Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.04.2023, Az. VII R 20/20

7. Senat | REWIS RS 2023, 5675

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Gegenstand

Prüfungsmaßstab für die objektive Gläubigerbenachteiligung bei einer Grundstücksübertragung


Leitsatz

NV: Die Frage, ob ein übertragenes Grundstück wertausschöpfend belastet war und damit keine objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 1 des Anfechtungsgesetzes vorliegt, ist nicht unter Zugrundelegung des Verkehrswerts, sondern unter Zugrundelegung des voraussichtlichen Zwangsversteigerungserlöses für das Grundstück zu beantworten.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 03.07.2019 - 5 K 1042/17 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Inanspruchnahme der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aus einem [X.].

2

Die Mutter der Klägerin (Schuldnerin) hatte nach dem Erlass bestandskräftiger Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für 2002 bis 2007, die auf der Grundlage der Feststellungen der Steuerfahndung erlassen wurden, Steuerschulden in Höhe von … €. Die Vollstreckung blieb erfolglos.

3

Durch notariellen Vertrag vom Oktober 2011 erwarb die Klägerin von der Schuldnerin das von ihr und der Schuldnerin bis 2015 bewohnte Grundstück in [X.] gegen Übernahme der in Höhe von circa … € valutierenden Sicherheiten bei Einräumung eines dinglich gesicherten Wohnrechts mit einem kapitalisierten Wert von … €. Der Verkehrswert wurde in dem [X.] angegeben. Im November 2011 wurde eine Auflassungsvormerkung zugunsten der Klägerin ins Grundbuch eingetragen. Eine Eigentumsumschreibung auf die Klägerin erfolgte nicht.

4

Die Klägerin verkaufte das Grundstück in [X.] mit notariellem Vertrag vom August 2014 an Dritte zu einem Kaufpreis in Höhe von … € unter Löschung des dinglichen Wohnrechts, wofür keine Ausgleichszahlung an die Schuldnerin zu leisten war.

5

Außerdem erwarb die Klägerin durch notariellen Vertrag vom Januar 2012 von der Schuldnerin das unbebaute Grundstück in [X.] zum Kaufpreis von … €. Die Schuldnerin, die bereits hälftige Eigentümerin gewesen war, hatte mit Überlassungsvertrag vom April 2007 das Alleineigentum an dem Grundstück erworben, wobei der Kaufpreis für den hinzuerworbenen hälftigen Anteil … € betragen hatte. Einen hälftigen Anteil an dem Grundstück übertrug die Klägerin im März 2013 unentgeltlich an ihren Ehemann, wobei der Verkehrswert mit … € angegeben wurde. Den anderen Teil verkaufte sie im Juli 2014 an ihren Ehemann zu einem Kaufpreis in Höhe von … €. Das Grundstück wurde anschließend mit zwei Einfamilienhäusern bebaut, welche die Klägerin und die Schuldnerin bewohnen. Auf Antrag vom November 2013 wurde im Februar 2014 die Baugenehmigung erteilt.

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) erließ am 15.09.2015 einen [X.] in Höhe von … €. Das [X.] focht darin die Grundstücksübertragung vom Oktober 2011 gemäß §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 des Gesetzes über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungsgesetz --[X.]--), § 191 der Abgabenordnung ([X.]) und die Grundstücksübertragung vom Januar 2012 gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] an. Das Wohnrecht zugunsten der Schuldnerin war nach Auffassung des [X.] nicht anzusetzen. Die Schuldnerin habe in Kenntnis der sich durch die Steuerfahndung ergebenden Steuerschulden andere Gläubiger durch die Übereignung der Grundstücke vorsätzlich benachteiligt. Die Klägerin habe wegen der persönlichen und räumlichen Verbundenheit und ihrer Kenntnis von der Steuerfahndung gewusst, dass Gläubigern haftendes Vermögen entzogen werde. Andere Haftungs- oder Duldungsschuldner seien nicht vorhanden. Da die Grundstücke nicht mehr für eine Vollstreckung zur Verfügung stünden, sei durch die Klägerin Wertersatz in genannter Höhe zu leisten.

7

Der Einspruch blieb erfolglos. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung der Rechtshandlungen seien sowohl nach § 3 Abs. 1 [X.] als auch nach § 4 [X.] erfüllt. Das [X.] nahm in der Einspruchsentscheidung für das Grundstück in [X.] einen unentgeltlichen Anteil in Höhe von … € und für das Grundstück in [X.] in Höhe von … € an.

8

Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 4 Abs. 1 [X.] erfüllt seien. Die Übertragungen der beiden Grundstücke auf die Klägerin stellten anfechtbare Rechtshandlungen dar. Das [X.] als Gläubiger sei objektiv benachteiligt, weil durch die (teilweise) unentgeltliche Übertragung die Möglichkeit des Zugriffs auf das Grundvermögen der Schuldnerin unmöglich gemacht worden sei. Das [X.] sei um den Wert des unbelasteten Grundstücks in [X.] benachteiligt worden, weil im maßgeblichen Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung das dingliche Wohnrecht bereits gelöscht gewesen sei. Es habe sich um eine unentgeltliche Leistung der Schuldnerin an die Klägerin gehandelt, weil eine gemischte Schenkung vorliege. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 1474 veröffentlicht.

9

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie trägt vor, der [X.] sei formell und materiell rechtswidrig.

Der streitgegenständliche [X.] leide unter formellen Mängeln, weil jeglicher Verfügungssatz oder Tenor fehle. Die Überschrift "[X.]" widerspreche dem weiteren, auf Wertersatz gerichteten, Inhalt. Zudem sei allein eine Gesamtsumme genannt, ohne Zuordnung zu den beiden Grundstücksverkäufen. Daher sei der Bescheid zu unbestimmt.

Das [X.] habe fehlerhaft eine Gläubigerbenachteiligung angenommen. Es habe allein auf die (von den Vertragsparteien jeweils angegebenen) Verkehrswerte der Grundstücke abgestellt und nicht auf den bei einer Zwangsversteigerung an den Gläubiger auszukehrenden Erlös. Bei der Gläubigeranfechtung komme es allerdings allein auf einen möglichen Zwangsversteigerungserlös an (Urteile des [X.] --[X.]-- vom 20.10.2005 - IX ZR 276/02, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2006, 387 und vom 13.09.2018 - IX ZR 190/17, [X.], 2083). Hierbei müssten auch die voraussichtlichen Kosten der Versteigerung einschließlich des nach § 74a Abs. 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung einzuholenden Verkehrswertgutachtens berücksichtigt werden. Hierzu hätte das [X.] ein Sachverständigengutachten einholen müssen.

Selbst bei Annahme eines Wertes in Höhe von … € für das Grundstück in [X.] habe die Gläubigerbenachteiligung gefehlt. Denn aufgrund der valutierenden Grundpfandrechte und des zugunsten der Schuldnerin im Grundbuch eingetragenen Wohnrechts sei das Grundstück bereits zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung auf die Klägerin [X.] belastet gewesen. Maßgeblich seien nur die Umstände im Zeitpunkt der Grundstücksübertragung. Spätere Rechtshandlungen könnten nicht zu einer nachträglichen Wertausschöpfung führen. Der (spätere) Verzicht der Schuldnerin auf das Wohnrecht sei durch das [X.] nicht angefochten worden. Das [X.] habe sich auch auf das Senatsurteil vom 14.07.1981 - VII R 49/80 ([X.], 501) bezogen, obwohl diese Entscheidung mittlerweile durch das Senatsurteil vom 30.03.2010 - VII R 22/09 ([X.], 29) überholt sei. Eine etwaige Anfechtbarkeit der vor dem streitgegenständlichen Grundstückserwerb erfolgten Wohnrechtsbelastung durch die Schuldnerin sei jedenfalls nicht kausal für eine Gläubigerbenachteiligung.

Auch bezüglich des Grundstücks in [X.] habe keine Gläubigerbenachteiligung vorgelegen, da der gezahlte Kaufpreis in Höhe von … € dem damals in einem Zwangsversteigerungsverfahren höchstens zu erzielenden Erlös entsprochen habe. Auf den Vergleichswert aus einem fünf Jahre zuvor geschlossenen Kaufvertrag habe nicht abgestellt werden können, weil sich die Umstände wesentlich verändert hätten. Auch auf den Verkauf an ihren Ehemann könne nicht Bezug genommen werden, weil die Klägerin erhebliche Investitionen getätigt habe. Dieser Sachvortrag sei vom [X.] nicht berücksichtigt worden.

Bei der Frage der Unentgeltlichkeit habe das [X.] unzutreffend auf den Zeitpunkt des Weiterverkaufs oder den Erlass der Einspruchsentscheidung abgestellt. Nach der Rechtsprechung des [X.] komme es jedoch auf den Zeitpunkt an, in dem die jeweilige Leistung vorgenommen worden sei (vgl. [X.]-Urteil vom 06.12.2018 - IX ZR 143/17, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2019, 1446).

Schließlich liege ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk nach § 4 Abs. 2 [X.] vor beziehungsweise eine als entgeltlich anzusehende Ausstattung der Klägerin durch die Schuldnerin gemäß § 1624 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), nachdem die Klägerin gerade durch Übernahme der Geschäfte der Schuldnerin wenige Wochen zuvor ihre Selbständigkeit begründet hatte.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil der Vorinstanz und den [X.] vom 15.09.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.07.2017 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Für eine Anfechtung nach § 3 Abs. 1 und § 4 [X.] genüge eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung. In diesem Fall reiche grundsätzlich aus, wenn die Benachteiligung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz des [X.] (hier: der Einspruchsentscheidung) gegeben sei (vgl. [X.]-Urteil vom 19.05.2009 - IX ZR 129/06, Neue Juristische [X.] Zivilrecht --NJW-RR-- 2009, 1567, Rz 29).

Entscheidungsgründe

II.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), da das Urteil nicht Bundesrecht entspricht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

Bei der Prüfung der objektiven Gläubigerbenachteiligung ist die Frage, ob ein übertragenes Grundstück wertausschöpfend belastet war, nicht unter Zugrundelegung des Verkehrswerts, sondern unter Zugrundelegung des voraussichtlichen [X.] zu beantworten.

Da der [X.] die insoweit fehlenden Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

1. Das [X.] ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Anfechtung gläubigerbenachteiligender Rechtshandlungen wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO in Verbindung mit §§ 1 ff. [X.] durch [X.] erfolgt, soweit sie nicht im Wege der Einrede (§ 9 [X.]) geltend zu machen ist. Ein Wahlrecht, ob es einen [X.] erlässt oder eine auf das [X.] gestützte Klage erhebt, hat das [X.] nicht (vgl. [X.]surteil vom 30.06.2020 - VII R 63/18, [X.], 7, [X.] 2021, 191, Rz 19 und vom 10.11.2020 - VII R 55/18, [X.], 312, Rz 33).

2. Der streitgegenständliche [X.] in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist --vorbehaltlich des Vorliegens der [X.] inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 AO).

Denn dem von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernis, dass die der Anfechtung zugrundeliegenden Forderungen im Einzelnen aufgeführt sein müssen und dass der Gesamtbetrag, bis zu welchem der [X.] die Vollstreckung in das Erlangte zu dulden hat, ausgewiesen wird (vgl. Urteil des [X.] --BFH-- vom 23.10.2018 - VII R 21/18, [X.], 335, [X.] 2019, 299, Rz 11, m.w.N.), ist im [X.] durch die Einzelaufstellung der Forderungen Genüge getan worden.

Außerdem ergibt sich aus dem [X.] in Gestalt der Einspruchsentscheidung, in welcher Höhe das [X.] eine Unentgeltlichkeit der jeweiligen Grundstücksübertragung annimmt. Deshalb geht der Einwand der Klägerin fehl, dass die Zuordnung fehle, welcher Wertersatz aus welcher angefochtenen Rechtshandlung verlangt werde.

3. Das [X.] ist auch zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen nach § 2 [X.] sowie Rechtshandlungen im Sinne von § 1 Abs. 1 [X.] vorliegen.

Nach § 1 Abs. 1 [X.] können Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der Vorschriften des [X.] angefochten werden. Nach § 2 [X.] ist zur Anfechtung jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung geführt hat oder wenn anzunehmen ist, dass sie nicht dazu führen würde.

a) Die allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen nach § 2 [X.] liegen unstreitig vor; die Anfechtungsberechtigung des [X.] nach § 2 [X.] ist gegeben, weil fällige und vollstreckbare Steuerschulden bestehen und die Vollstreckung nicht zum Erfolg geführt hat. Der [X.] verzichtet insofern auf weitere Ausführungen.

b) Es handelt sich bei den beiden Grundstücksübertragungen um Rechtshandlungen nach § 1 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.]surteil in [X.], 312, Rz 43 ff.). Auch insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, weshalb der [X.] von weiteren Ausführungen absieht.

4. Allerdings hat das [X.] bei der Frage, ob das Grundstück in [X.] belastet war, rechtsfehlerhaft auf den Verkehrswert der Grundstücke abgestellt und daher keine Feststellungen zum voraussichtlichen Versteigerungserlös getroffen.

a) § 1 [X.] erfordert für jeden Fall der Gläubigeranfechtung das Vorliegen einer objektiven Gläubigerbenachteiligung. Eine objektive Gläubigerbenachteiligung ist gegeben, wenn der Schuldner durch Weggabe eines Vermögenswerts die Befriedigungsmöglichkeit seines Gläubigers vereitelt, beeinträchtigt, erschwert oder verzögert ([X.]surteil in [X.], 312, Rz 47). Das ist isoliert mit Bezug auf die Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen. Eine Vorteilsausgleichung findet dabei grundsätzlich nicht statt; zu berücksichtigen sind lediglich solche Folgen, die an die angefochtene Rechtshandlung selbst anknüpfen ([X.]surteile vom 25.04.2017 - VII R 31/15, [X.], 1297, Rz 12, m.w.N. und vom 10.11.2020 - VII R 8/19, Rz 83).

Nur die Weggabe wertloser Gegenstände oder solcher, auf die eine Zugriffsmöglichkeit zum Zwecke der Verwertung nicht besteht, kann das Vermögen des Schuldners nicht zum Nachteil der Gläubiger verkürzen (vgl. [X.]surteil in [X.], 312, Rz 47, m.w.N.). Die Übertragung eines belasteten Grundstücks kann nur dann eine Benachteiligung des Gläubigers zur Folge haben, wenn der in der Zwangsvollstreckung erzielbare Wert des Grundstücks die vorrangigen Belastungen und die Kosten des [X.] übersteigt (vgl. [X.] in [X.], 387 und vom 23.11.2006 - IX ZR 126/03, NJW-RR 2007, 1343, unter [X.]). Die Frage, ob ein übertragenes Grundstück wertlos war, ist gegebenenfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären, welches auf der Grundlage der gemäß § 195 Abs. 1 Satz 2 des Baugesetzbuchs zur amtlichen Kaufpreissammlung mitgeteilten Zuschlagsbeschlüsse das voraussichtliche Zwangsversteigerungsergebnis --und nicht den Verkehrswert bei einem freihändigen [X.] feststellt (vgl. [X.] in ZIP 2018, 2083, Rz 29, m.w.N. und in [X.], 387, unter II.2. und III.1.ff. und [X.]surteil in [X.], 312, Rz 48). In aller Regel kann ausgeschlossen werden, dass in der Zwangsversteigerung ein höherer Wert als der Verkehrswert erzielt wird ([X.] in NJW-RR 2007, 1343, unter [X.] aa).

Für die nach § 3 Abs. 1 [X.] und § 4 [X.] ausreichende mittelbare Gläubigerbenachteiligung genügt es, wenn die Benachteiligung im [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz des [X.] gegeben ist (vgl. [X.] in NJW-RR 2007, 1343, unter II.2. und [X.] bb, m.w.N. und in NJW 2019, 365, Rz 26). Im Fall eines [X.]s kommt es entsprechend auf die Rechts- und Sachlage im [X.]punkt der letzten Verwaltungsentscheidung, das heißt den Erlass der Einspruchsentscheidung, an ([X.]surteile vom 14.07.1981 - VII R 49/80, [X.], 501, [X.] 1981, 751, unter [X.] und in [X.], 312, Rz 49).

b) Das [X.] ist von anderen Grundsätzen ausgegangen, indem es für die Frage der Wertausschöpfung den Verkehrswert laut Kaufvertrag zugrunde gelegt hat, ohne zu prüfen, ob es sich um einen Wert handelt, der im Rahmen der Zwangsversteigerung hätte erzielt werden können. Im zweiten Rechtsgang werden daher noch ein den oben genannten Anforderungen entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen und das voraussichtliche Zwangsversteigerungsergebnis in dem nach dem Anfechtungstatbestand maßgeblichen [X.]punkt festzustellen sein.

Zutreffend allerdings hat das [X.] bezüglich des Grundstücks in [X.] den späteren Verzicht der Schuldnerin auf das Wohnrecht bei der Frage der Wertausschöpfung werterhöhend berücksichtigt. Denn im maßgeblichen [X.]punkt der Einspruchsentscheidung war das Wohnrecht bereits gelöscht (vgl. hierzu auch [X.] in NJW 2019, 365, Rz 26). Dass das [X.] den (späteren) Verzicht der Schuldnerin auf das Wohnrecht nicht ausdrücklich angefochten hat, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

Bezüglich des Grundstücks in [X.] stellt sich die Frage der Wertausschöpfung nicht. Denn die diesbezüglichen Einwendungen der Klägerin betreffen die Frage der Unentgeltlichkeit der Leistung (s. unten).

5. Bei der Übertragung der beiden Grundstücke an die Klägerin handelt es sich nach den Feststellungen des [X.] um teilweise unentgeltliche Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 [X.].

a) Unter einer Leistung in diesem Sinne ist jede Rechtshandlung zu verstehen, die dazu dient, einen zugriffsfähigen Gegenstand aus dem Vermögen des Schuldners zu entfernen ([X.] vom 15.09.2016 - IX ZR 250/15, NJW-RR 2017, 427, Rz 11, m.w.N. und vom 19.07.2018 - IX ZR 296/17, NJW 2018, 3018, Rz 7, jeweils zu § 134 der [X.] --[X.]--).

Eine Leistung erfolgt unentgeltlich, wenn der Erwerb des Empfängers in seiner Endgültigkeit vereinbarungsgemäß nicht von einer ausgleichenden Zuwendung abhängt (MüKo[X.]/Weinland, [X.] § 4 Rz 20, [2. Aufl. 2022]). Der Begriff entspricht der unentgeltlichen Leistung in § 134 [X.], weshalb auf die hierzu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Bei einer Grundstücksübertragung stellt die Einräumung eines dinglichen Wohnrechts für den Übertragenden keinen Gegenwert dar, sondern mindert allenfalls den Wert des übertragenen Grundstücks (vgl. [X.] vom 04.03.1999 - IX ZR 63/98, NJW 1999, 1549, unter [X.] und vom 16.04.2015 - IX ZR 68/14, [X.], 1447, Rz 17, m.w.N.).

Maßgeblicher [X.]punkt für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit ist der [X.]punkt der Vollendung des [X.] (vgl. [X.] vom 26.01.2012 - IX ZR 99/11, NJW-RR 2012, 809, Rz 18; BGH-Beschluss vom 21.02.2013 - IX ZR 219/12, [X.]schrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht 2013, 608, Rz 3, m.w.N.; [X.]sbeschluss vom 12.12.2014 - VII B 112/14, Rz 10 und [X.]surteil vom 10.11.2020 - VII R 8/19, [X.], 1091, Rz 70). Denn nach § 8 Abs. 1 [X.] gilt eine Rechtshandlung in dem [X.]punkt als vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Dieser [X.]punkt wird gemäß § 8 Abs. 2 [X.] bei [X.] auf den Eingang des [X.] vorverlegt, wenn das Rechtsgeschäft --von der Eintragung abgesehen-- wirksam und für den Schuldner unwiderruflich geworden ist (vgl. [X.] vom 10.12.2009 - IX ZR 203/06, [X.], 339 und vom 25.03.2021 - IX ZR 70/20, NJW 2021, 1538, Rz 27, jeweils Antrag auf Eintragung einer Vormerkung).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze stellt die Übertragung der beiden Grundstücke unstreitig eine Leistung dar und ist teilweise unentgeltlich erfolgt.

aa) Das Grundstück in [X.] hat ausweislich der Vertragsunterlagen einen Verkehrswert in Höhe von … €. Dieser Verkehrswert ist um den Wert des dinglichen Wohnrechts (… €) zu mindern, weil die Klägerin ein belastetes Grundstück erhalten hat. Der Verzicht durch die Schuldnerin erfolgte erst im [X.] und damit deutlich nach der Eintragung der Auflassung im Grundbuch im Jahr 2011.

Dementsprechend ist von einem … € betragenden Verkehrswert auszugehen. Als Gegenleistung ist die Übernahme der Verbindlichkeiten in Höhe von … € zu berücksichtigen, sodass eine gemischte Schenkung vorliegt. Der Wertüberschuss der Leistung der Schuldnerin beträgt mithin … €.

bb) Für das Grundstück in [X.] hat das [X.] die Schätzung des [X.] übernommen, wonach der Verkehrswert des Grundstücks --unter Zugrundelegung der im März 2013 erfolgten Übertragung des hälftigen Grundstücks an den Ehemann der [X.] € betragen haben soll. Soweit die Klägerin nun vorträgt, es habe sich mangels Bebauungsplan und Baugenehmigung um eine unbebaubare Landwirtschaftsfläche gehandelt, widerspricht dies den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O), welches von [X.] ausgeht (unter [X.] der Entscheidungsgründe). Für eine tatsächliche Feststellung im Sinne des § 118 Abs. 2 [X.]O ist es nicht erforderlich, dass sie im Tatbestand des Urteils enthalten ist. Vielmehr können sich tatsächliche Feststellungen auch in den Entscheidungsgründen finden (vgl. BFH-Urteil vom 06.04.2000 - IV R 56/99, unter 2.c aa, m.w.N.). Hiergegen hat die Klägerin keine zulässigen und begründeten [X.] erhoben. Der Wertüberschuss der Leistung der Schuldnerin beträgt somit … €.

c) Soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren vorgetragen hat, es handele sich bei dem Grundstück in [X.] um ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk nach § 4 Abs. 2 [X.] beziehungsweise um eine als entgeltlich anzusehende Ausstattung der Klägerin durch die Schuldnerin gemäß § 1624 Abs. 1 BGB, stellt dies ein neues tatsächliches Vorbringen dar, das im Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden kann (vgl. [X.]surteil vom 05.10.1999 - VII R 152/97, [X.], 140, [X.] 2000, 93).

d) Anders als die Klägerin meint, kommt es im Falle der Anfechtung einer unentgeltlichen Zuwendung im Sinne des § 4 [X.] nicht darauf an, ob sie als [X.]in selbst Kenntnis von dieser Gläubigerbenachteiligung hatte. Denn § 4 [X.] stellt nicht auf die subjektive [X.] ab [MüKo[X.]/Weinland, [X.] § 4 Rz 1,[2. Aufl. 2022]; [X.]surteil in [X.], 1091, Rz 85].

6. Im zweiten Rechtsgang wird das [X.] auch zu prüfen haben, ob eine Anfechtung nach § 3 Abs. 1 [X.] Erfolg hat. Denn sofern eine objektive Gläubigerbenachteiligung im zweiten Rechtsgang bejaht wird, kommt die Stützung des [X.]s allein auf § 4 [X.] bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Schenkungsanteil die Duldungssumme nicht erreicht (s. oben).

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur [X.] der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Die Darlegung der Kenntnis des [X.]s (des "anderen Teils") wird durch anerkannte Beweisanzeichen beziehungsweise Indiztatsachen und Erfahrungssätze erleichtert, die § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] lediglich um einen zusätzlichen Tatbestand erweitert (vgl. [X.]surteil in [X.], 1297, Rz 17, m.w.N.).

b) Das [X.] wird die Umstände, die zu einer erfolgreichen Anfechtung nach § 3 Abs. 1 [X.] führen könnten, aufzuklären und unter Berücksichtigung der [X.]srechtsprechung zu würdigen haben.

c) Dagegen wird das [X.] eine Anfechtung nach § 3 Abs. 2 [X.] a.F. unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin als Tochter der Schuldnerin eine nahestehende Person nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist, wegen Versäumung der maßgeblichen Anfechtungsfrist nicht prüfen müssen.

7. Sollte das [X.] im zweiten Rechtsgang zu der Auffassung gelangen, dass die Anfechtungsvoraussetzungen gegeben waren, muss die Klägerin dem [X.] gemäß § 11 [X.], soweit es zu seiner Befriedigung erforderlich ist, das zur Verfügung stellen, was durch eine anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist.

a) Ziel des § 11 [X.] ist die Wiederherstellung der durch die Vermögensverschiebung vereitelten Zugriffslage für die Gläubiger ([X.]surteil in [X.], 29, [X.] 2011, 327, Rz 38). Rechtsfolge einer Anfechtung nach § 4 Abs. 1 [X.] ist grundsätzlich auch dann die Pflicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung in den übertragenen Vermögensgegenstand, wenn die Leistung des Schuldners nur teilweise unentgeltlich war ([X.] vom 15.12.2016 - IX ZR 113/15, NJW 2017, 1035, Rz 10).

b) Da die Klägerin die beiden Grundstücke noch vor Erlass des [X.]s weiter veräußert beziehungsweise übertragen hat, kann der anfechtbar erlangte Gegenstand nicht zur Verfügung gestellt werden, sodass nur ein Wertersatzanspruch in Frage kommt. Soweit eine gemischte Schenkung vorliegt, kann das [X.] gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 [X.] anteiligen Wertersatz für den seinem Zugriff entgangenen Vermögensgegenstand der Schuldnerin verlangen, soweit dafür kein Ausgleich in deren Vermögen gelangt ist (MüKo[X.]/Weinland, [X.] § 4 Rz 64, [2. Aufl. 2022]). Dabei ist maßgeblich, was dem Schuldnervermögen entzogen wurde, nicht, was der [X.] erlangt hat [MüKo[X.]/Weinland, [X.] § 11 Rz 118, [2. Aufl. 2022]).

8. Der [X.] hält es im Interesse einer Beschleunigung und Straffung des Verfahrens, in dem noch tatrichterliche Feststellungen nachzuholen sind, für angebracht, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a Abs. 1, § 121 Satz 1 [X.]O).

9. [X.] folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 20/20

18.04.2023

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 3. Juli 2019, Az: 5 K 1042/17, Urteil

§ 1 AnfG, § 4 Abs 1 AnfG, § 3 Abs 1 AnfG, § 11 Abs 1 S 2 AnfG, § 191 AO, § 195 Abs 1 S 2 BBauG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.04.2023, Az. VII R 20/20 (REWIS RS 2023, 5675)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5675

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