Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.01.2024, Az. VI B 37/23

6. Senat | REWIS RS 2024, 167

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Gegenstand

Zu den Anforderungen an ein elektronisches Fahrtenbuch


Leitsatz

NV: Ein Fahrtenbuch muss in geschlossener Form geführt werden. Eine mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei genügt diesen Anforderungen nur, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder zumindest in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offen gelegt werden (Bestätigung des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 16.11.2005 - VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410).

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 16.05.2023 - 3 K 1219/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

2

1. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O zuzulassen. Das Finanzgericht ([X.]) ist nicht von den angeblichen Divergenzentscheidungen des [X.] ([X.]) abgewichen.

3

a) Eine Divergenz im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O ist gegeben, wenn das [X.] mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung des [X.], eines anderen obersten Bundesgerichts oder eines [X.] abgewichen ist. Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (z.B. [X.]-Beschlüsse vom 27.10.2017 - IX B 90/17, Rz 2 und vom 08.05.2018 - VIII B 124/17, Rz 11; [X.]sbeschluss vom 16.10.2020 - VI B 13/20, Rz 15). Nicht erforderlich ist, dass der abstrakte Rechtssatz nach Art eines Leitsatzes in den Gründen des angefochtenen Urteils formuliert ist; er kann sich auch aus scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen ergeben ([X.]-Beschluss vom 23.04.1992 - VIII B 49/90, [X.]E 167, 488, [X.] 1992, 671 und [X.]sbeschluss vom 11.12.2015 - VI B 53/15, Rz 3). Keine Abweichung liegt dagegen vor, wenn das [X.] offenkundig von der Rechtsauffassung des [X.] ausgegangen ist, diese aber aus Sicht des Beschwerdeführers falsch angewendet hat ([X.]-Beschluss vom 03.07.2019 - VIII B 86/18, Rz 4).

4

b) Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall keine Divergenz gegeben.

5

aa) Die Klägerin entnimmt der Vorentscheidung folgenden Rechtssatz: "Nach den zuvor dargestellten Rechtsgrundsätzen des [X.] müssen nachträgliche Veränderungen bei gewöhnlicher Einsichtnahme in die Datei offengelegt werden und erkennbar sein […]."

6

Die Klägerin hat damit schon keinen für eine Divergenzprüfung ausreichenden abstrakten Rechtssatz aus dem [X.]-Urteil herausgestellt. Darüber hinaus ergibt sich aus der von der Klägerin zitierten Stelle der Vorentscheidung und aus den weiteren Ausführungen des [X.], dass das Gericht seiner Entscheidung die Rechtsprechung des [X.] zu den Anforderungen, die ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erfüllen muss, ausdrücklich zugrunde gelegt hat.

7

Das [X.] ist insbesondere nicht von dem klägerseits als angebliche Divergenzentscheidung angeführten [X.]surteil vom 16.11.2005 - VI R 64/04 ([X.]E 211, 513, [X.] 2006, 410) abgewichen. Der [X.] hat dort unter anderem ausgeführt, dass eine mittels eines Computerprogramms erzeugte Datei, an deren bereits eingegebenem Datenbestand zu einem späteren Zeitpunkt noch Veränderungen vorgenommen werden können, ohne dass die Reichweite dieser Änderungen in der Datei selbst dokumentiert und bei gewöhnlicher Einsichtnahme in die Datei offen gelegt wird, kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes darstellt ([X.]surteil vom 16.11.2005 - VI R 64/04, [X.]E 211, 513, [X.] 2006, 410, unter [X.]c).

8

Hiervon ist die Vorinstanz nicht --auch nicht in nur fallbezogenen [X.] abgewichen. Aus der angeblichen Divergenzentscheidung des beschließenden [X.]s ergibt sich vielmehr, dass die nachträglichen Veränderungen in der Datei dokumentiert und offen gelegt werden und damit also auch "erkennbar" sein müssen.

9

Wie Dokumentation und Offenlegung im einzelnen (technisch) zu erfolgen haben, hat der [X.] hingegen weder in seinem Urteil vom 16.11.2005 - VI R 64/04 ([X.]E 211, 513, [X.] 2006, 410) noch in den weiteren, von der Klägerin angeführten Entscheidungen ([X.]surteil vom 01.03.2012 - VI R 33/10, [X.]E 236, 497, [X.] 2012, 505 und [X.]sbeschluss vom 19.08.2008 - VI B 125/07) im Einzelnen festgelegt. Soweit das [X.] angenommen hat, an der Erkennbarkeit nachträglicher Veränderungen fehle es, wenn sich diese erst durch weitere Abfragen offenlegen ließen, zu denen (nur) der Systemadministrator der Klägerin die Möglichkeit habe, weicht es jedenfalls nicht von der genannten [X.]srechtsprechung ab.

bb) Die Klägerin entnimmt der Vorentscheidung des Weiteren den Rechtssatz, es fehle an der Geschlossenheit des Fahrtenbuchs, falls die Finanzverwaltung im Rahmen der Überprüfung erst weitere Unterlagen anfordern müsse.

Auch damit weicht das [X.] nicht von der [X.]srechtsprechung zur Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuchs ab. Denn der [X.] hat entschieden, dass ein Fahrtenbuch insbesondere in geschlossener Form geführt werden muss und eine mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei diesen Anforderungen nur dann genügt, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder zumindest in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offen gelegt werden ([X.]surteil vom 16.11.2005 - VI R 64/04, [X.]E 211, 513, [X.] 2006, 410, unter [X.]). Müssen somit erst weitere Listen angefordert oder Abfragen bei [X.] (zum Beispiel dem Systemadministrator) durchgeführt werden, um feststellen zu können, dass es sich bei dem in elektronischer Form geführten Fahrtenbuch um ein in sich geschlossenes Verzeichnis und damit ein [X.]" handelt, stellt eine solche Datei keine geeignete Aufzeichnungsmethode dar.

cc) Letztlich entnimmt die Klägerin der Vorentscheidung noch den "Rechtssatz":

"Hieraus [aus den Vorgaben des [X.], [X.]. Verfasser] kann nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass hinsichtlich der Frage der Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuchs die Anforderungen an ein manuell geführtes Papierfahrtenbuch und an ein elektronisch geführtes Fahrtenbuch identisch sein müssen. Denn ein handschriftlich geführtes Fahrtenbuch, welches in dem PKW verbleibt, ist nur bedingt vergleichbar mit einem anhand eines elektronischen Datenbanksystems erstellten Fahrtenbuchs [sic!]."

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich das vorgenannte Zitat --entgegen der [X.]erkung des Verfassers der [X.] nicht auf die "Vorgaben des [X.]" sondern auf das in dem vorstehenden Satz des [X.]-Urteils genannte Schreiben des [X.] ([X.], 232) bezieht, auf das die Klägerin im Klageverfahren verwiesen hatte.

Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung des beschließenden [X.]s, dass die Anforderungen an ein Fahrtenbuch auf Papier und an ein elektronisches Fahrtenbuch nicht identisch sein können. So hat zum Beispiel das Erfordernis, dass nachträglich vorgenommene Änderungen in der Datei dokumentiert und offen gelegt werden müssen ([X.]surteil vom 16.11.2005 - VI R 64/04, [X.]E 211, 513, [X.] 2006, 410, unter [X.]c), nur für ein elektronisches Fahrtenbuch Bedeutung. Bei einem in Papierform geführten Fahrtenbuch gibt es demgegenüber keine "Datei" in dem vorgenannten Sinne, sondern lediglich auf Papier festgehaltene Eintragungen (Daten). Auch hier müssen nachträgliche Änderungen allerdings "deutlich als solche erkennbar" sein ([X.]surteil vom 16.11.2005 - VI R 64/04, [X.]E 211, 513, [X.] 2006, 410, unter [X.]a), so dass eine lose Ansammlung einzelner Daten (Blätter, Seiten) ohne äußeren Zusammenhang schon in begrifflicher Hinsicht kein "Fahrtenbuch" sein kann. Die hiernach erforderliche "buch"-förmige äußere Gestalt kann dabei wiederum selbstverständlich nur ein in Papierform, nicht aber ein elektronisch geführtes Fahrtenbuch aufweisen.

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines [X.] (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) zuzulassen.

Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Denkgesetze stellt --selbst wenn er vorliegen würde-- entgegen der Ansicht der Klägerin keinen Verfahrensfehler sondern einen materiell-rechtlichen Fehler (Rechtsanwendungsmangel) dar (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]surteil vom 11.11.2010 - VI R 16/09, [X.]E 232, 34, [X.] 2011, 966, Rz 21; [X.]sbeschluss vom 26.11.2020 - VI B 29/20, Rz 13, jeweils m.w.N.). Die Geltendmachung falscher materieller Rechtsanwendung führt jedoch grundsätzlich --von im Streitfall nicht gegebenen Ausnahmen [X.] nicht zur Zulassung der Revision ([X.]sbeschluss vom 05.08.2022 - VI B 65/21, Rz 8, m.w.N.).

3. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI B 37/23

12.01.2024

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 16. Mai 2023, Az: 3 K 1219/21, Urteil

§ 6 Abs 1 S 1 Nr 4 S 3 EStG, § 8 Abs 2 S 4 EStG, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.01.2024, Az. VI B 37/23 (REWIS RS 2024, 167)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 167

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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