Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.11.2006, Az. 3 StR 294/06

3. Strafsenat | REWIS RS 2006, 795

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 [X.] vom 16. November 2006 in der Strafsache gegen 1. alias: 2. 3. 4. 5. wegen zu 1.: gefährlicher Körperverletzung
zu 2.: Körperverletzung mit Todesfolge u. a.

zu 3. - 5.: [X.]ihilfe zur gefährlichen Körperverletzung - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 26. Oktober 2006 in der Sitzung am 16. November 2006, an denen teilgenom-men haben: Vorsitzender [X.] am [X.]
Prof. Dr. [X.], die [X.] am [X.] Dr. Miebach, [X.], von [X.], [X.]als beisitzende [X.], Staatsanwalt - in der Verhandlung vom 26. Oktober 2006 -, [X.] beim [X.] - bei der Verkündung am 16. November 2006 - als Vertreter der [X.]schaft, Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 26. Oktober 2006 - als Verteidiger des Angeklagten [X.] M. , Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 26. Oktober 2006 - als Verteidiger des Angeklagten [X.] M. , Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 26. Oktober 2006 - als Verteidiger des Angeklagten [X.], Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 26. Oktober 2006 - als Vertreter der Nebenklägerin, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläge-rin wird das Urteil des [X.] vom 27. Februar 2006 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es die Ange-klagten [X.] M. , [X.]und den Angeklagten [X.]betrifft. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.]. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichne-te Urteil aufgehoben, soweit es die Angeklagten [X.]und [X.]betrifft. Die Angeklagten [X.]und [X.] werden freigesprochen. Soweit sie zu Ungunsten dieser Angeklagten eingelegt worden ist, wird die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen. Die Kosten des gegen diese Angeklagten gerichteten Strafver-fahrens und die ihnen entstandenen not[X.]digen Auslagen [X.] der Staatskasse zur Last. Die Entscheidung über die Entschädigung dieser Angeklagten wegen der erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen bleibt dem [X.] vorbehalten. Von Rechts wegen - 4 - Gründe: Das [X.] hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: 1 - den Angeklagten [X.] M. wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von [X.]; - den Angeklagten [X.] M. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten; - den Angeklagten [X.]wegen [X.]ihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur [X.]währung ausgesetzt wurde; - die Angeklagten [X.] und [X.] wegen [X.]ihilfe zur gefährlichen Körper-verletzung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung ebenfalls zur [X.]währung ausgesetzt wurde. Die - zu Ungunsten aller Angeklagten eingelegte - Revision der [X.] [X.]det sich, ebenso wie die Revision der Nebenklägerin, mit sachlich-rechtlichen Angriffen gegen die Schuldsprüche der Angeklagten [X.] M. , [X.] M. und [X.]; darüber hinaus beanstandet die Staatsanwaltschaft mit ihrem auch gegen die Angeklagten [X.] und [X.] unbeschränkt geführten Rechtsmittel namentlich, dass die gegen diese Ange-klagten verhängten Freiheitsstrafen zur [X.]währung ausgesetzt worden sind. [X.]züglich der Angeklagten [X.] und [X.] M. sowie [X.] haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin Erfolg; hinsichtlich des Angeklagten [X.]führt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gemäß § 301 StPO zur Aufhebung des Urteils auch zu dessen Gunsten. Das [X.] - 5 - hende Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt dagegen gemäß § 301 StPO zum Freispruch der Angeklagten [X.] und [X.]. [X.] Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin zu den [X.] [X.] M. , [X.]und [X.]3 1. [X.] [X.] M. hält rechtlicher Überprüfung schon deswegen nicht stand, weil das [X.] sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob dieser Angeklagte die Messerstiche ge-gen den [X.]. möglicherweise mit Tötungsvorsatz führte. Der Ange-klagte versetzte dem [X.]. zwei Messerstiche in den Rücken, die unter und neben dem rechten Schulterblatt in den Körper eindrangen; durch den mehr zur Körpermitte hin geführten Stich wurde der Brustkorb eröffnet, die [X.] musste zur Vermeidung tödlicher Folgen unverzüglich operativ versorgt werden. Die Stiche waren somit nach Stoßrichtung und -intensität erkennbar lebensgefährlich. Es drängte sich daher auf, dass sie der Angeklagte mit [X.] bedingtem Tötungsvorsatz geführt haben könnte. Dies musste das [X.] zwingend erörtern; denn seine sonstigen Feststellungen belegen auch nicht, dass der Angeklagte durch das Verlassen des [X.] von einem eventuellen Tötungsversuch strafbefreiend zurückgetreten wäre. All dies bedarf daher neuer Prüfung. 4 Schon deswegen kann auch die tateinheitliche Verurteilung wegen Kör-perverletzung mit Todesfolge zum Nachteil des [X.] keinen [X.]stand haben. Indessen hat der [X.] zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Teil des Schuldspruchs auch für sich rechtlicher Überprüfung nicht standhält: 5 Das Urteil beschreibt den [X.] bereits in nicht nachvollziehbarer Weise. Nach den Feststellungen ging [X.]

, als der Angeklagte dem Zeugen 6 - 6 - [X.]. die beiden Messerstiche versetzte, von hinten gegen den Angeklagten vor. Dieser "drehte sich daraufhin um und vollzog dabei mit der Hand, in der er das Messer hielt, eine ausholende [X.]wegung, sodass das Messer auf [X.] links in den Brustkorb des [X.] eindrang". Damit wird der tödliche Messerstich nicht in einer Form veranschaulicht, die den objektiven Tatablauf hinreichend erkennbar macht. Es wird weder verdeutlicht, in welcher Hand und wie der Angeklagte das Messer hielt, in welche Richtung die Messerspitze zeig-te, was unter einer "ausholenden [X.]wegung" zu verstehen ist, gegen [X.] - [X.]. oder [X.] - sich diese [X.]wegung richtete, noch wird verständlich, wie bei einer rein ausholenden [X.]wegung das Messer so tief in den Brustkorb ein-dringen konnte, dass die Herzkammer verletzt wurde. Damit fehlt es aber schon an einer tauglichen Grundlage für die [X.]urteilung der inneren Tatseite. Hinzu kommt, dass die Erwägungen, mit denen das [X.] einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten verneinte, in sich widersprüchlich sind. Das [X.] legt dar, es habe einen derartigen Vorsatz nicht festzu-stellen vermocht und führt dazu aus: "[X.]i der im Umdrehen vollzogenen ausho-lenden [X.]wegung war für ihn nicht erkennbar, an welcher Stelle des Körpers er [X.] treffen würde. Er hat mithin auch nicht erkennen und billigend in Kauf nehmen können, ihm eine tödliche Verletzung zuzufügen." Im unmittelbar an-schließenden Satz heißt es in den Urteilsgründen dann aber, dass "der Ange-klagte hätte erkennen können und müssen, dass er [X.] im Körperbereich treffen und ihm dort eine tödliche Verletzung beibringen konnte". Diese [X.] sind miteinander nicht in Einklang zu bringen. 7 2. Die Verurteilung des Angeklagten [X.]hat keinen [X.]stand, weil sich das [X.] nicht mit der Frage befasst hat, ob und in welchem Umfang sich dieser Angeklagte die Tat seines Bruders [X.] gegen [X.] nach den Grundsätzen der Mittäterschaft zurechnen lassen muss. Selbst [X.]n 8 - 7 - er keine Kenntnis davon hatte, dass sein Bruder ein Messer bei sich führte, schließt dies nicht aus, dass er im Rahmen des festgestellten Tatplans auch Verletzungshandlungen seines Bruders gegen [X.] bei dem gemeinschaftli-chen, auf seine Initiative zurückgehenden Angriff auf die Türsteher voraussah und billigte. Nach den Feststellungen liegt dies sogar nahe. Dann hätte er sich aber auch zumindest der tateinheitlichen - gefährlichen - Körperverletzung zum Nachteil des [X.] schuldig gemacht. Ob auch eine Verurteilung nach § 227 StGB in [X.]tracht kommt, hängt in diesem Fall davon ab, ob er den tödlichen Ausgang des Angriffs seines Bruders auf [X.] voraussehen konnte. Erst in diesem Zusammenhang mag es eine Rolle spielen, ob der Angeklagte von dem Messer seines Bruders Kenntnis hatte oder nicht. 3. Auch bei dem Angeklagten [X.] hat das [X.] nicht geprüft, ob sein Verhalten als [X.]teiligung an der Körperverletzungshandlung des Ange-klagten [X.] M. gegen [X.] zu werten ist. Einer entsprechenden Verurteilung stünde nicht entgegen, dass sich der Angeklagte [X.]nach den Feststellungen bereits vom unmittelbaren [X.] entfernt hatte, als der Ange-klagte [X.] M. dem [X.]

die Stichverletzung beibrachte. Zu § 227 StGB gelten die Ausführungen unter 2. entsprechend. 9 Im Übrigen leidet die rechtliche Würdigung des [X.]s auch daran, dass es bei der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und [X.]ihilfe nicht alle maßgeblichen Umstände in seine Überlegungen miteinbezogen hat. Das Land-gericht sieht den Angeklagten [X.]lediglich als Gehilfen an, weil er das ge-walttätige Vorgehen der Angeklagten [X.] und [X.] M. durch seine [X.]gleitung zwar psychisch unterstützt, jedoch keinen eigenen Tatbeitrag geleis-tet habe und auch nur widerstrebend mitgegangen sei. Dies lässt außer [X.]-tracht, dass der Angeklagte [X.]die [X.]nicht nur bis zu dem [X.] begleitet, sondern sich mit diesen unmittelbar in die Auseinandersetzung 10 - 8 - mit den Türstehern hinein begeben hat, nachdem der Angeklagte [X.] M.

bereits seine Teleskopstahlrute gezogen und geöffnet hatte. Da er anschlie-ßend selbst in das Kampfgeschehen eingriff, könnte die gebotene Gesamtwür-digung aller Umstände die Annahme von Mittäterschaft rechtfertigen. Allein sein inneres Widerstreben würde dem nicht not[X.]dig entgegenstehen. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt gemäß § 301 StPO jedoch auch zur Aufhebung des Urteils zu Gunsten des Angeklagten [X.]; denn das [X.] hat mehrere Umstände unerörtert gelassen, die gegen einen Gehil-fenvorsatz des Angeklagten sprechen könnten. So hat sich das [X.] insbesondere nicht mit der Einlassung des Angeklagten auseinandergesetzt, er habe in das Kampfgeschehen nur eingegriffen, um die Kämpfenden zu trennen. Hierzu hätte aber nicht nur deswegen Anlass bestanden, weil das [X.] gerade nicht zu klären vermochte, in welcher Form sich der Angeklagte in das Geschehen eingemischt hat, sondern auch, weil es weitere [X.]sonderheiten festgestellt hat, die den Gehilfenvorsatz in Frage stellen könnten: der [X.] hatte schon bei dem Vorgeschehen schlichtend zum Ende der Tätlichkeiten beigetragen; er war nur widerstrebend zum [X.] mitgefahren; er war - wie die Angeklagten [X.]und [X.] - an einer gütlichen Einigung interes-siert; bei seinem Eingreifen in das Kampfgeschehen wurde er durch das Mes-ser des Angeklagten [X.] M. verletzt. 11 Der Tatvorwurf gegen den Angeklagten [X.] bedarf daher umfassen-der erneuter Prüfung. 12 - 9 - I[X.] Revision der Staatsanwaltschaft zu den Angeklagten [X.] und [X.]13 Gemäß § 301, § 354 Abs. 1 StPO sind die Angeklagten [X.] und [X.] auf die Revision der Staatsanwaltschaft freizusprechen; denn die Ur-teilsgründe belegen, dass diese Angeklagten ohne den erforderlichen Gehilfen-vorsatz handelten. Zwar stellt das [X.] fest, dass [X.] und [X.] den Angeklagten [X.] bei eventuellen Handgreiflichkeiten mit den Türstehern durch ihre Anwesenheit unterstützen wollten. Ihr festgestelltes [X.] Verhalten zeigt indessen, dass damit ersichtlich nicht eine Unterstützung von aktiven Angriffen auf die Türsteher, sondern nur ein verteidigendes [X.] für den Fall eines Angriffs der Türsteher gemeint war. Dies ergibt sich aus Folgendem: 14 [X.]iden Angeklagten war an einer gütlichen Einigung gelegen. Der Ange-klagte [X.]legte Wert darauf, allein mit den Türstehern zu sprechen. Er brachte dies gegenüber dem Angeklagten [X.]deutlich zum Aus-druck, indem er sich von diesem zusichern ließ, dass er das Auto nicht verlas-sen werde. Als der Angeklagte [X.] M. dennoch [X.] war, sich zu den Türstehern begeben hatte und dann vor diesen wieder in das Fahrzeug geflüchtet war, fuhr der Angeklagte [X.]zwar noch um die nächste Straßenecke und stellte das Fahrzeug dort ab. Anschließend trennten sich die Angeklagten [X.]und [X.] jedoch von den anderen Mitangeklag-ten und waren an dem späteren Tatgeschehen nicht mehr beteiligt. Der Ange-klagte [X.] holte seinen Pkw, der Angeklagte [X.] begab sich noch zu dem Chef der Türsteher, um diesen vor den sich anbahnenden [X.] zu warnen. Dies zeigt deutlich, dass diese beiden Angeklagten das aktive Vorgehen der Mitangeklagten gegen die Türsteher nicht billigten und durch ihre Anwesenheit auch nicht unterstützen wollten. Dementsprechend hat der [X.] - 10 - klagte [X.]nach der Tat die Angeklagten [X.] und [X.] M. auch vorwurfsvoll zur Rede gestellt. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch ge-genteilige Feststellungen getroffen werden könnten. Er spricht die Angeklagten [X.] und [X.]daher frei. Damit erledigt sich die Revision der Staatsanwalt-schaft auch, soweit sie zu Ungunsten dieser Angeklagten eingelegt worden ist. 16 [X.] Miebach [X.] von [X.] [X.]

Meta

3 StR 294/06

16.11.2006

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.11.2006, Az. 3 StR 294/06 (REWIS RS 2006, 795)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 795

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