Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.06.2020, Az. 4 CN 5/18

4. Senat | REWIS RS 2020, 4074

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Gegenstand

Unzulässige Wahl des beschleunigten Verfahrens zur Änderung eines Bebauungsplans


Leitsatz

1. Für die Anwendbarkeit des beschleunigten Verfahrens nach § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB kommt es maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf den planungsrechtlichen Status der zu überplanenden Flächen an.

2. Wird in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans auf nicht öffentlich zugängliche technische Vorschriften verwiesen, genügt auch ein Hinweis in der ortsüblichen Bekanntmachung des Bebauungsplans, dass die in Bezug genommene technische Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereit gehalten wird.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs [X.] vom 9. August 2018 wird geändert. Der Bebauungsplan "[X.] (Marrbachöschle) - 3. Änderung" vom 23. Juli 2013, bekannt gemacht am 28. Juli 2016, ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Tatbestand

1

Gegenstand des Verfahrens ist die im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB beschlossene 3. Änderung des Bebauungsplans "[X.] Öschle ([X.])".

2

Der aus dem [X.] stammende Bebauungsplan [X.] umfasst ein insgesamt 6,1 ha großes Gebiet. Er setzt für den nördlichen Teil des [X.] ein Dorfgebiet und im Übrigen ein allgemeines Wohngebiet fest. Die Planung wurde im Wesentlichen nicht umgesetzt.

3

Die Antragsteller sind Eigentümer des im Geltungsbereich des Bebauungsplans gelegenen unbebauten Grundstücks Flurstück Nr. ...1. Der Antragsteller zu 2 ist außerdem Eigentümer des ebenfalls im Geltungsbereich des Bebauungsplans gelegenen, mit Wohnhäusern sowie ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäuden bebauten Grundstücks Flurstück Nr. ...0, für das der Bebauungsplan ein Dorfgebiet festsetzt.

4

Mit der 3. Änderung wird der Bebauungsplan [X.] mit Ausnahme eines das Grundstück Flurstück Nr. ...0 umfassenden Bereiches im Norden sowie eines weiteren, zwischenzeitlich bebauten Teilbereichs im Süden entlang der [X.] auf einer Fläche von 4,2 ha geändert. Der Plan setzt für seinen gesamten Geltungsbereich ein allgemeines Wohngebiet fest und regelt die innere Erschließung neu.

5

Auf einen Normenkontrollantrag der Antragsteller hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 23. Juni 2016 - 8 S 1597/13 - die am 26. Juli 2013 bekannt gemachte 3. Änderung für unwirksam erklärt, weil sie nicht ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden sei. Es fehle ein Hinweis in der [X.], dass die im Bebauungsplan in Bezug genommene VDI-Richtlinie 2719 zur Einsicht bereitgehalten werde oder wo diese ansonsten problem- und kostenlos eingesehen werden könne.

6

Die Antragsgegnerin hat die 3. Änderung rückwirkend zum 26. Juli 2013 am 28. Juli 2016 erneut bekannt gemacht. In der Bekanntmachung wird darauf hingewiesen, dass der Bebauungsplan einschließlich seiner Begründung und der VDI-Richtlinie 2719 im Rathaus während der üblichen Dienststunden eingesehen werden könne.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag der Antragsteller gegen die neu bekannt gemachte 3. Änderung zurückgewiesen. Der zulässige Normenkontrollantrag sei unbegründet. Die Bekanntmachung sei nunmehr ordnungsgemäß erfolgt. Die Wahl des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB sei nicht zu beanstanden, denn bei der 3. Änderung handele es sich um einen Bebauungsplan der Innenentwicklung. Auch in materieller Hinsicht begegne die 3. Änderung keinen Bedenken, insbesondere liege kein Abwägungsfehler vor.

8

Die Antragsteller haben die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt. Nach ihrer Auffassung verstößt der Bebauungsplan gegen § 13a BauGB und weitere Vorschriften.

9

Die Antragsgegnerin hält den Normenkontrollantrag bereits für unzulässig. Es fehle am Rechtsschutzbedürfnis. Im Übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil.

Am 29. November 2018 hat die Antragsgegnerin die 4. Änderung des Bebauungsplans [X.] bekannt gemacht. Über den Normenkontrollantrag der Antragsteller vom 4. November 2019 ist noch nicht entschieden.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die [X.] liegen vor ([X.]). Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verstößt gegen [X.] (§ 137 [X.]bs. 1 VwGO). Der Bebauungsplan "[X.] ([X.])" - 3. Änderung vom 23. Juli 2013, bekannt gemacht am 28. Juli 2016 (im folgenden: "[X.]"), ist unwirksam (B).

[X.]. Die in jedem Stadium des Verfahrens von [X.]mts wegen zu prüfenden [X.] liegen vor.

1. Die [X.]ntragsteller sind antragsbefugt.

Nach § 47 [X.]bs. 2 Satz 1 VwGO kann einen Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren [X.]nwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden.

Mit dem [X.] wird das Grundstück Flurstück Nr. ...1 der [X.]ntragsteller (neu) überplant. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die [X.]ntragsbefugnis wegen einer möglichen Eigentumsverletzung grundsätzlich zu bejahen, wenn sich ein Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks gegen eine bauplanerische Festsetzung wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft ([X.], Urteil vom 10. März 1998 - 4 CN 6.97 - [X.] 310 § 47 VwGO [X.]23). In diesem Fall kann der Eigentümer die Festsetzung gerichtlich überprüfen lassen, weil eine planerische Festsetzung Inhalt und Schranken seines Grundeigentums bestimmt ([X.]rt. 14 [X.]bs. 1 Satz 2 GG); die (potenzielle) Rechtswidrigkeit eines derartigen normativen Eingriffs braucht der [X.]ntragsteller nicht ungeprüft hinzunehmen ([X.], Beschluss vom 31. Januar 2018 - 4 [X.] 17.17 - [X.] 2018, 814 Rn. 5).

Die [X.]ntragsbefugnis ist nicht durch die 4. Änderung des Bebauungsplans "[X.]" entfallen. Diese ist im Revisionsverfahren zu beachten, weil die Vorinstanz sie berücksichtigen müsste, wenn sie im Zeitpunkt des Revisionsurteils entschiede ([X.], Urteil vom 13. Dezember 2018 - 4 CN 3.18 - [X.]E 164, 74 Rn. 11 m.w.N.). Jedenfalls die Fläche auf dem Grundstück Flurstück Nr. ...1, die im [X.] für Parkplätze vorgesehen ist, ist nicht Bestandteil der 4. Änderung.

2. Für den [X.]ntrag besteht ein Rechtsschutzbedürfnis.

Die [X.]ntragsgegnerin meint, das Rechtsschutzbedürfnis sei entfallen, weil die [X.]ntragsteller sehenden [X.]uges die Verwirklichung des [X.]s nicht verhindert hätten. Es seien praktisch alle Grundstücke bebaut bzw. lägen für die Bebauung entsprechende Baugenehmigungen vor. [X.]uch die Erschließungsanlagen seien hergestellt und schafften unveränderliche Tatsachen. Dem ist nicht zu folgen.

Bei bestehender [X.]ntragsbefugnis ist regelmäßig das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben. Das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses soll nur verhindern, dass Gerichte in eine Normprüfung eintreten, deren Ergebnis für den [X.]ntragsteller wertlos ist, weil es seine Rechtsstellung nicht verbessern kann ([X.], Beschlüsse vom 18. Juli 1989 - 4 N 3.87 - [X.]E 82, 225 <231>, vom 22. September 1995 - 4 NB 18.95 - [X.] 310 § 47 VwGO [X.]08 und vom 4. Juni 2008 - 4 [X.] 13.08 - [X.] Rn. 5). Es ist aber nicht erforderlich, dass die begehrte Erklärung einer Norm als unwirksam unmittelbar zum eigentlichen Rechtsschutzziel führt ([X.], Urteile vom 23. [X.]pril 2002 - 4 CN 3.01 - [X.] 310 § 47 VwGO [X.]56 S. 87 und vom 16. [X.]pril 2015 - 4 CN 6.14 - [X.]E 152, 49 Rn. 15). Ist ein Bebauungsplan durch genehmigte oder genehmigungsfreie Maßnahmen vollständig verwirklicht, so wird der [X.]ntragsteller allerdings in der Regel seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen [X.]ngriff auf den Bebauungsplan nicht mehr aktuell verbessern können (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. [X.]ugust 1987 - 4 N 3.86 - [X.]E 78, 85 <92> und vom 9. Februar 1989 - 4 NB 1.89 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 37; Urteil vom 28. [X.]pril 1999 - 4 CN 5.99 - [X.] 310 § 47 VwGO [X.]34 = juris Rn. 14). Insofern kommt eine das Rechtsschutzbedürfnis ausschließende Verwirklichung einer angegriffenen Festsetzung nach der Senatsrechtsprechung aber nur dann in Betracht, wenn die Festsetzung im Baugebiet auch räumlich "vollständig verwirklicht" ist ([X.], Beschlüsse vom 7. Januar 2010 - 4 [X.] 36.09 - juris Rn. 7 und vom 28. [X.]ugust 1987 - 4 N 3.86 - [X.]E 78, 85 <92>).

Danach ist das Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Der [X.] erfasst das im Eigentum der [X.]ntragsteller stehende Grundstück Flurstück Nr. ...1; die dort ausgewiesenen Baurechte wurden bisher nicht ausgenutzt. Die das Grundstück [X.] ist noch nicht verwirklicht, auch nicht die auf diesem Grundstück festgesetzten Parkplätze an der [X.], Ostseite. Bei einem Erfolg des [X.] würden diese die [X.]ntragsteller in ihrem Eigentum beschränkenden Festsetzungen entfallen.

B. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Der [X.] leidet an formellen Fehlern (1.), die nach § 214 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 215 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] [X.] beachtlich sind und zur Unwirksamkeit des [X.]s führen (2.).

1. Der [X.] durfte nicht im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden; die Voraussetzungen des § 13a [X.]bs. 4, [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] liegen nicht vor.

Nach § 13a [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] kann ein Bebauungsplan für die [X.] von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden. Dies gilt entsprechend für die Änderung und Ergänzung eines Bebauungsplans (§ 13a [X.]bs. 4 [X.]).

Nach [X.]uffassung der Vorinstanz hat der [X.] eine Maßnahme der Innenentwicklung zum Gegenstand. Das Plangebiet sei aufgrund der Überplanung im Jahr 1983 rechtlich nicht mehr dem [X.]ußenbereich nach § 35 [X.], sondern dem Siedlungsbereich zuzurechnen; auf die tatsächlichen Verhältnisse komme es insoweit nicht an. Diese [X.]uslegung des Tatbestandsmerkmals Innenentwicklung verstößt gegen [X.]. Die [X.]bgrenzung von Innen- und [X.]ußenentwicklung richtet sich grundsätzlich nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht nach dem planungsrechtlichen Status der Flächen (vgl. auch [X.], Urteile vom 27. Oktober 2016 - 4 C 1869/15.N - [X.] 2017, 156 Rn. 28 f. und vom 6. [X.]pril 2017 - 4 C 969/16.N - juris Rn. 52; [X.], Urteil vom 21. März 2019 - OVG 2 [X.] 8.16 - juris Rn. 33; ferner [X.]/[X.], in: [X.], [X.], Stand Oktober 2019, § 13a Rn. 34; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 14. [X.]ufl. 2019, § 13a Rn. 4; [X.], [X.], 476; [X.], [X.], 1148; [X.], Das beschleunigte Verfahren für Bebauungspläne der Innenentwicklung, 2010, [X.] ff. insb. [X.], 128; [X.], [X.], 1546 <1555>; a.[X.]. Spieß, in: [X.]/[X.], [X.], 9. [X.]ufl. 2018, § 13a Rn. 1; [X.], in: [X.]/[X.], [X.] [X.], Stand 1. Mai 2020, § 13a Rn. 8.1; [X.], in: [X.], [X.], 9. [X.]ufl. 2019, § 13a Rn. 9).

a) Der Begriff der Innenentwicklung ist nicht legal definiert. Er nimmt bewusst nicht die herkömmliche [X.]bgrenzung von Innen- und [X.]ußenbereich auf, sondern wird vom Gesetzgeber als städtebaufachlicher Terminus vorausgesetzt. Seine Interpretation durch die Gemeinde unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, einen Beurteilungsspielraum hat die Gemeinde nicht ([X.], Urteil vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - [X.]E 153, 174 Rn. 22).

Mit § 13a [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] knüpft der Gesetzgeber an die ältere [X.] des § 1a [X.]bs. 2 Satz 1 [X.] an, wonach mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden soll und dabei zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Maßnahmen der Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen sind. Er grenzt Bebauungspläne der Innenentwicklung von Bebauungsplänen ab, die gezielt Flächen außerhalb der Ortslagen einer Bebauung zuführen, und will mit § 13a [X.]bs. 1 [X.] Planungen fördern, die der Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, [X.]npassung und dem Umbau vorhandener Ortsteile dienen (vgl. § 1 [X.]bs. 6 Nr. 4 [X.]). [X.]ls Gebiete, die für Bebauungspläne der Innenentwicklung in Betracht kommen, nennt er beispielhaft die im Zusammenhang bebauten Ortsteile im Sinne des § 34 [X.]bs. 1 [X.], innerhalb des [X.] befindliche brachgefallene Flächen sowie innerhalb des [X.] befindliche Gebiete mit einem Bebauungsplan, der infolge notwendiger [X.]npassungsmaßnahmen geändert oder durch einen neuen Bebauungsplan abgelöst werden soll ([X.]. 16/2496 S. 12 zu Nr. 8 und [X.]bsatz 1). Mit dem beschleunigten Verfahren und den damit verbundenen [X.], u.a. dem Verzicht auf die Durchführung einer Umweltprüfung (§ 13a [X.]bs. 2 [X.] i.V.m. § 13 [X.]bs. 3 Satz 1 [X.]) sowie der Eingriffs-[X.]usgleich-Fiktion des § 13a [X.]bs. 2 Nr. 4 [X.] für die Fälle des § 13a [X.]bs. 1 Satz 2 [X.] [X.], will der Gesetzgeber einen [X.]nreiz dafür setzen, dass die Gemeinden von einer Neuinanspruchnahme von Flächen durch Überplanung und Zersiedlung des [X.]ußenbereichs absehen (vgl. Söfker, in: [X.] , Innenentwicklung - Fach- und Rechtsfragen der Umsetzung, 2014, 191) und darauf verzichten, den äußeren Umgriff vorhandener Siedlungsbereiche zu erweitern ([X.], Urteil vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - [X.]E 153, 174 Rn. 24).

b) Diese gesetzgeberische Intention hat in § 13a [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] durch die Nennung der [X.] von Flächen und der Nachverdichtung als spezielle Maßnahmen der Innenentwicklung beispielhaft ihren Niederschlag gefunden. Darüber hinaus werden aber auch "andere Maßnahmen der Innenentwicklung" genannt. "Innenentwicklung" ist deshalb der Oberbegriff (zutreffend [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], Stand Februar 2020, § 13a Rn. 30), der die [X.]nwendung des beschleunigten Verfahrens eröffnet. Für die [X.]nwendbarkeit des beschleunigten Verfahrens gemäß § 13a [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] kommt es daher nicht darauf an, wie die Gemeinde die von ihr mit dem Bebauungsplan beabsichtigten Maßnahmen bezeichnet, sondern allein darauf, ob sie damit "Innenentwicklung" im Sinne dieser Vorschrift betreibt ([X.], Beschluss vom 20. Juni 2017 - 4 [X.] 30.16 - [X.] 406.11 § 13a [X.] Nr. 4 Rn. 4).

Mit dem Tatbestandsmerkmal der Innenentwicklung beschränkt § 13a [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] seinen räumlichen [X.]nwendungsbereich. Innenentwicklung ist nur innerhalb des [X.] zulässig; das gilt ausweislich der Gesetzesbegründung auch für die Änderung oder [X.]npassung von Bebauungsplänen ([X.]. 16/2496 S. 12). Überplant werden dürfen Flächen, die von einem Siedlungsbereich mit dem Gewicht eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils umschlossen werden. Die äußeren Grenzen des [X.] dürfen durch den Bebauungsplan nicht in den [X.]ußenbereich erweitert werden ([X.], Urteil vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - [X.]E 153, 174 Rn. 22 f.). Die Grenzen des [X.] werden nicht durch Planung bestimmt; die Planung findet diese in der jeweiligen Örtlichkeit vor. Dass es für die Bestimmung der Grenzen des [X.] auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt, zeigen - neben den in der Gesetzesbegründung beschriebenen [X.]nwendungsfällen - die gesetzlichen Beispielsfälle der [X.] von Flächen und der Nachverdichtung, die an einen ehemals oder aktuell noch vorhandenen Baubestand anknüpfen. Darin kommt zum [X.]usdruck, dass für die Innenentwicklung auf solche Flächen zugegriffen werden soll, die bereits baulich in [X.]nspruch genommen wurden und ihre bodenrechtliche Schutzwürdigkeit durch die damit einhergehende Versiegelung jedenfalls teilweise schon verloren haben. Für dieses enge Verständnis streitet auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollte das beschleunigte Verfahren für einen Bebauungsplan gelten, der "der Innenentwicklung dient" ([X.]. 16/2496 S. 5). Im Gesetzgebungsverfahren ist der Wortlaut geändert worden, um sicherzustellen, dass nicht auch solche Bebauungspläne als Pläne der Innenentwicklung gelten, die [X.] im bisherigen [X.]ußenbereich ausweisen und sich damit mittelbar positiv auf die Innenentwicklung auswirken (vgl. [X.]. 16/3308 S. 17).

c) Eine [X.]uslegung des Begriffs Innenentwicklung, die an die tatsächlichen Verhältnisse anknüpft, steht mit Unionsrecht im Einklang.

Mit § 13a [X.]bs. 1 Satz 2 [X.] [X.] hat der nationale Gesetzgeber von der zweiten Variante des [X.]rt. 3 [X.]bs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2001/42/[X.] und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme ([X.]Bl. L 197/30 vom 21. Juli 2001; im folgenden: "[X.]") Gebrauch gemacht und abstrakt-generell festgelegt, dass bestimmte Pläne ausnahmsweise im beschleunigten Verfahren und damit nach § 13a [X.]bs. 2 [X.] i.V.m. § 13 [X.]bs. 3 Satz 1 [X.] ohne Umweltprüfung nach § 2 [X.]bs. 4 [X.] erlassen werden können ([X.]. 16/2496 S. 13). Eine solche abstrakte Regelung ist zulässig, weil es denkbar ist, dass eine besondere [X.]rt von Plan, die bestimmte qualitative Voraussetzungen erfüllt, a priori voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, da die Voraussetzungen gewährleisten, dass ein solcher Plan den einschlägigen Kriterien des [X.]nhangs II der Richtlinie entspricht (vgl. [X.], Beschluss vom 31. Juli 2014 - 4 [X.] 12.14 - [X.] 406.11 § 13a [X.] [X.] Rn. 10; [X.], Urteil vom 18. [X.]pril 2013 - [X.]/11 [[X.]:[X.]:C:2013:247] -Rn. 39). Das mit Bebauungsplänen der Innenentwicklung verfolgte Ziel, die Flächeninanspruchnahme zu begrenzen und Eingriffe in Natur und Landschaft zu vermeiden, rechtfertigt auch die Eingriffs-[X.]usgleichs-Fiktion des § 13a [X.]bs. 2 Nr. 4 [X.] für die Fälle des [X.]bsatzes 1 Satz 2 [X.] (vgl. [X.]. 16/2496 S. 15). Mit diesem Ziel leistet der Bebauungsplan der Innenentwicklung zugleich einen Beitrag zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung im Sinne des [X.]nhangs II [X.] Spiegelstrich 3 der [X.] ([X.], Urteil vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - [X.]E 153, 174 Rn. 24; vgl. [X.]. 16/2496 S. 1). Für den Flächenverbrauch und die Eingriffsqualität ist aber unerheblich, ob eine unbebaute Fläche bereits überplant ist oder nicht. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass ein Gebiet schon einmal überplant worden ist, nicht den Schluss, dass bei einer Inanspruchnahme der Flächen nicht (mehr) mit erheblichen Umweltauswirkungen zu rechnen ist. Das gilt erst recht dann, wenn - wie hier - die erste Überplanung ohne Umweltprüfung erfolgt ist.

d) Der Verwaltungsgerichtshof hat mit bindender Wirkung für den Senat festgestellt (§ 137 [X.]bs. 2 VwGO), dass das Plangebiet trotz Überplanung im Jahr 1983 bis zum Erlass des [X.]s nicht bebaut worden ist. Die Neuplanung verschiebt damit die Grenze des [X.] der [X.]ntragsgegnerin, die durch die Bebauung westlich der [X.] und südlich der [X.] geprägt wird, in den bisher unbebauten Bereich. Das Plangebiet kann nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs schon angesichts seiner Größe von ca. 4,2 ha nicht als Teil der sich nach Süden ([X.]) und Westen ([X.]) anschließenden Bebauung angesehen werden, zumal selbst eine Prägung des Plangebiets durch die umliegende Bebauung im Grundsatz die Inanspruchnahme von [X.]ußenbereichsflächen nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. [X.], Urteil vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - [X.]E 153, 174 Rn. 25). Dass sich die Inanspruchnahme der mit dem [X.] überplanten Flächen für die Innenentwicklung der [X.]ntragsgegnerin möglicherweise positiv auswirkt, mag naheliegen, genügt aber nicht, um die Durchführung des beschleunigten Verfahrens zu rechtfertigen. Damit liegt kein Fall der Innenentwicklung i.[X.]. § 13a [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] vor.

2. Der [X.] leidet aufgrund der Wahl des beschleunigten Verfahrens an beachtlichen Mängeln.

Nach § 1 [X.]bs. 8 i.V.m. § 2 [X.]bs. 4 [X.] hat die Gemeinde im Verfahren zur Änderung eines Bebauungsplans für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 [X.]bs. 6 Nr. 7 und § 1a [X.] eine Umweltprüfung durchzuführen. Gemäß § 2a Satz 2 Nr. 2 [X.] ist ferner ein Umweltbericht zu erstellen, in dem die voraussichtlich erheblichen Umweltauswirkungen beschrieben und bewertet werden. Der Umweltbericht ist zusammen mit dem Entwurf des Bebauungsplans nach § 3 [X.]bs. 2 Satz 1 [X.] öffentlich auszulegen und gemäß § 9 [X.]bs. 8 [X.] der Begründung beizufügen. Gegen diese Vorschriften hat die [X.]ntragsgegnerin verstoßen, weil sie weder eine Umweltprüfung vorgenommen noch einen Umweltbericht erstellt hat.

Der Fehler ist nach § 214 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] beachtlich ([X.], Urteil vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - [X.]E 153, 174 Rn. 29). Daran ändert § 214 [X.]bs. 2a [X.] [X.] a.F. nichts. Die Norm ist durch [X.]rt. 1 Nr. 30 des [X.] in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des [X.] vom 11. Juni 2013 ([X.] 1548) mit Wirkung zum 20. September 2013 aufgehoben worden; sie war bereits vorher nicht (mehr) anwendbar, weil sie mit Unionsrecht unvereinbar war ([X.], Urteil vom 18. [X.]pril 2013 - [X.]/11 - BRS 80 [X.] Rn. 44; [X.], Urteil vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - [X.]E 153, 174 Rn. 27).

Der Mangel wurde von den [X.]ntragstellern innerhalb der Jahresfrist des § 215 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] [X.] gerügt. Er führt zur Gesamtunwirksamkeit des [X.]s.

3. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die öffentliche Bekanntmachung des [X.]s am 28. Juli 2016 nicht zu beanstanden ist.

Das Normenkontrollgericht hält es für ausreichend, wenn nur in der öffentlichen Bekanntmachung des [X.] darauf hingewiesen wird, dass die im Bebauungsplan in Bezug genommene technische Vorschrift bei der Gemeinde zur Einsichtnahme bereitliegt. Eine solche Bekanntgabe genüge den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus § 10 [X.]bs. 3 [X.] an die Verkündung von Normen ergebenden [X.]nforderungen. Das trifft zu.

Die [X.]nforderungen des Rechtsstaatsprinzips an die Verkündung von Normen stehen einer Verweisung auf nicht öffentlich zugängliche technische Vorschriften in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht von vornherein entgegen ([X.], Beschluss vom 29. Juli 2010 - 4 [X.] 21.10 - [X.] 406.11 § 10 [X.] Nr. 46 Rn. 9 ff.). Verweist eine Festsetzung auf eine solche Vorschrift und ergibt sich erst aus dieser Vorschrift, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, muss der [X.] aber sicherstellen, dass die Planbetroffenen sich auch vom Inhalt der jeweiligen technischen Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis verschaffen können. Den rechtsstaatlichen [X.]nforderungen genügt die Gemeinde, wenn sie die in Bezug genommene Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereithält und hierauf in der [X.] hinweist ([X.], Beschlüsse vom 29. Juli 2010 a.a.[X.] Rn. 13 und vom 18. [X.]ugust 2016 - 4 [X.] 24.16 - [X.] 406.11 § 10 [X.] Nr. 47 Rn. 7). Ebenso genügt ein entsprechender Hinweis in der ortsüblichen Bekanntmachung, weil dieser in gleicher Weise wie der Hinweis in der [X.] geeignet ist, die Planbetroffenen über die Möglichkeit und den Ort der Einsicht in die technische Vorschrift zu informieren (ebenso [X.], in: Bracher/[X.]/[X.], Bauplanungsrecht, 8. [X.]ufl. 2014, Rn. 919; Spieß, in: [X.]/[X.], [X.], 9. [X.]ufl. 2018, § 10 Rn. 45; Stock, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], Stand Februar 2020, § 10 Rn. 127c; [X.], DVBl. 2016, 551 <555>; offen gelassen in [X.], Beschluss vom 18. [X.]ugust 2016 - 4 [X.] 24.16 - [X.] 406.11 § 10 [X.] Nr. 47 Rn. 8). Für die Bekanntmachung eines Bebauungsplans genügt es, wenn in der Bekanntmachung darauf hingewiesen wird, wo der Plan eingesehen werden kann (§ 10 [X.]bs. 3 Satz 3 [X.]). Warum für nicht öffentlich zugängliche technische Vorschriften, auf die der Plan verweist, anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 [X.]bs. 1 VwGO.

Meta

4 CN 5/18

25.06.2020

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: CN

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 9. August 2018, Az: 3 S 1523/16, Urteil

§ 47 Abs 2 S 1 VwGO, § 1 Abs 6 Nr 4 BauGB, § 1 Abs 8 BauGB, § 2 Abs 4 BauGB, § 2a S 2 Nr 2 BauGB, § 3 Abs 2 S 1 BauGB, § 9 Abs 8 BauGB, § 10 Abs 3 BauGB, § 13 Abs 3 S 1 BauGB, § 13a Abs 1 S 1 BauGB, § 13a Abs 2 Nr 1 BauGB, § 13a Abs 2 Nr 4 BauGB, § 13a Abs 4 BauGB, § 34 Abs 1 BauGB, § 214 Abs 1 S 1 Nr 3 BauGB, § 215 Abs 1 S 1 Nr 1 BauGB, Art 3 Abs 5 S 1 EGRL 42/2001, Anh II Nr 1 EGRL 42/2001

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.06.2020, Az. 4 CN 5/18 (REWIS RS 2020, 4074)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4074

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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9 N 15.2158

15 N 21.1864

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