Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2018, Az. 2 StR 308/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 9365

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:090518U2STR308.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR 308/17
vom
9. Mai 2018
in der Strafsache
gegen

wegen
Totschlags u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 9.
Mai
2018, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. [X.],

[X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
[X.],
[X.],

Staatsanwalt beim [X.]

in der Verhandlung,
Staatsanwalt beim [X.]

und
Staatsanwalt beim [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwältin

in der Verhandlung

als Verteidigerin,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 26. Januar
2017 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Totschlags in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt, die Unter-bringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und eine Einzie-hungsentscheidung getroffen. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklag-ten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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-
Der Angeklagte reiste im September 2015 nach [X.] ein und stellte einen Asylantrag. In der ihm zugewiesenen Asylbewerbereinrichtung in
D.

trat er gegenüber Mitbewohnern und Mitarbeitern aggressiv und be-

nach B.

verlegt. Dort geriet er Mitte März 2016 mit dem späteren Tatopfer

G.

(genannt: M.

), einem [X.] Asylbewerber, in Streit.
Im Zuge einer von ihm begonnenen körperlichen Auseinandersetzung mit M.

wurde er von dessen Freunden verprügelt. Trotz anschließender Versöhnung provozierten sich der Angeklagte und M.

wechselseitig weiter. Wegen einer
von ihm als herausfordernd empfundenen Geste forderte der Angeklagte M.

am Abend des 3.
April 2016 auf, den Streit im Wege einer körperlichen Ausei--
gen C.

auf die Straße vor die Einrichtung. Dort entwickelte sich eine Schlä-
gerei, in die der Zeuge C.

auf Seiten des M.

eingriff und daraufhin vom

m
weiteren Verlauf des Kampfes kam der Angeklagte auf dem Rücken in einem Gebüsch zu liegen, während M.

ge-
beugt über ihm stand, um weiter einzuschlagen. C.

stand leicht versetzt hin-
ter M.

. Da er nicht

wie drei Wochen zuvor

im Kampf unterliegen wollte,
zog der Angeklagte ein von ihm mitgeführtes und bis dahin verborgen [X.], stach in Tötungsabsicht [X.] gezielt auf den Ober-körper des M.

ein und traf ihn in der Brust und am [X.]. Als der Zeuge
C.

näher herantrat, stach der Angeklagte noch zweimal in Richtung der Bei-
ne des C.

, um ihn zu verletzen, verfehlte ihn aber. M.

verstarb kurz darauf
an den Folgen der Stichverletzungen.
Nach Auffassung der sachverständig beratenen [X.] war der Angeklagte zur Tatzeit infolge einer hirnorganisch bedingten Wesensverände-rung in Form einer reizbaren Schwäche in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt (§
21 StGB).
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II.
Die Verfahrensrügen bleiben aus den in der Antragsschrift des [X.] vom 25.
Juli 2017 genannten Gründen ohne Erfolg.

III.
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler ergeben.
1. Die Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdi-gung und tragen den Schuldspruch; gegen die Strafzumessung ist ebenfalls nichts zu erinnern.
2. Auch der [X.] hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß §
63 StGB setzt die Feststellung voraus, dass der Unterzubringende bei Begehung der [X.] aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermin-dert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der De-fektzustand muss, um die notwendige [X.] tragen zu [X.], von längerer Dauer sein. [X.] muss eine Wahrscheinlichkeit [X.] Grades dafür bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§
63 Satz
1 StGB). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das
Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen
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(st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 10.
November 2015

1
StR 265/15, [X.], 76
f. mwN).
b) Die getroffenen Feststellungen belegen, dass beim Angeklagten ein überdauernder psychischer Defektzustand vorliegt.
Das [X.] hat im [X.] an den Sachverständigen dargelegt, dass beim Angeklagten infolge einer im 16.
Lebensjahr erlittenen schweren Kopfverletzung und damit einhergehender
Operationen
mit bildgebenden Ver-fahren erkennbare irreversible hirnorganische Veränderungen vorliegen, die die [X.] massiv einschränken. Der Angeklagte sei daher erhöht reizbar, könne die Befriedigung von Bedürfnissen nicht aufschieben und müsse Verär-gerungen unmittelbar ausagieren. Auch wenn das Urteil keine ausdrückliche Einordnung der beschriebenen chronifizierten Störung in die gängigen [X.] enthält, folgt aus den Ausführungen hinreichend deutlich, dass das [X.] vom Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms
aus-geht, das zu den von [X.] unter [X.] aufgeführten Störungsbildern zählt.
c) Die [X.] hat auch in nachvollziehbarer Weise den symptoma-tischen Zusammenhang zwischen dem Zustand des Angeklagten und der ab-geurteilten Tat begründet.
Dass sich die festgestellte Störung in der konkreten Tatsituation auf die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat, hat die [X.] tragfähig damit [X.], dass sich der Angeklagte trotz bestehender Hämophilie und dadurch erhöhter Verletzbarkeit bewusst in die konkrete Kampfsituation begeben habe. [X.] nach [X.] ausgeschlossen, dass in der Person des
Angeklag-ten oder in seiner Tat lediglich nur Eigenschaften und Verhaltensweisen her-10
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vorgetreten sind, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen anzutreffen und übliche Ursache für strafbares Verhalten ist (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
November 2015

1
StR 265/15, [X.], 76 mwN).
d) Auch die vom [X.] angestellte [X.] hält rechtlicher Nachprüfung (noch) stand.
Im Rahmen seiner

allerdings
knapp gehaltenen

Gesamtwürdigung, in der die Begehung weiterer vergleichbarer Taten besorgt
wird, hat das Tatge-richt maßgeblich auf den vom Angeklagten im Jahr 2015 in seiner Heimat [X.] tätlichen Angriff und die Verhaltensauffälligkeiten in [X.] [X.], die

wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ent-nehmen lässt

nach Überzeugung der [X.] auf dessen psychischer

Auseinandersetzungen des Angeklagten mit anderen Personen

insbesondere die noch vor dem Konflikt mit M.

stattgefundene Schlägerei mit vier oder fünf
[X.] Mitbewohnern in der Küche der Einrichtung

handelte es sich beim [X.] auch nicht lediglich um eine Gelegenheits-
und Konflikttat, die die [X.] regelmäßig nicht rechtfertigen kann. Da die Anfor-

63 StGB umso geringer sind, je gravierender die zu befürchtende Straftat ist (van
Gemmeren in [X.], 3.
Aufl., §
63 Rn.
62), ist die Darlegung des Landge-richts nach den Umständen des konkreten Einzelfalls noch ausreichend.
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e) Auch die Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist ausreichend belegt.

[X.]

[X.] [X.]

Grube [X.]
16

Meta

2 StR 308/17

09.05.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2018, Az. 2 StR 308/17 (REWIS RS 2018, 9365)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9365

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