Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.08.2015, Az. 3 StR 259/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 6351

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
259/15
vom
20. August 2015
in der Strafsache
gegen

wegen räuberischer Erpressung

-
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-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 20.
August 2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am [X.]
[X.],

die [X.] am [X.]
Pfister,
[X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. Spaniol

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 5.
Februar 2015

a)
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt ist,
sowie

b)
im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

4. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung zur Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die zu Ungunsten des Angeklag-ten eingelegte, vom [X.] vertretene Revision der Staatsan-waltschaft rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet im Einzelnen den Schuldspruch des angefochtenen Urteils. Der Angeklagte stützt seine Re-vision auf die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat vollen Erfolg, das des Angeklagten ist nur teilweise [X.].

Das [X.] hat im Wesentlichen das Folgende festgestellt:

Nachdem der Angeklagte am Morgen des 8.
Juli 2014 zehn Tabletten Benzodiazepine und zwei Gin Tonic zu sich genommen hatte, beschloss er, bei der C.

bank in D.

"an Bargeld zu gelangen". Gegen 11:30 Uhr betrat der -
Sportkappe und Sonnenbrille tragende -
Angeklagte unter Mitfüh-rung eines Koffertrolleys, der im Wesentlichen sein
Reisegepäck enthielt, die C.

bank und trat auf den Kassenschalter zu, an welchem die Zeugin E.

ihren Dienst versah. Auf ihre Frage, was sie für den Angeklagten tun könne, legte dieser zunächst wortlos einen Zettel auf den Bankschalter, auf welchem er die Auszahlung von 2.000 bis dass er Leukämie habe. Die Zeugin, die bis zu diesem Zeitpunkt völlig angst-
und arglos war, erwiderte, dass sie dem Angeklagten nicht ohne weiteres Geld auszahlen könne, was der Angeklagte mit der Bemerkung: "Doch!" [X.]. Als die Zeugin, immer noch arglos, weiterhin nicht reagierte, lehnte sich der Angeklagte über den Kassenschalter, zog seine Sonnenbrille vom Nasenrü-cken, schaute die Zeugin nachdrücklich an und sagte:
"Keine Polizei, kein Alarm, ich habe eine Kofferbombe, zahlen Sie aus!", um damit die Herausgabe 1
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des geforderten Geldbetrages zu erreichen. Die Anwendung dieser Drohung zur Durchsetzung seiner Forderung hatte er erst in diesem Moment spontan beschlossen.

Die Zeugin E.

, die bereits in der Vergangenheit Opfer eines Überfalls gewesen war, wich sofort zurück. In Erinnerung an den früheren Fall erlitt sie einen Schock, fing an zu weinen und zitterte am ganzen Körper. Auf ihren Zuruf trat der Zeuge [X.]

, der Filialleiter der C.

bank, an ihre Seite, dem sie mitteilte, dass der Angeklagte Geld wolle, sonst würde er eine im Koffer befindliche Bombe zünden. Der Zeuge [X.]

schickte die Zeugin E.

in den hinteren Bereich der Bankfiliale, wandte sich an den Angeklagten und fragte nach dessen Wunsch. Der Angeklagte erklärte, dass er Geld haben wolle, er sei krank. Der Zeuge [X.]

war nicht davon überzeugt, dass der Angeklagte tat-sächlich eine Kofferbombe bei sich führte, hatte aber die Sorge, dass dieser eine Spritze oder ein Messer bei sich habe und zur Durchsetzung seiner Forde-rung auch einsetzen könnte. Auf die Frage, welchen Geldbetrag der Angeklagte wünsche, erwiderte dieser, 2.000 -

.

begann nun, eine Auszahlung vorzubereiten und erklärte dem Angeklagten Schritt für Schritt, wie er vorzugehen gedenke, um diesen in Sicherheit zu wie-gen und zu beruhigen, da er auch wegen des ungesunden Aussehens des [X.] beunruhigt war. Nachdem der Zeuge [X.]

ausgezahlt hatte, forderte der Angeklagte diesen auf, ihn bis zur [X.] zu begleiten, um zu gewährleisten, dass er nicht festgehalten werde. Dann ver-ließ der Angeklagte die Bank, setzte einige Meter entfernt seinen Koffer in [X.] und verschwand.

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-
[X.] Revision der Staatsanwaltschaft

1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils
aufgrund der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Sachrüge führt zur Änderung des Schuldspru-ches dahin, dass der Angeklagte der schweren räuberischen Erpressung ge-mäß §
250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. [X.] schuldig ist. Die Urteilsfeststellungen belegen die Verwirklichung sämtlicher tatbestandlichen Voraussetzungen die-ses [X.]es durch den Angeklagten in objektiver und subjek-tiver Hinsicht. Danach hat der Angeklagte seinen Koffer mitgeführt, um diesen als Drohmittel zur Erlangung des Geldes einzusetzen, indem er zu diesem Zweck vorgab, der Koffer enthalte eine Bombe. Nach dem Wortlaut der Norm ist es weder erforderlich, dass das mitgeführte Werkzeug oder Mittel seiner Be-schaffenheit nach objektiv geeignet ist, das Opfer durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu nötigen, noch bedarf es überhaupt seines derartigen Einsatzes; denn es kommt nur auf eine entsprechende subjektive Intention des [X.] bei der Tatausführung sowie sein Bewusstsein an, das Werkzeug oder Mittel für diesen Zweck gebrauchsbereit bei sich zu haben (vgl. [X.], Beschluss vom 26.
November 2013 -
3 [X.], [X.], 110 zu §
250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB). Dabei ist es ausreichend, wenn der Täter -
wie hier festgestellt -
zu diesen subjektiven Überlegungen erst während der
Begehung der Tat ge-langt (vgl. [X.], Urteil vom 10.
April 2003 -
3 [X.], [X.], 202 zu §
177 Abs. 3 Nr. 2 StGB), sodass der [X.] im [X.] dann ohne weiteres erfüllt ist, wenn der Täter das Werkzeug oder Mittel entsprechend seiner Absicht sogar tatsächlich einsetzt (vgl. [X.], Urteil vom 6.
September 2005 -
5 [X.], [X.], 373). Soweit die [X.] wegen der weiten Fassung des §
250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. [X.] den Tatbestand einschränkend dahin auslegt,
dass dieser nicht auf Fälle Anwen-dung finden soll, in denen die objektive Ungefährlichkeit des Werkzeugs oder 5
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Mittels schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild offenkundig auf der Hand liegt (s. etwa [X.], Urteil vom 18.
August 2010 -
2 StR 295/10, [X.], 278 mwN), ist ein derartiger Sachverhalt hier entgegen der Auffassung des Landge-richts nicht gegeben; denn ob der Koffer eine Bombe enthielt oder nicht, war nach seinem äußeren Erscheinungsbild gerade nicht erkennbar.

Die Feststellung des [X.], dass der das Geld herausgebende Zeuge [X.]

an den Angeklagten auszahlte, weil er Sorge hatte, dieser könne eine Spritze oder ein Messer bei sich haben und einsetzen, stellt sich in rechtlicher Hinsicht als eine unwesentliche Abweichung von dem Kausalverlauf dar, den sich der Angeklagte nach den Feststellungen vorgestellt hatte,
und ist daher -
wie das [X.] zutreffend erkannt hat -
für die rechtliche Beurteilung der Tat be-deutungslos
(vgl. S/[X.]/[X.], StGB, 29.
Aufl., §
15 Rn.
55
f.).

Der Schuldspruchänderung steht §
265 StPO nicht entgegen, da die Tat als schwere räuberische Erpressung gemäß §
250 Abs. 1 Buchst. [X.] an-geklagt und die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen worden war.

Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Straf-ausspruchs nach sich.

2. Der Strafausspruch kann indes auch deshalb nicht bestehen bleiben, weil das [X.] seine Annahme, der Angeklagte sei bei
Begehung der Tat uneingeschränkt schuldfähig gewesen, unzureichend begründet hat. Dieser 7
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zum Nachteil des Angeklagten wirkende Rechtsfehler ist (auch) auf die [X.] der Staatsanwaltschaft zu beachten (§
301 StPO).

Die sachverständig beratene [X.] hat zur Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgeführt, dass der anzunehmende Konsum von zehn Tabletten Benzodiazepinen in Kombination mit zwei Gin Tonic kurz vor Begehung der Tat zwar die "Kritik-
und Hemmschwelle"
beeinflusst haben und somit [X.] gewesen sein könne. Eine die Steuerungs-
und/oder Einsichtsfähigkeit aufhe-bende bzw. erheblich beeinträchtigende Wirkung könnten diese Wirkstoffe unter Berücksichtigung einer Gesamtschau jedoch nicht gehabt haben. Dass er die zu erwartenden Ausfallerscheinungen wie etwa Sprachschwierigkeiten, Unsi-cherheiten in der Motorik, Handlungsbrüche und Auffälligkeiten im Verhalten nicht gezeigt habe, sei mit der langfristigen Gewöhnung des Angeklagten an die Medikamente zu erklären.

Nach diesen Maßstäben hätte das [X.] zusätzlich prüfen und er-örtern müssen, welche Bedeutung für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten der Feststellung zukommt, dass er nach Verlassen der Bank nicht unmittelbar flüchtete, sondern nur wenige Meter vom Tatort entfernt seinen Kof-fer in [X.] setzte, bevor er verschwand und damit eine Auffälligkeit im Verhal-ten insofern zeigte, dass er in der Nähe des [X.] verblieb und erst flüchtete, nachdem er seinen im Wesentlichen Reiseutensilien enthaltenden Koffer in [X.] gesetzt und zurückgelassen hatte, was nach den bisherigen [X.] nicht nur völlig sinnlos war, sondern auch zur Feststellung seiner Identität führte.

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Der Senat kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei Berück-sichtigung dieser -
nicht näher dargelegten -
Auffälligkeit im Nachtatverhalten des Angeklagten zu der Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat gelangt wäre und dann eine mildere Strafe verhängt hätte. Eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten im Sinne von §
20 StGB ist unter den gegebenen Gesamtumständen demgegenüber [X.].

I[X.] Revision des Angeklagten

Die auf die Sachrüge des Angeklagten veranlasste umfassende
materiell-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuld-spruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Auch die Ablehnung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hält -
entgegen der Ansicht des [X.] -
im Ergebnis der rechtlichen Überprüfung stand. Das [X.] hat ei-nen Hang des Angeklagten im Sinne von §
64 Satz 1 StGB mit der Begründung verneint, dass der Drogen-
und Medikamentenkonsum des Angeklagten zu kei-nem Zeitpunkt in seinem Leben, auch nicht unmittelbar vor oder am
Tattag selbst, handlungsbestimmend im Sinne von einem "[X.]"
und sein Konsumziel (zuletzt) auch nicht gewesen sei, den Folgen fehlenden Konsums vorzubeugen oder zu begegnen, sondern die [X.], sich zu Tode zu feiern, sich quasi den "goldenen Schuss"
zu setzen. [X.] Wertungen werden von den Urteilsfeststellungen getragen und sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit der [X.] rügt, das [X.] habe der Fähigkeit des Angeklagten, seine persönlichen und beruflichen Belange weitgehend geordnet wahrzunehmen, eine "zu hohe Be-13
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deutung beigemessen", vermag dies einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht zu begründen, da durch den [X.] hiermit -
wie sich bereits aus der Wortwahl ergibt -
lediglich eine eigene, von der des [X.] abwei-chende Wertung vorgenommen wird, die revisionsrechtlich unbeachtlich ist.

Der Strafausspruch kann indes aufgrund des im Rahmen der Revision der Staatsanwaltschaft dargelegten, zum Nachteil des Angeklagten wirkenden Rechtsfehlers, auf dem das Urteil beruhen kann, auch auf dessen Revision hin keinen Bestand haben.

[X.]

[X.][X.]

Ri[X.] [X.] befindet sich Spaniol

im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

[X.]
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Meta

3 StR 259/15

20.08.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.08.2015, Az. 3 StR 259/15 (REWIS RS 2015, 6351)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6351

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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