Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2016, Az. 2 StR 367/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 4145

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:121016B2STR367.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 367/16
vom
12. Oktober
2016
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 12.
Oktober
2016 ge-mäß
§§
346 Abs.
2,
349 Abs.
4
[X.] beschlossen:

1.
Der Beschluss des [X.] vom 20.
Mai 2016, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8.
Dezember 2015 als unzulässig verworfen worden ist, wird aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8.
Dezember 2015 mit den Fest-stellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurge-richtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das [X.] beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Sein Rechtsmit-tel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

1
-
3
-
I.
Auf den Antrag des Beschwerdeführers auf Entscheidung des [X.] gemäß §
346
Abs.
2 [X.] ist der Beschluss des [X.], durch den die Revision des Angeklagten -
weil nicht fristgerecht begründet
-
gemäß §
346 Abs.
1 [X.] als unzulässig verworfen worden ist, aufzuheben. Der Verteidiger hat anwaltlich versichert, den [X.] vor Fristablauf persönlich in den Fristkasten der gemeinsamen Briefannahme-stelle der [X.] Justizbehörden eingelegt zu haben. Warum dieser nicht zu den Akten gelangt ist, ist nicht aufklärbar.

II.
1. Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte den Geschädigten aus nichtigem Anlass zu Boden und trat vielfach mit dem beschuhten Fuß -
teils seitlich, teils mit stampfenden Bewegungen von oben
-
auf dessen Kopf ein, wobei er äußerte, diesen umbringen zu wollen. Als der Angeklagte bemerkte, dass seine Hose infolge der Tritte mit dem Blut des Geschädigten beschmutzt war, geriet er in noch größere Wut, schlug nunmehr wieder mit den Fäusten auf sein Opfer ein, wobei er erfolglos einen Betrag von 200
Euro als Schadenser-satz verlangte. Aus Verärgerung zerriss er zudem die Hose des Geschädigten. Der Angeklagte ließ erst dann von seinem Opfer ab, als ihn
seine beiden [X.], die sich während der Auseinandersetzung passiv verhalten hatten, auf das Herannahen der Polizei hinwiesen.
2. Im [X.] an eine Verständigung im Sinne von §
257c [X.] hat das [X.] die Verfolgung gemäß §
154a Abs.
2 [X.] auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung -
angeklagt war ein versuchter Totschlag in Tat-2
3
4
-
4
-
einheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchtem besonders schweren Raub und Sachbeschädigung
-
beschränkt und den Angeklagten wegen eines Vergehens gemäß §
224 Abs. 1 Nr.
2 und 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

III.
Die Revision rügt zu Recht, dass der Vorsitzende nicht nach §
243 Abs.
4 Satz
2 [X.] über außerhalb der Hauptverhandlung geführte [X.]e ausreichend berichtet und den Angeklagten nicht nach §
257c
Abs.
5 [X.] belehrt habe.
1. Dem liegt folgendes
Prozessgeschehen
zugrunde:
Am ersten von zwei Hauptverhandlungstagen räumte der Angeklagte ei-ne -
von dem Geschädigten begonnene
-
körperliche Auseinandersetzung ebenso ein wie sein späteres Verlangen nach 200
Euro als Entschädigung für seine mit Blut verschmutzte Hose. Tritte
gegen sein am Boden gelegenes Opfer bestritt er hingegen. Vor Beginn der Hauptverhandlung am zweiten Tag -
der Geschädigte hatte zuvor am ersten Verhandlungstag die Tat entsprechend den Feststellungen geschildert
-
kam es auf Initiative des Verteidigers zu einem 45-minütigen Verständigungsgespräch im Beratungszimmer, an dem das Gericht in vollständiger Besetzung, der Verteidiger und die Vertreterin der Staatsan-waltschaft teilnahmen. Daran anschließend unterrichtete der
Vorsitzende aus-weislich des Hauptverhandlungsprotokolls den Angeklagten und die Öffentlich-keit wie folgt:
"Der Vorsitzende teilte mit, dass Gespräche nach §
257
c [X.] stattgefunden
haben.
5
6
7
-
5
-
Die Kammer kann sich vorstellen, dass ohne weitere Zeugenver-nehmungen für die Taten des Angeklagten eine Freiheitsstrafe zwischen 2
Jahren 6
Monaten und 3
Jahren in Betracht kommt, sofern das Geständnis auf Tritte durch den Angeklagten erweitert wird. Die Verfahrensbeteiligten stimmten dem zu. Die Kammer regte an, die Anklage auf den Vorwurf der gefährlichen Körper-verletzung zu beschränken, da ein mögliches versuchtes [X.] jedenfalls an einem Rücktritt des Angeklagten [X.] dürfte.
Die [X.], der Verteidiger und der Angeklagte stimmten dem zu.
Die [X.] beantragte, die Verfolgung gem. §
154
a [X.] auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung zu beschränken.
Der Verteidiger gab keine Erklärung dazu ab.
Nach Beratung am Tisch:

b. u. v.
Die Verfolgung wird gem. §
154
a [X.] auf den Vorwurf der ge-

In der Folge legte der Angeklagte,
ohne zuvor von dem Vorsitzenden
gemäß §
257c
Abs.
5 [X.] belehrt worden zu sein, ein erweitertes Geständnis ab, mit dem er einräumte, "er habe in der Schlussphase der [X.] mit dem Geschädigten auch gegen dessen Kopf getreten."

Dieses Geständnis hielt die [X.] zwar möglicherweise für falsch.
Gleichwohl hat das [X.]
die im Rahmen der Verständigung in Aussicht gestellte
Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt.
Dazu führt das [X.] aus:
"Der Angeklagte selbst hat nach der Verständigung im Sinne von § 257c [X.] Tritte gegen den Geschädigten in der Schlusspha-se der Auseinandersetzung eingeräumt. Eine Anzahl nannte er 8
9
10
-
6
-
allerdings nicht. Die Kammer stützt ihre Feststellungen zu den erfolgten Tritten jedoch allein auf die Aussage des Geschädigten. Die Einlassung des Angeklagten ist insofern widerlegt, dass es in der Schlussphase nicht zur Ausführung von Tritten gegen den Geschädigten kam. Vielmehr erfolgten nach übereinstimmenden Aussagen der Zeugin C.

und des Geschädigten in der
Schlussphase der Auseinandersetzung Schläge und keine Trit-te."
2. Die Information
über das während unterbrochener Hauptverhandlung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung geführte [X.] genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Denn mitzuteilen ist bei einem
solchen auf eine Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung abzielenden
Gespräch, wer an diesem beteiligt war, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von welcher
Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen [X.] auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist ([X.], Urteil
vom 19.
März 2013 -
2 BVR 2628/10, 2 BvR 2883/10 und 2 BvR 2155/11, [X.]E 133, 168 Rn.
85; [X.], Beschluss vom 12.
Juli 2016 -
1
StR
136/16, [X.] 2016,
Nr.
11, 8-9
mwN).
Dem entspricht die im vorliegenden Fall erfolgte Mitteilung über die
mit dem Ziel
einer Verständigung geführte 45-minütige Unterredung
nicht, weil der Vorsitzende lediglich das
Ergebnis,
nicht aber Verlauf und Inhalte des Ge-sprächs
mitgeteilt hat.
3. Der
Senat
kann
nicht ausschließen, dass das Urteil auf
dem Fehlen
der nach §
257c Abs.
5
[X.]
erforderlichen Rechtsmittelbelehrung und auf der unzulänglichen Mitteilung nach §
243 Abs.
4 Satz
2 [X.] beruht. Bei solchen erheblichen Rechtsverstößen ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein Ver-ständigungsurteil darauf beruht ([X.], Beschluss vom 15.
Januar 2015 -
2 BvR 878/14, [X.], 170, 171 ff.). Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf 11
12
13
-
7
-
die besondere Bedeutung der verletzten Vorschriften für die Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung ([X.], aaO; Senat, Urteil vom 23. März 2016 -
2
StR 121/15, [X.], 688). Ein Fall, in dem ausnahmsweise das Beruhen ausge-schlossen werden kann, liegt nicht
vor. Zwar ist das bemakelte Geständnis nach den Ausführungen der Urteilsgründe nicht in das Urteil eingeflossen. Die [X.] hat der Einlassung des Angeklagten ausweislich der Urteilsgründe nicht einmal indizielle Bedeutung beigemessen,
sondern sie ganz außer [X.] gelassen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte bei ordnungsgemäßer Information über den Inhalt der
Verständigungsgesprä-che etwa noch weitergehende Beweisanträge -
z. B.
die [X.] seiner beiden bei der körperlichen Auseinandersetzung zugegen ge-wesenen Begleiter
-
gestellt hätte, die dazu hätten führen können, dass das Gericht die Voraussetzungen des §
224 Abs.
1 Nr.
2 und 5 StGB verneint hätte.
Darauf, dass der Angeklagte -
wie die Revision selbst vorträgt
-
von sei-nem Verteidiger über den Inhalt des Verständigungsgesprächs unterrichtet wurde, kommt es nicht an, weil eine solche von Verständnis und Wahrnehmung des Verteidigers beeinflusste Information die Unterrichtung durch das Gericht grundsätzlich nicht ersetzen kann (Senatsurteil vom 10.
Juli 2013 -
2 [X.], [X.]St 58, 310, 314; vom 5.
Juni 2014 -
2 StR 381/13, [X.]St 59, 252, 259).
14
-
8
-
4. Im Übrigen
weist der Senat darauf hin, dass es unzulässig ist, Abspra-chen
über den Schuldspruch, etwa durch die Zusage des [X.] wesentli-cher Tatteile nach §
154a
[X.],
zum Gegenstand einer Verständigung zu ma-chen.

Fischer

Appl Franke

Zeng Bartel

15

Meta

2 StR 367/16

12.10.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2016, Az. 2 StR 367/16 (REWIS RS 2016, 4145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4145

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 367/16 (Bundesgerichtshof)

Verständigung im Strafverfahren: Beruhen eines Verständigungsurteils auf Rechtsverstößen gegen die Pflicht zur Rechtsmittelbelehrung und zur …


1 StR 169/19 (Bundesgerichtshof)

(Zustimmung des Angeklagten zu einem Verständigungsvorschlag)


5 StR 364/15 (Bundesgerichtshof)


5 StR 630/19 (Bundesgerichtshof)

Richterablehnung im Strafverfahren: Befangenheitsgrund der Wiederholung eines im Vorfeld der Hauptverhandlung gemachten und von einem …


5 StR 630/19 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 StR 367/16

2 BvR 2883/10

2 BvR 878/14

2 StR 195/12

2 StR 381/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.