Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2017, Az. XI ZR 106/16

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 2003

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:211117UXIZR106.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
URTEIL
XI [X.]/16
Verkündet am:
21. November 2017
Herrwerth
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 522 Abs. 2
Das Verfahren nach §
522 Abs.
2 [X.] setzt nicht voraus, dass eine Berufungserwiderung eingegangen oder dem Berufungsbeklagten er-gebnislos eine Frist zur Erwiderung gesetzt worden ist.
[X.], Urteil vom 21. November 2017 -
XI [X.]/16 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat gemäß §
128 Abs.
2 [X.] im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 3.
November 2017 eingereicht werden konnten, durch den Vizepräsidenten Prof.
Dr.
Ellenberger, [X.]
Grüneberg und [X.] sowie die Richterinnen Dr.
Menges und Dr.
Derstadt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wird der Beschluss des 19.
Zivilsenats des [X.] vom 2.
März 2016 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Be-rufung der Kläger gegen das Urteil der 2.
Zivilkammer des Land-gerichts Landshut
vom 24.
September 2015 den Antrag betreffend zurückgewiesen hat,
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 34.157,44

en hieraus in Höhe von fünf Prozentpunk-ten über dem Basiszinssatz seit dem 1.
August 2013 zu bezahlen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Erstattung einer "Vorfälligkeitsent-schädigung"
und
vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten nach Widerruf ihrer auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen
in An-spruch.
1
-
3
-

Die Kläger schlossen am 15.
April 2009 mit der Beklagten durch Prä-senzgeschäft einen Verbraucherdarlehensvertrag über 318.000

. Dem [X.] war folgende Widerrufsbelehrung beigefügt:

2
-
4
-

Auf Wunsch der Kläger wurde das Darlehen zum 1.
August
2013 gegen
eine "Vorfälligkeitsentschädigung"
in Höhe von 34.157,44

vorzeitig abgelöst. Mit Schreiben ihres am 26.
Januar 2015 mandatierten
vorinstanzlichen [X.] vom 27.
Januar 2015 widerriefen die Kläger ihre auf [X.] des Darlehensvertrags gerichteten
Willenserklärungen.
Ihre Klage auf Erstattung der "Vorfälligkeitsentschädigung"
nebst Zinsen und vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten hat das [X.] abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung hat
das Berufungsgericht durch Verfügung des Vorsitzenden vor Bestimmung einer Berufungserwiderungsfrist und Ein-gang einer Berufungserwiderung einen Hinweis nach §
522 Abs.
2 [X.] erteilt. Nach
Vorlage der Berufungserwiderung und Ablauf der den Klägern in der [X.] gesetzten Frist hat es die Berufung durch einstimmigen [X.] zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Re-vision der Kläger, mit der sie ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfol-gen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Kläger
hat in dem aus der Entscheidungsformel ersicht-lichen Umfang Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung
seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt, die Widerrufsbelehrung habe die Kläger zutreffend über 3
4
5
6
-
5
-

die Bedingungen unterrichtet, von denen das Anlaufen der [X.] gewesen sei. Da der Darlehensvertrag als
Präsenzgeschäft
zustande gekommen sei, sei die zur Beschreibung der Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist gebrauchte Wendung "die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des [X.]"
hinreichend deutlich gewesen.

II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in ei-nem wesentlichen Punkt
nicht stand.
1. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Revision
genügt die ange-fochtene Entscheidung allerdings den Anforderungen, die §
540 Abs.
1 Satz
1 [X.] bzw.
§
522 Abs.
2 Satz
4 [X.] an die Entscheidung des Berufungsgerichts
stellen, so dass der Zurückweisungsbeschluss nicht von Amts wegen aufzuhe-ben ist ([X.], Beschluss
vom 22.
September
2016

V
ZR
4/16, juris
Rn.
10).
Nach §
540 Abs.
1 Satz
1 [X.] bzw. §
522 Abs.
2 Satz 4 [X.] müssen aus dem Berufungsurteil bzw. dem Zurückweisungsbeschluss die tatsächlichen Grundlagen, von denen das Berufungsgericht ausgegangen ist, ersichtlich sein. Dabei reicht für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach-
und Streitstandes gemäß §
540 Abs.
1 Nr.
1 [X.] bzw. §
522 Abs.
2 Satz
4 [X.] die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil nebst einer Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen und der zumindest sinn-gemäßen Wiedergabe der [X.] (st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteile vom 26.
Februar 2003

VIII
ZR
262/02,
[X.]Z
154, 99, 100
f., vom 21.
September 2016

VIII
ZR
188/15, NJW
2016, 3787 Rn.
6 und vom 9.
Dezember 2016

V
ZR
231/15, NJW-RR
2017, 653 Rn.
4).
7
8
9
-
6
-

Dem wird der Zurückweisungsbeschluss gerecht. Er enthält einen als Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen zu verstehenden Hinweis auf das Urteil des [X.]s und Ausführungen zum weiteren Vortrag der Kläger in der Berufungsinstanz. Das Berufungsgericht hat außerdem festgehalten, die Kläger verfolgten mit ihrer Berufung "ihre erstinstanzlichen Anträge vollumfäng-lich"
weiter. Das entspricht einer sinngemäßen Wiedergabe der Berufungsan-träge.
2. Das Berufungsgericht hat den Zurückweisungsbeschluss entgegen der Rüge der Revision
auch nicht deshalb verfahrensfehlerhaft erlassen, weil es
einen Hinweis nach §
522 Abs.
2 Satz
2 [X.] vor Eingang der Berufungserwi-derung erteilt hat.
Das Verfahren nach §
522 Abs.
2 [X.] setzt nach dem Wortlaut der Vor-schrift nicht voraus, dass eine Berufungserwiderung eingegangen oder dem Berufungsbeklagten ergebnislos eine Frist zur Erwiderung
gesetzt worden ist
(vgl. OLG
Celle, OLGR
2003, 359, 361; OLG
Frankfurt/Main, Beschluss vom 25.
November 2013

18
U
1/13, juris Rn.
23; OLG
[X.], Beschluss vom 22.
Oktober 2008

7
U
3004/08, juris Rn.
9; OLG
Oldenburg, NJW
2002, 3556
f.; [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
522 Rn.
22 und 30; Ball in Musielak/[X.], [X.], 14.
Aufl., §
522 Rn.
27 a.E.; [X.], [X.], 22.
Aufl., §
522 Rn.
61; [X.] in [X.], [X.], 26.
Edition [Stand: 15.
September 2017], §
522 Rn.
21 a.E.; [X.]/Schütze/[X.], [X.], 4.
Aufl., §
522 Rn.
80; [X.]/[X.], [X.], 31.
Aufl., §
522 Rn.
31; a.A. OLG
Koblenz, NJW
2003, 2100, 2102; E.
Schneider, NJW
2003, 1434
f.;
Saenger/[X.], [X.], 7.
Aufl., §
522 Rn.
14). Aus der Gesetzgebungsge-schichte ergibt sich nichts anderes (vgl. BT-Drucks.
14/4722, S.
97).
10
11
12
-
7
-

3. Mit ihrer Behauptung, das Berufungsgericht habe
durch einen unkla-ren Verweis in der
Hinweisverfügung
des Vorsitzenden
auf andere obergericht-liche Entscheidungen gegen §
547 Nr.
6 [X.] verstoßen, legt die Revision den absoluten Revisionsgrund einer unzureichenden Begründung des Zurückwei-sungsbeschlusses nicht in einer §
557 Abs.
3 Satz
2, §
551 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2 Buchst.
b [X.] genügenden Weise dar
(vgl. Senatsurteil vom 22.
Februar 2005

XI
ZR
359/03, WM
2005, 782, 785
f.).
4. Der Zurückweisungsbeschluss
hält aber einer inhaltlichen Überprüfung nicht stand
(Senatsurteil vom 21.
Februar 2017

XI
ZR
381/16, WM
2017, 806 Rn.
13
ff.). Wie der Senat nach seinem Erlass entschieden hat (Senatsurteil vom 21.
Februar 2017, aaO,
Rn.
17), kann der Inhalt einer Widerrufsbelehrung

hier nach §
495 BGB und §
355 Abs.
2 BGB in der nach Art.
229 §
9 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, §
22 Abs.
2, §
32 Abs.
1, §
38 Abs.
1 EGBGB maßgeblichen, bis zum 10.
Juni 2010
geltenden Fassung

nicht anhand des nicht in der Wider-rufsbelehrung selbst in Textform dokumentierten gemeinsamen Verständnisses der Parteien nach Maßgabe der besonderen Umstände ihrer Erteilung präzisiert werden. Da
die Beklagte, die das Muster für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage
2 zu §
14 Abs.
1 und
3 [X.] in der vom 1.
April 2008 bis zum 3.
August 2009 geltenden Fassung nicht verwandt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.
Juli 2016

XI
ZR
564/15, [X.]Z
211, 123 Rn.
20
ff.) und sich mithin nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion dieses Musters berufen kann,
die Kläger nicht in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben belehrt hat, war die [X.] bei Erklärung des Widerrufs im Januar 2015 noch nicht abgelaufen.

13
14
-
8
-

III.
Der Zurückweisungsbeschluss unterliegt insoweit der Aufhebung, als das Berufungsgericht die klageabweisende Entscheidung des [X.]s zur "Vorfälligkeitsentschädigung"
bestätigt
hat

562 [X.]). Insoweit stellt er
sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§
561 [X.]).
Anderes gilt allerdings, soweit die Kläger von der Beklagten Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten verlangen. Insoweit steht ihnen, wie
der Senat mit Urteil vom 21.
Februar 2017 (XI
ZR
467/15, WM
2017, 906
Rn.
23
ff., 34
f.) näher ausgeführt hat, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Beklagte zu.

IV.
Soweit das Berufungsgericht die klageabweisende Entscheidung des [X.]s zur "Vorfälligkeitsentschädigung"
bestätigt
hat, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif (§
563 Abs.
1 Satz
1 [X.]). Insbesondere kann der Senat einer Würdigung der konkreten Umstände nach Maßgabe des §
242 BGB, zu der zuvörderst der Tatrichter berufen ist, nicht vorgreifen.
Das Berufungsgericht wird sich folglich mit dem Einwand der Beklagten zu befassen haben, der Ausübung des Widerrufsrechts der Kläger habe §
242 BGB entgegen gestanden (vgl. Senatsurteile vom 12.
Juli 2016

XI
ZR
501/15, [X.]Z
211, 105 Rn.
40
f.
und

XI
ZR
564/15, [X.]Z
211, 123 Rn.
37, vom 11.
Oktober 2016

XI
ZR
482/15, [X.]Z
212, 207
Rn.
30
f.
und vom 14.
März 2017

XI
ZR
442/16, WM
2017, 849 Rn.
27
f.; Senatsbeschluss vom 12.
September 2017

XI
ZR
365/16, juris
Rn.
8).

15
16
17
18
-
9
-

Außerdem
wird das Berufungsgericht bei der Entscheidung über den gel-tend gemachten Zinsanspruch das Senatsurteil vom 21.
Februar 2017 (XI
ZR
467/15, WM
2017, 906 Rn.
23 ff.) zu den Voraussetzungen des Verzugs des Rückgewährschuldners zu beachten haben.

Ellenberger
Grüneberg
[X.]

Menges
Derstadt

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.09.2015 -
24 O 1194/15 -

OLG [X.], Entscheidung vom 02.03.2016 -
19 U 3979/15 -

19

Meta

XI ZR 106/16

21.11.2017

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2017, Az. XI ZR 106/16 (REWIS RS 2017, 2003)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2003

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

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XI ZR 106/16

24 O 1194/15

19 U 3979/15

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x

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