Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2005, Az. IV ZR 89/05

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1279

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL [X.]

Verkündet am:

19. Oktober 2005

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

[X.] § 12 Abs. 3

1. Das Berufen auf den Ablauf einer zuvor nach § 12 Abs. 3 [X.] gesetzten Klag-frist steht im Prozess zur Disposition des Versicherers. Das Gericht hat den Fristablauf deshalb nur dann zu beachten, wenn sich der Versicherer im [X.] ausdrücklich darauf beruft. Eine Prüfung von Amts wegen kommt insoweit nicht in Betracht (Fortführung von [X.], Urteil vom 27. November 1958 - [X.]/57 - NJW 1959, 241).
2. Beruft ein Versicherer sich auf den Ablauf der Klagfrist erstmals in der Beru-fungsinstanz, so liegt allein darin weder ein (erstinstanzlich konkludent erklärter) Verzicht auf die sich aus § 12 Abs. 3 [X.] ergebende Leistungsfreiheit noch ein Rechtsmissbrauch.
3. Auch die Auslegung des § 12 Abs. 3 [X.] ergibt keine Verpflichtung des [X.], den Ablauf der Klagfrist im Prozess unverzüglich geltend zu machen.

[X.], Urteil vom 19. Oktober 2005 - [X.] - [X.]

[X.] - 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2005

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 24. November 2004 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Leistungen aus einer bei der [X.] gehal-tenen [X.]. Ende September 2001 zeigte er der [X.] seine Berufsunfähigkeit an und beantragte [X.] im Oktober 2001 Versicherungsleistungen. Die [X.] erklärte mit Schreiben vom 17. Dezember 2001 den Rücktritt vom Versicherungsver-trag, den sie mit weiterem Schreiben vom 1. März 2002, welches dem Kläger am 7. März 2002 zuging, damit begründete, der Kläger habe bei Beantragung des Versicherungsvertrages mehrere Krankenhausaufent-halte und eine neunjährige psychiatrische Betreuung verschwiegen. In dem Schreiben heißt es weiter:
"Da die verschwiegenen Umstände jetzt wesentlich für die Geltendmachung von Leistungen aus der [X.] sind, treten wir – von der [X.] zurück – 1 - 3 -

Sollten Sie mit unserer Entscheidung nicht einverstanden sein, so müssten Sie Ihre vermeintlichen Ansprüche inner-halb einer Frist von 6 Monaten - gerechnet ab Zugang dieses Schreibens - gerichtlich gegen uns geltend machen. [X.] Sie diese Frist, so sind wir gemäß § 12 III Versiche-rungsvertragsgesetz allein schon wegen des Fristablaufs von der Verpflichtung zur Leistung frei."

Mit einem am 5. September 2002 beim [X.] eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger Prozesskosten-hilfe für eine Klage gegen die [X.]. Der Vorsitzende der mit dem [X.] befassten Zivilkammer wies den Kläger am 9. September 2002 auf die örtliche Zuständigkeit des für den Sitz der [X.] zuständigen [X.] hin. In dem Schreiben wird deshalb ein "Abgabeantrag" an-geregt. Es schließt mit dem Hinweis:
"Für die Wahrung der 6-Monatsfrist ist der Eingang Ihrer An-träge bei dem hiesigen Gericht ausschlaggebend."

Auf Antrag des [X.] wurde die Sache sodann an das für den Sitz der [X.] örtlich zuständige [X.] abgegeben. Dieses forderte den Kläger mit Schreiben vom 20. September 2002 zunächst auf, Vertragsunterlagen und Schriftwechsel der Parteien als Anlagen nachzureichen, sowie den amtlichen Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausgefüllt vorzulegen. Bei Gericht einge-hend am 11. Oktober 2002 reichte der Kläger den ausgefüllten Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach. Mit Schreiben vom 24. Januar 2003 stellte das [X.] dem Kläger [X.]kostenhilfe für den Fall in Aussicht, dass er einen konkreten Klagan-trag mitteile, und empfahl dem Kläger, nunmehr einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen, der im Prozesskostenhilfeverfahren 2 3 - 4 -

beigeordnet werden könne. Die daraufhin beauftragten Rechtsanwälte zeigten mit [X.] vom 10. Februar 2003 die Vertretung des [X.] an und nahmen Mitte Februar 2003 Akteneinsicht. Mit Verfügung vom 14. April 2003 forderte das [X.] die Rechtsanwälte zur Einrei-chung eines Klagentwurfes bis zum 9. Mai 2003 auf. Am 9. Mai 2003 wurde der Entwurf vorgelegt. Mit Beschluss vom 27. Mai 2003 bewilligte das [X.] dem Kläger Prozesskostenhilfe. Die daraufhin am 4. Juni 2003 bei Gericht eingereichte [X.] wurde der [X.] am 12. Juni 2003 zugestellt.

Das [X.] hat nach einer Beweisaufnahme den Rücktritt der [X.] vom Versicherungsvertrag für wirksam erachtet und die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat sich die [X.] auf die Nicht-einhaltung der Klagfrist des § 12 Abs. 3 [X.] berufen. Das Berufungsge-richt hat die Berufung des [X.] deshalb zurückgewiesen. Mit der [X.] verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

[X.] Ob die [X.] wirksam vom Versicherungsvertrag zurückgetre-ten ist, hat das Berufungsgericht offen gelassen und stattdessen ange-nommen, sie sei bereits nach § 12 Abs. 3 [X.] leistungsfrei. Im [X.] vom 1. März 2002 habe sie die vom Kläger erhobenen Ansprüche endgültig abgelehnt und ihn ausreichend über die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 3 [X.] belehrt. 4 5 6 - 5 -

Da die Frist des § 12 Abs. 3 [X.] eine materielle Ausschlussfrist sei, sei sie vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten. Darauf komme es hier aber letztlich nicht an, weil sich die [X.] in zweiter Instanz auch auf die Versäumung der Klagfrist berufen habe und § 531 Abs. 2 ZPO der Berücksichtigung dieses unstreitigen Parteivorbringens nicht entgegenstehe. Unstreitig seien insoweit nicht nur die Berufung auf § 12 Abs. 3 [X.], sondern auch die [X.], auf die sich die [X.] dabei stütze.

Das Prozesskostenhilfegesuch des [X.] sei zwar zunächst noch innerhalb der 6-Monatsfrist des § 12 Abs. 3 [X.] bei Gericht einge-gangen, doch wahre ein Prozesskostenhilfegesuch die Frist im Ergebnis nur dann, wenn der Versicherungsnehmer nachfolgend alles ihm Zumut-bare veranlasse, damit es "demnächst" im Sinne von § 270 ZPO a.F. zu einer Zustellung der Klage komme. [X.] Versäumnisse seines Rechtsanwalts müsse er sich dabei nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Hier sei eine erhebliche und schuldhafte Verzögerung des [X.]kostenhilfeverfahrens - und damit auch der Klagzustellung - dadurch eingetreten, dass der Prozessbevollmächtigte des [X.] nach [X.] Mitte Februar 2003 den Klagentwurf nicht alsbald, sondern erst aufgrund der Verfügung des [X.] vom 14. April 2003 am 9. Mai 2003 eingereicht habe.

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung nur im Ergebnis stand. 7 8 9 - 6 -

1. Anders als die Revision meint, hat die [X.] mit ihrem Schreiben vom 1. März 2002 die vom Kläger zuvor erhobenen Ansprüche auf Versicherungsleistungen abgelehnt, so dass der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 3 [X.] eröffnet ist. Zwar wird in dem Schreiben vorwie-gend der schon mit vorangegangenem Schreiben vom 17. Dezember 2001 erklärte Rücktritt von der [X.] näher begründet. Die [X.] hat aber auch klar zum Ausdruck ge-bracht, dass die "verschwiegenen Umstände jetzt wesentlich für die Gel-tendmachung von Leistungen aus der [X.]" seien. Verbunden mit der nachfolgenden Belehrung, nach der der Kläger seine "vermeintlichen Ansprüche" - und nicht etwa [X.] gegen den Rücktritt - innerhalb der Frist des § 12 Abs. 3 [X.] gerichtlich geltend machen müsse, konnte ein verständiger Versiche-rungsnehmer das Schreiben nur dahin verstehen, dass darin nicht nur der Rücktritt begründet, sondern zugleich der erhobene Anspruch auf Versicherungsleistungen infolge des Rücktritts zurückgewiesen werden sollte. Gegen die von der [X.] erteilte Rechtsfolgenbelehrung nach § 12 Abs. 3 Satz 2 [X.] bestehen keine rechtlichen Bedenken.

2. Der Kläger hat die Frist des § 12 Abs. 3 [X.] versäumt.

a) Das Leistungsablehnungsschreiben der [X.] ist ihm am 7. März 2002 zugegangen. Die Frist des § 12 Abs. 3 [X.] lief deshalb am 7. September 2002 ab. Vor Fristablauf hat der Kläger seine [X.] nicht ordnungsgemäß gerichtlich geltend gemacht.

b) Zwar kann für die gerichtliche Geltendmachung auch die Einrei-chung eines Prozesskostenhilfegesuchs genügen (vgl. dazu [X.]Z 98, 10 11 12 13 - 7 -

295, 300 f.). Doch wahrt dieses eine gesetzliche Frist nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn es vor Fristablauf in ordnungsgemäßer Form bei Gericht eingeht (vgl. für die Wiedereinsetzung nach der [X.] von Rechtsmittelfristen: [X.], Beschlüsse vom 19. Mai 2004 - [X.] 11/03 - FamRZ 2004, 1548 unter [X.]; vom 12. Februar 2003 - [X.]/02 - FamRZ 2003, 668 und ständig; für die Unterbrechung und Hemmung der Verjährung: [X.]Z 70, 235, 237, 239; [X.], Urteile vom 8. März 1989 - [X.] - [X.], 642; vom 29. Oktober 2003 - [X.] - FamRZ 2004, 177 unter II 1; für die Frist des § 12 Abs. 3 [X.]: [X.]Z 98 [X.]O und Urteil vom 8. März 1989 - [X.] - NJW-RR 1989, 675 unter 1). Dazu gehört gemäß § 117 Abs. 2 und 4 ZPO, dass dem Gesuch der ausgefüllte Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt wird ([X.], Beschlüsse vom 19. Mai 2004 [X.]O m.w.[X.]; vom 31. August 2005 - [X.] - unter [X.]).

c) Daran fehlt es hier. Der Kläger hat den ausgefüllten Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst nach ge-richtlicher Aufforderung am 11. Oktober 2002 - und damit nach dem schon am 7. September 2002 eingetretenen Fristablauf - zur Akte nach-gereicht. Zuvor hatte er zwar bereits einen Leistungsbescheid der zu-ständigen Sozialbehörde über ihm gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt und Mietzuschuss nach den Bestimmungen des Sozialhilfegesetzes vor-gelegt. Auch dieser Bescheid war aber für sich allein zur ordnungsgemä-ßen Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausreichend und überdies erst mit [X.] vom 12. September 2002 - und damit ebenfalls nach Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 [X.] - bei Gericht eingegangen. 14 - 8 -

d) Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob daran festzu-halten sei, dass ein (ordnungsgemäßes) Prozesskostenhilfegesuch die Frist des § 12 Abs. 3 [X.] nur dann wahre, wenn der Versicherungs-nehmer alles ihm Zumutbare für eine Klagzustellung "demnächst" unter-nehme ([X.]Z 98, 295, 301; [X.] ZfS 2004, 477; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 27. Aufl. § 12 Rdn. 64 m.w.[X.]), kommt es danach nicht mehr an. Ebenso wenig ist es für die Entscheidung noch von [X.], dass das vom Kläger zunächst angerufene [X.] seines Wohnortes mit dem Hinweis, für die Wahrung der 6-Monatsfrist sei der Eingang des [X.] "ausschlaggebend", dem Kläger den Blick darauf verstellt haben kann, dass er (auch bei ei-nem ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfegesuch) gehalten gewesen wäre, im Weiteren für die baldige Zustellung ("demnächst") durch zumut-bare Anstrengungen Sorge zu tragen.

3. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, um zunächst die Frage zu klären, ob die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 12 Abs. 3 [X.] nur dann eintritt, wenn sich der Versicherer im Prozess dar-auf beruft (so [X.], Urteil vom 27. November 1958 - [X.]/57 - NJW 1959, 241; [X.] r+s 1991, 361; [X.] 56/23; [X.] in [X.]/Langheid, [X.] 2. Aufl. § 12 Rdn. 32) oder ob der Ablauf einer vom Versicherer nach § 12 Abs. 3 [X.] ordnungsgemäß in Lauf gesetzten Frist vom Gericht von Amts wegen beachtet werden muss (so u.a. [X.] in [X.]/[X.] [X.]O Rdn. 45 m.w.[X.]; [X.] in [X.], [X.] § 12 Rdn. 45 m.w.[X.]; KG VersR 1984, 977).
15 16 - 9 -

a) Der Senat hält daran fest, dass die Berufung auf den Fristablauf zur Disposition des Versicherers steht ([X.] [X.]O). Daraus folgt, dass das Gericht den Fristablauf nur dann zu beachten hat, wenn sich der Versicherer im Prozess ausdrücklich darauf beruft. Denn die Frist des § 12 Abs. 3 [X.] ist allein im Interesse des Versicherers geschaffen; ihm allein überlässt es das Gesetz, ob und wann er die Frist durch seine - mit einer Rechtsfolgenbelehrung verbundene - Erklärung in Lauf setzt. Ihm steht es auch danach noch offen, die in Lauf gesetzte Frist nachträglich durch einseitige Erklärung zu verlängern (vgl. dazu [X.] [X.]O; [X.][X.], [X.] § 21 Rdn. 150) oder auch erneut in Lauf zu setzen. Es ist deshalb Sache des Versicherers, im gerichtlichen Verfahren klarzustellen, dass er sich auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 [X.] berufen will; eine Prüfung von Amts wegen kommt insoweit nicht in Betracht.

b) Im Ergebnis kommt es darauf hier aber nicht einmal an, weil sich die [X.] in zweiter Instanz auf den Ablauf der nach § 12 Abs. 3 [X.] gesetzten Frist berufen hat und ihr diese Verteidigung weder wegen prozessualer Verspätung noch infolge eines Verzichts oder wegen Rechtsmissbrauchs abgeschnitten war.

[X.]) Zu Recht hat das Berufungsgericht die erst in zweiter Instanz nachgeholte Berufung der [X.] auf den Ablauf der Klagfrist [X.]. § 531 Abs. 2 ZPO stand dem insoweit unstreitigen Vorbringen der [X.] nicht entgegen ([X.], Urteil vom 18. November 2004 - [X.], 99 unter [X.]). Unstreitig waren hier sowohl der Umstand, dass sich die [X.] in zweiter Instanz auf den Fristablauf 17 18 19 - 10 -

berufen wollte, als auch die aus der Akte ersichtlichen Prozesstatsachen, aus denen sich die Fristversäumnis des [X.] ergibt.

[X.]) Im Übrigen gilt: Der Versicherer kann sich so lange auf den sich aus § 12 Abs. 3 [X.] für ihn ergebenden Rechtsvorteil berufen, wie er ihn nicht verloren hat. Allein der Beginn eines Rechtsstreits über den vom Versicherungsnehmer erhobenen Anspruch auf [X.] kann den [X.], der nach materiellem Recht zu beurtei-len ist, nicht herbeiführen (vgl. für das Berufen auf Obliegenheitsverlet-zungen [X.] [X.]O § 6 Rdn. 140).

(1) Der teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, es könne ohne weiteres als Verzicht des Versicherers auf die sich aus § 12 Abs. 3 [X.] ergebende Leistungsfreiheit verstanden werden, wenn er sich in Kenntnis der Fristüberschreitung im Rechtsstreit erster Instanz nicht darauf berufe (so z.B. OLG S[X.]rbrücken r+s 1994, 196, 197; [X.] VersR 1982, 260; ähnlich für Obliegenheitsverletzungen: [X.] VersR 1993, 425; a.A. [X.], 169 mit zust. [X.]. [X.], [X.], 853), ist nicht zu folgen.

Der Verzicht ist eine rechtsgestaltene Willenserklärung, mit der der Erklärende eine ihm günstige Rechtsposition endgültig aufgibt. Das setzt einen in der Erklärung zum Ausdruck kommenden [X.]. Insoweit ist das Gebot einer interessegerechten Auslegung in be-sonderem Maße zu beachten ([X.], Urteil vom 15. Januar 2002 - [X.]/00 - [X.], 822 unter 4 m.w.[X.]). Hat der Erklärende eine ihm günstige Rechtsposition erlangt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass er sie nicht einfach wieder aufgeben will ([X.] [X.]O m.w.[X.]). Ein 20 21 22 - 11 -

Verzicht ist deshalb nach der Rechtsprechung des [X.] im Allgemeinen nicht zu vermuten ([X.] Urteil vom 16. November 1993 - [X.] - [X.], 13 unter [X.]). Gerade dann, wenn ein still-schweigender Verzicht angenommen werden soll, erfordert dies ein [X.], aus dem - nach Bewertung aller Fallumstände - unzweideutig der Wille entnommen werden kann, die günstige Rechtsposition aufzugeben ([X.] [X.]O). Es müssen dann zum Schweigen ganz besondere Umstände hinzutreten, denen der [X.] einen solchen Aufgabewillen entnehmen kann. Regelmäßig wird die Annahme eines stillschweigenden Verzichts schon dann ausscheiden, wenn kein nachvollziehbares Motiv dafür zu erkennen ist (vgl. dazu [X.], Urteil vom 10. Mai 2001 - [X.]/00 - [X.], 1387 unter [X.]).

Nach diesen Maßstäben kann allein der Umstand, dass sich ein Versicherer im Rechtsstreit erster Instanz trotz vorangegangener Frist-setzung nach § 12 Abs. 3 [X.] (noch) nicht auf dessen Rechtsfolge [X.], nicht als Verzicht verstanden werden, denn der Versicherer kann sich aus unterschiedlichen Gründen so verhalten. Er kann beispielsweise vorrangig die Klärung anderweitiger Fragen bezwecken oder glauben, den Rechtsstreit auch aus anderen Gründen zu gewinnen (so zutreffend [X.] VersR 1995, 819). Er kann ferner im Zweifel darüber sein, ob die gerichtliche Geltendmachung der vom Versicherungsnehmer er-hobenen Ansprüche den rechtlichen Anforderungen an die [X.] genügt. Ein anderes Verständnis seines Verhaltens kommt nur dort in Betracht, wo besondere Umstände hinzutreten, aus denen mit [X.] Sicherheit auf einen Rechtsaufgabewillen geschlossen werden kann.
23 - 12 -

Solche besonderen Umstände sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

(2) Auch der Vorwurf eines Rechtsmissbrauchs kann nicht allein daran geknüpft werden, dass sich die [X.] erst in zweiter Instanz auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 [X.] berufen hat.

Soweit zur Prüfung der Leistungsfreiheit streitiger Parteivortrag be-rücksichtigt werden muss, ergibt sich ein ausreichendes Korrektiv für die späte Geltendmachung aus den Präklusionsvorschriften der Zivilpro-zessordnung. Ein Rechtsmissbrauch im Sinne des § 242 BGB kann erst dann gegeben sein, wenn besondere Umstände hinzutreten, die geeignet sind, ein Vertrauen des Versicherungsnehmers darauf zu begründen, der Versicherer werde trotz vorangegangener Fristsetzung und Rechtsfol-genbelehrung die ihm daraus erwachsenden Rechtsvorteile nicht mehr in Anspruch nehmen. Dass der Versicherer sich gegen den erhobenen [X.] auf Versicherungsleistungen zunächst mit anderen Verteidi-gungsmitteln zur Wehr setzt, begründet für sich genommen ein solches Vertrauen nicht. Insoweit gelten dieselben Erwägungen, die auch der Annahme eines Verzichts des Versicherers entgegenstehen.

(3) Der Senat hat schließlich erwogen, ob § 12 Abs. 3 [X.] dahin auszulegen ist, dass der Versicherer verpflichtet sei, die Versäumung ei-ner zuvor gesetzten Klagfrist im Prozess unverzüglich geltend zu ma-chen. Dafür könnte allenfalls sprechen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung den Zweck verfolgt hat, im Interesse des Versicherers eine schnelle und endgültige Klärung herbeizuführen, ob eine Leistungsab-lehnung Bestand hat, und dem Versicherer so die Übersicht über seine 24 25 26 27 - 13 -

Verbindlichkeiten zu erleichtern (vgl. dazu [X.], [X.]O § 12 Rdn. 21 m.w.[X.]; [X.], [X.]O § 12 Rdn. 32).

Der Versicherer setzt sich zu diesem Normzweck aber nicht in [X.], wenn er sich im Prozess auf den Ablauf einer zuvor gesetzten Klagfrist erst in zweiter Instanz beruft. § 12 Abs. 3 [X.] dient allein sei-nem Interesse und ist lediglich darauf gerichtet, nach einer Leistungsab-lehnung eine schnelle Entscheidung des Versicherungsnehmers darüber zu erzwingen, ob dieser seinen Anspruch gerichtlich geltend machen will oder nicht. Kommt es zum Rechtsstreit, so weiß der Versicherer, dass seine Leistungsablehnung einer gerichtlichen Prüfung unterzogen wird. Sein von § 12 Abs. 3 [X.] geschütztes Informationsbedürfnis ist damit 28 - 14 -

erfüllt. Eine Pflicht, den sich aus § 12 Abs. 3 [X.] ergebenden Rechts-vorteil im Rechtsstreit umgehend geltend zu machen, lässt sich der [X.] nicht entnehmen, sie entspräche auch häufig nicht dem Interesse des Versicherungsnehmers.

[X.] [X.] [X.]

[X.]

Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom - 2 O 540/02 - [X.], Entscheidung vom 24.11.2004 - 3 U 232/03 -

Meta

IV ZR 89/05

19.10.2005

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2005, Az. IV ZR 89/05 (REWIS RS 2005, 1279)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1279

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