Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2017, Az. XII ZB 198/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 3739

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[X.]:[X.]:BGH:2017:181017BXII[X.]198.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 198/16

vom

18. Oktober 2017

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG §§ 26, 68 Abs. 3, 294
Eine persönliche Anhörung des Betroffenen ist auch im Beschwerdeverfahren betreffend die Aufhebung einer Betreuung generell unverzichtbar, wenn sich das Beschwerdegericht
zur Einholung eines neuen Sachverständigengutach-tens entschließt und dieses Gutachten als Tatsachengrundlage für seine Ent-scheidung heranziehen will (im [X.] an Senatsbeschlüsse vom 24.
August 2016
XII
[X.]
531/15
FamRZ 2016, 1922 und vom 2.
September 2015
XII
[X.]
138/15
-
FamRZ 2015, 1959).

BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017 -
XII [X.] 198/16 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 18.
Oktober 2017
durch [X.] und [X.]
Dr.
[X.], Schilling,
Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen
wird der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 31.
März 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Der Betroffene
begehrt die Aufhebung seiner Betreuung.
Er leidet an einer chronischen Psychose aus dem schizophrenen For-menkreis
und steht seit 2009 unter rechtlicher Betreuung. Die Betreuung um-fasst den
Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Vermögenssorge, Aufenthaltsbe-stimmung, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung
vor Ämtern und Behörden, Sozialversicherungsanstalten und Krankenkassen sowie Entgegennahme und Öffnen der Post mit Ausnahme von Privatpost. Für den Bereich der [X.] besteht zudem ein Einwilligungsvorbehalt.
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-
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-
Nachdem das Amtsgericht einen [X.] angeordnet hatte, er-klärte der Betroffene, für ihn sei eine Betreuung nicht erforderlich. Das Amtsge-richt hat die Erklärung als Antrag auf Aufhebung der Betreuung ausgelegt und diesen nach Anhörung des Betroffenen
zurückgewiesen. Die dagegen gerichte-te Beschwerde des Betroffenen hat das [X.] nach Einholung eines Sachverständigengutachtens
ohne erneute persönliche Anhörung des [X.] zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde, mit der er weiterhin die Aufhebung seiner Betreuung begehrt.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1. Das [X.], das seine Entscheidung auf das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten gestützt hat, hat zur Begründung folgendes ausge-führt:
Das Amtsgericht habe den Antrag auf Aufhebung der Betreuung zu Recht zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des §
1896 Abs.
1 Satz
1 BGB seien gegeben. Der Sachverständige habe festgestellt, dass bei dem [X.] eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit akutem Beginn und typischer Entwicklung eines sogenannten stabilen Residuums unter regel-mäßiger nervenärztlicher Behandlung mit medikamentöser Rückfallprophylaxe vorliege. Aufgrund der Behandlung könne der Betroffene bei entsprechender Kooperation ein selbständiges Leben führen und rein Alltagspraktisches
selb-ständig erledigen, wenn sämtliche äußeren formalen Umstände zuverlässig zu seinen Gunsten geregelt seien. Auf diese notwendigen Rahmenbedingungen 3
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-
4
-
bezogen überschätze der Betroffene seine Fähigkeiten; insoweit sei seine [X.] eingeschränkt. Nachdem das Amtsgericht den Betroffenen im
Oktober 2015 ausführlich und umfassend angehört habe und neue Tatsachen im Rahmen der Beschwerde nicht vorgebracht worden seien, sei eine erneute Anhörung nicht erforderlich gewesen.
2. Das hält den Verfahrensrügen der Rechtsbeschwerde in einem ent-scheidenden Punkt nicht stand. Zu Recht beanstandet sie, dass das [X.] den Betroffenen nicht angehört
hat.
a) Gemäß §
294 Abs.
1 FamFG gelten für die Aufhebung einer Be-treuung
oder eines
Einwilligungsvorbehalts die §§
279 Abs.
1, 3 und 4, 288 Abs.
2 Satz
1 FamFG entsprechend. Nicht erfasst
von der Verweisung wird zwar §
278 Abs.
1 FamFG, der die persönliche Anhörung des Betroffenen vor-schreibt. Dies ändert aber nichts daran, dass auch im Aufhebungsverfahren die allgemeinen Verfahrensregeln, insbesondere die Grundsätze des rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs.
1 GG) und der Amtsermittlung (§
26 FamFG), zu [X.] sind. Nach §
26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststel-lung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Nach den Maßstäben des §
26 FamFG bestimmt sich, ob im Einzelfall auch im Aufhebungsverfahren eine persönliche Anhörung des Betroffenen durchzuführen ist, um dem Gericht dadurch einen unmittelbaren Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen (Senatsbeschluss vom 24.
August 2016

XII
[X.]
531/15

FamRZ 2016, 1922
Rn.
7
mwN).
Da über Art und Umfang der Ermittlungen grundsätzlich der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, obliegt dem Rechtsbeschwerde-gericht insoweit lediglich eine Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die [X.], ob der Tatrichter die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat und die 7
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-
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-
rechtliche Würdigung auf einer ausreichenden Sachverhaltsaufklärung beruht. Im Einzelfall mag es dabei rechtlich unbedenklich sein, von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen im Aufhebungsverfahren abzusehen, wenn sich sein Begehren nach Aufhebung der Betreuung von vornherein als eine offenkundig aussichtslose oder querulatorisch erscheinende Eingabe darstellt. Eine Anhö-rung des Betroffenen ist demgegenüber auch im Aufhebungsverfahren generell unverzichtbar, wenn sich das Gericht zur Einholung eines neuen Sachverstän-digengutachtens entschließt und dieses Gutachten als Tatsachengrundlage für seine Entscheidung heranziehen will.
Erst die persönliche Anhörung des Be-troffenen und der dadurch von
ihm gewonnene Eindruck versetzt das Gericht in die Lage, seine Kontrollfunktion gegenüber dem Sachverständigen sachgerecht auszuüben (vgl. Senatsbeschlüsse
vom 24.
August 2016

XII
[X.]
531/15

FamRZ 2016, 1922
Rn.
8 mwN und vom 2.
September 2015

XII
[X.]
138/15

FamRZ 2015, 1959 Rn.
13).
b) Gemessen hieran hätte das [X.] den Betroffenen persönlich anhören müssen.
Zwar hatte das Amtsgericht den Betroffenen
bereits angehört. Gleich-wohl war das [X.]
gemäß §
68 Abs.
3 Satz
2 FamFG nicht von der Ver-pflichtung entbunden, den Betroffenen selbst anzuhören (vgl. Senatsbeschluss vom 2.
September 2015

XII
[X.]
138/15

FamRZ 2015, 1959 Rn.
12 mwN). Das [X.], das durch die Einholung des Sachverständigengutachtens der entsprechenden Anregung des Betroffenen
gefolgt ist, hat seine Entscheidung maßgeblich auf dieses

im amtsgerichtlichen Verfahren noch nicht existente

Gutachten gestützt. Deshalb hätte es sich durch die persönliche Anhörung des Betroffenen und durch den dadurch von ihm gewonnenen
Eindruck in die Lage versetzen müssen, seine Kontrollfunktion gegenüber dem Sachverständigen 10
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-
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-
sachgerecht auszuüben
(vgl. Senatsbeschluss
vom 2.
September 2015

XII
[X.]
138/15
Z 2015, 1959 Rn.
13).
3. Gemäß §
74 Abs.
5 und 6 Satz
2 FamFG ist
der angefochtene Be-schluss aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen, das den Betroffenen anzuhören haben wird.
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Be-deutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).
Dose
[X.]
Schilling

Nedden-Boeger
Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.10.2015 -
11 [X.] SCH 243/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 31.03.2016 -
5 [X.]/15 -

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Meta

XII ZB 198/16

18.10.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2017, Az. XII ZB 198/16 (REWIS RS 2017, 3739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3739

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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