Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.03.2004, Az. I ZR 205/01

I. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3892

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/01 Verkündet am: 25. März 2004 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

HGB § 435

a) Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit in § 435 HGB erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der [X.] hinwegsetzen.
b) Bei einer Betriebsorganisation des Spediteurs/Frachtführers, die Ein- und [X.]n beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, ist im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerecht-fertigt, weil es sich bei diesen Kontrollen um elementare Vorkehrungen ge-gen Verlust von Ware handelt.
c) [X.]/Frachtführer, der elementare Sorgfaltspflichten vernachlässigt (hier: die Durchführung von ausreichenden [X.]n), handelt im allgemeinen in dem Bewußtsein, daß es aufgrund des Mangels dieser [X.] zu einem Schadenseintritt kommen kann.

[X.], [X.]. v. 25. März 2004 - [X.]/01 - OLG Köln
LG Köln - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 25. März 2004 durch [X.] Dr. [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, [X.], [X.] und Dr. Bergmann für Recht erkannt:

Die Revision gegen das [X.]eil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 19. Juni 2001 wird auf Kosten der [X.] zu-rückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Transportversicherer der [X.] (im folgenden: Versicherungsnehmerin) in [X.]. Sie nimmt das beklagte [X.] aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen Ver-lustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte Ende Februar 1999 zu festen Kosten mit der Besorgung des Transports einer Computeranlage im Wert von 66.000 DM von [X.] nach [X.]. Die Sendung wurde einem - 3 - von der [X.] beauftragten [X.] am 1. März 1999 übergeben. Dieser sollte [X.] zunächst im Depot der [X.] in [X.] abliefern. Von dort sollte es zum Zentrallager der [X.] in [X.] gebracht und anschließend über ihr Depot in [X.] an die Empfänge-rin ausgeliefert werden. Die Sendung hat die Empfängerin nicht erreicht. Wo sie abhanden gekommen ist, konnte nicht geklärt werden.
Die Klägerin hat an ihre Versicherungsnehmerin für den Verlust eine [X.] in Höhe von 66.000 DM gezahlt. Von diesem Betrag hat die [X.] der Klägerin lediglich 729 DM erstattet.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte für den eingetretenen Verlust unbeschränkt. Die Beklagte könne sich weder auf eine gesetzliche noch auf die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Haftungsbe-schränkung berufen, da sie den Geschehensablauf nicht ausreichend habe dar-legen können. Die Beklagte habe leichtfertig gehandelt.
Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 65.271 DM nebst Zinsen zu [X.].

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat zur Handhabung ihrer Betriebsorganisation bei der Abwicklung von Versandaufträgen insbesondere folgendes vorgetragen:
Ein [X.] hole die Sendung beim Kunden ab und bringe sie zum jeweiligen [X.]. Nach der Entladung würden die Sen-- 4 - dungsdaten erfaßt und über ihren Zentralrechner an das jeweilige [X.] bzw. Umschlagzentrum übermittelt. Anschließend erfolge die Verladung der Packstücke für die Fernverkehrsbeförderung in Kofferwechselbrücken, die dann verschlossen und verplombt würden. Dabei werde nicht positiv anhand einer Packliste geprüft, ob eine Sendung in eine bestimmte Kofferwechsel-brücke verbracht worden sei. Der Umschlag werde vielmehr nach dem soge-nannten Negativsystem durchgeführt. Danach sei für jeden Arbeitstag vorge-schrieben, daß kein Packstück zurückbleiben dürfe. Dementsprechend führten ihre Mitarbeiter nach Abschluß der Nahverkehrsentladung und der Beladung der Kofferwechselbrücken für die Fernverkehrsbeförderung täglich einen "La-gersturz" durch, bei dem die gesamte [X.] planmäßig nach liegenge-bliebenen Sendungen abgesucht werde. Gefundene Sendungen würden in das [X.] eingegeben und deren Absender und Empfänger unterrichtet.
Ihr organisatorisch geschlossenes System, das durch weitere Sicher-heitseinrichtungen (Umzäunung des Depots, strikte Eingangskontrollen von [X.] Personen, Ausweispflicht, stichprobenartige Überprüfung der [X.]) ergänzt werde, führe dazu, daß nahezu 100 % aller ihr, der [X.], übergebenen Sendungen ordnungsgemäß an den Empfänger ausgeliefert würden.
Die streitgegenständliche in Verlust geratene Sendung sei in ihrem [X.] in [X.] abgeliefert worden. Ein Verlust der Sendung auf der [X.] könne ausgeschlossen werden, da sie schon nicht in ihrem Umschlagsdepot in [X.] eingetroffen sei. Auch in anderen Depots habe die Sendung nicht aufgefunden werden können. Der Verlust sei daher wahr-scheinlich bereits in ihrem Depot in [X.] eingetreten. Als Ursache für eine Fehlleitung der Sendung komme ein der Versicherungsnehmerin zuzu-- 5 - rechnender Markierungsfehler in Betracht, da die Versenderin den vorgedruck-ten [X.] umgeschrieben habe. Denkbar sei aber auch eine kriminelle Umgehung ihres Systems durch den Fahrer des Nah- oder Fernverkehrsunter-nehmens, ohne daß sie, die Beklagte, dies behaupten könne oder wolle.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe ihrer Einlassungsob-liegenheit genügt. Ihr Vortrag zum Ablauf ihrer Betriebsorganisation rechtfertige nicht den Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB.
Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der [X.] ist erfolglos geblieben ([X.] 2001, 407 ff.).
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe aus über-gegangenem Recht (§ 67 [X.]) ihrer Versicherungsnehmerin gemäß § 425 Abs. 1, § 429 Abs. 1, §§ 435, 459 HGB ein Anspruch auf Schadensersatz ge-gen die Beklagte zu, ohne daß sich die Beklagte auf gesetzliche oder vertrag-lich vereinbarte Haftungsbegrenzungen berufen könne. Die Beklagte hafte ge-mäß § 435 HGB für den Verlust der Ware unbeschränkt, weil dieser - wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat - leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden wahrscheinlich eintreten werde, herbeigeführt worden sei. Für das Verhalten ihrer Leute und anderer Personen, deren sich die Beklagte bei - 6 - der Ausführung der Beförderung bedient habe, habe die Beklagte gemäß § 428 HGB in gleichem Umfang wie für eigenes Verschulden einzustehen.

B. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
[X.] Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der [X.] nach § 425 HGB bejaht.
Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte von der Versicherungsnehmerin der Klägerin als Fixkostenspediteurin i.S. von § 459 HGB beauftragt worden ist und daß sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und - bei wirksamer vertraglicher Einbeziehung - ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen beurteilt, soweit diese mit den in § 449 Abs. 2 HGB enthaltenen Regelungen in Einklang stehen (vgl. dazu [X.] 153, 308, 310 f.).
I[X.] Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des [X.], die Beklagte hafte für den streitgegenständlichen Schaden ge-mäß § 435 HGB unbeschränkt.
Nach § 435 HGB gelten die in diesem Unterabschnitt und im [X.] vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen vorsätz-lich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein begangen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. - 7 -
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Gesetzgeber habe mit der Neufassung des § 435 HGB einen gegenüber der groben Fahrlässigkeit strengeren Haftungsmaßstab in die gesetzliche Regelung einführen wollen, so daß nicht jede grobe Fahrlässigkeit auch ein leichtfertiges Verhalten darstelle. Ein solcher besonders schwerer Fall der groben Fahrlässigkeit sei im Streitfall gegeben. Die Beklagte gehe selbst davon aus, daß die in ihrer Obhut abhanden gekommene Sendung in ihrem Lager in [X.] in Verlust geraten sein müsse. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, in diesem Lager für ein lückenloses Kontrollsystem zu sorgen, das den Verbleib der Sendung hätte aufklären können. Das angewandte "Negativsystem" verhindere es gerade nicht, daß ein Verlust von Sendungen zunächst unentdeckt bleibe. Die Beklagte habe keinen ausreichenden Überblick über den Inhalt der beladenen Wechsel-brücken sowie den Lauf und Verbleib der ein- und ausgehenden Sendungen gehabt mit der Folge, daß nach einer außer Kontrolle geratenen Sendung nicht systematisch habe gesucht werden können. Erst eine wirksame Ein- und [X.] hätte die gebotenen Nachforschungen ermöglicht. Dieses hohe Risiko sei die Beklagte bewußt eingegangen.
Die Beklagte bzw. die für sie tätigen Personen hätten auch in dem [X.] gehandelt, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Dieses subjektive Tatbestandsmerkmal setze voraus, daß das Risiko eines Schadenseintritts bei der gehandhabten Betriebsorganisation hoch oder nahe-liegend sei. Es komme darauf an, ob ein Geschehen vorliege, bei dem ein un-beteiligter Beobachter zu der Entscheidung gelange, daß es "noch einmal gut-gegangen" sei. Das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts könne schon dann festgestellt werden, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten sei, diese - 8 - Folgerung rechtfertige. Ausgehend von dem besonders schwerwiegenden Or-ganisationsverschulden der [X.] stehe zur Überzeugung des Senats fest, daß bei der [X.] das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit eines Scha-denseintritts vorgelegen habe. Die Beklagte habe - wie sie selbst vortrage - zur Vermeidung von Kosten bewußt auf eine lückenlose Kontrolle verzichtet.
Umstände, die gegen die Schadensursächlichkeit des [X.] sprechen könnten, habe die Beklagte nicht dargelegt.
2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
Die tatrichterliche Beurteilung der Frage, ob eine bewußte Leichtfertigkeit i.S. von § 435 HGB vorliegt, ist durch das Revisionsgericht nur in eingeschränk-tem Maße nachprüfbar. Die Prüfung muß sich darauf beschränken, ob das Be-rufungsgericht den Rechtsbegriff der bewußten Leichtfertigkeit verkannt hat oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, gegen die Denkgesetze oder gegen Erfah-rungssätze vorliegen (vgl. zur groben Fahrlässigkeit: [X.] 149, 337, 345; [X.], [X.]. v. 13.2.2003 - I ZR 128/00, [X.] 2003, 255, 257 = [X.], 1017). Solche Rechtsfehler läßt das Berufungsurteil nicht erkennen.
a) Die aufgrund des [X.] vom 25. Juni 1998 ([X.]) mit Wirkung vom 1. Juli 1998 in [X.] getretene Neufassung des § 435 HGB ist Ausdruck des schon bis dahin im gesamten Transportrecht geltenden Prinzips, daß dem Frachtführer die ihm wegen vertragstypischer Ri-siken eingeräumten Haftungsprivilegien nicht zugute kommen sollen, wenn ihn oder eine Person, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, ein qualifiziertes Verschulden, also ein über die einfache Fahrlässigkeit hinaus-gehender Verschuldensvorwurf, trifft (vgl. § 430 Abs. 3 HGB a.F.; § 607a - 9 - Abs. 4, § 660 Abs. 3 HGB, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 CMR, Art. [X.] 1955; s. auch die Begründung zum Gesetzentwurf der [X.], BT-Drucks. 13/8445, [X.]).
b) Der Verschuldensmaßstab des § 435 HGB, der - wenn nicht Vorsatz gegeben ist - neben der Leichtfertigkeit das Bewußtsein voraussetzt, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, ist an den Wortlaut [X.] Übersetzungen internationaler [X.]übereinkommen (u.a. Art. 25 WA 1955) angelehnt. Der Begriff der Leichtfertigkeit bezweckt einen möglichst weit-gehenden Einklang des [X.] [X.] mit dem internationalen Recht (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8445, [X.]). Der Gesetzgeber ist dabei von dem Bedeutungsgehalt ausgegangen, der dem Begriff schon bisher in der [X.] Rechtsprechung zu Art. 25 WA 1955 zukam (vgl. BT-Drucks. 13/8445, [X.]). Dem entspre-chend muß die Auslegung des neuen Verschuldensbegriffs in erster Linie die-sem Verständnis entnommen werden (vgl. [X.] in: [X.]/Thume, Trans-portrecht, § 435 HGB [X.]. 12; Thume, [X.] 2002, 1, 2; [X.] in Festgabe für [X.], 2000, [X.], 131 f.; a.[X.], Transportrecht, 5. Aufl., § 435 HGB [X.]. 6, 12).
Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzen (vgl. [X.], [X.]. v. 12.1.1982 - VI ZR 286/80, [X.] 1982, 100, 101 = [X.], 369; [X.] 145, 170, 183). Das subjektive Erfordernis des Bewußtseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahr-scheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des [X.] 10 - merkmals der Leichtfertigkeit für sich allein allerdings nicht aus, um auf das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann an-zunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt. Es bleibt der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten, ob das Handeln nach dem äußeren Ablauf des zu beurteilenden Geschehens vom Bewußtsein getragen wurde, daß der Eintritt eines Schadens mit Wahrscheinlichkeit drohe (vgl. [X.] 74, 162, 168 f.; 145, 170, 186). Dabei sind in erster Linie [X.] heranzuziehen. Zudem kann der Schluß auf das Bewußtsein der Wahr-scheinlichkeit des Schadenseintritts auch im Rahmen typischer Geschehensab-läufe naheliegen (vgl. [X.], [X.]. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, [X.] 2003, 467, 470 f.; [X.]. v. 9.10.2003 - I ZR 275/00, [X.] 2004, 175, 177; [X.]. v. 23.10.2003 - [X.], [X.]. [X.]).
Von diesem Verständnis des Verschuldensmaßstabs der bewußten Leichtfertigkeit ist - wie die Revision nicht verkennt - auch das Berufungsgericht ausgegangen.
c) Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht im Streitfall das Vorliegen einer bewußten Leichtfertigkeit i.S. von § 435 HGB bejaht hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht den Vorwurf qualifizierten Verschuldens nicht aus einer unzureichenden Erfüllung der Ein-lassungsobliegenheit der [X.] hergeleitet. Fehl geht daher die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die (sekundäre) Darlegungslast der [X.] überspannt. Das Berufungsgericht hat den Vor-- 11 - wurf eines qualifizierten Verschuldens ersichtlich nur aus der eigenen [X.] im Betrieb der [X.] hergeleitet, wonach es [X.] in ihrem Lager in [X.] an einer wirksamen [X.] feh-le. Die Formulierungen des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ihrer Einlas-sungspflicht nicht genügt und ihr allgemein gehaltener Vortrag reiche nicht aus, um den Schluß auf ein leichtfertiges Organisationsverschulden auszuräumen, mögen für sich allein genommen zwar mißverständlich sein. Aus dem Gesamt-zusammenhang der Entscheidungsgründe wird jedoch hinreichend deutlich, daß nicht der fehlende Sachvortrag der [X.] zu ihrer Betriebsorganisation der tragende Grund für das vom Berufungsgericht angenommene bewußt leichtfertige Organisationsverschulden gewesen ist, sondern das sich aus dem Vortrag der [X.] selbst ergebende Fehlen einer wirksamen Ausgangskon-trolle im Lager [X.].
d) Dem Berufungsgericht sind bei der Anwendung des Verschuldens-maßstabs der bewußten Leichtfertigkeit im Streitfall keine Rechtsfehler [X.].
[X.]) Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß es sich beim Umschlag von Transportgütern, wie er hier in Rede steht, um einen [X.] schadensanfälligen Bereich handelt, der deshalb so organisiert werden muß, daß in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit [X.] frühzeitig festgehalten werden können. Denn ohne ausreichende Ein- und [X.]n, die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der [X.] bzw. [X.] erfaßten Ware erfordern, kann ein verläßlicher Über-blick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden mit der Folge, daß der Eintritt eines Schadens und der Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller - 12 - Hinsicht nicht eingegrenzt werden können. Das Erfordernis von [X.] wird noch verstärkt, wenn - wie im Streitfall - rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Deshalb ist in der Rechtsprechung zu § 429 Abs. 1 HGB a.F. von einem grob fahrlässigen Verschulden ausgegangen worden, wenn der Spediteur den scha-densanfälligen Umschlag ohne ausreichende Ein- und [X.]n or-ganisiert (vgl. [X.] 129, 345, 351; 149, 337, 347 f. m.w.N.; [X.] [X.] 2003, 255, 257).
[X.]) Auch die in § 435 HGB geforderte Leichtfertigkeit des Frachtführers oder seiner "Leute" kann sich aus einer mangelhaften Organisation des Be-triebsablaufs ergeben, die keinen hinreichenden Schutz der zu befördernden [X.] gewährleistet und sich in krasser Weise über die [X.] der Vertragspartner hinwegsetzt (vgl. [X.] 145, 170, 183 m.w.N. zu Art. 25 WA 1955). Bei einer Betriebsorganisation, die Ein- und Ausgangskon-trollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, ist im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich bei diesen Maßnahmen um elementare Vorkehrungen gegen Verlust von Ware handelt.
[X.]) Entgegen der Auffassung der Revision besteht keine ausreichende [X.], wenn die Beklagte - wie sie selbst vorgetragen hat - ledig-lich eine Eingangskontrolle im [X.] in [X.] und eine [X.] im [X.] in [X.] durchführt. Auch die tägliche Durchführung eines "Lagersturzes" (sog. Negativsystem) in allen Depots und Umschlagzentren der [X.] sowie die Beförderung des Frachtgutes auf der Fernverkehrsstrecke in verplombten Kofferwechselbrücken gewährleisten keine ausreichende Kontrolle des [X.]. Die Beklagte räumt die [X.] 13 - keit von [X.], die erst im [X.] festgestellt werden, bei ihrem System selbst ein.
Aus der Möglichkeit von [X.] ergibt sich entgegen der [X.] der Revision nicht nur eine Verzögerung der Auslieferung, sondern es folgt daraus auch ein erhöhtes Verlustrisiko. Die Beklagte hat selbst vorgetra-gen, daß eine Fehlverladung zu einer Auslieferung an einen falschen Empfän-ger führen könne und ein Empfänger, der mehr bekomme, als er nach dem Frachtbrief zu erhalten habe, dies nicht immer reklamiere. Die Ausgangskontrol-le im [X.] kann die [X.] im [X.] schon [X.] nicht ersetzen, weil die Beklagte bei einer solchen Kontrolle des [X.] den Bereich des Schadenseintritts in zeitlicher, räumlicher und per-soneller Hinsicht nicht hinreichend eingrenzen und nach einer verlorengegan-genen Sendung daher nicht gezielt suchen kann. Dementsprechend hat sie es selbst lediglich für wahrscheinlich gehalten, daß der Verlust der Sendung [X.] in ihrem [X.] in [X.] eingetreten sein müsse. [X.] konnte sie aber auch nicht ausschließen, daß die Sendung in ihrem Um-schlagsdepot in [X.] oder in ihrem [X.] in [X.] verlo-rengegangen ist. Hätte die Beklagte in ihrem [X.] [X.] eine wirksame [X.] durchgeführt, wäre ein in diesem Depot eingetre-tener Verlust zeitnah entdeckt worden und hätte die Suche nach der abhanden gekommenen Sendung gezielt auf dieses Depot und die im maßgeblichen [X.] in diesem Depot Beteiligten beschränkt werden [X.].
Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, daß eine systematische Suche nach außer Kontrolle geratenen Sendungen durch die [X.]e Ver-netzung sämtlicher Depots und Umschlagzentren möglich sei. Die Beklagte hat - 14 - zu dem streitgegenständlichen Verlustfall lediglich vorgetragen, daß eine zen-tral gesteuerte Suchmeldung in allen ihren Depots und Umschlagzentren mit negativem Ergebnis durchgeführt worden sei. Da der Eingang der Sendung [X.] in ihrem zentralen Umschlagsdepot in [X.] nicht habe festgestellt werden können und ein Verlust von Sendungen auf der Fernverkehrsstrecke mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kön-ne, sei der Verlust der Sendung "wahrscheinlich" bereits in ihrem Depot in [X.] eingetreten. Damit räumt die Beklagte selbst ein, daß durch ihr [X.] nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, wo genau der Verlust der Sendung eingetreten ist, um dort eine gezielte Suche zu ermöglichen. [X.] bleibt ihr bei ihrem System, in dem lediglich eine Eingangskontrolle im [X.] und eine [X.] im [X.] durchgeführt wird, nur die Möglichkeit, eine Suche in allen ihren Depots und Umschlagzen-tren und somit gerade keine gezielte Suche in einem bestimmten Depot oder Umschlagzentrum zu veranlassen.
Der Vortrag der [X.], sie habe eine Zertifizierung nach der [X.] durchgeführt, steht der Annahme eines leichtfertigen Organisations-verschuldens schon deshalb nicht entgegen, weil diese [X.] keine spezifischen Anforderungen an die Sorgfalt des Spediteurs beim Warenum-schlag, sondern lediglich allgemeine Merkmale eines effektiven Qualitätsmana-gementsystems regelt, so daß die Erteilung des Zertifikats nicht den [X.] auf einen ausreichenden Schutz des Frachtgutes vor Verlust zuläßt.
e) Entgegen der Ansicht der Revision ist es revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht aus der Organisation des [X.] durch die Beklagte auf deren Bewußtsein geschlossen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Wer wie im Streitfall [X.] 15 - tare Sorgfaltsvorkehrungen unterläßt, handelt in dem Bewußtsein, daß es auf-grund des Mangels dieser Vorkehrungen zu einem Schadenseintritt kommen kann. Wer also eine Ein- oder [X.] unterläßt, obwohl er weiß oder hätte wissen müssen, daß es darauf entscheidend ankommt, hat das [X.], es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden an [X.] entstehen (vgl. [X.] 74, 162, 172).
[X.]) Die von der [X.] behauptete, im Verhältnis zu der Anzahl der bei ihr umgeschlagenen Sendungen geringe Schadensquote von 0,1 bis 0,2 › sowie die behauptete Aufklärungsquote von 99 % bei [X.] von [X.] widerlegen für sich allein nicht die Annahme des Bewußtseins der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Dies folgt schon daraus, daß die [X.] verpflichtet ist, jeglichem Verlust des in ihre Obhut gelangten Gutes durch geeignete und ausreichende Sicherheitsvorkehrungen entgegenzuwirken. Aus der geringen Schadensquote und der hohen Aufklärungsquote ergeben sich im übrigen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, daß im hier maßgeblichen Zeitraum keine schwerwiegenden Mängel in der theoreti-schen oder praktischen Durchführung der Organisation der [X.] vorgele-gen haben (vgl. [X.], [X.]. v. 25.9.1997 - I ZR 156/95, [X.] 1998, 262, 264 f. = VersR 1998, 657; [X.] [X.] 2003, 467, 471; [X.] 2004, 175, 177; [X.], [X.]. v. 23.10.2003 - [X.], [X.]. [X.] f.).
[X.]) In der Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, die erforderliche Wahrscheinlichkeit sei ein mittlerer Grad von Gewißheit, der zwischen Möglichkeit und absoluter Gewißheit angesiedelt sei. Das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sei daher quantitativ in dem Sinne zu bestimmen, daß die Wahrscheinlichkeit erst anzunehmen sei, wenn die Möglichkeit, daß das Schadensereignis eintrete, mehr als 50 % betrage, die - 16 - Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts also größer sei als die des Nichtein-tritts (vgl. [X.], 164, 165; MünchKomm.HGB/Kronke, Art. 25 WA 1955 [X.]. 30; [X.] in: [X.]/[X.], [X.] zum Luftverkehrsrecht, Art. 25 WA [X.]. 45; [X.] in: [X.]/Boujong/ [X.], HGB, § 435 [X.]. 3; [X.] in: [X.]/Thume, Transportrecht, § 435 HGB [X.]. 16; Thume, [X.] 2002, 1, [X.], [X.] 2002, 413, 416; vgl. auch: [X.], Die Haftung des ausführenden Frachtführers im neuen [X.] Frachtrecht, [X.]).
Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden. Hierauf kommt es im Fall der Verletzung elementarer Sorgfaltsvorkehrungen in der Organisation eines Betriebs aber auch nicht an, weil schon die Kenntnis des grob mangelhaften Betriebsablaufs das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts einschließt.
Es ist daher entgegen der Auffassung der Revision weder erfahrungswid-rig noch verstößt es gegen Denkgesetze, wenn das Berufungsgericht trotz der von der [X.] behaupteten geringen Schadens- und hohen [X.] aufgrund der beim Warenumschlag bei der [X.] bestehenden [X.] auf deren Bewußtsein geschlossen hat, daß ein Schaden mit Wahr-scheinlichkeit eintreten werde. - 17 - [X.] Danach war die Revision der [X.] mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

[X.] v. Ungern-Sternberg [X.]

[X.]

Meta

I ZR 205/01

25.03.2004

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.03.2004, Az. I ZR 205/01 (REWIS RS 2004, 3892)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3892

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