Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2003, Az. 1 StR 269/02

1. Strafsenat | REWIS RS 2003, 2577

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESURTEIL1 StR 269/02vom26. Juni 2003in [X.]er Strafsachegegenwegen fahrlässiger Tötung u. [X.] 2 -Der 1. Strafsenat [X.]es [X.] hat auf Grun[X.] [X.]er [X.] un[X.] 26. Juni 2003, an [X.]enen teilgenommen haben:[X.] am [X.] [X.] [X.] am [X.] Dr. Wahl, [X.], [X.], [X.],[X.] als Vertreter [X.]er [X.]schaft,Rechtsanwälte (24. Juni 2003) un[X.] als Vertei[X.]iger,[X.]er Angeklagte persönlich (24. Juni 2003),Justizangestellte als Urkun[X.]sbeamtin [X.]er Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -1. Auf [X.]ie Revision [X.]es Angeklagten gegen [X.]as Urteil [X.]es Lan[X.]-gerichts [X.] vom 18. Februar 2002 wir[X.] [X.]as Verfahrengemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt, soweit [X.]er An-geklagte wegen Vergehen gegen [X.]as [X.]([X.]) verurteilt wur[X.]e. Damit entfällt [X.]er Ausspruch über [X.].Insoweit trägt [X.]ie Staatskasse [X.]ie Kosten [X.]es Verfahrens un[X.][X.]ie notwen[X.]igen Auslagen [X.]es Angeklagten.2. [X.] weitergehen[X.]e Revision [X.]es Angeklagten wir[X.] verworfen.Er trägt [X.]ie verbleiben[X.]en Kosten seines Rechtsmittels.3. Auf [X.]ie Revision [X.]er Staatsanwaltschaft wir[X.] [X.]as vorbezeich-nete Urteil unter Aufrechterhaltung [X.]er Feststellungen zum äu-ßeren Tatgeschehen aufgehoben, soweit [X.]er Angeklagte we-gen fahrlässiger Tötung verurteilt wur[X.]e.4. Im Umfang [X.]er Aufhebung wir[X.] [X.]ie Sache zu neuer Verhan[X.]-lung un[X.] Entschei[X.]ung, auch über [X.]ie Kosten [X.]es Rechtsmit-tels [X.]er Staatsanwaltschaft, an eine an[X.]ere als [X.] Kammer [X.]es [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:[X.] [X.] hat folgen[X.]e Feststellungen getroffen:Der Angeklagte ist wirtschaftlicher Eigentümer un[X.] alleiniger [X.] Klinik in [X.]. Bis 1977 war er ebenfalls in [X.] Chefarzt [X.]erSt. [X.] Klinik gewesen, [X.]ann hat ihm [X.]ie [X.] gekün[X.]igt. Seither fühlt ersich "von politischer Seite verfolgt". Für Rechtsstreitigkeiten hat er schon [X.] ausgegeben. Zwischen ihm un[X.] [X.]er Rettungsleitstelle [X.] be-stehen erhebliche [X.]annungen, er wirft ihr vor, Patienten in [X.]ie St. [X.]Klinik zu "verschleppen".1. Der Verurteilung liegen folgen[X.]e, sämtlich mit [X.]er Berufstätigkeit [X.] zusammenhängen[X.]e Vorfälle zu Grun[X.]e:a) Bis zu einem Verbot [X.]urch [X.]ie [X.] hatte[X.]er Angeklagte Patienten in 23 Fällen Frischblutspen[X.]en transfun[X.]iert, [X.]ienicht auf HIV un[X.] [X.] un[X.] nur unzureichen[X.] auf Lues un[X.] Hepatitis Buntersucht waren. Zunächst hatte er behauptet, [X.]iese Transfusionen seien nurin Notfällen erfolgt, weil [X.]ie Blutbank [X.]keine Blutkonserven hätte [X.]. Als sich [X.]ies als falsch erwies - [X.]ie Blutbank hätte immer liefern [X.], er hatte aber nie gefragt - än[X.]erte er seine Einlassung un[X.] machte [X.], [X.]ie [X.]en[X.]er - Sol[X.]aten - seien anstän[X.]ige Menschen un[X.] hätten [X.] solche Krankheiten nicht.b) Der Angeklagte hat [X.]urch mehrere Behan[X.]lungsfehler verschul[X.]et,[X.]aß seine langjährige Patientin [X.]. am 24. September 1999 im [X.] 55 Jahren verstorben ist.- 5 -(1) Am Vormittag [X.]es 23. September 1999 hatte [X.]er Angeklagte in [X.] - gegen [X.]en Rat seines [X.] - bei Frau [X.]. eine me[X.]i-zinisch nicht in[X.]izierte Ballonerweiterung (PTCA) [X.]er rechten Herzkranzarterievorgenommen. Hätte Frau [X.]. gewußt, [X.]aß ihr [X.]er Eingriff keinesfalls helfenkönne, hätte sie ihm nicht zugestimmt. Bei [X.]em Eingriff wur[X.]e ihre Nierenarte-rie verletzt. [X.]s beruht, so [X.]ie [X.], nicht auf Fahrlässigkeit [X.]es [X.], son[X.]ern sei eine [X.]iesem Eingriff immanente Komplikation.(2) Wegen heftiger innerer Blutungen wölbte sich etwa zwei bis [X.]reiStun[X.]en nach [X.]er [X.] von Frau [X.]. nach vorne. [X.]äte-stens um 13 Uhr [X.]iagnostizierte [X.]er Angeklagte eine Ruptur [X.]er [X.]. [X.] nachfolgen[X.]en Stun[X.]en beschränkte sich [X.]er Angeklagte auf - von [X.] nicht or[X.]nungsgemäß [X.]okumentierte - Versuche, [X.]en Kreislauf mit Me[X.]i-kamenten zu stabilisieren. [X.]s war aus me[X.]izinischer Sicht unvertretbar: Be-ruht [X.]ie Instabilität [X.]es Kreislaufs [X.]arauf, [X.]aß [X.]er Patient [X.], so kann nur [X.]ie Beseitigung [X.]er [X.] im Bauchraum [X.]urch [X.] Sanierung [X.]er [X.] zur Stabilisierung führen. Kann, wiehier, [X.]ies nicht vor Ort erfolgen, so ist nichts [X.]ringlicher als [X.]er Transport in [X.]ienächstliegen[X.]e Klinik, in [X.]er eine entsprechen[X.]e operative Intervention erfol-gen kann. Demgegenüber kümmerte sich [X.]er Angeklagte erst nach einigenStun[X.]en [X.]arum, [X.]aß Frau [X.]. im Krankenhaus [X.]er Barmherzigen Brü[X.]er in- [X.]em etwa 50 km von [X.] entfernten - [X.]weiter behan[X.]elt wur[X.]e. [X.] zur Verlegung von Frau [X.]. bestellte [X.]er Angeklagte erstum 17.50 Uhr, ebenfalls nicht in [X.], son[X.]ern in [X.]. Daß es sich umeinen Notfall han[X.]elte, teilte er [X.]abei nicht mit. Deshalb war [X.]er Wagen erstum 18.40 Uhr in [X.]. [X.] Sanitäter aus [X.]erkannten auf [X.]en [X.], [X.]aß ein Notfall vorlag. Sie weigerten sich, [X.]en Transport ohne ärztlicheBegleitung [X.]urchzuführen; [X.]ies war vom Angeklagten zunächst nicht vorgese-- 6 -hen gewesen, am En[X.]e fuhr aber [X.]er Assistenzarzt mit. Ein Arztbrief wur[X.]enicht mitgegeben. Bei einer ersten Notoperation von Frau [X.]. in [X.]ergossen sich aus ihrem Bauchraum schwallartig [X.]rei bis vier Liter Blut. Trotz[X.]ieser un[X.] einer ebenfalls sachgerecht [X.]urchgeführten weiteren [X.] [X.]as Leben von Frau [X.]. nicht mehr gerettet wer[X.]en; sie verstarb [X.] September 1999 um 6.10 [X.]) Wäre Frau [X.]. gegen 13 Uhr in [X.]ie gefäßchirurgische Abteilung[X.]er St. [X.] Klinik in [X.] gebracht wor[X.]en, hätte sie überlebt o[X.]er [X.] länger gelebt. Der Transport wäre mit einem Rettungswagen [X.]er Ret-tungsleitstelle [X.] innerhalb weniger Minuten problemlos möglich gewesen.In [X.]iesem Rettungswagen hätten auch alle erfor[X.]erlichen Stabilisierungsmaß-nahmen ebensogut wie im Krankenhaus [X.]es Angeklagten [X.]urchgeführt [X.]) Der Angeklagte hat sich unterschie[X.]lich eingelassen. Er hat [X.], [X.]ie Ballonerweiterung sei me[X.]izinisch in[X.]iziert un[X.] Frau [X.]. seiüber [X.]ie "Relativität" [X.]es Eingriffs aufgeklärt gewesen. [X.] Nierenarterie seinicht in [X.], son[X.]ern in [X.]verletzt wor[X.]en. [X.] St. [X.] Klinik seifür solche Fälle nicht ausgerüstet; eine Verlegung [X.]orthin sei wegen [X.]esKreislaufs [X.]er Patientin nicht in Betracht gekommen. [X.] Rettungsleitstelle[X.] hätte er nicht herangezogen, [X.]a [X.]ann [X.]ie Patientin [X.]och in [X.]ie [X.] "verschleppt" wor[X.]en wäre. [X.] Patientin hätte [X.]urch eine Frisch-bluttransfusion gerettet wer[X.]en können, [X.]ie ihm je[X.]och [X.]ie [X.] -(5) [X.] [X.] sieht [X.]as Vorbringen [X.]es Angeklagten soweit es[X.]en äußeren Geschehensablauf betrifft, nach eingehen[X.]er Beweisaufnahmeun[X.] Beratung [X.]urch zahlreiche Sachverstän[X.]ige als falsch an. [X.] sei je[X.]och nicht bewiesen un[X.] ergebe sich insbeson[X.]ere nicht [X.]araus,[X.]aß [X.]as Verhalten [X.]es Angeklagten in erheblichem Maße pflichtwi[X.]rig gewe-sen sei. In [X.]iesem Zusammenhang sei zu Gunsten [X.]es Angeklagten [X.]er er-höhte Streß zu berücksichtigen, [X.]er mit [X.]er Erkenntnis [X.]er Lebensgefahr fürFrau [X.]. verbun[X.]en gewesen sei. [X.] Rettungsleitstelle [X.] habe [X.] aller[X.]ings aus sachfrem[X.]en Motiven nicht herangezogen; [X.]ies än-[X.]ere am Ergebnis aber letztlich nichts.2. Auf [X.]ieser Grun[X.]lage wur[X.]e [X.]er Angeklagte wegen 23 Vergehen ge-gen [X.]as [X.] (§ 31 [X.]) jeweils zu Gel[X.]strafen un[X.] wegenfahrlässiger Tötung zu neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Hieraus wur[X.]eeine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr gebil-[X.]et. Von [X.]er Anor[X.]nung eines Berufsverbots (§ 70 StGB) hat [X.]ie [X.]; ein einmaliger, wenn auch gravieren[X.]er Sorgfaltsverstoß bei [X.] rechtfertige [X.]ie Besorgnis weiterer Verstöße nicht.[X.] [X.]ieses Urteil richten sich [X.]ie jeweils auf [X.]ie näher ausgeführteSachrüge gestützten Revisionen [X.]es Angeklagten un[X.] [X.]er Staatsanwaltschaft.[X.] Revision [X.]es Angeklagten führt zu einer Verfahrensbeschränkunghinsichtlich [X.]er Verstöße gegen [X.]as [X.]; hinsichtlich [X.]er Verurteilung wegenfahrlässiger Tötung bleibt sie [X.] 8 -[X.] Revision [X.]er Staatsanwaltschaft ist auf [X.]ie Verurteilung wegenfahrlässiger Tötung beschränkt. Sie wen[X.]et sich gegen [X.]ie Annahme, [X.]em [X.] falle allein fahrlässiges Verhalten zur Last. Das auch vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.1. [X.] Revision [X.]es Angeklagten:a) [X.] vom Senat auf Antrag [X.]es [X.] vorgenommenevorläufige Verfahrenseinstellung hinsichtlich [X.]er Vergehen gegen [X.]as [X.](§ 154 Abs. 2 StPO) führt zugleich zum Wegfall [X.]er [X.]) [X.] auf Grun[X.] [X.]er Sachrüge gebotene umfassen[X.]e Überprüfung [X.] wegen fahrlässiger Tötung hat auch unter Berücksichtigung [X.] [X.]er Revision keinen [X.]en Angeklagten beschweren[X.]enRechtsfehler ergeben. [X.]s hat auch [X.]er [X.] in [X.]er [X.] vor [X.]em Senat ebenso wie schon in seinem Antrag vom18. November 2002 zutreffen[X.] näher ausgeführt. Ergänzen[X.] ist le[X.]iglich zubemerken, [X.]aß auch Auswirkungen [X.]er weggefallenen Gel[X.]strafen auf [X.]ie [X.] [X.]er Strafe wegen fahrlässiger Tötung ausgeschlossen sin[X.].2. [X.] Revision [X.]er Staatsanwaltschaft hat Erfolg. [X.] Verneinung [X.]en Han[X.]elns beruht auf einer Beweiswür[X.]igung, [X.]ie [X.]en Angeklagtenbegünstigen[X.]e Rechtsfehler enthält. [X.]s gilt insbeson[X.]ere für [X.]as Geschehenab 13 [X.]) Frau [X.]. hatte wegen einer inneren Verletzung Blutungen, [X.]ie somassiv waren, [X.]aß sich ihr Bauch nach vorne wölbte. [X.] [X.] [X.]em Ergebnis, [X.]er Angeklagte habe trotz jahrzehntelanger [X.] allein von ihm vorgenommenen Maßnahmen zur Kreislaufstabilisierung fürausreichen[X.] gehalten un[X.] [X.]eshalb nicht sofort eine Verlegung von Frau [X.]. - 9 -veranlaßt. Daraus folgt zugleich, [X.]aß er nicht gewußt hat, [X.]aß kreislaufstabili-sieren[X.]e Maßnahmen währen[X.] eines Krankentransports in einem hierfür einge-richteten Rettungswagen ebenso gut wie in seiner Klinik hätten [X.]) Kann [X.]er Tatrichter [X.]ie erfor[X.]erliche Gewißheit nicht gewinnen un[X.]zieht er [X.]ie hiernach gebotene Konsequenz (hier: Verurteilung nur wegenfahrlässig begangener Tat), so hat [X.]as Revisionsgericht [X.]ies regelmäßig hin-zunehmen. [X.] Beweiswür[X.]igung ist Sache [X.]es Tatrichters; es kommt nicht[X.]arauf an, ob [X.]as Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse an[X.]ers gewür[X.]igto[X.]er Zweifel überwun[X.]en hätte. Daran än[X.]ert sich auch nicht allein [X.]a[X.]urchetwas, [X.]aß eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfrem[X.] erschei-nen" ([X.], 180) mag (vgl. zusammenfassen[X.] Schoreit in [X.] Aufl. § 261 [X.]. 5 [X.]). Es gibt nämlich im Strafprozeß keinen Beweis [X.]esersten Anscheins, [X.]er nicht auf Gewißheit, son[X.]ern auf [X.]er [X.] Geschehensablaufs beruht (vgl. [X.], [X.] [X.]er StPO,4. Aufl. [X.]. 104 [X.]).Eine Beweiswür[X.]igung ist [X.]emgegenüber etwa [X.]ann rechtsfehlerhaft,wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert,wi[X.]ersprüchlich o[X.]er unklar ist, gegen Gesetze [X.]er Logik o[X.]er gesicherte Er-fahrungssätze verstößt o[X.]er wenn an [X.]ie zur Verurteilung erfor[X.]erliche Gewiß-heit überspannte Anfor[X.]erungen gestellt sin[X.] (st. Rspr., vgl. [X.] NJW 2002,2188, 2189; wistra 1999, 338, 339 jew. [X.]). [X.]s ist auch [X.]ann [X.]er Fall, wenneine nach [X.]en Feststellungen naheliegen[X.]e Schlußfolgerung nicht gezogen ist,ohne [X.]aß konkrete Grün[X.]e angeführt sin[X.], [X.]ie [X.]ieses Ergebnis stützen können(vgl. [X.] in [X.] 25. Aufl. § 261 [X.]. 47). Es ist we[X.]er im Hinblickauf [X.]en [X.] noch sonst geboten, zu Gunsten [X.]es Angeklagten von- 10 -Annahmen auszugehen, für [X.]eren Vorliegen [X.]as Beweisergebnis keine [X.] tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat ([X.] NJW 2002, 2188, 2189[X.]).c) [X.] Beweiswür[X.]igung [X.]er [X.] wir[X.] alle[X.]em nicht in [X.] gerecht.Aller[X.]ings wir[X.] [X.]ie Annahme, [X.]aß [X.]ie Art un[X.] Weise [X.]er [X.] Patienten [X.]urch einen Arzt nicht am Wohl [X.]es Patienten orientiert war,auch bei me[X.]izinisch grob fehlerhaftem Verhalten [X.]es Arztes häufig fernliegen,so [X.]aß [X.]ie aus[X.]rückliche Erörterung [X.]er Frage, ob [X.]er Arzt [X.]en Patienten [X.] an Leben o[X.]er Gesun[X.]heit geschä[X.]igt hat, nur unter beson[X.]eren Um-stän[X.]en geboten ist.Solche Umstän[X.]e liegen vor, so hat [X.]er Angeklagte nach [X.]en [X.] aus sachfrem[X.]en Motiven keinen Rettungswagen [X.]erLeitstelle [X.] angefor[X.]ert. [X.] Notwen[X.]igkeit [X.]er Prüfung vorsätzlichen [X.]s hat [X.]ie [X.] auch nicht verkannt; sie hat hierbei aber wesentli-che Gesichtspunkte nicht o[X.]er nicht umfassen[X.] erörtert:[X.]) Hätte [X.]er Angeklagte [X.]ie nachteiligen Konsequenzen vorausgesehen,[X.]ie sein Verhalten für Frau [X.]. hatten un[X.] hätte er sie (im Rechtssinne) ge-billigt, hätte er vorsätzlich gehan[X.]elt. Hätte er [X.]iese Konsequenzen [X.]agegenwegen unzulänglicher Anspannung seines Gewissens nicht vorausgesehen,hätte er fahrlässig gehan[X.]elt. Entschei[X.]en[X.] ist also, was im Innern [X.]es Ange-klagten vorgegangen ist.Grun[X.]lage von Feststellungen zu solchen "inneren Tatsachen" könnenzunächst Angaben [X.]es Angeklagten selbst sein. Hier hat [X.]er Angeklagte - wo-zu ein Angeklagter stets berechtigt ist - je[X.]es Fehlverhalten bestritten. Es ist- 11 -auch nicht ersichtlich, [X.]aß er etwa außerhalb [X.]es Verfahrens an[X.]eres erklärthabe. Daher kann sich [X.]ie Beantwortung [X.]er Frage, was [X.]er Angeklagte er-kannt o[X.]er nicht erkannt hat, we[X.]er unmittelbar noch mittelbar auf seine Anga-ben stützen. Möglich sin[X.] nur Rückschlüsse. Neben [X.]em äußeren [X.] als solchem können je nach [X.]en Umstän[X.]en [X.]es Falles auch Erkenntnissezur Interessenlage [X.]es Angeklagten ein wichtiger Anhaltspunkt sein, also [X.], was er mit [X.] bezweckte (vgl. [X.] NJW 1991, 2094 [X.]).e) [X.] einzige konkrete Erwägung, [X.]ie [X.]ie [X.] zur Verneinungvon Vorsatz anstellt, ist [X.]er Hinweis [X.]arauf, [X.]aß [X.]er Angeklagte "nach Erken-nen [X.]er lebensgefährlichen Situation ... in einer erhöhten streßbe[X.]ingten Ent-schei[X.]ungssituation stan[X.]". [X.] Annahme, es sei für einen Arzt belasten[X.],wenn als Folge einer von ihm vorgenommenen [X.] schwerwiegen[X.]eKomplikationen mit Lebensgefahr für [X.]en Patienten entstehen, ist zwar nahe-liegen[X.]; ob aller[X.]ings [X.]iese Belastung, wie [X.]ie [X.] offenbar meint,ohne weitere Ausführung erklärlich macht, [X.]aß [X.]er Angeklagte sich über vieleStun[X.]en hinweg nicht über [X.]ie zur Beseitigung o[X.]er zumin[X.]est Vermin[X.]erung[X.]er Gefahr notwen[X.]igen un[X.] möglichen Maßnahmen klar wur[X.]e, erscheint sehrfraglich, mag aber letztlich [X.]ahinstehen. [X.] [X.] hat nämlich wesentli-che Gesichtspunkte, [X.]ie eine an[X.]ere Möglichkeit zumin[X.]est ebenso nahelie-gen[X.], wenn nicht gar wesentlich näherliegen[X.] erscheinen lassen, nicht erörtert:f) Der Angeklagte hat, wie [X.]ie [X.] aus[X.]rücklich feststellt, aussachfrem[X.]en Motiven keinen Rettungswagen [X.]er Leitstelle [X.] angefor[X.]ert;er wollte nämlich nicht, [X.]aß Frau [X.]. in [X.]as St. [X.] Krankenhaus "ver-schleppt" wir[X.]. Nach [X.]en Urteilsfeststellungen erklärt [X.]er Angeklagte sein [X.] in einem Brief an [X.]en Oberbürgermeister von [X.] (auch) mit "[X.]er [X.] Auseinan[X.]ersetzung mit [X.]en Ärzten [X.]er [X.] Krankenhaus- 12 -GmbH". Unter [X.]iesen Umstän[X.]en wäre zu erörtern gewesen, ob [X.]er Ange-klagte nicht nur gegenüber [X.]er Rettungsleitstelle son[X.]ern auch gegenüber sei-nen Kollegen in [X.]er St. [X.] Klinik unter keinen Umstän[X.]en offenbar wer-[X.]en lassen wollte, [X.]aß - aus welchen Grün[X.]en auch immer - seine Patientin [X.] [X.]er [X.] in seiner Klinik innerlich erheblich verletzt war un[X.] in [X.] schwebte. [X.]se Erörterung wäre um so mehr geboten gewesen,als auch [X.]as übrige Verhalten [X.]es Angeklagten in ähnliche Richtung [X.]eutenkönnte. Er hat bei [X.]er Bestellung [X.]es Wagens in [X.][X.]en Fall nicht [X.] gekennzeichnet, er hatte ärztliche Begleitung auf [X.]em Transport von[X.] nach [X.]nicht vorgesehen un[X.] er hat nicht einmal einen Arztbriefmitgegeben.All [X.]ies hat [X.]ie [X.] nicht erörtert un[X.] [X.]ementsprechen[X.] eben-sowenig erörtert, ob [X.]er Angeklagte sich aus [X.]iesen Grün[X.]en mit Schä[X.]en fürLeib o[X.]er gar Leben von Frau [X.]. abgefun[X.]en hat, auch wenn ihm - [X.] für an[X.]eres sin[X.] nicht erkennbar - [X.]iese Konsequenzen für sichgenommen unerwünscht gewesen waren. Auch in einem solchen Fall hätte er[X.]ie Folgen für [X.]. im Rechtssinne gebilligt un[X.] [X.]amit (zumin[X.]est be[X.]ingt)vorsätzlich gehan[X.]elt (st. Rspr., vgl. [X.]ie Nachweise bei Trön[X.]le/[X.]. § 15 [X.]. [X.]) Nach alle[X.]em erweist sich [X.]ie zentrale Erwägung [X.]er [X.],Vorsatz lasse sich nicht allein aus grob pflichtwi[X.]rigem Verhalten folgern, [X.]es-halb als nicht tragfähig begrün[X.]et, weil konkrete Gesichtspunkte, [X.]ie für [X.]es Verhalten sprechen könnten, nicht erkennbar erörtert sin[X.]. All [X.]iesbezieht sich unmittelbar nur auf [X.]ie Vorgänge ab 13 Uhr. Wegen [X.]es engeninneren Zusammenhangs kann [X.]er Senat aber nicht völlig ausschließen, [X.]aßsich eine an[X.]ere Beurteilung [X.]es Geschehens ab 13 Uhr auch auf [X.]ie [X.] -tung [X.]er subjektiven Seite hinsichtlich [X.]er vorangegangenen Vorgänge auswir-ken lassen. Eine Beschränkung [X.]es Verfahrensstoffs gemäß §§ 154, 154aStPO auf [X.]ie Vorgänge ab 13 Uhr könnte möglicherweise zweckmäßig sein.h) Von alle[X.]em unberührt sin[X.] [X.]ie auch im übrigen rechtsfehlerfreienFeststellungen zum äußeren Geschehensablauf; sie können [X.]aher bestehenbleiben. Ergänzen[X.]e Feststellungen, [X.]ie zu [X.]en bisherigen Feststellungennicht in Wi[X.]erspruch stehen, bleiben je[X.]och zulässig.i) Im aufgezeigten Umfang be[X.]arf [X.]ie Sache [X.]aher neuer Verhan[X.]lungun[X.] Entschei[X.]ung. Vorsorglich weist [X.]er Senat [X.]arauf hin, [X.]aß [X.]er Angeklagte[X.]urch [X.]ie Behan[X.]lung [X.]er Patientin aktives Tun entfaltet hat, [X.]er Schwerpunkt[X.]er Verwerfbarkeit liegt nicht im Unterlassen [X.]er sachgerechten Behan[X.]lungs-maßnahmen (vgl. [X.], Beschluß vom 21. März 2002 - 1 StR 53/02).j) Mit [X.]er Aufhebung [X.]es Schul[X.]spruchs un[X.] [X.]amit auch [X.]er Strafe we-gen fahrlässiger Tötung verliert zugleich [X.]ie Ablehnung eines Berufsverbotsihre Grun[X.]lage. Daß sich [X.]iese Frage gegebenenfalls bei einer [X.] zum Nachteil eines Patienten in einem an[X.]eren Licht stellt, be[X.]arf keinerweiteren Darlegung.[X.]Wahl BoetticherHerr Ri[X.] [X.] befin[X.]etsich in Urlaub un[X.] ist [X.]eshalban [X.]er Unterschrift gehin[X.]ert [X.] [X.]

Meta

1 StR 269/02

26.06.2003

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2003, Az. 1 StR 269/02 (REWIS RS 2003, 2577)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2577

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.