Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.10.2019, Az. VII R 61/18

7. Senat | REWIS RS 2019, 2428

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Gegenstand

(Duldungsbescheid bei bestandskräftiger Vorbehaltsfestsetzung ohne zusätzliche Bedingung i.S. des § 14 AnfG rechtmäßig)


Leitsatz

NV: Ein Duldungsbescheid, der den Anfechtungsgegner verpflichtet, die Vollstreckung nach dem AnfG zu dulden, muss keine zusätzliche Bedingung i.S. des § 14 AnfG enthalten, wenn die Steuerfestsetzung rechtsbeständig ist, auch wenn sie noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (Fortsetzung der Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 23.10.2018 - VII R 21/18, BFHE 262, 335, BStBl II 2019, 299) .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom [X.] aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) wendet sich gegen die Aufhebung eines gegenüber der Klägerin und [X.] (Klägerin) gemäß § 3 des Anfechtungsgesetzes ([X.]) i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung ([X.]) erlassenen [X.]s.

2

Die Klägerin ist die Schwester des früheren alleinigen Geschäftsführers und Gesellschafters einer GmbH, die einen Internethandel betrieb und ihre Geschäfte über ein Konto der Klägerin abwickelte. Aufgrund von Steuerschulden der GmbH, die sich zum damaligen Zeitpunkt auf 35.988,43 € beliefen, teilte das [X.] der Klägerin mit Schreiben vom 21.10.2013 mit, es habe festgestellt, dass auf dem Konto Zahlungen zu Gunsten der GmbH in Höhe von insgesamt 67.219,21 € eingegangen seien, und es werde daher geprüft, ob gegen sie ein [X.] zu erlassen sei.

3

Von der ihr eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme machte die Klägerin keinen Gebrauch.

4

Mit [X.] vom 26.06.2014 focht das [X.] daraufhin wegen Steuerverbindlichkeiten der GmbH in Höhe von mittlerweile insgesamt 37.083,93 €, die im Wesentlichen aus noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzungen resultierten, im Einzelnen aufgelistete Gutschriften gemäß § 3 Abs. 1 [X.] an. Eine dem Vorbehalt des § 14 [X.] entsprechende Bedingung nahm das [X.] nicht in seinen Bescheid vom 26.06.2014 auf, sondern forderte die Klägerin auf, zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen bis zum 31.07.2014 zu zahlen.

5

Gegen den Bescheid vom 26.06.2014 legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.07.2014 erfolglos Einspruch ein. Eine dem Vorbehalt des § 14 [X.] entsprechende Bedingung nahm das [X.] in seine Einspruchsentscheidung vom 23.02.2016 ebenfalls nicht auf. Auch das in dem Bescheid vom 26.06.2014 enthaltene Leistungsgebot ließ es unverändert bestehen.

6

Bereits vor Erlass der Einspruchsentscheidung war die GmbH wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht worden.

7

Auf die Klage der Klägerin hat das Finanzgericht ([X.]) den [X.] vom 26.06.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.02.2016 aufgehoben. Der Bescheid sei formell rechtswidrig, da das [X.] keine dem Vorbehalt des § 14 [X.] entsprechende Bedingung aufgenommen habe, obwohl die Forderungen zum weitaus überwiegenden Teil aus Steuerbescheiden bzw. Steuerfestsetzungen resultierten, die bei Erlass der Einspruchsentscheidung noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden hätten. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 152 veröffentlicht.

8

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.].

9

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Das Urteil verstößt gegen Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

1. Mit [X.]surteil vom 23.10.2018 - VII R 21/18 ([X.], 335, BStBl II 2019, 299) hat der [X.] entschieden, dass ein auf das [X.] gestützter Duldungsbescheid, der den [X.] verpflichtet, die Vollstreckung gegen den Schuldner bestehender Steuerforderungen zu dulden, die aus rechtsbeständigen Steuerfestsetzungen resultieren, keine zusätzliche Bedingung i.S. des § 14 [X.] enthalten muss, auch wenn die Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind. Das Wort "Vorbehalt" in § 302 und § 599 der Zivilprozessordnung sowie in § 14 [X.] einerseits und in § 164 [X.] andererseits meint hiernach in rechtlicher Hinsicht nicht dasselbe, da bei rechtsbeständigen Bescheiden gemäß § 164 [X.] allein die bei Steuerbescheiden generell gegebene --und in dem Fall der vorbehaltenen Nachprüfung erweiterte-- Möglichkeit besteht, dass sich bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen der Steueranspruch der Finanzbehörde ("Gläubiger" i.S. des [X.]) später ändert und neu festzusetzen ist. In dieser rechtlichen Situation bedarf der [X.] nicht des Schutzes des § 14 [X.], zumal es der Steuerpflichtige ("Schuldner" i.S. des [X.]) in der Hand hat, den gegen ihn gerichteten Steueranspruch streitig zu stellen ([X.]surteil in [X.], 335, BStBl II 2019, 299, Rz 17).

Die Vorentscheidung ist insoweit von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben.

2. Die Sache ist nicht spruchreif, weil im finanzgerichtlichen Verfahren insbesondere die Frage ungeprüft geblieben ist, ob die Voraussetzungen des § 3 [X.] vorliegen. Diese Prüfung wird im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass das [X.] hinsichtlich der Anfechtungsvoraussetzungen zwar die Feststellungslast trägt, den [X.] jedoch eine Mitwirkungspflicht hinsichtlich der in seinen Wissensbereich fallenden Umstände trifft [X.]/Rüsken, [X.], 14. Aufl., § 191 Rz 87a).

Sollten die Voraussetzungen des § 3 [X.] erfüllt sein, wird zu prüfen sein, ob es sich bei den Steuerforderungen des [X.], derentwegen die Klägerin die Vollstreckung dulden soll, um fällige und vollstreckbare Forderungen (§ 2 [X.]) handelt.

3. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Meta

VII R 61/18

22.10.2019

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 9. November 2018, Az: 14 K 933/16 AO, Urteil

§ 191 Abs 1 S 2 AO, § 3 AnfG, § 14 AnfG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.10.2019, Az. VII R 61/18 (REWIS RS 2019, 2428)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2428

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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