Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2010, Az. VIII ZR 223/09

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7117

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 28. April 2010 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] Art. 14 Ba; BGB § 1004; [X.] § 8; [X.] § 12 Nimmt ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen das innerhalb des [X.] liegende Grundstück eines Anschlussnehmers für die Verlegung von Elektrizi-tätsleitungen in Anspruch, ist es dem von der Leitungsverlegung betroffenen [X.] grundsätzlich verwehrt, das Versorgungsunternehmen auf die Inan-spruchnahme eines anderen Duldungspflichtigen zu verweisen. Dabei ist das [X.] des [X.] auch nicht dahin einge-schränkt, dass es in Fällen, in denen die Inanspruchnahme von privatem und öffentli-chem Grundeigentum gleichwertig möglich ist, das öffentliche Grundeigentum vor-rangig in Anspruch zu nehmen hat (Fortführung der Senatsrechtsprechung, Urteil vom 11. März 1992 - [X.], [X.], 1114). [X.], Urteil vom 28. April 2010 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2010 durch den Vorsitzenden [X.], die Richter [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] Bünger für Recht erkannt: Die Revision der Kläger gegen das Urteil der Zivilkammer 2 des [X.] vom 24. Juli 2009 wird zurückgewiesen. Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens einschließ-lich der Kosten der Nebenintervention zu tragen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Kläger sind Miteigentümer eines in [X.]gelegenen bebauten Grundstücks, welches die Beklagte, ein Energieversorgungsunternehmen, mit Elektrizität versorgt. Die für die Versorgung der Straßenanlieger vorgesehenen Leitungen wurden im Jahr 2003 von der [X.] verlegt, die sich dabei der Streithelferin bediente. Im Bereich des Grundstücks der Kläger wurden diese Leitungen nicht im Straßenkörper, sondern auf einer Länge von etwa 20 m un-mittelbar neben der Straße in einem bereits zum Grundstück der Kläger [X.], ungefähr 0,5 m breiten Grundstückstreifen verlegt. Die Kläger sehen diese Leitungsführung als fehlerhaft an, weil dadurch die Benutzbarkeit ihres Grundstücks beeinträchtigt werde und die Beklagte gehalten gewesen sei, für 1 - 3 - die Leitungsführung öffentlichen Grund in Anspruch zu nehmen. Ihre auf [X.] der Elektrizitätsleitung von ihrem Grundstück gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie ihr Beseiti-gungsbegehren weiterverfolgen. Entscheidungsgründe: Die Revision hat keinen Erfolg. [X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt: 3 Die Kläger seien gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] verpflichtet, die auf ihrem Grundstück befindliche Versor-gungsleitung zu dulden. Zwar entfalle eine entschädigungslose Duldungspflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 3 [X.] ausnahmsweise dann, wenn ein Grundstücks-eigentümer durch die Inanspruchnahme seines Grundstücks mehr als [X.] oder in unzumutbarer Weise belastet werde. Ein solcher Ausnahmefall liege hier aber nicht vor. Es stehe außer Streit, dass die Verlegung des Kabels ent-weder auf dem Grundstück der Kläger oder auf öffentlichem Grund für die Energieversorgung notwendig gewesen sei. Die Beeinträchtigung der für die Leitungsverlegung in Betracht kommenden Grundstücke wäre im Wesentlichen gleich gewesen. Ebenso hätten die Kläger nicht dargelegt, dass gegen die Ver-legung im Randbereich ihres Grundstücks zum Verlegungszeitpunkt technisch-wirtschaftliche Gründe gesprochen hätten. Einer Notwendigkeit der Inanspruch-nahme gerade des Grundstücks der Kläger habe auch nicht [X.] - 4 - den, dass unter Verschonung ihres Grundstücks die Leitung technisch-wirtschaftlich in gleicher Weise auf öffentlichem Grund hätte geführt werden können. Denn bei der Auswahl eines von zwei für die Leitungsverlegung in [X.] kommenden Grundstücken habe die Beklagte sich im Rahmen des ihr zustehenden Auswahlermessens gehalten. Insbesondere gebe es keinen Grundsatz, wonach bei Gleichwertigkeit der in Betracht kommenden Grundstü-cke öffentlicher Grund vor privatem Grund in Anspruch zu nehmen sei. [X.] spreche auch, dass es keinen Anspruch des Grundstückseigentümers ge-gen den St[X.]t gebe, Lasten zu übernehmen, die der Grundstückseigentümer im Rahmen der verfassungsrechtlich verankerten Sozialbindung seines Eigentums zu tragen habe. Dementsprechend müsse derjenige, der als Kunde oder An-schlussnehmer an den Vorteilen der öffentlichen Stromversorgung teilhabe, zu deren kostengünstiger Schaffung und Aufrechterhaltung ohne Entgelt durch Zurverfügungstellung seines Grundstückseigentums beitragen, ohne das Ver-sorgungsunternehmen auf die Inanspruchnahme eines durch die geplante Maßnahme in gleicher Weise betroffenen anderen [X.] zu können, selbst wenn es sich hierbei um die öffentliche Hand handele. Ob die Beklagte seinerzeit irrig angenommen habe, die Leitung verlaufe über öffentlichen Grund, sei deshalb unerheblich, zumal sie auch dargetan ha-be, dass sie die Leitung selbst bei Kenntnis von der Inanspruchnahme des klä-gerischen Grundstücks in gleicher Weise verlegt hätte. Dass die Kläger durch die Inanspruchnahme ihres Grundstücks nachträglich in unzumutbarer Weise belastet seien, sei nicht festzustellen. Insbesondere sei ihr Hinweis unerheblich, sie müssten sich bei der Aufstellung eines [X.] für ihren auf dem Grundstück betriebenen Hausmeisterservice sowie beim Bau eines [X.] an der Leitungsführung orientieren. Denn sie hätten schon nicht vorgetra-gen, konkrete Baumaßnahmen zu planen, die durch die Leitungsführung erheb-lich behindert würden. [X.], nur theoretische Nutzungsmöglichkeiten 5 - 5 - seien demgegenüber unbeachtlich. Im Übrigen sei nicht dargetan, dass eine von der Leitungsverlegung ausgehende Wertminderung ihres Grundstücks er-heblich sei. II. 6 Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand; die Revi-sion ist daher zurückzuweisen. Die Kläger können als Eigentümer des durch die Verlegung der Elektrizi-tätsleitungen beeinträchtigten Grundstücks nicht gemäß § 1004 Abs. 1 BGB beanspruchen, dass die Beklagte, die diese Verlegung veranlasst hat, die [X.] von ihrem Grundstück wieder entfernt. Ein solcher Anspruch ist gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil die Kläger nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 der zum Zeitpunkt der Leitungsverlegung noch geltenden Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von [X.] vom 21. Juni 1979 ([X.] I S. 684; im Folgenden: [X.]) verpflichtet waren, die Verlegung der Leitungen unentgeltlich zuzulassen. Ebenso wenig ist diese [X.] nachträglich wegen Unzumutbarkeit gemäß § 8 Abs. 3 [X.] oder gemäß § 12 Abs. 3 der stattdessen seit dem 8. November 2006 in [X.] getretenen Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung vom 1. November 2006 ([X.] I S. 2477; im Folgenden: [X.]) in Fortfall gekommen. 7 1. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] haben Kunden und An-schlussnehmer eines [X.], die Grundstücks-eigentümer sind, für Zwecke der örtlichen Versorgung (Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz) das Anbringen und Verlegen von Leitungen zur Zu- und Fortleitung von Elektrizität über ihre im gleichen Versorgungsgebiet liegenden Grundstücke unter anderem dann unentgeltlich zuzulassen, wenn die [X.] - 6 - nen Grundstücke an die Stromversorgung angeschlossen sind. Die tatsächli-chen Voraussetzungen, an die hiernach die Duldungspflicht des Eigentümers geknüpft wird, sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt. Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Sie ist allerdings der Auffassung, einer Duldungspflicht der Kläger habe von vornherein § 8 Abs. 1 Satz 3 [X.] ent-gegengestanden, weil die Inanspruchnahme des Grundstücks der Kläger neben einer ebenfalls möglichen Inanspruchnahme des [X.]s [X.] sei. 2. Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 [X.] entfällt ausnahmsweise die - entschädigungslose - Duldungspflicht, wenn die Inanspruchnahme des Grund-stücks den Eigentümer mehr als notwendig oder in unzumutbarer Weise be-lasten würde. Einen solchen Ausnahmefall hat das Berufungsgericht hier indes-sen rechtsfehlerfrei verneint. 9 a) Bei der einem Grundstückseigentümer in § 8 Abs. 1 [X.] auferleg-ten Pflicht, das Anbringen und Verlegen von Elektrizitätsleitungen für Zwecke der örtlichen Versorgung auf seinem Grundstück zu dulden, handelt es sich um eine nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Bestimmung der Schranken des Eigentums. Denn die in den Grenzen der Notwendigkeit und Zumutbarkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 3 [X.]) bestehende Duldungspflicht beschränkt die Privatnüt-zigkeit des Grundeigentums im Interesse einer leistungsfähigen Elektrizitätsver-sorgung der örtlichen Gemeinschaft und ist als solche auf [X.] beschränkt, die die Vorteile der Elektrizitätsversorgung für ihr Grundei-gentum selbst in Anspruch nehmen. Unter diesen Voraussetzungen regelt die Vorschrift lediglich einen angemessenen Beitrag mitversorgter Grundstücksei-gentümer zur Schaffung und Aufrechterhaltung einer leistungsfähigen Elektrizi-tätsversorgung und ist damit zugleich Ausdruck der in Art. 14 Abs. 2 GG be-schriebenen Sozialbindung des Eigentums ([X.], [X.], 750 f.; [X.] - 7 - schluss vom 9. August 1990 - 1 BvR 1340/89, juris, [X.]. 3; Senatsurteile vom 14. Januar 1981 - [X.] ZR 337/79, [X.], 250, unter [X.]; vom 13. März 1991 - [X.] ZR 373/89, [X.], 1477, unter [X.]; vom 11. März 1992 - [X.], [X.], 1114, unter [X.] a; jeweils m.w.[X.]). 11 Die von einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen versorgten Kunden und Anschlussnehmer stellen hiernach innerhalb eines Versorgungsgebietes notwendigerweise aus technisch-wirtschaftlichen Gründen eine Solidargemein-schaft dar, die nur durch ein für alle Abnehmer bereitgehaltenes, die Benutzung fremder Grundstücke erforderndes Netz mit Strom versorgt werden kann. Dabei sind alle in dem Versorgungsgebiet liegenden Grundstücke, die unter § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.] fallen, in die Sozialbindung des Eigentums dergestalt einbezo-gen, dass auf ihnen zu Gunsten des Gemeinwohls eine allgemeine Pflichtigkeit lastet, durch die das freie Nutzungs- und Verfügungsrecht der Eigentümer (§ 903 BGB) im Interesse einer leistungsfähigen und kostengünstigen öffentli-chen Energieversorgung eingeschränkt wird. Wo im Einzelfall die Grenze zu ziehen ist, außerhalb derer die Belastung des Eigentümers nicht mehr von der Sozialpflichtigkeit gedeckt wird, sondern ein nicht mehr entschädigungslos [X.] darstellt, ist jeweils wertend anhand der berührten Belange des Allgemeinwohls (möglichst kostengünstige und leistungsfähige Energieversorgung) und der betroffenen [X.] festzustellen. Entscheidendes Abwägungskriterium ist dabei - wie in § 8 Abs. 1 Satz 3 [X.] zum Ausdruck gebracht - das verfassungsrechtliche Gebot der [X.], nach dem die Einschränkung der Eigentümerbefugnisse zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und notwendig sein muss sowie die betroffenen Eigentümer nicht in unzumutbarer Weise belasten darf (Senatsur-teile vom 3. März 1991 und 11. März 1992, [X.]O). Hieran gemessen begegnet das Ergebnis der - im Wesentlichen dem Tatrichter vorbehaltenen ([X.] 66, 62, 67; Senatsurteil vom 11. März 1992, [X.]O, unter [X.] b m.w.[X.]) - [X.] 8 - abwägung, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, keinen rechtlichen Bedenken. 12 b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war es notwendig, die in Rede stehende Elektrizitätsleitungen entweder auf dem Grundstück der Klä-ger im Randbereich zur Straße hin oder auf dem [X.] zu verle-gen, wobei technisch-wirtschaftlichen Gründe in beiden Fällen einer Grund-stücksinanspruchnahme nicht entgegengestanden hätten und das Maß einer durch die Leitungsverlegung herbeigeführten Beeinträchtigung der Grundstücke jeweils im Wesentlichen gleich gewesen wäre. Dass die Beklagte seinerzeit irrig annahm, bei der Leitungsverlegung öffentlichen Grund in Anspruch zu nehmen, hat das Berufungsgericht für unerheblich erachtet, weil die Beklagte auch bei Kenntnis der tatsächlichen Eigentumsverhältnisse die Leitung an gleicher Stelle verlegt hätte. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an. Sie rügt jedoch die An-nahme des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft, es gebe keinen das [X.] des Versorgungsunternehmens einschränkenden Grundsatz, wonach in solch einem Fall öffentlicher Grund vor privatem Grund in Anspruch zu nehmen sei. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts habe es bei der hier bestehenden Gleichwertigkeit der für die notwendige Leitungsführung in Betracht kommenden Grundstücke dem Versorgungsunternehmen vielmehr nicht freigestanden, entweder das private oder das öffentliche Grundstück in Anspruch zu nehmen. Dieser von der Revision vertretenen Sichtweise kann indessen nicht gefolgt werden. 13 [X.]) Dem von einer Leitungsverlegung betroffenen Grundeigentümer ist es nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich verwehrt, das Versor-gungsunternehmen auf die Inanspruchnahme eines anderen Duldungspflichti-14 - 9 - gen zu verweisen. Es ist vielmehr Sache des Versorgungsunternehmens, über die Streckenführung, für die technische und wirtschaftliche Erwägungen maß-gebend sind, und damit auch darüber zu befinden, welchen von mehreren in Betracht kommenden Duldungspflichtigen es heranziehen will. Der dem Ver-sorgungsunternehmen zustehende Ermessensspielraum ist einer gerichtlichen Überprüfung nur dahin zugänglich, ob es sich bei der getroffenen Entscheidung im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens gehalten hat ([X.] 66, 62, 67; [X.]e vom 13. März 1991, [X.]O, unter [X.] a m.w.[X.]; vom 11. März 1992, [X.]O, unter [X.]). [X.]) Der Senat hat die Frage offen gelassen, ob ein Versorgungsunter-nehmen generell gehalten ist, im Rahmen des § 8 Abs. 1 [X.] öffentliche Grundstücke vorrangig vor privaten Grundstücken in Anspruch zu nehmen, weil nach der von ihm entschiedenen Fallgestaltung die alternativ mögliche Inan-spruchnahme öffentlichen Grundeigentums wegen entstehender Mehrkosten keine das Ermessen einschränkende gleichwertige Lösung geboten hätte ([X.] vom 13. März 1991, [X.]O). Für den Fall einer Gleichwertigkeit der in Betracht kommenden Inanspruchnahmemöglichkeiten hat der 22. Zivilsenat des [X.] ([X.], 179, 180; ihm folgend Büdenben-der/Heintschel von [X.]/[X.], Energierecht I - Recht der Energieanlagen, 1999, Rdnr. 1847) die Auffassung vertreten, dass die Ermessensausübung mit Blick auf § 8 Abs. 1 Satz 3 [X.] vorrangig dahin gehen müsse, die Elektrizi-tätsleitung im Straßenraum zu verlegen. Demgegenüber hat der 9. Zivilsenat des [X.] eine Ermessensausübung des Versor-gungsunternehmens gebilligt, für die Leitungsverlegung ein privates Grundstück anstelle eines alternativ in Betracht kommenden öffentlichen [X.] in Anspruch zu nehmen, weil öffentlicher Verkehrsraum gemäß § 8 Abs. 6 [X.] grundsätzlich von der unentgeltlichen Duldungspflicht nach § 8 Abs. 1 [X.] freigestellt sei ([X.] 2005, 74, 75). Ebenso hat das [X.] - 10 - [X.] in einem solchen Fall einen Ermessensfehler des [X.] bei Auswahl der in Betracht kommenden Grundstücke verneint, weil es keine Regel gebe, nach der öffentlicher Grund vorrangig vor privatem in [X.] zu nehmen sei ([X.], 203, 204). 16 Auch im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass öffentliche Verkehrs-wege durch § 8 Abs. 6 [X.] von der Duldungspflicht nach § 8 Abs. 1 [X.] ausgenommen seien, weil der Verordnungsgeber entsprechend der bisherigen Praxis (dazu BVerwGE 29, 248, 250 ff.; [X.] 138, 266, 274 f.) dar-an festhalten wollte, die Inanspruchnahme derartiger Flächen nicht über [X.]en, sondern über den Abschluss von [X.]n mit Konzessionsabgaben und Folgekostenvereinbarungen zu regeln ([X.] in: Hermann/[X.]/Schmidt-Salzer, Kommentar zu den [X.], 1981, § 8 [X.] Rdnr. 121; [X.]/[X.], Recht der Energie- und Wasserversorgung (Stand: 10/2006), § 8 [X.] Rdnr. 45). Hieraus wird für eine Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsflächen gefolgert, dass es jedenfalls keinen allgemeinen Rechtssatz gebe, wonach fiskalische Grundstücke vorrangig vor rein privaten Grundstücken für [X.] in Anspruch genommen werden müssten ([X.], [X.]O, Rdnr. 102 unter [X.] auf [X.], [X.] 1967, 67, 68), beziehungsweise dass der jeweili-ge öffentliche Zweck der von § 8 Abs. 6 [X.] erfassten Fläche bei der [X.] im Rahmen der Zumutbarkeit zu berücksichtigen sei ([X.]/[X.], [X.]O). [X.]) Der Senat hält die Auffassung für vorzugswürdig, nach der in Fällen, in denen die Inanspruchnahme von privatem und öffentlichem Grundeigentum für eine Verlegung von Elektrizitätsleitungen - wie hier - gleichwertig möglich ist, das Auswahlermessen des [X.] nicht dahin 17 - 11 - eingeschränkt ist, dass es öffentliches Grundeigentum vorrangig in Anspruch zu nehmen hat. 18 (1) Allerdings hat der Verordnungsgeber bei Erlass des § 8 [X.] zu einem etwaigen Rangverhältnis keine Regelungen getroffen, sondern zu einer Inanspruchnahme von [X.]en für die Leitungsverlegung lediglich ausgeführt, dass die Ausnahmeregelung des Absatzes 6, wonach die [X.] Absätze der Vorschrift nicht für öffentliche Verkehrswege und [X.] gelten, der bisherigen Praxis beim Bau von öffentlichen Verkehrs-wegen und Verkehrsflächen Rechnung trage und das System der Gestattungs-verträge unberührt lasse ([X.]. 76/79, [X.]). Dadurch hat der Verordnungs-geber zum Ausdruck gebracht und dies bei Schaffung der Neuregelung in § 12 Abs. 5 [X.] auch beibehalten ([X.]. 367/06, [X.]), dass eine Inanspruch-nahme von öffentlichen Verkehrswegen anderen Regeln folgen sollte als die Inanspruchnahme von privaten Grundstücken innerhalb des [X.]. Während er eine Duldungspflicht der betroffenen Kunden und Anschluss-nehmer aus der Sozialpflichtigkeit ihrer im Versorgungsgebiet gelegenen Grundstücke hergeleitet hat ([X.]. 76/79, [X.]; dazu vorstehend unter [X.] a), hat er für öffentliche Verkehrswege und Verkehrsflächen eine solche [X.] nicht begründen wollen, sondern für deren Inanspruchnahme wei-terhin nach der überkommenen Praxis der [X.], wie sie etwa auch in § 8 Abs. 10 [X.] vorausgesetzt wird, verfahren wollen ([X.], [X.]O, Rdnr. 121). (2) Auf die Einräumung derartiger, den Regeln des Verwaltungsprivat-rechts unterliegender Benutzungen (dazu Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, Rdnr. 827 f. m.w.[X.]) können im Einzelfall zwar straßenrechtlich begründete Gestattungsansprüche gegen den Träger der Straßenbaulast bestehen (vgl. etwa § 30 Abs. 2 Straßen- und Wegegesetz des [X.] - 12 - [X.] vom 13. Januar 1993 [GVOBl. S. 42]). Ebenso waren Gemeinden nach dem zum Zeitpunkt der Leitungsverlegung geltenden § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1998 (gleichlautend § 46 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2005) verpflichtet, ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von [X.] im Gemeindegebiet diskrimi-nierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen (vgl. [X.], Urteil vom 11. November 2008 - [X.], NVwZ-RR 2009, 596, [X.]. 19). Gleichwohl folgt aus etwaigen Ansprüchen der [X.] auf Gestattung einer Leitungsver-legung im Straßenraum nach dem vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei fest-gestellten Sachverhalt nicht, dass die von der [X.] gewählte Inanspruch-nahme des Grundstücks der Kläger ermessensfehlerhaft war. Vor einer Enteignung privater Grundstücke (Art. 14 Abs. 3 GG) sind zwar vorrangig Grundstücke der öffentlichen Hand in Anspruch zu nehmen, wenn der mit der Enteignung verfolgte Zweck auf ihnen ebenso gut verwirklicht werden kann. Denn in der hierbei vorzunehmenden Abwägung hat das Eigentum der öffentlichen Hand mangels Inhaberschaft des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ein geringeres Gewicht als das Eigentum Privater ([X.], [X.], 1283, 1286 m.w.[X.]). Anders verhält es sich jedoch, wenn eine Inanspruchnah-me privater Grundstücke die Schwelle zur Enteignung nicht erreicht. Hält sich die Duldungspflicht des privaten Grundstückseigentümers - wie hier - noch im Rahmen der durch gesetzliche Eigentumsschranken konkretisierten Sozialbin-dung des Art. 14 Abs. 2 GG, ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision weder aus der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG noch sonst eine Verpflichtung des [X.], vorrangig öffentliche Verkehrswege für die Verlegung von Leitungen für die örtliche Ver-sorgung in Anspruch zu nehmen (vgl. [X.], Urteil vom 23. November 2001 - [X.], [X.], 305, unter [X.] c; [X.] in: [X.]´scher [X.] - 13 - Kommentar, 3. Aufl., § 76 Rdnr. 6). Die Ermessensausübung der [X.] war mithin in dieser Hinsicht nicht gebunden. 21 c) Das Berufungsgericht hat - von der Revision unbeanstandet - auch sonst keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergibt, dass die Kläger durch die Inanspruchnahme ihres Grundstücks in unzumutbarer Weise belastet worden sind oder dass nachträglich eine - allerdings auch nur einen Verle-gungsanspruch begründende - nicht mehr zumutbare Belastung im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 1 [X.]/§ 12 Abs. 3 Satz 1 [X.] entstanden ist. [X.] steht es im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, dass das [X.] die von den Klägern vorgebrachten Einschränkungen hinsichtlich der Aufstellung eines [X.] sowie des Baus eines Gartenteiches be-reits deshalb für unerheblich erachtet hat, weil es nach seinen von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen insoweit nur um theoretische Nutzungsmög-
- 14 - lichkeiten ohne konkrete Bauabsichten gegangen ist (vgl. Senatsurteil vom 13. März 1991, [X.]O, unter [X.] b [X.]). [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 21.01.2009 - 12 C 428/07 - [X.], Entscheidung vom [X.]/09 -

Meta

VIII ZR 223/09

28.04.2010

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2010, Az. VIII ZR 223/09 (REWIS RS 2010, 7117)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7117

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