Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.10.2016, Az. 27 W (pat) 17/15

27. Senat | REWIS RS 2016, 3721

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "CAMPUS (IR-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke 1 053 430

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2016 durch die Richter [X.], Dr. Söchtig und die Richterin kraft Auftrags Seyfarth

beschlossen:

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse des [X.], Markenstelle für Klasse 25 IR, vom 27. November 2012 und 21. Januar 2015 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die unter der Nummer [X.] 053 430 international registrierte Wortmarke

2

[X.]

3

beansprucht Schutz in der [X.] für die Ware „footware“.

4

Das [X.] ([X.]), Markenstelle für Klasse 25 Internationale Markenregistrierung, hat dieser international registrierten Marke nach vorangegangener Beanstandung den Schutz in der [X.] mit Beschlüssen vom 27. November 2012 und - im Erinnerungsverfahren - 21. Januar 2015 verweigert.

5

Nach den einschlägigen Grundsätzen komme die [X.] [X.] für die registrierten Waren als beschreibende Sachangabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] in Betracht. Die von der internationalen Registrierung umfassten Artikel richteten sich an den auf Schuhmode spezialisierten Fachhandel sowie an den auch bei Schuhwaren modebewussten Durchschnittsverbraucher. Im fraglichen Produktsegment sei es Usus, Schuhgattungen in der [X.] z. B. mit Loafers, Sneakers und Boots zu bezeichnen. Auch sei es üblich geworden, für modische Stilrichtungen schlagwortartig verkürzt und vorzugsweise in [X.] auf spezielle Stilrichtungen (Retro, Vintage) bzw. Bestimmung oder Zielgruppe hinzuweisen (Outdoor, College, [X.], [X.], Office). Letzteres sei bei [X.] der Fall, dem aus dem [X.] stammenden Wort, das in der Bedeutung „Gesamtanlage einer Hochschule“,  „[X.]sgelände“ in den [X.] Wortschatz eingegangen sei. Der Begriff werde in Verbindung mit den vorliegend beanspruchten Produkten nicht als Fantasiewort, sondern als eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten modischen Stilrichtung ([X.]mode, [X.]) verstanden. Der Eignung als beschreibende Angabe stehe auch nicht entgegen, dass das Wort [X.] nur allgemein die Stilrichtung der so gekennzeichneten Waren bezeichne, ohne [X.] konkret Aussehen und Form benannt werden könnten. Denn auch vage und allgemeine Angaben könnten als verbraucherorientierte Sachverhalte zu bewerten sein, gerade bei Stilrichtungen sei eine gewisse Allgemeinheit und Unschärfe unvermeidbar, um einen möglichst weiten Bereich warenbezogener Eigenschaften erfassen zu können. Darüber hinaus entbehre die Marke auch jeglicher Unterscheidungskraft, da sie die Stilrichtung und damit eine für den Fachverkehr und die Verbraucher verkehrswesentliche Eigenschaft beschreiben könne.

6

Hiergegen wendet sich die Inhaberin der Schutz suchenden Marke mit ihrer Beschwerde. Die Marke [X.] sei keineswegs glatt beschreibend, lasse im Gegenteil dem Verkehr einen erheblichen Spielraum, um seine Phantasie auszuüben. Der Marke [X.] fehle es an jeglichem unmittelbar beschreibenden Gehalt in Bezug auf die beanspruchten Schuhwaren. Dem Amt sei es nicht gelungen, belastbare und widerspruchsfreie Fundstellen anzuführen, die ein solches Verständnis belegen würden, es bleibe vollkommen offen, welche Eigenschaften denn grundsätzlich mit [X.] beschrieben werden sollten. An einer [X.] werde jegliche Art von Bekleidungsstil getragen; Professoren trügen durchaus Anzug und Krawatte, wissenschaftliche Mitarbeiter häufig gepflegte Kleidung und Hemden, das Bild der Studenten gehe weit auseinander, vom Anzugträger bis hin zu Studenten mit kurzen Hosen/T-Shirts treffe man jeden Charakter und vollkommen unterschiedliche Stile an, der [X.]sklinikbereich habe ebenfalls eigene Regeln.

7

Dasselbe gelte selbstverständlich für die beanspruchten Schuhe. DEN einen Modestil an einer [X.] gebe es nicht. Daher sei auch nicht denkbar, dass der Verkehr unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken an irgendwelche konkreten Merkmale der beanspruchten Schuhe denke, wenn er mit dem Zeichen [X.] konfrontiert werde. Allenfalls liege ein sprechendes Zeichen vor, welches bestimmte Eigenschaften lediglich andeutet, die konkrete Gestaltung der Eigenschaft allerdings der Phantasie des Betrachters überlässt. Die Inhaberin der Schutz suchenden Marke beantragt,

8

die Beschlüsse des [X.], Markenstelle für Klasse 25, vom 21. Januar 2015 und 27. November 2012 aufzuheben.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse des [X.], den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Inhaberin der Schutz suchenden Marke und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gem. § 66 Abs. 1 [X.] zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Da der Schutz suchenden Marke [X.] 053 430 keine Schutzhindernisse gem. §§ 8 Abs. 2, 37 Abs. 1, 113 Abs. 1, 119, 124 [X.] entgegenstehen, waren die angegriffenen Beschlüsse des [X.], Markenstelle für Klasse 25 Internationale Markenregistrierung, aufzuheben.

Der Schutzgewährung zugunsten der beschwerdegegenständlichen [X.] steht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht entgegen.

Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist erfüllt, wenn das Schutz suchende Zeichen ausschließlich aus Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Nach der Rechtsprechung des [X.] verfolgt die Art. 3 Abs. 1 Buchst. [X.] in nationales Recht umsetzende Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass sämtliche Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren beschreiben, von [X.] frei verwendet werden können ([X.] GRUR 1999, 723, [X.]. 25 – [X.]). Diese Vorschrift gebietet die Versagung der Eintragung auch dann, wenn die fragliche Benutzung als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (vgl. [X.] GRUR 2004, 674 – Postkantoor; [X.] 2014, 565, [X.]. 28 – smartbook; [X.], [X.], 276 [X.]. 8 – Institut der Nord[X.] Wirtschaft e.  V.). Für die Beurteilung der Eignung eines Zeichens als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen steht § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] der Schutzgewährung zugunsten des Schutz suchenden Zeichens nicht entgegen.

Das Wort [X.] wird der von den beanspruchten Schuhwaren in erster Linie angesprochene, markenbewusste Endverbraucher, aber auch der Teilnehmer im Schuhandel, zunächst als Bezeichnung einer Hochschuleinrichtung verstehen. Da sich mittlerweile allerdings auch andere Einrichtungen oder Unternehmensteile, in denen entwicklungs- und lösungsorientierte Tätigkeiten ausgeübt werden, als „so-und so“ - [X.] bezeichnen, ist das Begriffsverständnis nicht mehr nur auf universitäre Bereiche beschränkt.

Entgegen der Ansicht des [X.] in den angegriffenen Beschlüssen ergibt sich aus dem Umstand, dass [X.] als [X.]s- oder ‚Denk-‘gelände verstanden wird, keine Merkmalsangabe für Schuhwaren im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Anders als der [X.], der für manche Loafer geläufig ist, ist ein  [X.]-Schuh als solcher unbekannt.

Auch soweit nach den Recherchen des [X.] ein [X.]-Stil erwähnt ist, ergibt sich daraus kein Hinweis, wie dieser denn beschaffen sein soll. Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen der Markeninhaberin im Schriftsatz vom 25. August 2015 unter [X.] 2. – 5. ([X.]. 30 Bd. 1 d. A.) verwiesen werden. Die von den angefochtenen Entscheidungen bemühten Belege ergeben zwar, dass deutlich nach dem Anmeldedatum einige wenige Quellen einen [X.]-Style erwähnen, ohne dass diesen zu entnehmen wäre, ein solcher Stil sei über den jeweiligen Artikel hinaus auch nur oberflächlich bekannt. Die einzelnen Quellen gehen darüber hinaus von völlig unterschiedlichen, angeblich stilbildenden Elementen aus. So sei dieser Stil lässig, gleichzeitig eher formell (Faltenröcke) oder ein Protest-Look. Auch nach Recherchen des Senats läßt sich ein in seiner Prägung einheitlich bekannter [X.]-Stil nicht belegen. So fand sich auf den Anmeldezeitpunkt bezogen in [X.] 07/2010 ein 'schicker [X.]-Stil fürs Büro', was sich in die Widersprüchlichkeit der vom [X.] herangezogenen Quellen einreiht. [X.] stellt am 27. Oktober 2014 unter dem Titel 'Das trägt der [X.]' in Frage, ob Codes wie‚ der Jurist im Poloshirt, der Soziologe im Parka‘ noch Gültigkeit beanspruchen. Es ist letztlich nicht festzustellen, dass [X.] im Zusammenhang mit Schuhwaren eine verständliche Aussage treffen würde, die auf Merkmale des Schuhs Schlüsse erlaubte. Auch als Bestimmungsangabe ist das Zeichen nicht geeignet, da sich aus dem Umstand, die Schuhe würden zur Uni getragen, keinerlei die Auswahl bestimmende oder nur einschränkende Gesichtspunkte ergeben, vielmehr jede Art von Schuhen auf einem [X.] getragen werden. In universitären Einrichtungen mag man vordergründig an bequemeres Schuhwerk denken, allerdings kommen hier fraglos auch [X.]-Schuhe oder laborgeeignete Sicherheitsschuhe in Betracht. In außerakademischen [X.] Einrichtungen gilt nichts anderes, so dass der Begriff keine Sachangaben für Schuhwaren enthält.

Ebenso wenig steht dem Schutzersuchen das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen.

§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] schließt von der Eintragung als Marke Zeichen aus, denen für die in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist dabei die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 428, [X.]. 30, 31 –[X.]; [X.] 2006, 850, [X.]. 18 – [X.]; [X.] 2009, 952, [X.]. 9 –[X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] GRUR 2006, 229, [X.]. 27 – BioID; [X.] GRUR 2008, 608, [X.]. 66 –[X.]; [X.], [X.], 565, [X.]. 12 – smartbook; [X.] 2009, 952, [X.]. 9 – [X.]).

Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, die einen beschreibenden Begriffsinhalt enthalten, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht. Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht ([X.] 2012, 1143, [X.]. 9 - [X.]; [X.] 2009, 952, [X.]. 10 – [X.]; [X.] 2006, 850, [X.]. 19 – [X.]; [X.], [X.], 417 – Berlin-Card).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Unterscheidungskraft des Schutz suchenden Zeichens auf dem Gebiet der vorliegend beanspruchten Waren „footware“ zu bejahen. Wie im Rahmen der Prüfung des Freihaltebedürfnisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] bereits ausgeführt, kommt dem Schutz suchenden Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren gerade kein beschreibender Begriffsinhalt zu, den die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfassen. Ebenso wenig stellt die Bezeichnung [X.] einen engen beschreibenden Bezug zu Schuhwaren der Klasse 25 her.

Meta

27 W (pat) 17/15

19.10.2016

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.10.2016, Az. 27 W (pat) 17/15 (REWIS RS 2016, 3721)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3721

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