbefehls ist die Angeklagte zwischen Mitte/Ende Dezember 2014 und Mitte/[X.] 2015 der Mitgliedschaft in einer terroristi-schen [X.] im Ausland in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe, nach §
129a Abs.
1 Nr.
1 (i.d.[X.] v. 22.
Dezember 2003), §
129b Abs.
1
Satz
1 und
2
(i.d.[X.] v. 22.
August 2002), §§
52, 53 StGB, §
22a Abs.
1 Nr.
6 Buchst.
a) [X.]. Teil
B Nr.
29 Buchst.
c und Nr.
46 der Anlage zu §
1 Abs.
1 KrWaffKG dringend verdächtig.
Der Generalst[X.]tsanwalt in [X.] hat mit Anklageschrift vom 3.
April 2020 wegen der dem erweiterten Haftbefehl zugrundeliegenden Tatvorwürfe Anklage zum [X.] erhoben.
Der 5.
Strafsenat des [X.] hat mit Beschluss vom 19.
Mai 2020 die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Mit weiterem Beschluss vom gleichen Tage hat er die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich
gehalten und die Akten dem Senat zur besonderen Haftprüfung vorgelegt. Der Beginn der [X.] ist für den 3.
Juli 2020 vorgesehen.
I[X.]
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
3
4
5
-
4
-
1.
Die Angeklagte ist der ihr in dem Haftbefehl des [X.]s vom 19.
Mai 2020 zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.
a)
Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist insoweit im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
[X.])
Der [X.] ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islami-scher Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historische Region "ash-Sham"
-
die heutigen St[X.]ten [X.], [X.] und [X.] sowie Palästina
-
umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesst[X.]t"
unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.] und das Regime des syri-schen Präsidenten [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei
ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam"
begreift; die Tötung solcher "Feinde"
oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der [X.] als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der [X.], die sich mit dem Ausrufen des "Kalifats"
im Juni 2014 von [X.]IG in [X.] umbenannte -
wodurch sie von der territorialen Selbst-beschränkung Abstand nahm
-
hatte seit 2010 der "Emir"
[X.] inne. [X.] war von seinem Sprecher zum "Kalifen"
erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen"
unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister"
als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]"
und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehö-ren außerdem beratende "[X.]". Veröffentlichungen werden in der [X.]"
produziert und über die Medienstelle "al-"
ver-breitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein [X.] nutzt. Das 6
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9
-
5
-
auch von Kampfeinheiten verwendete Symbol der [X.] besteht aus
dem "Prophetensiegel"
(einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah -
Rasul -
Muhammad") auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem [X.] Glau-bensbekenntnis. Die mehreren Tausend Kämpfer sind dem "[X.]"
unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur geglie-dert.
Die von ihr besetzten Gebiete teilte die [X.] ein und richtete einen [X.] ein; diese Maßnahmen zielten auf das Schaffen totalitärer st[X.]tlicher Strukturen. Angehörige der [X.], aber auch von in Gegnerschaft zum [X.] stehenden Oppositionsgruppen, auslän-dische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des [X.] in Frage stellen, sahen sich [X.], Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.]IG bzw. [X.] zu Zwecken der Ein-schüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht die [X.] immer [X.] an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb ihres Machtbe-reichs Terroranschläge. So hat sie für Anschläge in [X.], etwa in [X.], [X.] und [X.], die Verantwortung übernommen.
bb)
Die Angeklagte ist muslimischen Glaubens und war spätestens seit April 2014 Anhängerin des salafistischen Islam. Um ihre Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, veröffentlichte sie im April 2014 auf ihrem Facebook-Account "

"
unter anderem Bilder von [X.] bin Laden. Entspre-
chend ihrer islamistischen Gesinnung entschloss sich die Angeklagte zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt in der zweiten Hälfte des Jahres
2014, nach [X.] zu reisen, um sich dort der Organisation anzuschließen. Nachdem [X.]

O.

, mit dem sie zum damaligen Zeitpunkt als dessen "Zweitfrau"
nach isla-
10
11
-
6
-
mischem Ritus verheiratet war, sich jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht dem [X.] hatte anschließen wollen, ließ sich die Angeklagte einseitig und gegen den Willen des O.

von diesem durch einen Islamgelehrten scheiden. Um
den 8./9.
Dezember 2014 begab sich die Angeklagte in Umsetzung ihres [X.] und mit Unterstützung des Netzwerkes um die gesondert verfolgten "

[X.]

",

C.

und

S.

zusammen mit dem ihr
zwischenzeitlich nach [X.]m Ritus neu angetrauten Ehemann

[X.]

über die [X.] nach [X.]. Dort angekommen schlossen sich beide dem [X.] als Mitglieder an bzw. wurden von diesem aufgenommen. Die Angeklagte be-gab sich am Tage nach ihrer Ankunft für knapp zwei Monate in ein vom [X.] ge-führtes Frauenhaus. In diesem erhielt die Angeklagte Unterkunft und Verpfle-gung. Regelmäßig erschien ein Betreuer der Frauen und fragte nach, ob diese etwas benötigten. Die Angeklagte nutzte dort ihr Handy und hatte Zugang zum [X.]. Zudem wurde die Angeklagte in dieser Zeit operiert und in einem Krankenhaus des [X.] gepflegt.

[X.]

begab sich unmittelbar nach der Ankunft in [X.] auf eine,
wie es die Angeklagte formulierte, "[X.]"
und lernte bei "Gelehrten". [X.] wurde

[X.]

dort nicht nur religiös geschult, sondern erhielt auch
eine umfassende militärische Ausbildung in Waffenkunde sowie im Umgang mit Sprengstoff. Sein Ausbildungsprogramm sah vor, dass er nach einigen Wochen der Schulung für eine Phase von (wiederholt) zwei Wochen an Kämpfen teil-nehmen sollte. Aufgrund der Tatsache, dass

[X.]

mehrere Sprachen
sprach, u.a. [X.], [X.], [X.] und türkisch, sollte er indes nicht dauerhaft in Kämpfen eingesetzt, sondern in den Führungskader des [X.] aufge-nommen werden. All dies war der Angeklagten bekannt.
12
-
7
-
Nachdem

[X.]

seine Ausbildung beendet hatte, zog die Angeklag-
te mit ihm in eine gemeinsame Wohnung. Diese wurde ihnen vom [X.] zur [X.] gestellt. Die Angeklagte führte den gemeinsamen Haushalt. Darüber hinaus erhielten beide eine monatliche Zahlung vom [X.] in unbekannter Höhe, die einerseits aus dem Lohn für

[X.]

bestand und
darüber hinaus einen
Zuschlag für die Angeklagte enthielt. Die Angeklagte forderte

[X.]

aus-
drücklich dazu auf, er solle kämpfen gehen. Tatsächlich nahm er im Juni/Juli 2015 als Kämpfer des [X.] an kriegerischen Auseinandersetzungen um die Stadt
Kobane teil.
Die Angeklagte war, spätestens nach ihrer Ankunft in [X.], eventuell aber bereits vor ihrer Ausreise dorthin in [X.], Mitglied des sogenann-ten "Schwesternnetzwerks", dessen Aufgabe es war, Frauen im Sinne der Ziele des [X.] zu indoktrinieren und auf ihre künftige Rolle als Braut eines "Jihadi"
[X.]. In dieser Eigenschaft organisierte die Angeklagte sodann von [X.] aus die Ausreise von Frauen nach [X.] und vermittelte in einem Fall auch eine [X.] Eheschließung, nämlich die einer Bekannten mit dem Namen "

". Darüber hinaus gab sie Informationen über die Situation in das Herr-
schaftsgebiet des [X.] eingereister Frauen an Mitglieder des Frauennetzwerks
weiter, welchem neben der Frau von "

[X.]

"
die Frauen mehrerer führen-
der Islamisten in [X.] angehörten.
Gegenüber Kommunikationspartnern in [X.] lobte die [X.] die Situation im Gebiet des [X.] und warb für eine Ausreise in das Gebiet der terroristischen Organisation.
Während ihres Aufenthaltes im Gebiet des [X.] und als dessen Mitglied
übte die Angeklagte in zwei Fällen im Zeitraum zwischen Ende Januar 2015 bis 13
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16
-
8
-
zum 28.
April 2015 in [X.], wie ihr bekannt war, ohne die erforderliche [X.] die tatsächliche Gewalt über ein Sturmgewehr "[X.]"

[X.] sowie ein Sturmgewehr "[X.]"
[X.] und eine Handgranate aus, wobei sie das Sturmgewehr "[X.]"
[X.] bei mindestens einer Gele-genheit auch öffentlich in einem Park in [X.] mit sich führte. Zu dieser Gele-genheit hob sie den rechten Zeigefinger als Geste einer Salafistin zum Zwecke der Symbolisierung ihres Glaubens an Gott. Ihr kam es dabei auch darauf an, als Mitglied des [X.] dessen Herrschaftsanspruch nach außen wahrnehmbar
zu symbolisieren und zu festigen. Zu der anderen Gelegenheit übte sie die tat-sächliche Gewalt über die vorgenannten Kriegswaffen -
"[X.]"
[X.] und eine Handgranate
-
aus, die in einem geschlossenen Raum unter einer Fahne des [X.] ausgestellt waren. Die Angeklagte übersandte der Schwester des

[X.]

, D.

Ar.

, am 28.
April 2015 entsprechende Lichtbilder; deren Über-
tragung erfolgte durch die Angeklagte zu dem Zweck, ihre Mitgliedschaft zum [X.] und dessen Herrschaftsanspruch zu symbolisieren bzw. zu demonstrieren.
Mit einer Vielzahl von Textnachrichten versuchte die Angeklagte zudem,
D.

Ar.

zur Ausreise in das Herrschaftsgebiet des [X.] zu bewegen. Unter
einem der am 28.
April 2015 an sie übersandten vorbeschriebenen Lichtbilder schrieb die Angeklagte beispielsweise: "Ich warte hier auf dich Habibtii".
Später übersiedelte die Angeklagte mit ihren beiden im Januar 2016 so-wie im Februar 2017 geborenen Kindern nach [X.], wo sie im Jahr 2018 einen bislang nicht identifizierten [X.] heiratete und am 9.
April 2019 Zwillinge gebar. Kurze Zeit später begab sie sich in die [X.], wo sie sich seit [X.] 2019 in einem Abschiebezentrum in [X.] aufhielt. Von dort aus wurde sie am 3.
Dezember 2019 nach [X.] abgeschoben.
17
18
-
9
-
b)
Der dringende Tatverdacht beruht im Hinblick auf die terroristische [X.] [X.] auf den diesbezüglichen Gutachten des Sachverständigen Dr.
St.

sowie entsprechenden Auswerteberichten des Bundeskriminal-
amts.
Dass sich die Angeklagte zunächst freiwillig und im Wissen um die Exis-tenz des [X.] in dessen Herrschaftsbereich begab, folgt aus ihren eigenen Ein-lassungen.
In Bezug auf die der Angeklagten zur Last gelegten Tathandlungen ergibt sich der dringende Tatverdacht im Wesentlichen aus den Angaben der Zeugen [X.]

und E.

O.

,

[X.]

, E.

und D.

Ch.

sowie Di.

und
D.

Ar.

, ebenso wie aus den in Bezug genommenen Kommunikationsvorgän-
gen und Lichtbildern. Jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt folgt die Betätigung der Angeklagten im Zusammenhang mit dem "Schwesternnetzwerk"
vor allem aus den
Inhalten
des [X.] mit D.

Ar.

.
Soweit im Übrigen seitens der
Angeklagten die Aussagebereitschaft und Glaubwürdigkeit des Zeugen [X.]

O.

in Zweifel gezogen wird, muss deren abschließende Überprüfung und
Bewertung der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.
Wegen der Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände wird auf die eingehenden Ausführungen in dem Haftbefehl
vom 19.
Mai 2020 und die Anklageschrift vom 3.
April 2020 nebst [X.] Bezug genommen.
c)
Danach hat sich die Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit in drei Fällen als Mitglied an einer terroristischen [X.] im Ausland beteiligt, da-von in zwei Fällen in Tateinheit mit der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über 19
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-
10
-
eine Kriegswaffe (§
129a
Abs.
1 Nr.
1
(i.d.[X.] v. 22.
Dezember 2003), §
129b Abs.
1 Satz
1 und
2 (i.d.[X.] v. 22.
August 2002), §§
52, 53 StGB, §
22a Abs.
1 Nr.
6 Buchst.
a) [X.]. Teil
B Nr.
29 Buchst.
c und Nr.
46 der Anlage zu §
1 Abs.
1 KrWaffKG).
Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt eine gewisse formale Eingliede-rung des Täters in die Organisation voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die [X.] von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förm-lichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der [X.] einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend [X.] und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die [X.], mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Verei-nigung zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Bezie-hung voraus,
die einer [X.] nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss be-ruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betref-fende bestrebt ist, die [X.] und ihre
kriminellen Ziele zu fördern. Die Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung scheidet daher aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am [X.] getragen sind (siehe etwa [X.],
Urteil vom 14.
August 2009 -
3
StR
552/08, [X.]St 54, 69 Rn.
128 mwN; [X.] vom 13.
September 2011 -
StB
12/11, [X.], 372
f.;
vom 13.
Juni 2019 -
AK
27/19, juris Rn.
20).
Daran gemessen ist aufgrund der bislang vorliegenden Erkenntnisse entgegen dem Vorbringen in dem Schriftsatz vom 5.
Juni 2020, mit dem die 24
25
-
11
-
Angeklagte die Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls erstrebt, davon auszugehen, dass sich die Angeklagte in den [X.] eingliederte. Auf eine solche Eingliederung in die Organisation lässt mit Blick auf die vorgenannte Un-terbringung in dem Frauenhaus bereits der Umstand schließen, dass dort nach den eigenen Angaben der Angeklagten Handy-
und [X.]nutzung möglich waren. Weiterhin wird der gezogene Schluss erheblich dadurch gestützt, dass die Angeklagte selbst zu mehreren Gelegenheiten Zugriff auf verschiedene Waffen hatte und sich im Rahmen des "Schwesternnetzwerks"
für die Belange der Organisation engagierte, insbesondere hinsichtlich der Eheschließung der "

"
und der potentiellen Einreise der Schwester des

[X.]

in das Ge-
biet der Organisation. Außerdem heiratete sie aufgrund ihres eigenen [X.] noch in [X.] nach [X.]m Ritus einen zukünftigen [X.]-Kämpfer, mit dem sie in das von der Organisation kontrollierte Gebiet einreiste und anschließend in einer Unterkunft lebte, die ihnen von der [X.] zur Verfügung gestellt wurde. Überdies wurde die Angeklagte ebenso wie ihr [X.] vom [X.] alimentiert. Durch die Zahlungen trug der [X.] selbst Sorge für den Lebensunterhalt der Angeklagten, ebenso bereits zuvor dadurch, dass er ihr nach der Einreise eine Unterkunft in einem von der Organisation verwalteten Frauenhaus und stationäre medizinische Versorgung zur Verfügung stellte.
In Anbetracht dieser Gesamtumstände stellen sich auch die Tätigkeiten der Angeklagten im Zusammenleben mit ihrem Ehemann, insbesondere das Führen des Haushalts während der Zeiträume, in denen dieser als Kämpfer ortsabwesend war, nicht lediglich als bloße alltägliche Verrichtungen ohne
Organisationsbezug dar (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Mai 2019 -
AK
22/19, NJW 2019, 2552 Rn.
24
ff.).
26
-
12
-
[X.]s Strafrecht ist anwendbar. Dies folgt entweder unmittelbar aus §
129b Abs.
1 Satz
2 Variante
2 StGB (vgl. [X.], Beschluss vom 31.
Juli 2009
-
StB
34/09, [X.]R StGB §
129b Anwendbarkeit
1) oder aus §
7 Abs.
2 Nr.
1 StGB, weil die Angeklagte [X.] ist und das Gebiet, in dem sie sich als [X.] des [X.] beteiligte, effektiv keiner st[X.]tlichen Strafgewalt unterlag. Im Übri-gen ist der [X.] an eine terroristische Organisation gemäß Art.
1 und 3 des [X.] Anti-Terror-Gesetzes Nr.
19
vom 28.
Juni 2012, das die zuvor geltenden Vorschriften über die Strafbarkeit einer Mitgliedschaft in einer terro-ristischen [X.] nach Art.
304 bis 306 des [X.] Strafgesetzbuchs ersetzt hat, auch in [X.] mit Strafe bedroht. Gleiches gilt hinsichtlich der [X.] gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz
im Hinblick auf §§
39, 41 des syri-schen [X.] Nr.
51 vom 24.
September 2001.
Die nach §
129b Abs.
1 Satz
2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern des [X.] liegt vor.
2.
Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr (§
112 Abs.
2 Nr.
2 [X.]) und der Schwerkriminalität (§
112 Abs.
3 [X.]).
Die Angeklagte hat im Fall ihrer Verurteilung mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden erheblichen Fluchtanreiz stehen auch unter Berücksichtigung der mehrmonatigen Inhaftierung der Ange-klagten in der [X.] keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entge-gen. Die Angeklagte verfügt zwar über [X.] Kontakte in [X.]. Diese sind aber nicht geeignet, sie von einer Flucht abzuhalten. Ihre familiäre Bindung -
auch zu ihren vier Kindern
-
ist fragil. Im Rahmen der [X.] haben sich Hinweise darauf ergeben, dass die Angeklagte er-wägt, nicht in [X.] zu verbleiben. Sie verfügt über vielfältige Kontakte, 27
28
29
30
-
13
-
die sie in die Lage versetzen, geeignete Orte zu finden, um sich der [X.] zu entziehen. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass sich die Ange-klagte, sollte sie in Freiheit gelangen, nicht dem Strafverfahren stellen wird.
Die genannten Umstände begründen die Gefahr, dass die Ahndung der Tat ohne weitere Inhaftierung der Angeklagten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft auch bei der gebotenen restriktiven Aus-legung der Vorschrift (vgl. [X.]/[X.], [X.], 63.
Aufl., §
112 Rn.
37 mwN) auf den Haftgrund des §
112 Abs.
3 [X.] zu stützen ist.
Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des §
116 [X.] sind aus den genannten Gründen nicht erfolgversprechend.
3.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§
121 Abs.
1 [X.]) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht [X.].
Der Generalst[X.]tsanwalt in [X.] hat bereits vier Monate nach der Fest-nahme der Angeklagten Anklage zum [X.] erhoben. [X.] dieses Zeitraums ist neben der Durchführung der erforderlichen Ermittlun-gen -
es wurden umfangreiche Chat-Protokolle aus dem von der Generalst[X.]ts-anwaltschaft Berlin (173
Js 4/15) gegen den mutmaßlich verstorbenen früheren Ehemann der Angeklagten,

[X.]

, geführten Verfahren ausgewertet und
weitere Zeugen vernommen
-
ein mittlerweile vorgelegtes Gutachten zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Angeklagten in Auftrag gegeben [X.], in dessen Rahmen die Angeklagte bereits am 26.
März 2020 von einem
forensisch-psychiatrischen Sachverständigen exploriert worden ist. Der Vorsit-31
32
33
34
-
14
-
zende des mit der Sache befassten Strafsenats beim [X.] hat die Zustellung der Anklageschrift unter dem 9.
April 2020 veranlasst und zunächst eine dem Umfang der Sache angemessene Erklärungsfrist von drei Wochen gesetzt. Auf Ersuchen der Pflichtverteidigerin ist diese Frist bis zum 18.
Mai 2020 verlängert worden; eine Stellungnahme ist gleichwohl erst am 22.
Mai 2020 abgegeben worden, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens durch das [X.] bereits am 19.
Mai 2020 beschlossen worden war. [X.] der dortigen [X.] sind bislang 22
Hauptverhandlungs-termine, beginnend mit dem 3.
Juli 2020, bestimmt.
4.
Schließlich steht die Untersuchungshaft
nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht der Angeklagten einerseits sowie dem Strafver-folgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§
120 Abs.
1 Satz
1 [X.]).
Schäfer
Paul
Berg
35

Meta

AK 14/20

30.06.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2020, Az. AK 14/20 (REWIS RS 2020, 11477)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11477

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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