Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2009, Az. IX ZB 89/06

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 5239

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[X.][X.] vom 5. Februar 2009 in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja EuGVÜ Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 ([X.] I-VO Art. 1 Abs. 2 Buchst. d) Auf einstweilige Maßnahmen staatlicher Gerichte, die der Sicherung von mate-riell-rechtlichen Ansprüchen dienen, findet das EuGVÜ oder die [X.], auch wenn über den Bestand dieser Ansprüche in der Hauptsache in einem schiedsrichterlichen Verfahren zu entscheiden ist. [X.], Beschluss vom 5. Februar 2009 - [X.]/06 - [X.]

LG München II - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Ganter, den Richter [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] und [X.] am 5. Februar 2009 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des [X.] vom 10. Mai 2006 aufgehoben. [X.] wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zu-rückverwiesen. Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 784.565 • festgesetzt. Gründe: [X.] Mit Urteil der [X.] vom 4. Oktober 2001 (Aktenzeichen: 125645/KG ZA 99-1313) wurde die Antragsgegnerin verur-teilt, innerhalb von zwei Werktagen nach Zustellung dieses Urteils als Sicherheit für die Bezahlung der Forderung der Antragstellerin, wie diese im Endurteil des 1 - 3 - Schiedsgerichts vom 1. Oktober 1993 festgesetzt worden ist, die jedoch am 27. September 2001 [X.] 730.211,52 beträgt, von einer gut beleumundeten [X.] eine Bankgarantie in dieser Höhe zu leisten. Verbunden war dies mit der Androhung eines an die Klägerin zu zahlenden Zwangsgeldes in Höhe von [X.] 5.000 für jeden Tag, den die Beklagte damit in Verzug ist, und zwar bis zu einem Betrag von maximal [X.] 1 Million. Die Antragsgegnerin wurde weiter verurteilt, die Kosten dieses summarischen Verfahrens zu tragen, die auf Seiten der Klägerin mit [X.] 587,35 an Auslagen und mit [X.] 3.000 an Honorar für die Prozessbevollmächtigten veranschlagt wurden. Auf Antrag der Rechtsbeschwerdeführerin hat der Vorsitzende einer Zi-vilkammer des [X.] angeordnet, dass das Urteil mit der [X.] zu versehen ist. 2 Auf die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das [X.] den Beschluss des [X.] aufgehoben und den Antrag auf Voll-streckbarerklärung zurückgewiesen. 3 Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Vollstreckbarerklärung weiter. 4 I[X.] Das gemäß § 15 Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsmittel ist zulässig, § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil die Entscheidung des [X.] von der Rechtsprechung des [X.] abweicht. Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere 5 - 4 - form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 15 Abs. 2 und 3, § 16 [X.], § 575 Abs. 2 bis 4 ZPO. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des [X.] ist auf die beantragte Vollstreckbarerklärung das [X.] EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die [X.] gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) anwendbar. 6 1. Das Beschwerdegericht hat zutreffend gesehen, dass sich die Mög-lichkeit der Vollstreckbarerklärung des Urteils des [X.] Gerichts, das vom 4. Oktober 2001 stammt, nicht nach der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre-ckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - im Folgenden: [X.] - vom 22. Dezember 2000 (Amtsblatt [X.] 2001 Nr. L 12 S. 1) richtet. Diese Verordnung ist gemäß ihrem Art. 76 erst am 1. März 2002 in [X.] getreten. Gemäß Art. 66, 68 EuGVVO ist deshalb auf den Streitfall das zuvor geltende EuGVÜ anzuwenden. 7 2. Das Beschwerdegericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 EuGVÜ dieses Abkommen für den vorliegenden Fall nicht gelte. Nach dieser Bestimmung ist dieses Übereinkommen nicht anwend-bar auf die Schiedsgerichtsbarkeit. 8 Das Beschwerdegericht hat gemeint, der Begriff der Schiedsgerichtsbar-keit sei weit auszulegen; darunter fielen auch Gerichtsentscheidungen, die Schiedssprüche in sich [X.]. Dies sei hier der Fall, weil das Urteil des [X.] Gerichts das Endurteil des Schiedsgerichts vom 1. Oktober 1993 9 - 5 - in sich mit aufnehme. Dies ergebe sich sowohl aus dem Tenor dieser Entschei-dung wie auch aus den Entscheidungsgründen. Diese Beurteilung hält rechtli-cher Prüfung nicht stand. a) Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.]. Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 EuGVÜ ist - nicht anders als nunmehr Art. 1 Abs. 2 Buchst. d EuGVVO - weit auszulegen. Von der Ausnahmeregelung werden alle staatsge-richtlichen Verfahren erfasst, die einem Schiedsverfahren dienen, ein Schieds-gericht unterstützen oder seine Funktionsfähigkeit herstellen sollen. So greift die Ausnahme ein, wenn Gegenstand des Rechtsstreits die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Schiedsvertrages ist, wenn ein Schiedsurteil für vollstreck-bar erklärt oder wenn es aufgehoben werden soll (vgl. [X.]/[X.]/ [X.], ZPO 29. Aufl. Art. 1 EuGVVO Rn. 9; [X.]/[X.], ZPO 27. Aufl. Art. 1 EuGVVO Rn. 43; mit kritischer Bewertung Schlosser, EU-Zivilprozess-recht, 2. Aufl. Art. 1 Rn. 23; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 8. Aufl. Art. 1 Rn. 41 ff; [X.]/Mankowski, [X.]. Art. 1 [X.] I-VO Rn. 27 ff; [X.]/Schütze, [X.]. Art. 1 Rn. 150 ff). 10 Das EuGVÜ ist insbesondere dann nicht anwendbar, wenn [X.] ernannt oder abberufen werden sollen, selbst wenn das Bestehen oder die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung nur eine Vorfrage des Rechtsstreits ist ([X.], Urt. v. 25. Juli 1991 [X.]/89, NJW 1993, 189, 190). 11 Zum Umfang des Ausschlusses der Schiedsgerichtsbarkeit gibt der Be-richt Schlosser folgende Erläuterungen: "Das EuGVÜ bezieht sich nicht auf ge-richtliche Verfahren, die einem Schiedsverfahren dienen sollen, wie etwa [X.] zur Ernennung oder Abberufung von Schiedsrichtern –. Dieses ([X.] - 6 - meint: das EuGVÜ) bezieht sich auch nicht auf Verfahren und Entscheidungen über Anträge auf Aufhebung, Änderung, Anerkennung und Vollstreckung von [X.]. Das gilt auch für Gerichtsentscheidungen, die [X.] in sich inkorporieren. –" (Schlosser Bericht Nr. 64 und 65; abgedruckt Amtsblatt Europäische Gemeinschaften 1979 Nr. [X.], 93; hierauf Bezug nehmend auch [X.], Urt. v. 17. November 1998 [X.], [X.] 1999, 413, 415 Rn. 32). b) Bei dem Urteil des [X.] Gerichts handelt es sich entgegen der Auffassung des [X.] aber nicht um ein Urteil, das das Urteil eines Schiedsgerichts in diesem Sinne unterstützte, seinen Inhalt für vollstreck-bar erklärte oder das Schiedsurteil seinem Inhalt nach inkorporierte. Das Urteil lässt das von ihm in Bezug genommene Schiedsurteil völlig unberührt. Es leitet vielmehr aus dem den Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien zugrunde liegenden Vertrag eine Verpflichtung der Antragsgegnerin ab, auf erstes [X.] der Antragstellerin Sicherheitsleistung für ihre vertraglichen Verpflichtun-gen zu erbringen (Urteil Nr. 4.2.1 Abs. 3). Die vom Schiedsgericht ausgespro-chene Verpflichtung wird weder auf Richtigkeit überprüft noch in das Urteil [X.]. Lediglich im Hinblick auf den Umstand, dass die Zahlung der An-tragsgegnerin bisher ausgeblieben ist und eine Vollstreckung des Schieds-spruchs in [X.] möglicherweise noch viele Jahre dauern könne, wurde die Erbringung einer Sicherheitsleistung in einem summarischen Verfahren an-geordnet. 13 Die Entscheidung des Schiedsurteils soll mit dem hier in Frage stehen-den Urteil des [X.] Gerichts weder vollstreckt noch für vollstreckbar erklärt werden. Auch gründet das Urteil den zu sichernden Anspruch nicht auf die Unanfechtbarkeit jenes Schiedsspruchs. Dieser wird vielmehr nur in Bezug 14 - 7 - genommen zur näheren Bezeichnung der materiellen Forderung, für die [X.] geleistet werden soll. Der Anspruch auf Sicherheitsleistung wird [X.] aus dem zugrunde liegenden Vertrag abgeleitet. c) Von der Regelung des Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 EuGVÜ werden nicht erfasst einstweilige Maßnahmen, die lediglich der Sicherung eines Anspruchs dienen, nicht aber der Durchführung des Schiedsverfahrens oder der Vollstreckung des Schiedsurteils ([X.]/[X.]/[X.], aaO Art. 1 Rn. 9 a.E.; [X.]/[X.], aaO Art. 1 EuGVVO Rn. 45 a.E.; [X.] in [X.]/Schütze, aaO Art. 1 Rn. 164; [X.]/Mankowski, aaO Art. 1 [X.] I-VO Rn. 28b; [X.] - 25 W 1067/00, [X.] 2000, 266, 267). 15 Dies ergibt sich entgegen der Auffassung des [X.] ins-besondere auch aus dem Urteil des [X.] vom 17. No-vember 1998 (aaO S. 415; vgl. auch Urt. v. 27. April 1999 - [X.], [X.] 1999, 727, 729 f). Danach sind einstweilige Maßnahmen grundsätzlich nicht auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens gerichtet; sie werden vielmehr paral-lel zu einem solchen Verfahren angeordnet. Gegenstand einer solchen Maß-nahme ist nicht die Schiedsgerichtsbarkeit, sondern die Sicherung der [X.]. Daher bestimmt sich die Anwendung des Übereinkommens auf eine einst-weilige Maßnahme nicht nach deren Rechtsnatur, sondern nach derjenigen der durch sie gesicherten Ansprüche (vgl. auch [X.] aaO). 16 Bei den gesicherten Ansprüchen handelt es sich um zivilgerichtliche An-sprüche nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ. Entgegen der Auffassung des [X.] geht es nicht um die Sicherung des Anspruchs aus einem bereits unanfechtbar gewordenen Schiedsspruch, sondern um die Sicherung der Durchsetzung des materiell-rechtlichen Anspruchs, der daneben allerdings 17 - 8 - Gegenstand des schiedsgerichtlichen Verfahrens war. Auf die Vollstreckbarer-klärung und [X.] ist deshalb das Übereinkommen anwendbar. 3. Da das Beschwerdegericht die Anwendbarkeit des EuGVÜ zu Unrecht verneint hat, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Das Beschwerdegericht wird nun-mehr zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für eine Vollstreckbarerklärung nach dem Übereinkommen vorliegen. 18 Ganter [X.] [X.]
[X.] Pape Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 19.01.2006 - 13 O 7300/05 - [X.], Entscheidung vom 10.05.2006 - 25 W 884/06 -

Meta

IX ZB 89/06

05.02.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2009, Az. IX ZB 89/06 (REWIS RS 2009, 5239)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 5239

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