Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 08.07.2019, Az. 2 BvQ 55/19

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2019, 5707

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Ablehnung des Erlasses einer eA bzgl der vorläufigen Entziehung einer Fahrerlaubnis (§ 111a StPO): Erfolglosigkeit des Eilantrags, wenn eine Verfassungsbeschwerde nicht mehr zulässig erhoben werden kann - hier: Versäumung der Monatsfrist des § 93 Abs 1 BVerfGG - offensichtlich aussichtslose Anhörungsrüge hält Monatsfrist nicht offen


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 14. März 2019 entzog das [X.] dem Antragsteller gemäß § 111a Abs. 1 StPO vorläufig die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers verwarf das [X.] mit Beschluss vom 2. Mai 2019. Ob eine Entscheidung des [X.] über die am 20. Juni 2019 erhobene Anhörungsrüge ergangen ist, wird vom Antragsteller nicht vorgetragen.

2

Mit Antrag vom 22. Juni 2019 begehrt der Antragsteller, die vorläufige Entziehung seiner Fahrerlaubnis im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 32 [X.] aufzuheben, hilfsweise ihren Vollzug bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens vorläufig auszusetzen oder in anderer Weise kurzfristige Abhilfe zu schaffen. Er rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch die Entscheidungen des [X.] und des [X.] Berlin. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei erforderlich, weil er zur Ausführung seiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei und ihm deshalb ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden könne.

II.

3

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 [X.] liegen nicht vor.

4

1. Nach § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.] im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dabei haben die Gründe, welche der Beschwerdeführer für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen [X.] anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des [X.] muss das [X.] die Folgen abwägen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. [X.] 76, 253 <255>; 118, 111 <122>; 132, 195 <232 Rn. 86 f.>; stRspr).

5

2. Danach war die beantragte einstweilige Anordnung nicht zu erlassen.

6

a) Der Hauptantrag, mit dem die Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis begehrt wird, ist schon deshalb unzulässig, weil er auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist. Durch eine einstweilige Anordnung darf die Hauptsache jedoch grundsätzlich nicht vorweggenommen werden; sie dient der vorläufigen Regelung eines Zustands (vgl. [X.] 12, 276 <279>; 15, 77 <78>; 46, 160 <163 f.>; 67, 149 <151>; stRspr).

7

b) Auch die Hilfsanträge, mit denen eine vorläufige Suspendierung der Maßnahme begehrt wird, bleiben ohne Erfolg, weil eine Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des [X.] vom 14. März 2019 und des [X.] Berlin vom 2. Mai 2019 offensichtlich nicht mehr zulässig erhoben werden kann. Die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 [X.] zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde ist bereits verstrichen.

8

aa) Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Zugang der Beschwerdeentscheidung des [X.] Berlin vom 2. Mai 2019. Auf den Zugang der noch ausstehenden Entscheidung über die Anhörungsrüge des Antragstellers vom 20. Juni 2019 kommt es hingegen nicht an, weil die Anhörungsrüge offensichtlich aussichtslos ist. Eine offensichtlich aussichtslose Anhörungsrüge gehört nicht zum Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 [X.] und ist nicht geeignet, die Frist für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde offen zu halten (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 17. September 1998 - 2 BvR 1278/98 -, juris, Rn. 2; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 16. Dezember 2005 - 2 BvR 1904/05 -, juris, Rn. 2; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 25. April 2006 - 2 BvR 459/06 -, juris, Rn. 2; Beschluss der [X.] des [X.] vom 14. Mai 2007 - 1 BvR 730/07 -, juris, Rn. 10 ff.).

9

Mit der Anhörungsrüge rügt der Antragsteller in der Sache keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Beschwerdeentscheidung. Soweit er bemängelt, dass das [X.] auf der Grundlage eines nicht ausermittelten Sachverhalts entschieden habe, ohne seinen Beweisangeboten nachzugehen, kritisiert er lediglich die vom [X.] vertretene Rechtsauffassung, dass grundsätzlich nur das im Zeitpunkt der Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bereits angefallene [X.] verwendet werden dürfe, weshalb es unschädlich sei, dass bisher keine weiteren Zeugen vernommen worden seien. Wenn der Antragsteller weiter meint, dass sich die Argumentation des [X.] zum Vorliegen eines dringenden Tatverdachts in bloßen Hypothesen und Mutmaßungen ergehe und in sich widersprüchlich sei, liegt auch darin erkennbar nicht die Rüge einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, sondern handelt es sich lediglich um Kritik an der vom [X.] vorgenommenen Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Indem der Antragsteller schließlich rügt, dass keine Verhältnismäßigkeitsabwägung im Hinblick auf den konkreten Verfahrensgang stattgefunden habe und die Maßnahme angesichts ihrer gravierenden Folgen für seine berufliche Tätigkeit und des noch nicht ausermittelten Sachverhalts unverhältnismäßig sei, setzt er wiederum nur seine eigene Bewertung an die Stelle derjenigen des [X.], das sich ausführlich zur Frage der Verhältnismäßigkeit verhalten hat.

bb) Zum Zugang der Beschwerdeentscheidung des [X.] Berlin vom 2. Mai 2019 hat der Antragsteller entgegen § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] nicht vorgetragen. Auf der Grundlage der Antragsschrift und der mit ihr vorgelegten Anlagen kann auch nicht unterstellt werden, dass der Zugang erst im Juni 2019 erfolgte und die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 [X.] daher bislang nicht abgelaufen ist.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvQ 55/19

08.07.2019

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Ablehnung einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvQ

vorgehend AG Tiergarten, 14. März 2019, Az: (294 Gs) 3024 Js 1176/19 (37/19), Beschluss

Art 103 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 33a StPO, § 111a Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 08.07.2019, Az. 2 BvQ 55/19 (REWIS RS 2019, 5707)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5707

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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